ich komme zum Schluss –; denn – machen wir uns doch darüber keine Illusionen – Worms und Speyer können sich jederzeit wiederholen, und dafür müssen wir gerüstet sein.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. Wilke, ich nehme zur Kenntnis, in diesem Parlament ist es zumindest von Ihnen, einem eigentlich in der Justiz tätigen Menschen, nicht unüblich, Richter zu schelten. Sie zitieren Herrn Hufen, der auch die Richter schilt. Sie sagen – ich habe den Artikel vor mir liegen: Ich halte das Urteil für verheerend. – Vorher sagt er allerdings zu der Frage, ob seine Auffassung vor dem Bundesverfassungsgericht Stand halten könnte: „Das weiß ich aber nicht.“
Er hat schon Gott sei Dank die Selbstzweifel dabei, aber er schilt ein Urteil. Ich finde es schon sehr erstaunlich, dass man ein Bundesverfassungsgericht urteilen lässt und danach sagt: Das Urteil ist aber jetzt verheerend. – Das ist Punkt 1.
Punkt 2 ist, ich konstatiere, dass Sie sich an dieses Urteil irgendwie nicht gebunden fühlen und meinen, man müsse trotz allem in einem Bundesland wie RheinlandPfalz anders agieren.
Aber wir erinnern uns: Herr Dr. Wilke, Sie haben recht, es war im Februar 2009, ich habe die Protokolle vor mir liegen. Im Februar 2009 haben wir das letzte Mal über den CDU-Gesetzentwurf diskutiert, der auch in anderen Bundesländern – acht an der Zahl – Wirklichkeit wurde, und ich sage Ihnen heute, ich bin sehr froh, dass wir uns in dieser Diskussion nach ausgiebigem Diskutieren mit Fachleuten und unter anderem dem Zur-KenntnisNehmen einer Konrad-Adenauer-Stiftungs-Studie zu diesem Thema dafür entschieden haben, die Entscheidung gegen ein explizites Kopftuchverbot in diesem Land beizubehalten, die wir im Übrigen bis dahin schon
praktiziert hatten, und stattdessen auf die Vernunft, die Liberalität und die Toleranz der Menschen in unserem Land und vor allen Dingen auch auf die Einzelfalldiskussion zu vertrauen.
Herr Präsident, mit Ihrer Erlaubnis lese ich Ihnen einmal von 2009 vor, was Sie damals in der Diskussion gesagt haben, als Sie meinten, Sie müssten uns ein bisschen drohen, Herr Dr. Wilke.
Für uns ist klar – für die CDU –, es wird diese Probleme, nämlich Unruhe in den Schulen durch Frauen, die mit Kopftuch als Lehrerin arbeiten wollen, wieder erneut geben. Sie können sich darauf verlassen, wo immer Sie als nächstes eine Lehrerin mit Kopftuch zur Einstellung vorschlagen, wird es genau dieselben Proteste wie in Worms oder wie in Speyer geben.
Wir haben uns darauf verlassen, dass das nicht der Fall ist, und wir haben uns richtig verlassen. Es gibt in der Zwischenzeit an mehreren Stellen im Land RheinlandPfalz Lehrerinnen, die mit Kopftuch unterrichten, und es gab keine Unruhen. Es sind gute Lehrkräfte, die Schulen, die Schüler und die Eltern sind zufrieden. Herr Dr. Wilke, daran hat auch Ihre Kaffeesatzleserei damals nichts geändert.
Mir ist eines wichtig: Wir reden heute dank des Urteils über Religionsvielfalt, über Toleranz, über Offenheit für etwas anderes anstatt – so, wie Sie es sich wünschen – für Vorschriften, für Bevormundung, für Vorverurteilung und vor allen Dingen auch für Verdächtigungen.
Natürlich wird es Frauen geben, die ein Kopftuch tragen, weil es ein Mann – Bruder, Vater oder Onkel, wer auch immer – von ihnen verlangt. Die Konrad-AdenauerStiftungs-Studie aber hat damals schon eindeutig ergeben, dass es keine Hinweise darauf gibt, dass eine relevante Zahl von Frauen, die ein Kopftuch tragen, dies aus Zwang tun. Die meisten haben sich in der Studie dazu bekannt, dass es für sie ein religiöses Zeichen ist, und zu diesem Zeichen und mit diesem Zeichen wollen sie sich bekennen.
Herr Dr. Wilke, ich bin so alt, ich werde mich bald verabschieden. Aber ich erinnere mich noch daran, dass meine Großmutter das Haus nicht verließ ohne Kopftuch, dass meine Großmutter, weil sie Witwe war, nur noch in schwarzen Kleidern, maximal mit weißen Punkten, auf die Straße ging; denn dies waren die Zeichen des Geistes und der damaligen Zeit.
Das Zeichen des Geistes und der Zeit dieser Frauen ist das Kopftuch. Wir mögen uns für sie etwas anderes wünschen. Ich wünsche mir etwas anderes. Ich fände es toll, wenn all diese Frauen sagen würden: Ich lebe in dieser westlichen Welt, nein, das muss jetzt nicht mehr sein. – Aber ich akzeptiere, dass sie es anders verstehen, dass sie es anders praktizieren, und ich fände es wichtig, wenn auch einmal die CDU dieses Bisschen an Toleranz von sich geben würde.
Herr Köbler hat soeben sehr schön darauf hingewiesen, dass es genügend Bemerkungen aus Ihren Reihen gibt, aus denen man nur eines schließen kann: Sie wollen das nicht mehr sehen, und Sie wollen es los sein. – Aber
das, meine Damen und Herren, ist ganz bestimmt nicht der Weg, den diese Partei und diese Landesregierung in Rheinland-Pfalz gehen werden. Davon nehmen wir ganz großen Abstand.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Vielleicht darf ich noch einmal den wesentlichen Inhalt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Erinnerung rufen, über die wir heute sprechen. Ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrkräfte in öffentlichen Schulen ist mit der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit des Grundgesetzes nicht vereinbar.
Damit bestätigt das Bundesverfassungsgericht die in Rheinland-Pfalz stets geübte Praxis. Kein Lehrer darf die Schüler indoktrinieren; ein Kopftuch kann aber Ausdruck des persönlichen Glaubens sein, ohne dass indoktriniert wird.
Rheinland-Pfalz ist ein glaubensoffenes Land. Eine offene Gesellschaft lebt religiöse Vielfalt, und sie schätzt weltanschaulichen Pluralismus. Das will auch geübt werden, auch in der Schule: Wo indoktriniert wird, wird eingeschritten, und Propaganda wird unterbunden. Pauschale Verbote helfen da aber nicht, in keinem Fall. Da trifft man die Glaubensfreiheit gleich mit. Das beschädigt die Freiheit in unserem Land. Das schafft Probleme, statt sie zu lösen.
Wir können dankbar dafür sein, dass Rheinland-Pfalz schon stets genau das getan hat, was das Bundesverfassungsgericht fordert, die Glaubensfreiheit, freie Weltanschauung zu schützen und in jedem Fall abzuwägen.
Dabei müssen alle legitimen Interessen Raum haben: der staatliche Erziehungsauftrag, die weltanschaulichreligiöse Neutralität des Staates, das elterliche Erziehungsrecht, die negative Glaubensfreiheit der Schülerinnen und Schüler.
Selbstverständlich ist: Es gelten die Regeln und Werte des Grundgesetzes, unserer Landesverfassung und unserer Gesetze. Lehrerinnen und Lehrer sind auch an die staatlichen Erziehungsziele gebunden, die sich aus der Verfassung ergeben. Ich greife nur einige heraus: die Gleichberechtigung von Frauen und Männern, die weltanschauliche und religiöse Neutralität, die Würde aller Menschen, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. – Es gibt viele mehr.
Ein allgemeines pauschales Verbot religiöser Bekundung ist unverhältnismäßig. Das würde die grundgesetzlich geschützte Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Lehrkräfte verletzen. Eingeschritten wird, wenn nötig. Da reicht aber nicht, dass von einem Kleidungsstück eine bloß abstrakte Gefahr für den Schulfrieden ausgehen könnte. Vielmehr muss es eine hinreichend konkrete Gefahr der Beeinträchtigung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität geben. Erst dann kann ein Verbot im Einzelfall verfassungsgemäß sein.
Auch das gilt: Alle Religionen und Weltanschauungen müssen gleichbehandelt werden. Das verlangen der Gleichbehandlungsgrundsatz und die weltanschauliche Neutralität nach dem Grundgesetz und unsere Landesverfassung.
Das sagt auch das Bundesverfassungsgericht. Die Schülerinnen und Schüler würden lediglich mit der positiven Glaubensfreiheit der Lehrkräfte konfrontiert. Das wird durch das Auftreten anderer Lehrkräfte mit anderem Glauben oder anderer Weltanschauung auch relativiert und ausgeglichen. Das spiegelt sich in der bekenntnisoffenen Gemeinschaftsschule und in der religiöspluralistischen Gesellschaft wider.
Es ist gut, dass das Bundesverfassungsgericht die Praxis in Rheinland-Pfalz bestätigt. Statt eines gesetzlich geregelten abstrakten Kopftuchverbots wird in jedem Einzelfall und ständig darauf geachtet, dass die betroffenen Lehrkräfte sich weltanschaulich religiös neutral verhalten und der Schulfrieden gewahrt bleibt.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Wilke, ich bin doch einigermaßen erschüttert, wie Sie hier bei allen politischen Auseinandersetzungen doch ganz grundsätzlich das Bundesverfassungsgericht als Institution und auch in diesem Urteil infrage stellen und das bewerten. Ich glaube, dass wir bei allen Diskussionen im Detail die Institution des Bundesverfassungsgerichts in diesem Parlament so nicht infrage stellen sollten.
Es gibt auch andere Stimmen dazu, denen man sich nicht anschließen muss. Aber das Urteil wird bewertet als starkes Signal für Glaubens- und Bekenntnisfreiheit. Das ist nicht meine Position. Das sagt die katholische Bischofskonferenz.
Oder aber es stellt die Evangelische Kirche im Rheinland fest: Entscheidend ist nicht, was auf dem Kopf ist,
sondern was im Kopf ist. – Dem kann ich mich dann noch viel mehr anschließen. Herr Wilke, Sie haben recht. Ich war damals noch nicht im Parlament. Aber Sie sind auf die Debatte um das Schulgesetz gar nicht eingegangen. Warum? Weil Ihr Gesetzentwurf nach den Standards des Urteils grob verfassungswidrig gewesen wäre.
Dort steht, Sie wollten Neutralitätspflicht der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen, Verbot des Tragens äußerer Symbole und Kleidungsstücke. – So weit kann man noch mitgehen. Aber dann kommt: Ausnahmetatbestände: Vermittlung christlich-abendländischer Kultur und Bildungswerte und Traditionen.
Also eindeutig, das Symbol, das mit dem Islam verknüpft werden kann, soll verboten werden. Das Symbol, das mit dem Christentum verbunden werden kann, sollte erlaubt werden. Das ist eben außerhalb unseres Verfassungskonsenses, dass alle Religionen und Weltanschauungen gleichzu-behandeln sind.
Da schließe ich mich meinem Kollegen Dr. Rahim Schmidt uneingeschränkt an, der auf Ihrer BurkaKonferenz gesagt hat: Mit Verboten können wir Herrschaftsansprüchen von Männern nicht begegnen. – Das sollten wir machen. Wir sollten uns für die Gleichberechtigung der Frauen, auch der Muslima, immer und überall einsetzen,
Als Gäste im Landtag begrüße ich Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Sekundarkurses I der Volkshochschule Andernach. Herzlich willkommen in Mainz im Landtag!