Protokoll der Sitzung vom 19.03.2015

Rheinland-Pfalz hat eine lange Tradition in der Hospizarbeit. Ich verkürze das. Ich glaube, wir können aber sehr stolz sagen, dass das Hospiz sich in diesem Land

sehr gut entwickelt hat, auch die Palliativmedizin. Ich bin froh, dass der Bund jetzt plant, die gesetzliche Grundlage für eine umfassende Versorgung weiterzuentwickeln. Das brauchen wir, gerade mit Blick auf den demografischen Wandel.

Auch ich lehne alle Formen der gewerblichen und organisierten Beihilfe zum Suizid ab. Ich finde es richtig, dass unsere Rechtslage, unsere Rechtsprechung sensible Räume für den assistierten Suizid ermöglicht hat und ermöglicht. Auch das ist wichtig im engen Verhältnis zwischen Mann und Frau, zwischen Kindern und Eltern, zwischen Freunden und Freundinnen, zwischen Arzt und Patienten.

Den Ärzten, den Pflegenden zum Schluss diesen Satz noch, den Ehrenamtlichen und den Hauptamtlichen, den Professionellen, allen im Gesundheitswesen, ihnen will ich stellvertretend für uns alle nochmals sehr herzlich danken. Es bleibt unsere Aufgabe, deren Rahmenbedingungen weiter zu verbessern, damit Menschen wissen, dass sie am Ende ihres Lebens geborgen und unter Achtung ihrer Würde sterben können.

(Beifall im Hause)

Das Wort hat Frau Kollegin Hedi Thelen von der CDUFraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, die Angst vor einem leidvollen Sterben ist groß. Ja, wir wollen, dass unnötiges Leid verhindert, Schmerzen gelindert und die Qualen begrenzt werden, und wir wollen für uns, für unsere Angehörigen, für unsere Lieben, einen würdigen und möglichst erträglichen Tod.

Müssen wir dafür die bestehenden Gesetze ändern? Sollen wir die aktive ärztliche Sterbehilfe ermöglichen? – Ich möchte dies nicht; denn bei allem, was wir tun, müssen wir das Ende bedenken, das Wirken unseres Tuns auf die Einstellungen und Verhaltensweisen unserer Gesellschaft, aber auch vor allem im Umgang mit kranken, pflegebedürftigen, dementen Menschen. Was dies heißt, können wir in Gesellschaften beobachten, die eine offene Gesetzgebung haben, die aktive ärztliche Sterbehilfe erlauben.

In den Niederlanden ist dies seit dem 1. April 2002 der Fall. Die Statistik dort zeigt, dass die Zahl der aktiven Sterbehilfen und der ärztlich assistieren Suizide Jahr für Jahr deutlich zunimmt.

2007 waren es 2.123 Fälle, 2011 3.695 und 2013 schon fast 5.000 Menschen, die sich das Leben haben nehmen lassen.

Kritiker bemerken, dass selbst die relativ liberalen Sorgfaltspflichten in Einzelfällen von Ärzten außer Acht gelassen werden. Die Einstellung zu schwerkranken Men

schen ändert sich. Ihr Leben und ihr Recht auf Leben werden offensichtlich deutlich leichter infrage gestellt.

Auch für eine schwer demenzkranke Frau wurde nach einem Bericht im Ärzteblatt 2012 erstmals aktive Sterbehilfe geleistet. Dabei verlangt auch die niederländische Regelung, dass der Arzt unter anderem zu der Überzeugung gelangt sein muss, dass der Patient seine Bitte freiwillig und nach reiflicher Überlegung geäußert hat.

Er muss den Patienten über dessen Situation und über die medizinische Prognose aufgeklärt haben, der Patient muss unerträglich leiden und eine Heilung aussichtslos sein. Eine schwer an Demenz erkrankte Person kann ihre Situation nicht reiflich überlegen. Sie kann die nötige, freiwillige Willensäußerung nicht leisten.

2013, ein Jahr später, waren es fast 100 demente Menschen, die aktive Sterbehilfe erhielten. Auch erhalten immer mehr psychisch Kranke aktive Sterbehilfe. Man stelle sich Menschen in einer depressiven Phase vor.

Ich befürchte, dass sich in einem Land mit legaler aktiver Sterbehilfe schwerkranke Menschen, Pflegebedürftige oder auch Menschen mit beginnender Demenz unter Druck gesetzt fühlen, ihrem Leben ein Ende zu bereiten.

Ich befürchte, dass Umstände den Wunsch nach aktiver Sterbehilfe beeinflussen, die niemand wollen kann: die Sorge, den Kindern oder dem Partner zu sehr zur Last zu fallen, die Angst, die Kosten der Pflege nicht mehr tragen zu können oder dass sie eben von den Kindern getragen werden müssen.

Ich befürchte, dass dieser Druck empfunden wird, selbst wenn man eigentlich auch trotz und mit Leid und Krankheit durchaus noch leben möchte.

Ich will mir auch gar nicht ausmalen, welche Wirkung die Möglichkeit der legalen aktiven Sterbehilfe in Deutschland in den schwierigsten Jahren des demografischen Wandels haben kann. In den Jahren 2030 bis 2050 werden die geburtenstarken Jahrgänge hoch betagt sein, in großen Teilen vielleicht pflegebedürftig und krank, und es wird ihnen eine deutlich geringere Zahl an jungen Menschen im erwerbsfähigen Alter gegenüberstehen.

Ich will mir nicht ausmalen, welches Verführungspotenzial die aktive Sterbehilfe haben könnte.

Ich will auch nicht, dass das wichtige Vertrauensverhältnis zu den Ärzten beschädigt wird. Dies würde es für mich, wenn ich nicht sicher sein kann, dass mich meine Ärzte bedingungslos beim Leben unterstützen.

Ich will gute Begleitung beim Sterben mit allen Möglichkeiten, Schmerzen und Qualen zu lindern. Ich möchte auch in unserem Land eine ausreichende Versorgung mit ambulanter und stationärer Palliativ- und Hospizbetreuung und danke allen, die sich in der Begleitung Sterbender engagieren.

Danke sehr.

(Beifall im Hause)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Mertes, bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Debatte ist notwendig, weil wir Menschen, insbesondere meine Generation – kurz nach dem Zweiten Weltkrieg geboren; 65 Jahre alt –, eine furchtbare Angst vor dem Sterben haben, weil das unser Leben war.

Sterben war die Katastrophe, einen Menschen zu verlieren, mit dem man gelebt hatte, der einen geliebt hat, als Kind die Großmutter, die einen unterstützt hat, vielleicht einen Onkel, der aus dem Krieg zurückgekommen war. Es war immer schrecklich, so, wie dem Pfarrer bei der Beerdigung wie selbstverständlich der Satz von der Zunge kommt: „Mensch, du kommst auf die Erde, um von ihr zu gehen.“

Ich habe in der Vorbereitung zu dieser Debatte alles Mögliche gelesen und bin am Ende an diesem Satz hängen geblieben und habe mich gefragt, ob er nicht zu grausam ist.

Ich muss aber sagen, eigentlich habe ich mir da etwas vorgemacht. Ja, wir kommen auf die Erde, um von ihr zu gehen. Wenn man etwas religiös denkt, wird zwischen dem Kommen und dem Gehen eine lange Phase sein, in der auf der einen Seite die Eltern, die Verwandtschaft und die Gesellschaft, aber auch der liebe Gott, das Schicksal oder was auch immer, die große Energie – jeder kann sich sein eigenes Bild von seinem Gott machen – uns sagt, nutze deine Talente für das, was du machen willst und kannst und wofür Du gebraucht wirst.

Dann tun wir das. Das geht nicht bei jedem gleich gut, nicht jeder hat das gleiche Talent, das Glück, es zu nutzen.

Aber dann kommt eine Phase, in der man auf einmal feststellt, dass, wenn man politisch verlangt, Barrierefreiheit herzustellen für Menschen beim Bau von Sozialwohnungen, Sie dann nicht mehr allein die Frage in den Vordergrund stellen können, wie viel das kostet, nein, das ist der erste Schritt zur Anerkennung, dass der Mensch nicht immer jung ist, sondern auch älter wird und auch krank werden kann.

Ich bin vielleicht dann das männliche Gegenstück; denn ich bin Schirmherr des Hospizes der Diakonie in Simmern. Es sind wahrlich schwierige Anfangsbegegnungen, das kann ich Ihnen sagen. Natürlich habe ich den Tod in der Familie erlebt, das ist einfach so, wenn man eine große Verwandtschaft hat, aber wenn man einem Menschen sagen muss, es werden vielleicht die letzten 14 Tage, aber ich bin da, komme abends bei dir vorbei, wir reden über dein Leben, dann ist das das Anerkennen, du kommst auf die Erde, um von ihr zu gehen.

Meine Damen und Herren, wenn wir alles tun, habe ich mir überlegt, um einem Kind – man muss heute sagen, eigentlich bis zum 25. Lebensjahr – Hilfe zu geben, dass

es im Leben geradeaus gehen, lernen und studieren kann, wofür wir Geld zur Verfügung stellen müssen: Wieso haben wir nicht die gleiche Auffassung dann, wenn wir gehen müssen, was die Qualität, die Anerkennung des Menschen angeht?

Das heißt, die Fragen, die hier gestellt worden sind, kann ich unterstützen. Wir brauchen Hospize überall, und zwar mehr. Wir haben jetzt für den Landkreis RheinHunsrück – oft macht man das gern bezogen auf den Ort, wo man wohnt – acht Plätze, die schon ausgebucht sind.

Wo und wie soll denn die Familie von heute, zwei Kinder, sagen wir, sie haben studiert, sagen wir, sie haben geheiratet, der eine ist in Hamburg, der andere in Heidelberg, und die Familie wohnt in Belgweiler bei Simmern, ihrer kranken Mutter unter diesen Umständen beistehen können?

Wenn die Mutter dann aus dem Krankenhaus kommt, die Ambulanz sozusagen jeden Tag da war und es keine Hoffnung auf wirkliche Besserung gibt, dann brauchen wir Einrichtungen, weil das Leben nicht so spielt, wie wir uns das ausgerechnet haben.

Dann stelle ich mir immer noch vor – das kann man einfach tun, weil es in der Realität vorkommt –, diese zwei Kinder waren verheiratet, haben Stress gehabt und sind geschieden, die Kinder sind bei dem einen oder anderen Partner, was das dann bedeutet, eine solche Situation auf sich zu laden.

Das heißt, unsere Aufgabe ist gesellschaftpolitisch erstens, in der Gesellschaft zu sagen, ja, wir werden von dieser Erde gehen, wir werden das aber besser vorbereitet machen müssen, und zweitens, den Tod nicht zu dämonisieren. Wir müssen dafür sorgen, dass er verstanden wird als ein Teil des Lebens, so schwer das ist.

Danke schön.

(Beifall im Hause)

Das Wort hat Herr Kollege Dr. Enders von der CDUFraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin seit fast 32 Jahren Arzt, davon viele Jahre im Bereich der Notfall- und Intensivmedizin tätig gewesen. Deswegen ist mir das Thema besonders wichtig.

Der Umgang mit todkranken, mit sterbenskranken Menschen, mit sterbenden Menschen, aber auch ihren Angehörigen war viele Jahre Arbeitsalltag. Ich muss Ihnen sagen, das wird Gott sei Dank nie Routine.

Der Bundestag hat in bemerkenswerter Form über das Thema Sterbehilfe diskutiert. Die Debatte wurde mit großer Sachlichkeit geführt wie auch bei uns heute

Nachmittag, und sie wird auch in den nächsten Monaten weitergeführt werden.

Ich persönlich als Mensch stelle mit Erleichterung fest, dass im Bundestag offensichtlich eine breite Mehrheit jede organisierte Form von Sterbehilfe ablehnt. Nicht nur aus der Sicht der Bundesärztekammer – wir sind mit drei Ärzten im Parlament vertreten –, sondern auch aus christlicher Sicht ist meiner persönlichen Ansicht nach ein Verbot der organisierten Sterbehilfe geboten; denn die besondere Würde des Menschen leitet sich im christlichen Glauben aus der Gottebenbildlichkeit des Menschen ab; so sehen es zumindest Christinnen und Christen, und diese vom Grundgesetz besonders geschützte Würde ist unantastbar, auch im Sterbensprozess.

Der Erhalt der Menschenwürde und der Schutz des Lebens sind in der Demokratie Kernaufgaben. Wir alle, aber insbesondere wir Ärztinnen und Ärzte, müssen nicht die Voraussetzungen für einen schnellen Tod schaffen, sondern dafür sorgen, dass Menschen in Würde sterben können. Organisierte, sozusagen geschäftsmäßige Sterbehilfe muss der Rechtsstaat meiner Ansicht nach verbieten.

Aber – das muss man sagen – viele Menschen haben Angst, große Angst, unter Schmerzen und auch hilflos zu sterben. Deswegen ist der breite Konsens der Notwendigkeit des Ausbaus einer palliativmedizinischen Versorgung mit all ihren Strukturen eine wichtige Aufgabe auch in Rheinland-Pfalz. Wir haben im Rahmen der Besprechung unserer Großen Anfrage das Thema sehr intensiv diskutiert und werden es auch im nächsten Ausschuss fortsetzen.

Sterben in Würde, ein Lebensende ohne Schmerzen, die letzten Tage zu Hause im Kreise der Angehörigen zu verbringen – dies ist vielen nicht möglich; sie müssen ins Krankenhaus, weil zu Hause die Strukturen oftmals gar nicht vorhanden sind –, das ist und bleibt der Wunsch der meisten Menschen. Deswegen bin ich froh, dass der Koalitionsvertrag im Bund einen flächendeckenden Ausbau der Palliativmedizin und auch des Hospizwesens vorsieht.

Vor vier Jahren auf dem Bundesärztetag in Kiel haben die Ärzte – unsere gesamte Berufsgruppe, ihre Vertreter und Delegierten – ein generelles Verbot beschlossen, Hilfe zum Freitod zu leisten. Ob Ärzte bei einem Verstoß ihre Approbation verlieren, ist von Bundesland zu Bundesland anders geregelt. Meines Wissens gibt es in Rheinland-Pfalz keine entsprechende Regelung, aber es ist zukünftig wichtig, dass neben der Beseitigung der noch vorhandenen weißen Flecken – dabei ist gerade die spezialisierte ambulante palliativmedizinische Versorgung unser aller Anliegen – auch die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Ärzte und auch der Studenten angeboten wird. Dabei müssen wir einen besonderen Fokus auf die Hausärzte und die Allgemeinärzte legen, die man dabei nicht im Regen stehen lassen darf; denn dies ist ein spezielles Segment, in dem man speziell weitergebildet werden muss.