Protokoll der Sitzung vom 29.01.2015

Ich nenne einen zweiten Punkt. Der Philosoph Karl Popper sagte einmal: „Eine Mehrheitsdiktatur kann für die Minderheit fürchterlich sein.“

Ich nenne den dritten Punkt: „not in my backyard“, zu Deutsch, nicht vor meiner Haustür. Viele charakterisieren nämlich so manche Bürgerbeteiligungsbewegungen, die gerade große Infrastrukturprojekte blockieren.

Das sind drei Sätze, die deutlich machen, dass es mit der Bürgerbeteiligung nicht so einfach ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Mancher will nicht, weil er vielleicht schläft. Wir wollen ihn auch nicht zwingen. Auch eine Mehrheit – das ist auch wichtig – lässt sich letztendlich nicht immer durchsetzen. Es ist nicht immer einfach zu sagen, was Gemeinwohl ist.

Die verfasste Demokratie mit Repräsentanten, Gewaltenteilung, Minderheitenschutz, Rechtsschutz usw., all diese Mechanismen unserer Verfassung tragen Sorge dafür, dass wir nicht in einer sogenannten Volksdemokratie, sondern in einer rechtsstaatlichen Demokratie leben. Wir alle, die wir in der bürgerlichen und freiheitlichen Demokratie Politik machen, sind auf Partizipation angewiesen; denn aus der Partizipation, also auch aus den Wahlen – diese sind auch Partizipation –, ziehen wir unsere Legitimation. Das ist völlig klar.

Bürgerbeteiligung, so wie wir sie in der EnqueteKommission behandelt haben, ist eine besondere Ausprägung der Partizipation. Es ist aber nicht die einzige, aber eine wichtige.

Ich sage noch etwas zur Bürgerbeteiligung als Instrument, um der Politikverdrossenheit zu begegnen. Dafür ist sie aus unserer Sicht nicht unbedingt geeignet. Es gibt beispielsweise einen Leserbrief – man könnte viele Leserbriefe aufführen – aus der „Rhein-Zeitung“ vom November letzten Jahres, der zum Ausdruck gebracht hat, die Bürger sind nicht politikverdrossen, aber sie haben das Vertrauen in die Politiker verloren, weil sie offenkundig meinen, die Politiker haben nicht das Wohl der Bürger im Auge, sondern den eigenen Machterhalt.

Hier müssen wir uns sicherlich auch immer alle Dinge vorhalten. Hier gibt es leider auch im Land einige Beispiele dieser Art, ob jetzt Nürburgring oder auch Personalpolitik nach Gutsherrenart bei Besetzungen von Präsidentenstellen beim Oberlandesgericht oder jüngst die Besetzung des Vizepräsidenten beim Landesrechnungshof.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nichtsdestotrotz, jedes Bemühen, mehr Bürger in die Gestaltung des Gemeinwesens einzubinden, ist es wert, mit Leidenschaft weiter verfolgt zu werden. Die EnqueteKommission hat hier ohne Frage einen ganz wichtigen Beitrag geleistet und sich auch entsprechend die Problematik angeschaut. Aber bei allem Engagement, wie

das im politischen Leben letztendlich ist, Anspruch und Wirklichkeit laufen allzu oft auseinander.

(Pörksen, SPD: Heute besonders!)

Das nagt dann natürlich wiederum an der Glaubwürdigkeit. Das ist Voraussetzung für das Vertrauen, und Vertrauen ist die wichtigste Voraussetzung für Bürgerbeteiligung.

(Beifall der CDU)

Da hilft es wenig, wenn die SPD-Generalsekretärin auf Bundesebene mit dem abwegigen Vorschlag kommt, gegen die Wahlverdrossenheit machen wir dann einfach eine Wahl und verlängern die auf eine gesamte Woche, oder wenn Herr Özdemir von den GRÜNEN als Rezept gegen geringe Wahlbeteiligung kommt und einfach dahersagt, dass den jungen Menschen der Wert von Demokratie in der Schule vermittelt werden muss. Das hört sich vielleicht alles gut an, aber ist das denn so? Wir hatten auch immer wieder viele Themen diskutiert. Ich will sie auch nur schlaglichtartig hier ansprechen, weil es von der Zeit her gar nicht anders machbar ist.

Da wären zum einen die politische Bildung und auch das Wahlalter mit 16. Die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre nutzt aus unserer Sicht nicht als Zauberformel gegen Politikverdrossenheit, um das ganz klar zu sagen.

(Beifall der CDU)

Wir wollen auch keine Entkoppelung des Wahlrechts von der Volljährigkeit, ganz abgesehen davon, dass ein Interesse bei weiten Teilen der 16- bis 18-Jährigen zum Teil auch in der Tat hinterfragt werden muss. Das erlebt man bedauerlicherweise ab und zu auch in den entsprechenden Diskussionen.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Das wird von den über 18-Jährigen auch hinterfragt!)

Was in jedem Fall auch verbessert werden müsste – das haben wir immer wieder angemahnt –, ist, der Unterricht müsste hier ein Stück weit vorgezogen werden. Das müsste auch mit mehr Lehrkräften unterfüttert werden. Das geschieht aber leider nicht. Zumindest können wir das nicht erkennen. Da gibt es sicherlich einige Dinge, die man hier besser machen könnte, als letztendlich nur mit dem Schaulaufen des Wahlalters mit 16 Jahren.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch über das Kommunalwahlgesetz und über Änderungen im Kommunalwahlgesetz haben wir uns unterhalten. Ich glaube, da sind wir uns alle einig, eine gendergerechte Demokratie wollen wir alle. Wir sind uns auch alle einig, dass Frauen – hier im Parlament ist das Gott sei Dank verbessert worden – gerade in der Kommunalpolitik leider unterrepräsentiert sind. Der von Rot-Grün eingebrachte Gesetzentwurf – damals zur Kommunalwahl – hat vor dem Verfassungsgericht nicht standgehalten, obwohl wir

das von Anfang an gesagt hatten und auch andere Vorschläge gemacht haben.

(Beifall der CDU)

Bis heute gibt es keine konkrete Auswertung dieser Kommunalwahl, wie es jetzt mit Frauenanteil usw. aussieht. Darüber hätte man auch schon einmal sprechen können und müssen.

(Vereinzelt bei der CDU)

Es ist bedauerlich, dass das letztendlich noch nicht erfolgt ist. Wir, die CDU, setzen auf Überzeugen statt Aufzwingen. Wir wollen den politischen Diskurs. Das ist uns in der Tat ganz wichtig. Wir hatten auch Beispiele eingebracht. Viel zielführender könnten wir uns vorstellen, dass zum Beispiel die Vorabversendung des Wahlzettels für die Kommunalwahl an alle Wahlberechtigten nach dem Vorbild von Baden-Württemberg erfolgen sollte, was Sie leider mit Ihrer Mehrheit verhindert haben.

(Beifall der CDU – Zurufe von der SPD)

Wenn ich mir die Bürgerbeteiligung anschaue – da geht auch die Landesregierung immer ganz vorneweg –, dass Sie gerade in der Fusionsdebatte in der Kommunalreform nicht gerade Ihr Meisterstück abgeliefert haben, wissen Sie selbst.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Da ist mit Bürgerbeteiligung nicht gerade ein Eckstein in der kommunalen Landschaft gesetzt worden. Ein Beleg für fehlende Bürgerbeteiligung ist allein schon die Zahl von anhängigen Fusionsklagen, mit denen Sie sich letztendlich beschäftigen müssen.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, eigentlich sollten wir darüber im Zusammenhang mit der EnqueteKommission gar nicht mehr reden, und zwar über das sogenannte Transparenzgesetz; denn die Landesregierung hat nach dem Motto „Was schert uns der Landtag“ bereits Fakten geschaffen und einen Referentenentwurf in die Welt gesetzt und im Grunde genommen auch immer wieder ein Stück weit kommuniziert. Übrigens – ich glaube, dass ging auch allen ein Stück weit so – hat von Beginn an die Staatskanzlei, bevor die EnqueteKommission erstmalig ihre Arbeit aufnehmen konnte, obwohl die Einsetzung schon war, immer wieder Verlautbarungen, Begutachtungen, Veranstaltungen parallel zu der Enquete-Kommission gefahren. Das fanden wir zum Teil alle in der Enquete-Kommission nicht besonders schön. Vor diesem Hintergrund will ich das auch so ansprechen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Transparenz schafft Vertrauen. Deshalb sind wir durchaus für einen Paradigmenwechsel von der Holschuld zur Bringschuld, von der Informationsfreiheit zur Transparenz. Da sind wir

uns sicherlich einig. Wenn ich mir aber den Referentenentwurf anschaue, kann ich nur sagen, dass aufgepasst werden muss, dass diese Vision nicht zu einer Seifenblase wird.

(Beifall bei der CDU)

Auch hier machen Sie wieder einmal die Rechnung vor allem ohne die Kommunen. Die sind nämlich letztendlich die Leidtragenden, die es dann wieder ausbaden müssen. Da steht ganz oben das Konnexitätsprinzip.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Da gibt es auch kommunale Beschlüsse aller kommunalen Vertreter, die das auch schon wieder anmahnen, was da umgesetzt wird. Die CDU hat in der EnqueteKommission empfohlen, das Transparenzgesetz sehr wohl parallel zu E-Government zu entwickeln. Dabei bleiben wir. Dazu gehört aber auch der flächendeckende Ausbau in Breitband, weil sich ansonsten jemand, der kein Breitband hat, mit E-Government und sonstigen Dingen nicht entsprechend beschäftigen kann.

(Beifall bei der CDU – Pörksen, SPD: Oettinger!)

Ich will die Auflistung abkürzen. Es gäbe in diesem Bereich noch viel zu sagen. Im Grunde genommen merkt man manchmal, dass die Punkte nur genehm sind, wenn es in Ihre speziellen Pläne passt, dass man dann Bürgerbeteiligung nach vorne stellt.

(Schweitzer, SPD: Wir haben eben Vorstellungen, die haben Sie nicht! – Noss, SPD: Ihr seid da ganz anders!)

Wir haben einige Anmerkungen auch in unserer abweichenden Meinung vorgebracht.

(Schweitzer, SPD: Keine abweichende Meinung, sondern eine ausweichende Meinung!)

Unsere Position lässt sich im Grunde genommen – wie oben schon angesprochen – klar verdeutlichen. Zum einen: Die direkte Demokratie ist für uns eine Ergänzung der repräsentativen Demokratie, und der politische Diskurs kommt aus unserer Sicht vor einer Regulierung. Wir wollen überzeugen, und wir wollen nicht erzwingen und regulieren. Das gilt wiederum natürlich auch für die Kommunen.

Eine Verrechtlichung engt Handlungsspielräume ein. Wichtig ist vielmehr ein permanenter politischer Diskurs in der Öffentlichkeit, der verdeutlicht, dass repräsentative Demokratie und Bürgerbeteiligung im Grunde genommen zwei Seiten derselben Medaille sind. Ich finde, auch das gehört einmal gesagt.

(Beifall der CDU)

Schließlich lehnen wir auch Veränderungen ab, die mit heißer Nadel gestrickt sind. Wir wollen die Chance nicht vertun, mit den Beteiligten vor Ort auch gemeinsam zu Zielvereinbarungen zu kommen. Gerade auch bei den Kommunen gibt es da durchaus größere Möglichkeiten.

Wir haben auch über andere Dinge wie Bürgerhaushalte gesprochen. Das sind für uns rein informelle Verfahren. Auch hier sehen wir keine Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung. Wir sagen aber auch, wer einen Bürgerhaushalt vor Ort machen möchte, ist da durchaus frei in seiner Möglichkeit. Es gibt verschiedene Beispiele im Land. Das sind durchaus auch positive Beispiele. Wir wollen es aber nicht erzwingen. Aufwand und Ertrag müssen immer in einem vertretbaren Verhältnis zueinander stehen. Auch das ist ganz wichtig. Das gehört auch dazu.

Die informelle Beteiligung in den Kommunen als Pflicht in die Kommunalverfassung aufzunehmen, ist aus unserer Sicht nicht zielführend, weil wir auch hier wieder die Möglichkeit und die Vielfalt der Kommunen haben wollen und auch die kommunale Selbstverwaltung nicht aushöhlen wollen.

(Haller, CDU: Deswegen eine Zielvereinbarung!)