Frau Klöckner, das ist unglaubwürdig, wenn Sie heute in der Zeitung „Allgemeine Zeitung“ nachlegen – ich zitie- re –: Wenn es jemand toll findet, sich voll zu verschleiern, warum will er dann in unserer offenen Gesellschaft leben? Es gibt doch andere Länder. –
Sie wollen die Frauen, die unterdrückt werden und deshalb vielleicht Kopftuch oder gar Burka tragen müssen – Sie wollen nicht die Gleichberechtigung dieser Frauen –, heraushaben aus Deutschland. Sie wollen sie in den Ländern haben, wo sie richtig unterdrückt werden
Es geht Ihnen nicht um die religiöse Gleichberechtigung, sondern um die Vormachtstellung des Christentums. Auf der einen Seite fordern Sie ein Kopftuchverbot, auf der anderen Seite sagen Sie wörtlich, die Kruzifixe sollen in den Klassenzimmern hängen bleiben.
Frau Klöckner, das hat nichts mit der Gleichbehandlung der Religionen zu tun, sondern es geht darum, dass Sie ein Weltbild verfolgen, das heißt, das Christentum steht über dem Islam. Das ist eben nicht die Gleichbehandlung der Religionen.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Köbler, was ist der Titel Ihrer Aktuellen Stunde?
Sie wollen doch eigentlich über das Verfassungsgerichtsurteil und das Thema Schulgesetz und Kopftuchverbot sowie das Tragen religiöser Symbole in Schulen reden. Was machen Sie? – Sie reden drei Viertel der Zeit Minimum über irgendwelche anderen Dinge. Entschuldigung, da fühlen wir uns doch leicht auf den Arm genommen.
Ich nehme den Titel Ihrer Aktuellen Stunde ernst und darf doch daran erinnern, dass wir vor sechs Jahren hier eine sehr leidenschaftliche Debatte zu dem Thema geführt haben. Es war ziemlich genau zur selben Jahreszeit. Sie waren damals nicht im Landtag.
Es ging um eine Lehrerin in Worms. Frau Ahnen, Sie erinnern sich noch sehr gut an den Vorgang, denke ich.
Sehr gut, genau, Sie auch, Frau Brede-Hoffmann und ich auch. Da haben wir sehr intensiv über das Thema debattiert.
Wir haben damals – insofern haben Sie sogar noch etwas Richtiges gesagt, Herr Köbler – eine Debatte geführt, ob wir unser Schulgesetz ändern sollten. So verstehe ich natürlich, dass sich mancher darüber freut, dass das Verfassungsgericht entschieden hat, wie es entschieden hat.
Aber ich sage Ihnen eines, diese Freudenbekundungen müssten Ihnen eigentlich im Hals stecken bleiben; denn wenn Sie die Reaktionen sehen, die es inzwischen auf dieses Urteil aus Karlsruhe gab,
dann ist zu sagen, es gab bemerkenswerte Aussagen aus den Lehrerverbänden. Nahezu alle Lehrerverbände sagen: Um Gottes willen, was machen wir jetzt in der Praxis? Was ist das für ein Urteil?
Die Verantwortung ist von Karlsruhe ganz klar bei den Schulleitungen und bei der Schulaufsicht abgeladen worden. Wie können wir im Einzelfall feststellen, wann die vom Verfassungsgericht angenommene oder für relevant gehaltene konkrete Störung des Schulfriedens vorliegt? Da gibt es den Wunsch – das ist in manchen Zeitungskommentaren angesprochen worden – nach einer klareren Orientierung. Von dieser Orientierung lese ich leider in diesem Urteil nichts. Das ist durchaus ein Problem.
Wann ist der Schulfrieden gestört? Wenn ein, drei oder fünf Schüler protestieren, wenn die Eltern rebellieren? Muss es erst Unterschriftenlisten, Protestbriefe oder Demonstrationen geben, bevor ein Recht zum Einschreiten der Schulleitung oder Schulaufsicht besteht?
Wie sieht dann dieses Einschreiten aus? – Auch diese Frage darf man sich mit Fug und Recht nach der Lektüre des Urteils stellen. Karlsruhe stellt sich dies offensichtlich als ein Bemühen um eine harmonische und konsensuale Lösung vor, und das war auch genau das, was Sie seinerzeit als Ihr Erfolgsrezept beschrieben haben, Frau Ahnen. Nur, machen wir uns doch darüber wirklich keine Illusionen. Von den betreffenden Lehrkräften, die meinen, sie müssten mit Kopftuch auch im Unterricht erscheinen oder sich auf dem Schulgelände bewegen, ist doch ein Zurückstecken nicht zu erwarten.
Die betroffenen Lehrkräfte sagen, das Kopftuch sei Teil ihres Glaubens, und diese Kleidervorschrift sei für sie verbindlich und müsse beachtet werden. Insoweit haben wir in dieser Konsensfrage eigentlich nur eine Lösung, und diese Lösung lautet, dass dann eben die Schulleitung zurückstecken muss. Es muss die Schulaufsicht zurückstecken, und es müssen diejenigen zurückstecken, die sich davon provoziert fühlen, möglicherweise
Das ist ein Thema, bei dem es richtig haarig wird. Es wäre alles kein Problem, wenn es nur um eine ästhetische Frage ginge, aber es geht eben nicht nur um eine ästhetische Frage, sondern es geht um Grundsatzfragen unseres Verständnisses von Religionsfreiheit und ihren Grenzen.
Wir haben damals über das Thema der Deutungshoheit gestritten – Frau Ahnen, ich erinnere mich noch gut daran –, aber bei diesem Thema geht es vor allen Dingen auch um den Empfängerhorizont. Das war schon damals der entscheidende Punkt.
(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Nein, genau darum geht es eben nicht! Das hat Ihnen schon das Bundesverfassungsgericht gesagt!)
(Zuruf der Abg. Frau Brede-Hoffmann, SPD – Staatsministerin Frau Ahnen: Was war denn während der letzten zehn Jahre?)
Ich möchte einmal eine liberale Muslima zitieren, noch dazu eine prominente mit einem SPD-Parteibuch, nämlich Lale Akgün.
Auf den Hinweis in einem Deutschlandfunk-Interview, die Klägerinnen hätten doch gesagt, sie trügen das Kopftuch freiwillig, sodass es mit der Unterdrückung der Frau nichts zu tun habe, sagte Frau Akgün wörtlich: Was Sie verstehen und was Wirklichkeit ist, sind zwei Paar Schuhe. Das Kopftuch ist von der Politik, vom politischen Islam zum Symbol des Islam auserkoren worden.
Eine Staatsdienerin kommt also dann als Repräsentantin eines kämpferisch sich abgrenzenden Islam daher. Das ist Desintegration, keine Integration, und das können wir nicht gutheißen.
Der ehemalige rheinland-pfälzische Verfassungsrichter Hufen hat dies auch klar formuliert. Er hat gesagt: Das Urteil ist verheerend. – Ich kann mich dem nur anschließen.
Frau Ministerin Reiß, auf jeden Fall sind jetzt Sie gefordert, Regeln für einen fairen Interessensausgleich zwi
ich komme zum Schluss –; denn – machen wir uns doch darüber keine Illusionen – Worms und Speyer können sich jederzeit wiederholen, und dafür müssen wir gerüstet sein.