Ich sage einige Sätze zur Antistressverordnung. Deren Einführung ab dem Jahr 2016, so schreibt die CDU in ihrem Antrag, brächte – man beachte den Konjunktiv II – wenig neue Schutzrechte und mehr bürokratische Regeln. –
Meine Damen und Herren, den Konjunktiv II verwenden wir hauptsächlich, wenn wir uns etwas vorzustellen suchen, was uns heute noch nicht recht vorstellbar erscheint. Er heißt deshalb Irrealis, wenn ich ein Vöglein wär. Das heißt, gäbe es eine Antistressverordnung, brächte sie nichts. Die CDU in Rheinland-Pfalz kann sich die Sache nicht vorstellen.
Ich mache eine Nebenbemerkung. In diesem Konjunktiv hätten Sie vielleicht auch den einen oder anderen Passus im Koalitionsvertrag aus Ihrer Sicht formulieren sollen.
Jetzt komme ich zu dem Antrag zurück. Das Interessante ist, dass Sie zwar den Konjunktiv II benutzen, aber augenscheinlich ein Futur zum Ausdruck bringen wollen. Eigentlich wollen Sie sagen, die Verordnung wird wenig neue Schutzrechte und mehr bürokratische Regeln bringen. Das wollen Sie eigentlich sagen. Das können Sie aber nicht sagen, weil die CDU-geführte Bundesregierung in ihrer Stellungnahme an den Bundesrat 2014
eine verbindliche Regelung in Form einer Rechtsverordnung nicht ausgeschlossen hat und einen weiteren – Sie hatten es gesagt – Bedarf an wissenschaftlichen Erkenntnissen sieht.
Sie können heute schlecht sagen, was Sie eigentlich sagen wollen, das bringt nichts, sondern das brächte. Sprachlich agieren Sie hervorragend, politisch kann man streiten.
Meine Damen und Herren, Gesundheit gehört zu den höchsten Gütern überhaupt. Deshalb gibt es eine Verantwortung der Betriebe, die Arbeit so zu gestalten, dass die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen nicht krank werden. Dazu ist ein geordnetes Regelwerk an diesen und anderen Stellen nicht verwerflich.
Liebe Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe bereits gestern deutlich gemacht, dass das Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes ein Meilenstein der Arbeitspolitik ist und wir uns mit den 3,7 Millionen Menschen freuen können, die vom Mindestlohn profitieren, und zwar ohne Konjunktiv I oder II. Wir freuen uns mit den Menschen.
Wir sehen die Umsetzung dieses Gesetzes daher nicht nur unter dem Aspekt von unzumutbaren Bürokratiebelastungen für die Wirtschaft. Die Mindestlohnregelungen sind wie in allen europäischen Staaten der EU in Deutschland umsetzbar. Wir haben es gestern gesagt, dort, wo Klarstellungsbedarf ist, wird dieser erfolgen und Rechtssicherheit geschaffen werden.
Meine Kolleginnen und Kollegen, insofern möchte ich mich bei meinen Ausführungen auf den angeblichen Bürokratiezuwachs durch die auch von mir als Arbeitsministerin unterstützte Antistressverordnung und die Arbeitsstättenverordnung beschränken.
Um es vorweg zu nehmen, einen Zusammenhang mit einem Bürokratiezuwachs sehe ich nicht. Bei der vergangenen Arbeits- und Sozialministerkonferenz in Mainz haben fast alle Arbeitsministerinnen und -minister der Länder in einem Beschluss festgestellt, dass das anhaltend hohe Niveau arbeitsbedingter psychischer Belastungen und die damit assoziierte Quote von Arbeitsunfähigkeit und Frühverrentung eine vermehrte Anstrengung von Beratung und Überwachung der Betriebe hinsicht
Belastungen durch die Arbeitsorganisation oder Arbeitszeitgestaltung spielen im Gegensatz zu den klassischen Gefährdungsfaktoren des technischen Arbeitsschutzes leider nur eine untergeordnete Rolle. Demgegenüber steht allerdings die rasante Entwicklung der psychischen Belastungen auch bei den Erkrankungen in den letzten zehn Jahren. Ihr Anteil an allen Krankheitsdiagnosen hat sich im Verlauf der letzten zehn Jahre in etwa verdoppelt.
Psychische Erkrankungen sind mittlerweile die Hauptursache für Frühverrentungen. Die gesundheitlichen Folgen tragen die Beschäftigten, die Kosten der Sozialversicherung, die Versicherten und die Unternehmen und die wirtschaftlichen Folgen die Betriebe und die Gesellschaft.
Kolleginnen und Kollegen, konkrete Regelungen für den Bereich psychischer Belastungen bei der Arbeit gibt es aber dennoch noch nicht. Genau das ist das Problem für die Betriebe.
Herr Brandl, sie benötigen Unterstützung, sie wollen die Unterstützung, und ja, sie müssten sich auch beraten lassen, aber keineswegs von kommerziellen Anbietern, sondern die Unternehmen können auf den Arbeitsmedizinischen Dienst zurückgreifen und sich da beraten lassen. Die Länder haben daher bereits im Mai 2013 einen Entwurf einer Anti-Stress-Verordnung der Bundesregierung vorgelegt. Dieser ist aber – wie ihnen bekannt ist – leider nicht beschlossen worden. Wir halten die Verabschiedung dieser Verordnung weiterhin für dringend erforderlich und setzen uns dafür ein, um gerade kleine und mittlere Unternehmen zu unterstützen.
Darüber hinaus stellt der Arbeitsschutz im Arbeitsstättenrecht keine überflüssige Bürokratie dar, wie jetzt anlässlich der Novellierung der Arbeitsstättenverordnung behauptet wird. Ziel des Arbeitsschutzes ist es nämlich, die Beschäftigten vor Krankheiten und Unfällen zu schützen.
Die Arbeitsstättenverordnung existiert seit 40 Jahren und ist ein bewährter Teil des Arbeitsschutzes und der Sozialpartnerschaft, da alle Regelungen gemeinsam mit Arbeitgebern und Arbeitnehmern erarbeitet wurden und werden. In den letzten 40 Jahren wurde diese Regelungen auch immer mehrfach angepasst, um Neuerungen in der Arbeitswelt Rechnung zu tragen. Genauso verhält es sich auch mit der aktuellen Novellierung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, seit heute Vormittag wird in den Online-Ausgaben verschiedener Zeitungen transportiert, dass das Kanzleramt die Arbeitsstättenverordnung gestoppt hätte. Dies entspricht nicht unseren Erkenntnissen, da es bisher keine offiziellen Aussagen aus dem Kanzleramt dazu gibt.
Herr Kollege Brandl, auf Eis gelegt ist immer noch ein bisschen etwas anders als tot. Da gibt es noch einen
kleinen, aber feinen Unterschied. Aber warten wir die offizielle Meldung aus dem Kanzleramt erst einmal ab.
Ich nehme aber dennoch diese Presseaussagen gern zum Anlass, um noch einmal einen Blick in die Historie dieser Novellierung zu werfen. Diese Novellierung der Arbeitsstättenverordnung wurde von Ursula von der Leyen angestoßen. Bis heute gab es zwei kabinettsreife Entwürfe. Dem ersten haben alle Kabinettsmitglieder zugestimmt. Beiden Entwürfen haben alle Ressorts im Rahmen der Anhörung zugestimmt. Der Bundesrat hat mit der Maßgabe der dort beschlossenen Änderungsanträge zugestimmt. Die BDA und die Gewerkschaften wurden beteiligt. Vorschläge wurden aufgegriffen. Von daher ist es nur schwer nachzuvollziehen, wenn erst am Ende des zweiten Durchlaufs eine grundsätzliche Kritik der Arbeitgeber so vehement vorgetragen wird.
Erstens: Die öffentlich heftig kritisierte Vorschrift, dass alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abschließbare Schränke zur Verfügung haben müssen, wurde im Übrigen nicht vom Bundesministerium, sondern vom sächsischen Ministerpräsidenten und stellvertretenden CDUBundesvorsitzenden Tillich in den Bundesrat eingebracht.
Zweitens: In der neuen Arbeitsstättenverordnung werden die bisherige Arbeitsstättenverordnung und die Bildschirmarbeitsverordnung zusammengeführt. Es wird also eine Verordnung abgeschafft. Für mich ist das Bürokratieabbau.
Drittens: Darüber hinaus gelten bezüglich der öffentlich kritisierten Regelung für Telearbeitsplätze – das haben wir gerade gehört – bereits heute die Regelungen des Arbeitsschutzgesetzes und der Bildschirmarbeitsverordnung. Sie müssen also heute bereits gewisse Anforderungen erfüllen. Es sollen jetzt sogar – da muss man noch einmal genau aufpassen – nur die Anforderungen gelten, die unter Beachtung der Eigenart von Telearbeitsplätzen anwendbar sind. Das bedeutet nach meinem Verständnis eine weitgehende Entlastung der Arbeitgeber.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine sich schnell ändernde Arbeitswelt macht es absolut notwendig, bestehende Gesetze und Verordnungen zu überarbeiten und so auf den aktuellen Stand zu bringen. Diese Modernisierung – verbunden mit der Klarstellung und Präzisierung von Begriffen – stellt für mich eine Entlastung der Unternehmen dar und keine Belastung. Wie im Gesetzgebungsverfahren üblich, sind die Sozialpartner, Verbände und sonstigen Betroffenen von Beginn an in die Novellierung eingebunden.
Wir werden uns an den entsprechenden Diskussionen im weiteren Prozess auch bezüglich der Änderungsverordnung im Länderausschuss für Arbeitsschutz- und Sicherheitstechnik beteiligen und berechtigte Anliegen aus der rheinland-pfälzischen Unternehmerschaft dort unterstützen.
Meine Damen und Herren, wir werden aber auch den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Auge behalten; denn um sie geht es.
Wird Ausschussüberweisung beantragt? – Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir direkt zur Abstimmung über den Antrag „Bürokratiezuwachs stoppen, Wirtschaft stärken“, Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 16/4613 –. Wer dem zustimmen kann, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt dagegen? – Stimmenthaltungen? – Somit ist der Antrag mit den Stimmen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU abgelehnt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen damit zum Ende der heutigen Sitzung. Ich darf Sie zur morgigen Plenarsitzung um 09:30 Uhr einladen.