Protokoll der Sitzung vom 26.02.2015

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich darf zunächst Gäste im Landtag begrüßen, und zwar Auszubildende zur oder zum Rechtsanwaltfachangestellten der Berufsbildenden Schule Wirtschaft Koblenz, Klasse 13 b. Herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Weiter darf ich begrüßen Mitglieder des SPDOrtsvereins Sprendlingen-Gensingen. Herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Ich darf noch Gewinnerinnen und Gewinner des Pangea Wettbewerbs Frankenthal, Quantum Bildung e. V., begrüßen. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Herr Abgeordneter Dr. Dr. Schmidt, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Gäste! Kein anderes Thema berührt uns so stark und so sehr emotional wie das Sterben in Würde. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Dazu gehört auch, in Würde sterben zu dürfen. In einer Demokratie verlangt die Würde den Respekt vor dem Willen des Menschen und beruft sich auf dessen Selbstbestimmungsrecht auch am Ende des Lebens.

Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod erweitert den eigenen Horizont und bereitet uns vor. Es ist primär eine Aufgabe der Bildung, schon bei Kindern zum Beispiel in einem gemeinsamen Ethikunterricht auf das Leben vorzubereiten. Dazu gehört auch das Ende des Lebens.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte unserem Landtag herzlich danken, dass er mit dieser Initiative

über dieses hochkomplexe und sensible Thema die Debatte eröffnet hat. Ebenfalls danke ich auch der Fraktion der CDU für diese Große Anfrage.

Das Reden über das Thema schenkt Vertrauen und baut Ängste ab.

Wir Mediziner brauchen rechtliche Rahmen, in denen wir unserer Berufung nachgehen können. An dieser Stelle möchte ich mich unserem Präsidenten der Bundesärztekammer, Herrn Professor Montgomery, anschließend, der sagt: heilen manchmal, lindern oft, trösten immer, aber töten nie.

(Beifall im Hause)

Sehr geehrte Damen und Herren, es darf niemals die menschliche Existenz unter dem Gesichtspunkt eines Kostenfaktors bewertet werden. Die palliativmedizinische Versorgung ist in Rheinland-Pfalz gut ausgebaut. Die bei der ärztlichen Fortbildung angebotenen Kurse zur Erlangung der Zusatzbezeichnung Palliativmedizin – das haben die Kollegen gesagt – sind stets ausgebucht. Dies zeigt auch das große Interesse der Ärztinnen und Ärzte bei diesem Thema, mit dem sie sehr verantwortungsvoll und vorbildlich umgehen.

Es gibt 34 ambulante Hospiz- und Palliativberatungsdienste, zwei ambulante Kinderhospize sowie sechs ambulante Hospizdienste. Trotzdem besteht weiterhin Handlungsbedarf, um eine flächendeckende Versorgung möglichst wohnortnah zu gewährleisten. Hierzu bedarf es der Zusammenarbeit aller Akteure vor Ort, zum Beispiel durch eine regionale Netzweiterbildung und den Ausbau spezialisierter ambulanter Palliativversorgung.

Rheinland-Pfalz liegt bei der Bettenkapazität – das wurde gesagt, das können wir erwähnen – der Palliativstationen mit 35 Betten pro eine Million Einwohnerinnen und Einwohnern deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 22 Betten.

Ich möchte an dieser Stelle allen Akteuren und Ehrenamtlichen, auch die vom Land unterstützt werden, unseren großen Respekt, Anerkennung und Dankbarkeit aussprechen, die Tag und Nacht diese großartigen Leistungen erbringen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Zum Sterben brauchen wir einen Ort der Geborgenheit. Für die meisten Menschen ist das das eigene Zuhause, die Bilder an der Wand, das vertraute Umfeld.

Zu Hause sind die Angst und der Schmerz des Verlustes am geringsten. Die ambulante Palliativbegleitung im häuslichen Umfeld sollte deshalb höchste Priorität haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Franz Kafka hat einmal gesagt, das Problem für Sterbende ist nicht sein eigener Tod, sondern seine Angehörigen. Die Betreuung der Angehörigen ist ein wichtiger Bestandteil der Palliativmedizin.

Unsere Gesellschaft sollte sich generell mehr mit dem Thema Sterben und Tod auseinandersetzen und die Tabuisierung beenden, damit wir das praktische Leben bewusst und mit all unseren Sinnesressourcen wahrnehmen und uns und die anderen bereichern können.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall im Hause)

Herr Dr. Enders hat das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieses ernste Thema treibt mich seit über 30 Jahren ärztlicher Tätigkeit um.

Frau Klöckner hat viel Grundsätzliches gesagt. Unser Ziel in Rheinland-Pfalz ist noch nicht erreicht. Deswegen gestatten Sie mir bei diesem ernsten Thema einige kritisch-konstruktive Anmerkungen.

Es gibt zu viele weiße Flecken. Mit der Großen Anfrage wollten wir deswegen einen landespolitischen Impuls geben, weil wohl die meisten Menschen gern zu Hause sterben würden in der vertrauten Umgebung. Entsprechend der Antwort der Landesregierung auf unsere Anfrage ist der Sterbeort in fast der Hälfte der Fälle nicht die häusliche Umgebung.

Das bedeutet, der weitere Ausbau ambulanter Strukturen, alternative Angebote und die verbindliche Zusammenarbeit aller Akteure müssen deshalb weiter verfolgt werden.

Wichtig ist auch, dass die vorhandenen Angebote in der Aus-, Weiter- und Fortbildung – das sind drei verschiedene Dinge – bei den Ärzten und dem Pflegepersonal der demografischen Entwicklung Rechnung tragen. In diesem Zusammenhang ist es ganz wichtig, dass bei der Ärzteschaft die palliativmedizinischen Kompetenzen gestärkt werden.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eben wurde gesagt, die Kurse seien gut besucht. Es gibt noch zu wenig Angebote. Deswegen sind sie so ausgebucht. Dabei geht es auch darum, den konkreten Bedarf sicher zu ermitteln, zu dem ausweislich der Antwort keine Informationen vorliegen.

Da habe ich eine besondere Bitte. Das meine ich sehr ernst. Herr Schweitzer, das ist gerade bei den Allgemeinärzten, bei der Allgemeinmedizin, sehr wichtig: der Hausarzt. – Ich weiß von vielen hausärztlichen Kollegen, die anders als ich als Anästhesist und Intensivmediziner eine gewisse Distanz zu Opiaten und diesen Substanzen haben, die man in der Palliativmedizin braucht. Da

liegt der Schwerpunkt. Viele Hausärzte sind da überfordert und müssen fort- und weitergebildet werden.

(Beifall der CDU)

Ein weiterer Punkt ist der Bedarf an Palliativstationen und Palliativbetten. Ich bin der Ansicht, dass das im Rahmen der Krankenhausplanung künftig besonders berücksichtigt werden muss. Schließlich räumt die Landesregierung selbst ein, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich in bestimmten Regionen ein neuer Bedarf ergibt. Dabei ist es keinesfalls ausreichend zu sagen, es stand oder steht den Krankenhäusern frei, die mit der Errichtung verbundenen Kosten im Rahmen der Investitionen des Landes geltend zu machen. Der Ausbau der Palliativmedizin darf nicht am vorhandenen Investitionsstau – wir haben gestern am Rande darüber gesprochen – scheitern.

(Beifall bei der CDU)

Punkt 2: SAPV. – Frau Anklam-Trapp, Sie haben es erwähnt. Das ist etwas ganz Spezielles. 10 % bis 15% der Schwerkranken brauchen das. Da geht es um mehr als Medikamente. Da geht es um Psychotherapie, psycho-soziale Unterstützung und vieles mehr. Der Rahmenvertrag zwischen Leistungserbringer und Kostenträger muss flächendeckend umgesetzt werden. Auch da sagt die Landesregierung in der Antwort, dass der tatsächliche Bedarf noch erhoben werden muss. Wir wissen, dass wir eine Quote von 1 : 250.000 Einwohnern schätzen. Das wären bei uns etwa 16 SAPV-Teams. Wir haben 7 Stück. Das befindet sich also erst im Aufbau und ist nicht flächendeckend. Ich darf darauf verweisen, dass bereits im Juli 2014 in der Vorlage 16/4210 der damalige Sozialminister Alexander Schweitzer festgestellt hat, dass im Herbst 2014 in Neustadt an der Weinstraße ein weiteres SAPV-Team installiert wird.

(Frau Klöckner, CDU: Sehr gut!)

Das ist offensichtlich entsprechend der Antwort der Landesregierung immer noch nicht der Fall. Da ist also Zeit, etwas zu tun.

(Beifall bei der CDU – Frau Klöckner, CDU: Das kriegt er gerade nicht mit! – Schweitzer, SPD: Ich kriege es mit, keine Sorge!)

Ich konnte es zumindest nicht lesen. Es gibt auch noch keinen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin. Ich glaube, auch da haben sie etwas Falsches gelesen. Frau BätzingLichtenthäler hat mir das bestätigt. Es gibt ihn noch nicht. Er ist noch nicht besetzt. Ich verweise auf die gestrige Debatte.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Vorletzter Punkt: ambulante Hospizarbeit. – Die Landesregierung muss die Bedarfsentwicklung in der ambulanten Hospizarbeit überwachen und dafür auch eintreten. Das muss regional geschehen. Anders geht es nicht. Hierzu bedarf es eines Konzeptes.

Den Hinweis in der Antwort, eine Bedarfsplanung der stationären Hospize sei nicht vorgeschrieben, halten wir

für nicht akzeptabel. Auch dem stationären Bereich muss Rechnung getragen werden. Auch dazu gehört eine Bedarfsplanung.

(Beifall bei der CDU – Pörksen, SPD: Aber stimmen tut es trotzdem!)

Das heißt für uns als Parlament, wir müssen fordern, dass stationäre Hospize nicht von der Landesförderung ausgeschlossen werden dürfen.

Ich darf das zusammenfassend als letzten Punkt sagen, dass die sechs stationären Einrichtungen, die wir haben, 58 Betten oder Plätze bereithalten. Gemessen an der Einwohnerzahl – ca. 4 Millionen – ergibt dies 15 Betten pro 1 Million Einwohner. Damit liegt Rheinland-Pfalz unterhalb des Bundesdurchschnitts von rund 22 Betten pro 1 Million Einwohner. Ich weiß, in der Antwort steht, es ist geplant, das zu erhöhen. Wir wollen einmal abwarten. Wir müssen darauf drängen, dass das auch nachhaltig geschieht.