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.......... 7327 Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD:.... 7329 Abg. Dr. Fred Konrad, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:................. 7331, 7337....................... 7339 Abg. Dr. Peter Enders, CDU:....... 7334 Abg. Dr. Tanja Machalet, SPD:...... 7336 Abg. Dr. Axel Wilke, CDU:......... 7338, 7339
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im letzten Jahr haben wir uns im Landtag sehr intensiv mit der schwierigen Frage zum Umgang mit der Sterbehilfe auseinandergesetzt, parallel zur Debatte im Deutschen Bundestag – von Ihnen, Herr Schweitzer, angeregt – ohne Koalitionszwang, eine offene Grundsatzdebatte, an der sich viele Abgeordnete und auch die Regierung beteiligten.
Eine umfangreiche Anhörung im Plenarsaal sowie eine große Abschlussdebatte folgten. Trotz unterschiedlicher Auffassungen zu der Frage, ob Sterbehilfe erlaubt werden sollte, waren wir uns alle einig, dass wir in Rheinland-Pfalz mehr für eine gute Begleitung sterbender Menschen tun müssen.
Dank einer Großen Anfrage von uns, der CDU-Fraktion, wussten wir, dass die Situation im Land nicht befriedigend ist und die Versorgungslücken leider noch groß sind.
Sehr geehrte Frau Ministerin Bätzing-Lichtenthäler, umso mehr hat es uns enttäuscht, dass Sie in Ihrem Regierungsentwurf keinen einzigen Euro mehr für den Ausbau der ambulanten und stationären hospizlichen und palliativen Versorgung für die Begleitung sterbender Menschen in Rheinland-Pfalz vorgesehen hatten.
Nachdem ich unser Unverständnis für dieses Vorgehen deutlich im Haushalts- und Finanzausschuss angesprochen hatte, haben SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit entsprechenden Änderungsanträgen reagiert.
Mein Kollege Herr Dr. Enders wird später noch im Detail auf unsere Anträge eingehen.
Im März 2015 legte uns der Chef der Staatskanzlei den turnusmäßigen Armuts- und Reichtumsbericht vor, ein 600 Seiten starkes, inhaltsschweres und teures Werk, das Auskunft über die Lage insbesondere der armen Bevölkerung in unserem Land gibt.
Trotz der vielen Millionen, die Rot-Grün, diese Landesregierung, seit vielen Jahren für soziale Projekte ausgibt, mussten die Wissenschaftler feststellen, dass es Personengruppen in unserem Land gibt, deren Armut und Armutsrisiko trotz allem sogar gestiegen ist. Es sind dies junge Erwachsene, Alleinerziehende und kinderreiche Familien.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser Bericht war der Landesregierung schon lange bekannt.
Auch hier konnte ich Ihrem Haushaltsentwurf keinerlei Konsequenz entnehmen.
Meine Damen und Herren, das ist nicht nur enttäuschend für die betroffenen Menschen, das ist weder sozial noch gerecht.
Ich erinnere an den Bericht des Rechnungshofs, der erhebliche Beanstandungen an der Arbeit des Landesamts für Soziales, Jugend und Versorgung beschrieben hat: pauschale Fortschreibungen von Zahlungen in erheblicher Höhe, ohne Vergewisserung, ob die einmal unterstellten Aufwendungen überhaupt noch gegeben sind. Ein gesetzlich seit fast 20 Jahren geforderter Rahmenvertrag mit den Leistungsträgern, dem Land und den Kommunen auf der
einen Seite und den Leistungserbringern, den Wohlfahrtsverbänden, auf der anderen Seite, besteht bis heute nicht.
Es gibt erhebliche Zweifel, ob diese enormen Ausgaben in diesem Bereich auf einer ausreichenden Rechtsgrundlage erfolgen. Es führt zu Unklarheiten auf beiden Seiten und verhindert wegen der fehlenden Maßstäbe eine sorgfältige Prüfung der Leistungserbringung durch das Landesamt, was dieses auch ausdrücklich selbst vorgetragen hat.
Sehr geehrte Damen und Herren, diese dauerhafte Missachtung gesetzlicher Erfordernisse hat mit verantwortungsvollem Handeln nichts zu tun.
Ich nenne diese drei Beispiele am Anfang, weil sie zeigen, wie wenig Sie bereit sind, Ihre Sozialpolitik zu hinterfragen, auf neue Herausforderungen und Erkenntnisse zu reagieren und dort, wo es zwingend erforderlich und geboten wäre, umzusteuern und für klare Rechtsgrundlagen zu sorgen. Sie kennen nur einen Weg, weiter so und immer mehr ausgegeben. Dabei geht es uns doch relativ gut. Das hat Herr Köbler gestern hier noch mit großer Begeisterung geschildert. Trotzdem, obwohl wir keine Wirtschaftskrise mehr haben, obwohl sich die Arbeitslosenzahlen positiv entwickeln, obwohl das Bruttoinlandsprodukt steigt, steigen die Ausgaben in Ihrem Sozialetat, Frau Ministerin Bätzing-Lichtenthäler, von einer 1,872 Milliarden Euro im Jahr 2015 um weitere 113 Millionen Euro auf insgesamt 1,985 Millionen Euro im Jahr 2016.
Wie der Armutsbericht belegt, verfehlen Sie mit Ihrer Arbeitsweise wesentliche Ziele einer guten und vernünftigen Sozialpolitik. Das tut den Menschen in Not und unserem Land nicht gut. Das ist Sozialpolitik vorbei an den Bedürfnissen vieler Menschen in unserem Land.
Und – was aus meiner Sicht genauso schlimm ist – das ist eine Sozialpolitik, die auch die Ansprüche derer außen vor lässt, die mit ihren Steuergeldern erst die Leistungen ermöglichen.
Wir wollen mit unseren Anträgen einen Weg in die richtige Richtung weisen. Aus dem Armuts- und Reichtumsbericht ist eine politische Schlussfolgerung zwingend, die Zweckmäßigkeit der Arbeitsmarktmittel muss dringend evaluiert werden. Das Ziel muss sein, die Mittel wirtschaftlich, effizient und nachhaltig einzusetzen. Dies setzt eine gute Evaluation voraus. Deshalb halten wir die Reduzierung des Titels um 4 Millionen Euro für sinnvoll.
Unsere Devise lautet, lieber weniger Mittel zielgerichtet und tatsächlich helfend einzusetzen, als mit der traditionellen Gießkanne wirkungslos über das Land zu gehen.
Ja, Herr Schweitzer, wir halten in diesem umfangreichen Sozialetat – er ist jetzt gerade zumindest für mich nicht sichtbar – mit fast 2 Milliarden Euro Ausgaben eine globale Minderausgabe für gerechtfertigt und machbar.
Die von uns vorgesehenen 22,7 Millionen Euro reduzieren den Ausgabenanstieg, also die Mehrkosten, die ausgegeben werden sollen, von den eben schon genannten 113,7 Millionen Euro auf immerhin noch 91 Millionen Euro. Es sind gerade einmal 1,1 % der Gesamtausgaben des Sozialetats.
Sehr geehrter Herr Schweitzer, gestern hier so zu tun, als hätte die Regierung selbst noch nie globale Minderausgaben veranschlagt, war mehr als dreist. Auch im Sozialetat gab es sie schon auf Vorschlag der Regierung. Wer so überzeugt ist wie Sie, dass es unserem Land und den Menschen doch gutgeht, dürfte mit Einsparungen von 1 % im Sozialetat keine Probleme haben. Wir jedenfalls hätten sie nicht.
Bei der Haushaltsstelle Sozialhilfe mit Kostenbeteiligung sowie beschützendes und betreutes Wohnen, in der allein – also in dieser einzigen Haushaltsstelle – Ausgaben von fast 1 Milliarde Euro veranschlagt sind, steigen die Mittel in dem Untertitel der Eingliederungshilfe um fast 4,5 %. Vor dem Hintergrund der vom Rechnungshof aufgeführten Einsparpotenziale und auch in der Erwartung zielgenauerer Hilfeleistungen durch den Abschluss der seit Jahrzehnten fehlenden Rahmenvereinbarung ist eine Reduzierung der geplanten Mehrausgaben um die Hälfte vertretbar. Dabei erinnere ich die frühere Sozialministerin Dreyer an ihre Aussage, dass die Ambulantisierung der Eingliederungshilfe zwar vorübergehend zu Mehrkosten führen würde, aber grundsätzlich kostengünstiger sei. Ich frage mich, ob Sie das selbst noch glauben.
Bei den Beratungen im Haushaltsausschuss haben wir festgestellt, wie unterschiedlich in den Einrichtungen des Maßregelvollzugs die Kosten pro Patient und pro Jahr sind. Auch vor dem Hintergrund des heute noch zu verabschiedenden Maßregelvollzugsgesetzes mit umfangreichen Änderungen ist es unseres Erachtens erforderlich, die offensichtlich bestehenden Effizienzpotenziale zu realisieren.
Zu dem Gesetz selbst wird später noch der Kollege Axel Wilke sprechen.
Schwerstkranke und pflegebedürftige Kinder und Jugendliche und deren Familien brauchen dringend eine bessere Unterstützung. Deshalb wollen wir 140.000 Euro zusätzlich für ein Modellprojekt zur Erprobung eines gezielten Unterstützungsangebotes in Form eines spezialisierten Pflegestützpunktes für die betroffenen Familien zur Verfügung stellen.
Zum Abschluss möchte ich noch auf die zu beratenden Gesetze eingehen. Die CDU-Fraktion hat vorgeschlagen, das Landestariftreuegesetz aufzuheben. Wir haben zwischenzeitlich einen einheitlichen bundesweiten Mindestlohn. Es war immer auch der ausdrückliche Wunsch der
SPD gewesen: Bundesweit ein einheitlicher Mindestlohn. Konsequenterweise macht es aus unserer Sicht wenig Sinn, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge einen eigenen leicht höheren Mindestlohn zu fordern. Deshalb soll dieser quasi zusätzliche Landesmindestlohn wegfallen, womit wir uns Doppelstrukturen, die eigene Kommission und zusätzliche Bürokratie sparen können. Die Tarifbindung für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge ist durch das Entsendegesetz eindeutig geregelt. Eine zusätzliche rheinland-pfälzische Regelung ist daher entbehrlich.
Was bleibt, sind die Tarifregelungen für den ÖPNV und den Schienenpersonennahverkehr, den SPNV. Diese Punkte haben wir im Anhörverfahren bei der Auswertung des Landestariftreuegesetzes intensiv diskutiert und erkennen an, dass es dieser Regelungen bedarf. Deshalb haben wir einen Änderungsantrag vorgelegt, der die Doppelstrukturen von Mindestlohn und Allgemeinverbindlichkeit ausmerzt, der aber weiterhin den Anforderungen des ÖPNV und des SPNV gerecht wird.
Für das Landesgesetz zur Weiterentwicklung der Beratungs- und Koordinierungsarbeit in Pflegestützpunkten haben wir einen Änderungsantrag vorgelegt. Wir schlagen eine inhaltliche Ergänzung vor, mit der die besonderen Bedürfnisse sterbender Menschen besser berücksichtigt werden sollen. Darüber hinaus muss die Erstattung der Sachkostenpauschale an die Kommunen dynamisiert werden, um diese nicht weiter mit zusätzlichen Kosten zu belasten und damit mittelbar die Arbeitsgrundlagen der Pflegestützpunkte zu sichern.
Vielen Dank.
.......... 7169, 7175 Abg. Dr. Tanja Machalet, SPD:...... 7171, 7172 Abg. Christian Baldauf, CDU:....... 7172 Abg. Dr. Fred Konrad, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:................. 7173, 7175 Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie:..................... 7174
Fortsetzung der Besprechung im Sozialpolitischen Ausschuss und im Rechtsausschuss in gemeinsamer Sitzung beschlossen...... 7176
Die Mittelständische Wirtschaft in Rheinland-Pfalz Besprechung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD und der Antwort der Landesregierung auf Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksachen 16/5319/5534/5709 –.... 7176
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich nehme das jetzt als sportliche Herausforderung.
Stellen Sie sich vor, Sie gründen eine Firma. Wie schön, wenn Sie bereits vor der Gründung den ersten Auftrag in der Tasche haben.
Nach zwei Großen Anfragen haben wir Hinweise darauf,
dass manche Firmen in Rheinland-Pfalz besonders leicht an öffentliche Aufträge kommen. Es geht um den Europäischen Sozialfonds. 114 Millionen Euro sind in der vergangenen Förderperiode aus diesem Fonds nach RheinlandPfalz geflossen. Viel Geld, mit dem sicherlich viel Gutes bewirkt wurde.
Wir stellen nicht die Arbeit einzelner Firmen oder Projektträger infrage, wir möchten mit Ihnen darüber reden, wie dieser gewaltige Geldstrom intern gemanagt wird.
Es gibt eine Landesberatungsstelle, die Firma des früheren Inhabers Herrn Jensen. Der berät nicht nur Projektträger, sondern hat sich auch selbst beraten und setzt ESF-Projekte um. Er war also Begünstigter und als solcher explizit im offiziellen ESF-Begünstigtenverzeichnis aufgelistet.
Der Evaluator des Ganzen, das Mainzer Institut für Sozialpädagogische Forschung, setzt auch jedes Jahr ESFProjekte um und evaluiert dann seine eigenen Daten. Die ESF-Verwaltungsbehörde, das Sozialministerium, lässt sich von beiden beraten, via Aufträge unterstützen und nickt gleichzeitig deren Projektanträge ab. Dafür bekommen sie wiederum Geld, diesmal über Zuwendungen.
Sehr geehrte Damen und Herren, über solche Entscheidungsprozesse und so viel Nähe zu Entscheidungsträgern würde sich manch andere Firma und Organisation in Rheinland-Pfalz freuen.
Die ESF-Verwaltungsbehörde lässt sich von Experten beraten, die sich zufälligerweise dann auch gleich wieder für andere Dienstleistungen bzw. Projekte empfehlen. Die CDU-Fraktion ist der Meinung, Arbeitsmarktpolitik und Landesmodellprojekte dürfen kein Freibrief für unsaubere Praktiken sein.
Wir haben uns, um diese ganze Vergabe- und Zuwendungspraxis besser nachvollziehen zu können, exemplarisch ein Projekt herausgegriffen und abgefragt in der zweiten Großen Anfrage, die zur Aussprache steht. Es geht um den QualiScheck, die Weiterbildung für bereits Berufstätige. Diese erhalten maximal 500 Euro pro Jahr für eine entsprechende Weiterbildung.
Um die Vergabe genau dieser Hotline, die mit dieser Beratung beauftragt wurde, geht es. Der QualiScheck in Rheinland-Pfalz war erst von 2009 an für zweieinhalb Jahre ein Landesmodellprojekt, dann ab Mitte 2012 ESFgefördert. Schneider war mit beiden Firmen beteiligt, einmal mit der RAT GmbH, die extra dafür gegründet wurde, und anschließend mit der sogenannten Landesberatungsstelle.
Am 31. Dezember 2008 gründete ein Geschäftsführer von Schneider Organisationsberatung die sogenannte RAT GmbH und das nur für den Zweck, diesen QualiScheck
umzusetzen. Alles geht rasend schnell, Projektantrag, Prüfung, Genehmigung durch das Ministerium.
Schon am 16. Februar 2009, also nur eineinhalb Monate später, startet das Projekt, umgesetzt von dieser wenige Wochen jungen RAT GmbH. Das ist wirklich eine Besonderheit. Von solchen Bedingungen und Sicherheiten können andere Start-up-Unternehmen nur träumen, sehr geehrte Damen und Herren.
Im August 2012 wird dieses Projekt allerdings in die ESFFörderung überführt. Die Firma RAT GmbH ist damit fertig mit diesem Projekt und wird auch eingestellt. Nun übernimmt das Landesamt den QualiScheck und die Weiterleitung der Mittel, aber nicht die telefonische Beratung. Diese Telefonhotline will man extra vergeben oder jemand anderen beauftragen.
Für die ist plötzlich – vielleicht ahnen Sie es bereits – dann doch Schneider Organisationsberatung, also die andere Schneider-Firma, zuständig. Sie erhält bereits im Juni 2012 – ich habe vorhin gesagt, im August 2012 wurde es in die ESF-Förderung überführt –, also schon zwei Monate vorher, den Auftrag, diese Hotline zu machen. Erst mündlich und dann im Dezember 2012 – da läuft sie schon eine Weile – schriftlich. Auftragswert knapp 212.000 Euro.
Die Landesregierung sagt selbst, es handelt sich bei der Hotline ganz klar um eine Dienstleistung. Ausgeschrieben wird sie nicht, stattdessen freihändig vergeben. Kommunalpolitiker wissen, auch da muss man eigentlich Vergleichsangebote einholen. Das macht die Landesregierung nicht.
Nach der Auswertung der Großen Anfrage besteht nach wie vor, auch nach dem, was wir heute in den Medien gelesen haben, der Verdacht von Rechtsverletzung durch das Sozialministerium.
Das Vergaberecht oder auch das Haushaltsrecht wurde hier mit Füßen getreten, erst recht, wenn man sich die Begründung des Ministeriums durchliest. Sie selbst sagen, sie brauchten keine Vergleichsangebote einzuholen, weil es eine Nachbestellung war, eine geringfügige Nachbestellung.
Sehr geehrte Damen und Herren, das halten wir für schwer nachvollziehbar, aber hierzu weiter in der zweiten Runde.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin Bätzing-Lichtenthäler, Sie haben ausgeführt, weshalb der Schwellenwert hier nicht zum Tragen kommt und Sie sich bei Ihrer Vergabe an der Möglichkeit einer geringfügigen Nachbestellung orientiert haben.
Die Bedingungen dieser Nachbestellung haben Sie eben aufgeführt. Bei dieser Subsumtion, wie Sie sie betreiben, haben wir große Bedenken. Wir sehen da große Unterschiede. Das begann mit dem Projekt 2009. Damals hat er den Vertrag bekommen. Er hatte die Aufgabe, potenzielle Projektträger in Rheinland-Pfalz zu beraten, die sich überlegen, z. B. als Initiativen, Verbände aus dem Wohlfahrtsbereich, Projekte im Rahmen der Europäischen Sozialfondsförderung im Zusammenhang mit Arbeitsmarktpolitik durchzuführen. Solche Projektträger sollte er beraten und klären, ob das passt, ob das möglich ist usw. Beim QualiScheck geht es um etwas grundsätzlich völlig anderes. Es geht um eine Weiterbildungsprämie, also eigentlich um ein sehr kleines und simples Projekt. Das gilt gerade für die Hotline. Es geht darum, ob jemand erwerbstätig ist, ob die Weiterbildung, die er vorhat zu machen, unter diesen QualiScheck fällt und ob er dafür 500 Euro bekommen kann. Das ist wirklich eine Beratung von Einzelpersonen, die meines Erachtens nicht nur eine geringfügige inhaltliche Veränderung ist.
Deshalb haben wir grundsätzliche Bedenken, dass diese Argumentation tatsächlich stichhaltig ist.
Ich denke, diese Bedenken können wir hier sagen, auch wenn ich CDU-Frau bin, lieber Herr Pörksen. Ich bin sogar CDU-Aktivistin. Ich denke, das werden Sie an dieser Stelle ertragen.
Deshalb wollen wir wissen, was hier stimmt.
Sie haben sich Beistand geholt. Da hieß es z. B. bei den
Medienvertretern, dass man über das Vergaberecht diskutieren muss. Gegebenenfalls liegt auch ein Verstoß gegen das Haushaltsrecht vor. Wir finden, das ist ebenfalls ein ganz interessanter Aspekt.
Das Haushaltsrecht verlangt grundsätzlich, wenn es um größere Mittelvergaben geht, wirtschaftlich mit den Steuermitteln unserer Bürgerinnen und Bürger umzugehen. Das weiß jeder, der in der Kommunalpolitik aktiv ist. Das weiß jeder Bürgermeister. Selbst der kleine Ortsbürgermeister weiß es, dass er, wenn er Leistungen vergibt, zumindest Vergleichsangebote einholt, wenn noch die freihändige Vergabe möglich ist.
Natürlich kann er auch in ein Ausschreibungsverfahren gehen.
Zu sagen, das Projekt war so komplex – diese Aussage hat der Vorgänger im Amt gemacht –, dass es dafür keine anderen potenziellen Anbieter im Land Rheinland-Pfalz gibt, war ein schlimmes Urteil über die Kompetenz vieler Träger bei uns im Land, die das selbstverständlich hätten machen können, Herr Schweitzer.
Da sehen wir auch den Wettbewerb eingeschränkt. Wenn man Wettbewerb einschränkt, ist das Risiko da, dass man zu viel Steuergelder ausgibt.
Das sind die drei Punkte, die hier im Raum stehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb bitten wir, diese Aussprache in einer gemeinsamen Ausschusssitzung des Sozialpolitischen Ausschusses mit dem Rechtsausschuss fortzusetzen. Ich denke, es gibt genügend Fragen zu klären, insbesondere rechtlicher Art. Die sind wichtig für die Zukunft des Europäischen Sozialfonds und der Vergabepraxis im Land Rheinland-Pfalz.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute geht es in der ersten Lesung um die umfangreiche Änderung des Landeswohnformen- und Teilhabegesetzes, das unter der damaligen Sozialministerin Malu Dreyer erarbeitet und von der alleinigen SPD-Mehrheit 2009 in diesem Landtag beschlossen wurde. Am 1. Januar 2010 ist das Gesetz in Kraft getreten.
Warum brauchten wir dieses neue Gesetz?
Als Folge der Föderalismusreform 2006 ist die Zuständigkeit für die Heimaufsicht auf die Länder übergegangen. Das bis zu einer Neuregelung in den Ländern weiter geltende Heimgesetz des Bundes entsprach einfach nicht mehr den Vorstellungen vom Leben älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen in Einrichtungen der Betreuung und Pflege.
Aus Sicht der CDU-Landtagsfraktion sollten alsbald die richtigen Weichen in Rheinland-Pfalz gestellt werden. Wegen der Untätigkeit von Sozialministerin Dreyer legten wir, die CDU, am 16. Januar 2009 einen Entwurf für ein Landesgesetz zur Förderung der Pflege-, Betreuungs- und Wohnqualität in Heimen und anderen Wohnformen vor, unser Heim- und Wohnformenqualitätsgesetz. Dabei haben wir das bisher geltende Bundesgesetz weiterentwickelt, besonders zur Verbesserung des Verbraucherschutzes, mit intensiveren Kontrollen, mehr Mitwirkung und mehr Qualitätstransparenz. Überflüssige Regelungen wurden gestrichen und neue Betreuungsformen nachhaltig ermöglicht.
Ich hätte jetzt gern die frühere Sozialministerin persönlich angesprochen, aber sie hat heute einen wichtigen Termin. Aber ich bin überzeugt, dass unser damaliges Gesetz eine derartige Generalüberholung wie Ihr altes Landeswohnformen- und Teilhabegesetz heute nicht bräuchte. Sie hätten uns damals besser zugestimmt.
Die Sozialministerin Malu Dreyer wollte jedoch die Pflegewelt neu erfinden. Alte Begriffe wie „Heim“ oder „Teilstationäre Betreuung“ wurden abgeschafft und stattdessen neue Unterscheidungskriterien kreiert. Nun ist für die heimaufsichtlichen und anderen Folgen entscheidend, ob es sich um eine Einrichtung mit einem umfassenden Leistungsangebot, mit besonderer konzeptioneller Ausrichtung oder – zumindest jetzt noch – um selbst organisierte Wohngemeinschaften handelt.
Was die SPD-Regierung alles wollte, hat Frau Dreyer in einer Pressemeldung am 6. Mai so formuliert:
„Wir wollen für Rheinland-Pfalz ein innovatives Landesgesetz schaffen, das neue konzeptionelle Entwicklungen in der Unterstützung älterer Menschen und volljähriger Menschen mit Pflegebedarf und Behinderung erfasst und diesen gerecht wird.“ – Dies, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist gründlich daneben gegangen.
Der Evaluationsbericht, der im Juni 2013 vorgelegt wurde und der das Ergebnis einer über halbjährigen wissenschaftlichen Untersuchung der Wirkung und Umsetzung des Gesetzes war, belegt tatsächlich die Fehler, die hier gemacht worden sind. Es wurden umfangreiche Kritikpunkte aufgeführt, von denen ich heute nur einige zitieren möchte. Ich beginne auf Seite 36:
„Der Schwerpunkt der Anwendungsprobleme liegt demnach in den gegenüber dem alten Heimgesetz neu geordneten Differenzierungen von Einrichtungen (...).“
Des Weiteren heißt es auf Seite 68 des Berichts:
„Wie (...) deutlich wurde, ist die Ausgestaltung und insbesondere die Abgrenzung der Einrichtungstypen ein zentraler Kritikpunkt am Gesetz.“
Weiter heißt es auf dieser Seite:
„Noch viel mehr fordern die Beratungs- und Prüfbehörden klarere Definitionsmerkmale und Abgrenzungen. Dies bezieht sich auch auf Wohngemeinschaften nach § 6 LWTG, wo deutliche ablehnende Voten bezüglich der Selbstorganisation als alleinigem Definitionsmerkmal bestehen.“ An diesem Punkt entzündet sich eindeutig die von den Beratungsund Prüfbehörden wahrgenommene Verschlechterung der Rechtslage gegenüber dem alten Heimgesetz.
Ich zitiere weiter auf Seite 76:
„Es finden sich eine Reihe von Zielverfehlungen, Nachbesserungs- und Anpassungsbedarfe, die im Rahmen einer Novelle aufgegriffen werden sollten.“
Auf Seite 79 heißt es:
„Die staatlich supervidierte Qualitätsberichtserstattung, wie sie in § 12 LWTG vorgesehen ist, hat sich nicht bewährt.“ Die Befunde der Evaluation zeigen, dass die Innovationswirkung für selbst organisierte Wohngemeinschaften weitgehend ausblieb.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das war ein zentrales Anliegen dieses Gesetzes, und wenn man diesen Eva
luationsbericht nicht als ein Verriss des alten Gesetzes betrachtet, dann weiß ich nicht, welche Kritik man sich noch einhandeln will. Es war ein klarer Verriss.
Wir haben mehrfach im Ausschuss nach dem Ergebnis der Evaluation gefragt. Am 27. Oktober 2013 stellte dann der amtierende Sozialminister Schweitzer fest, das Gesetz habe sich nach dem Ergebnis der Evaluation bewährt. Sie wissen, was ich soeben gesagt habe. Er sagte, es habe sich bewährt. Die Analyse der Stärken und Schwächen des Gesetzes formuliere für einige gesetzliche Regelungen Nachbesserungen und Anpassungsbedarf. Alles werde noch mit den zahlreichen Partnerinnen und Partnern erörtert und der Bericht 2014 vorgelegt. Das ist auch im Juli 2014 geschehen.
Wir warteten dann auf die angekündigte Novelle. Am 26. Januar dieses Jahres – das ist auch schon wieder einige Monate her – lag dann endlich der Referentenentwurf vor. Im Juni dieses Jahres fragten wir im Ausschuss wieder nach dem Stand der Gesetzesänderung. Damals berichtete dann Herr Staatssekretär Langner, dass diese seit dem 27. Mai dem Justizministerium zur Prüfung vorliege. Heute, Ende September, können wir endlich in die parlamentarische Beratung eintreten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Das ist schlimm, und darauf komme ich auch noch zu sprechen.
Da es sich um eine umfassende Änderung handelt und uns bereits kritische Stellungnahmen vorliegen, werden wir natürlich im Ausschuss eine Anhörung beantragen, und ich gehe davon aus, dass das auch die Mehrheit mitträgt. Wir bitten auch aufgrund der Änderungen, die noch an dem Referentenentwurf vorgenommen worden sind, zu dem wir freundlicherweise eine Synopse bekommen haben, diese Synopse noch einmal mit den aktuellen Änderungen zu aktualisieren; das wäre sehr hilfreich.
Allein die reinen Gesetzesänderungen haben einen Umfang in der Drucksache von 18 Seiten. Dabei lasse ich die Begründung und die Erläuterungen außen vor. Bis auf wenige Paragrafen sollen alle geändert werden. Das Gesetz der damaligen Sozialministerin Dreyer war offensichtlich schlecht.
Sehr geehrter Herr Schweitzer, Sie hatten eine Zeit lang Verantwortung, in der es darum gegangen wäre, schnell die notwendigen Änderungen auf den Weg zu bringen.
Sie waren entweder nicht in der Lage, oder Sie wollten es nicht in der gebotenen Eile tun, und das ist schlecht für die vielen Anbieter von Einrichtungs- und Wohnformen,
denen damit Planungssicherheit und Perspektiven fehlen.
Zum Schluss müssen wir befürchten, dass die geplanten Regelungen den dringend notwendigen Ausbau alternativer Wohnformen wieder eher behindern als befördern, und das ist schlimm für alle Menschen in unserem Land, die in Zukunft hierauf angewiesen sein werden.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Ja, die Grundsatzdebatte ist wichtig, und sie hat erste positive Ergebnisse allein durch ihr Stattfinden erzeugt. Herr Köbler hat soeben schon die Aussage des Bundestagskollegen Peter Hinze zitiert, der sagte, die erste positive Wirkung ist, auch das Sterben, das Lebensende aus dem allgemeinen Schweigen herausgeholt zu haben, und das ist gut so.
Es ist schwer, sich mit diesem Ende selbst auseinanderzusetzen, es ernsthaft zu tun, und deshalb ist es gut, dass in dieser Grundsatzdebatte in Berlin, aber auch in unserer Anhörung genau dieser Lebensabschnitt im Fokus steht und wir selbst auch schon ein wenig geübt haben, darüber zu reden, jeder mit seiner ganz eigenen persönlichen Erfahrung.
Wir haben uns im Wesentlichen darauf verständigt, uns aus der grundsätzlichen Entscheidung, die in Berlin zu treffen ist, herauszuhalten und uns auf das zu konzentrieren, wozu auch wir im Land etwas beitragen und etwas leisten können, gerade diesen letzten Lebensweg ein Stück zu begleiten und den Menschen die Hilfe anzubieten, die sie brauchen.
Ich möchte aber zumindest an dieser Stelle meine Meinung sagen – Frau Ganster und Frau Klöckner, sie alle haben es schon gesagt –, ich finde, wir brauchen keine gesetzliche Änderung, und zwar gerade auch vor dem Hintergrund dessen, was Sie sehr eindringlich gesagt haben, Frau Ratter: Der Suizid ist straffrei, und auch die Beihilfe zum Suizid ist straffrei. Mich haben in der Anhörung die Menschen, die Experten überzeugt, die dargelegt haben – und ich glaube, das hat auch Susanne Ganster sehr gut geschildert –, was bei uns mit dem Bild der Schleuse beschrieben wird: Die Tür ein kleines bisschen zu öffnen für Fälle, die man im Kopf hat, für die man es sich vorstellen kann. – Aber wird es gelingen, die Tür nur so schmal aufzuhalten? –
Ich glaube, das ist etwas, was uns sehr ernsthaft und mit Sorge umtreibt, zumal wir gerade aus anderen Ländern, die schon seit längerer Zeit die Möglichkeit der aktiven Sterbehilfe für sich entschieden haben, erleben mussten, dass diese Tür auch weiter aufgeht und das selbst Menschen zu Tode gebracht werden, die auch die in diesen Ländern geltenden Bedingungen, eine eigenverantwortliche Entscheidung, überhaupt nicht mehr erfüllen können, wenn es sich zum Beispiel um an Alzheimer erkrankte Menschen handelt. Ich glaube, es tut uns gut, in diesem Falle Nein zu sagen, und ich hoffe, dass dieses Nein auch eine Mehrheit im Bundestag finden wird.
Wir haben gesagt, wir konzentrieren uns auf das, was im Land nottut, und wir haben auch durch unsere Große Anfrage die Situation im Land erhoben. Frau Ministerin Bätzing-Lichtenthäler, ich bin froh, dass sich aufgrund der Mangelsituation, die wir gerade bei der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung feststellen müssen, wo wir bisher nur etwa 50 % des Bedarfs gedeckt haben, offensichtlich nun weitere Teams auf den Weg machen. Das ist sehr wichtig.
Ich glaube, es ist ganz besonders wichtig für die Wahrnehmung dieser Debatte – für die Orientierungsdebatte, für die Anhörung und für die Debatte heute –, wie ernst wir unsere Aussagen nehmen, die wir treffen, und wie wichtig eine gute, eine flächendeckende und ausreichende Begleitung im Sterben ist. Wir werden in Zukunft mit dieser Debatte nur ernst genommen werden, wenn wir diesen Worten auch wirklich Taten folgen lassen. Ich bin mir dabei auch darüber bewusst, dass das nicht einfach wird.
Wir wissen, wie die demografische Entwicklung unser Land verändern wird. Die Zahl der hochbetagten Menschen wird deutlich zunehmen, und wir erleben schon jetzt in der Palliativversorgung, in der hospizlichen Versorgung, dass die Nachfrage vorhanden ist, ja, dass sie größer ist als das Angebot und auch die stationären Hospize Wartelisten haben. Wir müssen uns auch darum bemühen – ich denke, das führen wir in unserem Antrag sehr gut aus – zu klären, wie wir die Bedarfe entwickeln und wie wir die Bedarfe mit der Perspektive in die Zukunft berechnen und schlussendlich auch umsetzen; denn die Zahl allein hilft nicht weiter.
Wir müssen uns auf den Weg machen, viele Menschen für die Begleitung Sterbender zu gewinnen. Es wird schwer werden, es ausschließlich mit professionellen Kräften zu bewältigen. Wir sind dankbar für all diejenigen, die sich professionell zur Verfügung stellen, aber besonders auch für diejenigen,
die ehrenamtlich diese Aufgabe wahrnehmen, Menschen auf ihrem letzten Weg zu begleiten. Ich denke, wir werden zusammen nach Kräften daran arbeiten, dass es in diesem Land ein Sterben in Würde auch in Zukunft geben wird.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Dr. Machalet, ich möchte mich ausdrücklich bedanken für eine doch in Teilen deutlich ehrlichere Analyse zu diesem Armutsbericht, als wir das eben von Ihnen, Frau Ministerin, gehört haben.
Sehr geehrte Damen und Herren, arm oder von Armut bedroht zu sein, ist ein schlimmes Schicksal. Armut grenzt aus, macht krank und nimmt den Lebensmut. Es muss uns gelingen, den betroffenen rheinland-pfälzischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern bessere Lebensperspektiven, größere Entfaltungschancen und letztlich ein befriedigendes und erfüllendes Leben zu ermöglichen. Dies ist ein wesentliches Anliegen unserer christdemokratischen Politik.
Deshalb ist es gut, dass wir seit einigen Wochen den 5. Armuts- und Reichtumsbericht mit umfangreichen Fakten zur Lebenssituation der Menschen in Rheinland-Pfalz vorliegen haben und heute hier darüber diskutieren können.
Allerdings schließe ich mich gleich zu Beginn den kritischen Anmerkungen der LIGA, der Landesarmutskonferenz und des DGB an. Es ist ein erheblicher Nachteil, dass die Berichte nicht aufeinander abgestimmt sind, nicht aufeinander aufbauen, nicht Entwicklungen aufweisen und Wirkungen politischer Maßnahmen beleuchten oder deren Messbarkeit definieren. Das ist ein Nachteil, wenn wir heute über den fünften Bericht sprechen. Sie haben offensichtlich nur wenig miteinander zu tun.
Nur mit diesem Aufeinanderabgestimmtsein hätten wir heute hilfreiche Anhaltspunkte, mit welchen Maßnahmen und über welche Wege Armut und Armutsbedrohung am besten zurückgedrängt werden können.
Sehr geehrte Frau Ministerin, wir sind schon gespannt auf die zahlreichen Evaluationsberichte Ihrer Maßnahmen, die wir sicher im Sozialausschuss vorgelegt bekommen werden.
Ich komme zurück zum Bericht. Jetzt müssen wir selbst prüfen, was denn die Politik dieser Landesregierung seit den letzten Armutsberichten von 2004 und 2009/2010 für die Lebenssituation der Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer Positives bewirkt hat. Die Tatsache, dass Armut und Armutsrisiken für zahlreiche Personengruppen nach wie vor vergleichsweise hoch oder sogar höher sind als in der Vergangenheit, kann nur zu dem Fazit führen, dass die Politikansätze dieser Landesregierung unzureichend und in Teilen offensichtlich nicht zielführend waren.
Ich will dies mit einigen Fakten belegen. Beginnen möchte ich mit einigen sozioökonomischen Grunddaten.
Das Bruttoinlandsprodukt, das uns auch schon beschäftigt hat, gibt den Gesamtwert aller Güter, also von Waren und Dienstleistungen an, die innerhalb eines Jahres innerhalb der Landesgrenzen einer Volkswirtschaft hergestellt wurden. Um diese eigene Wirtschaftskraft mit anderen Ländern besser vergleichen zu können, rechnet man das Bruttoinlandsprodukt auf die Einwohner um. Es wird als Maßstab für den materiellen Wohlstand in einem Land angesehen.
Auf den Seiten ab 102 kann man die Entwicklung für Rheinland-Pfalz ablesen. Bemerkenswert: Bis 1991 – ab da übernahm die SPD die Landesführung – lag das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in unserem Land höher als in Deutschland; seither liegt es darunter.
Der Abstand vergrößerte sich von 1992 mit 424 Euro bis 2008 auf 3.466 Euro. Der Abstand verringerte sich seit der Finanzkrise wieder leicht auf 2.850 Euro.
Vergleiche ich – das muss ich jetzt selbst tun, weil es der Bericht nicht leistet, aber ich halte es für wichtig, uns mit den anderen Bundesländern zu vergleichen, nicht mit Afrika, Asien und wem auch immer – Rheinland-Pfalz mit den westdeutschen Bundesländern ohne Berlin, liegt der Abstand 2012 statt bei den genannten 2.850 Euro – Abstand zum deutschen Durchschnitt – bei insgesamt 4.813 Euro pro Kopf unserer Einwohner. Das ist ein sehr großer Unterschied von fast 2.000 Euro pro Kopf, meine Damen und Herren.
Da Arbeitslosigkeit ein sehr hohes Armutsrisiko darstellt, ist eine starke Wirtschaft mit einem differenzierten und florierenden Arbeitsmarkt die wichtigste Voraussetzung zur Vermeidung von Armut.
Die vergleichsweise schlechte Wirtschaftskraft unseres Landes führt auch zu schlechteren Löhnen in unserem Land. Der Bericht sagt hierzu – ich zitiere –: „Seit Mitte der 90er-Jahre wachsen die Bruttolöhne und Gehälter im Bund mit wachsendem Abstand stärker als im Land.“
Hier verdiente man 2012 im Schnitt 22,62 Euro brutto je Stunde, im Bundesschnitt 23,17 Euro. Auf den ersten Blick ist das ein kleiner Abstand. Bei näherer Betrachtung – hier wieder nur der westdeutschen Flächenländer, was der Bericht leider wieder nicht bietet – liegt Rheinland-Pfalz an sechster und damit drittletzter Stelle. Nur in Niedersachsen und Schleswig-Holstein verdiente man in Westdeutschland noch weniger. Der westdeutsche Schnitt lag bei 23,71 Euro die Stunde, also einen guten Euro in der Stunde oder gut 160 Euro im Monat höher als in Rheinland-Pfalz.
Passend hierzu stellt der Bericht fest – ich zitiere –: „Mit 2.879 Euro liegt das monatliche Bruttoarbeitsentgelt je sozialversicherungspflichtigem Vollzeitbeschäftigten 2012 im Land deutlich unter dem westdeutschen Median (3.022 Euro).“
Niedrige Einkommen erhöhen natürlich das Armutsrisiko,
sehr geehrte Damen und Herren.
Kommen wir zur Zahl der Erwerbstätigen im Land, deren Zahl – das wurde eben auch richtig dargestellt – stärker gestiegen ist – um 15 % – als in Westdeutschland und nochmals stärker als im gesamtdeutschen Durchschnitt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist positiv und gut so. Das will ich hier ausdrücklich benennen. Allerdings ist es auch wieder nur ein Teil der Wahrheit. Immer, wenn die Landesregierung nur Steigerungsraten lobt, ist man gut beraten, sich die zugrunde liegenden absoluten Zahlen genau anzusehen.
Rechne ich – der Bericht tut es leider nicht – die Zahl der Erwerbstätigen auf die Einwohner in den Bundesländern um und vergleiche, ist die Situation von Rheinland-Pfalz überhaupt nicht mehr rosig. In den alten Ländern ohne Berlin sind von 1.000 Einwohnern 532 erwerbstätig, in Rheinland-Pfalz gerade einmal 487.
Bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sieht es noch schlechter aus: Rheinland-Pfalz 321 pro 1.000 Einwohner, alte Bundesländer – also westdeutsche ohne Berlin – 368 – sehr deutlich mehr –, und sogar die Betrachtung nur der neuen Länder bringt mehr sozialversicherungspflichtig Beschäftigte pro 1.000 Einwohner, nämlich 342.
Sehr geehrte Damen und Herren der Landesregierung, sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, wer wie Sie – sie ist leider im Moment nicht anwesend – durch Weglassen und unzureichende Vergleiche die tatsächliche Situation unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger im Land derart vernebelt, verliert die tatsächliche Realität in unserem Land aus den Augen. Und das ist schlecht für Ihre Politik und für die Menschen im Land.
Wichtige Erkenntnisse bietet Kapitel 6 zur Armut in soziodemografischer Differenzierung – so lautet die Überschrift.
Arbeitslosigkeit erhöht das Armutsrisiko für Betroffene und für Familienangehörige. Die Armutsrisikoquote Erwerbstätiger liegt im Land höher als in Westdeutschland und in Deutschland. Bildungsarmut erhöht ebenfalls das Risiko von Einkommensarmut. In Rheinland-Pfalz liegt 2012 die Armutsrisikoquote der über 25-Jährigen – darauf ist die Kollegin eben eingegangen – mit niedrigem Bildungsstand mit 30,4 % – das ist eine erhebliche Zahl, das ist fast jeder Dritte – fast sechsmal so hoch wie bei Personen mit hohem Bildungsstand.
Die Armutsrisikoquote ist für Geringqualifizierte von 2005 bis 2012 – hier wird ein Zeitraum von sieben Jahren sozialdemokratisch geführter Sozialpolitik aufgezeigt – hier in Rheinland-Pfalz deutlich gestiegen. Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, diese Feststellung im Bericht bezieht sich auf Ihre Amtszeit als Sozialministerin. Sie muss bei Ihnen und Ihrer aktuellen Nachfolgerin, aber durchaus auch bei der Bildungsministerin die Alarmglocken schrillen lassen. Wie viele zahllose Projekte zur Förderung, Unterstützung, Qualifizierung, Stabilisierung und was auch immer wurden in diesen Jahren mit Millionen Euro aus
Landes-, Bundes- und EU-Mitteln durchgeführt und finanziert, und was haben sie gebracht? Das Armutsrisiko ist deutlich gestiegen, eine schlechte Bilanz.
Kommen wir zur Differenzierung nach Haushaltstypen und Familienstand. Die hier zu findenden Feststellungen, sehr geehrte Damen und Herren der Landesregierung, sind ein vernichtendes Urteil über die Politik der Ministerpräsidentin als frühere Sozialministerin, aber auch über die Politik der gesamten Landesregierung in den vergangenen Jahren.
Auch hier zitiere ich aus dem Bericht: „In der Differenzierung nach dem Haushaltstyp bzw. Familienstand weisen Alleinerziehenden-Haushalte 2012 mit Abstand die höchste Armutsrisikoquote auf (Rheinland-Pfalz: 47,5 %;“ – hier habe ich mir jetzt den Blick rein auf Westdeutschland er- spart – „Bund: 41,9 %).“ Wir liegen schlecht.
„Die zweithöchste Quote verzeichnen Einpersonenhaushalte (Land: 26,6 %; Bund: 25,8 %), gefolgt von Haushalten mit zwei Erwachsenen und drei oder mehr Kindern (Land: 23,5 %; Bund: 24,1 %). Im Vergleich der Jahre 2005 und 2012“ – alles noch Zitat aus dem Bericht – „liegt die Armutsrisikoquote im Land 2012 bei Alleinerziehenden deutlich höher als 2005, ebenso bei Alleinlebenden.“
Wenn das kein schlechtes Urteil über die Wirkungslosigkeit Ihrer bisherigen Politik ist, dann weiß ich nicht, was Sie sich noch ins Stammbuch schreiben lassen wollen.
Nach diesen ernüchternden Feststellungen halten wir es für zwingend erforderlich, uns im Sozialausschuss und am besten auch im Bildungs-, im Wissenschafts- und im Wirtschaftsausschuss weiter intensiv mit diesem Bericht zu befassen. Hier haben wir auch die Gelegenheit, die profunden Stellungnahmen der Liga, der Landesarmutskonferenz und des DGB angemessen zu beraten.
Auf die besondere Betroffenheit älterer Mitbürgerinnen und Mitbürger wird mein Kollege Michael Wäschenbach noch eingehen.
Welche Konsequenzen will nun die Landesregierung aus diesen ernüchternden Feststellungen ziehen? – Leider nur Altbekanntes. Wie dem Vorwort der Ministerin und den langen Aufzählungen zu entnehmen ist, bleibt eigentlich alles beim Alten. Und zur Vernebelung der Realität in unserem Land – gerade, was Wirtschaftskraft und Arbeitsmarkt angeht – passt, dass kein einziger wirtschaftspolitischer oder wissenschaftspolitischer Ansatz dabei ist.
Dabei belegen die Fakten dieses umfangreichen Berichts, dass Ihre bisherige Politik keine befriedigenden Ergebnisse gebracht hat, weder für Alleinerziehende noch für Familien mit mehreren Kindern oder für Seniorinnen und Senioren. Im Gegenteil:
Die Lage vieler Menschen in Rheinland-Pfalz hat sich verschlechtert. Sie sind abgekoppelt von der bundesweiten Entwicklung und oft mehr noch von der Entwicklung in den prosperierenden Bundesländern.
Dies alles ist für uns Anlass genug, in unserem Entschließungsantrag das Versagen dieser bisherigen Politik zu benennen und zielgenauere politische Maßnahmen zu beschreiben. Nur wenn wir möglichst jedem Menschen tragfähige Zukunftsperspektiven in unserem Land bieten, wird es gelingen, Armut und Armutsrisiken zu mindern. Die Menschen in unserem Land haben eine solche Politik verdient. Aber wir haben Zweifel, dass diese rot-grüne Landesregierung tatsächlich die Kraft hierzu hat.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Ministerin, mich würde interessieren, welche Pläne die Landesregierung für die Zeit nach
Abschluss der Modellprojekte hat. Gedenken Sie dann, wenn diese Modellprojekte positiv verlaufen sollten, ein wirklich flächendeckendes Netz in Rheinland-Pfalz aufzubauen und zu finanzieren?
Sehr geehrte Frau Ministerin, die Ausschreibungsfrist läuft bis zum 21. Mai. Den Kommunen, die sich bewerben sollen, ist nicht klar, was nach dreieinhalb Jahren passiert. Ihnen ist bis heute nicht klar, wie hoch der Festbetrag ausfallen wird, den Sie bereit sind, zur aktuellen Finanzierung im Modellprojekt zu zahlen. Wann wird der feststehen? Wie soll der ermittelt werden? Warum dauert es so lang, wenn man klar sagt, wir wollen die Personal- und Sachkosten eigentlich zu hundert Prozent tragen?
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Frau Ministerin Bätzing-Lichtenthäler! Wer auf die Frage, welche Pläne die Landesregierung für die Zeit nach dem Modellprojekt – also 2018 – hat, um die nach Ihrer Darlegung erkannten Betreuungsprobleme alter und betagter Menschen in Rheinland-Pfalz zu lösen, antwortet, wir freuen uns, jetzt erst einmal starten zu können, der entlarvt die eigene Arbeit und das eigene Modellprojekt als ziemlich planlos. Damit werden Sie den Bedürfnissen der Menschen bei uns im Land nicht gerecht. Das kritisieren wir an dieser Stelle.
Ich will Ihnen auch sagen, was ich erwarten würde und erwartet hätte. Vielleicht haben Sie es getan und eben nur nicht richtig herübergebracht. Dazu haben wir hier, aber auch auf unseren Antrag hin im nächsten Sozialausschuss die Gelegenheit, in Ruhe zu reden.
Ich bin der Auffassung, wenn man hört, dass es noch weitergehende Betreuungsbedarfe gibt und man sich dieser Fragestellung annehmen will, muss man erst einmal ein Art Ist-Analyse machen und schauen, wie es in Rheinland-Pfalz aussieht und in welchen Flächen und Regionen unsere hochbetagten alleinstehenden Menschen leben. Dann muss man auch genau hinschauen, welche Bedarfe sie haben. Wir kennen die Aussagen. Wir haben sie auch in vielen Diskussionen gehört. Es gibt Alleinstehende und Hochbetagte.
Frau Anklam-Trapp hat eben richtig dargestellt, dass es Menschen gibt, bei denen wir die Sorge haben, dass sie ihren Alltag ohne Unterstützung nicht auf Dauer bewältigen können, und das durchaus auch noch eine große Zeitspanne vor einer möglichen Pflegebedürftigkeit.
Dann müssen wir auch noch einmal über das Thema Pflegebedürftigkeitsbegriff reden, weil dazu eine beginnende Demenz gehört. Auch diese Menschen müssen aufgefangen werden. Im Groben wissen wir, worum es geht. Ich meine, das allein kann nicht reichen zu sagen, ich führe jetzt einmal mit zwölf Gemeindeschwestern Plus in fünf Kommunen auf dreieinhalb Jahre ein Projekt durch. Dann schauen wir einmal weiter. Ich finde, es muss vorher klar sein, wie viele Menschen es sind, welche Bedarfe es gibt und wer diese Bedarfe erfüllen und abdecken könnte. Wir haben Strukturen im Land.
Wir haben nicht nur wie in vielen anderen Bundesländern unsere Altenhilfezentren, die Mobilen Sozialen Dienste und die Sozialstationen. Wir haben in den Landkreisen gerade für die Klärung des Pflegebedarfs und die Sicherstellung der Pflegebedürftigkeit unsere Beratungs- und Koordinierungsstellen und die Pflegestützpunkte. Wir haben in einzelnen Kommunen schon sehr aktive Seniorenselbsthilfevereine. Es gibt schon Strukturen. Insofern muss man schauen, wer in der Lage wäre, diese besonderen Bedarfe abzudecken, gegebenenfalls mit Unterstützung und der Anstellung weiterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Dann kann ich zu dem Ergebnis kommen und sagen: Ich halte es aber für sinnvoll, daneben auch noch einmal zu testen, ob es nicht auch eine Kraft sein könnte, die über eine Kommune zusätzlich beim Pflegestützpunkt angestellt wird. – Dann muss ich mich fragen: Bin ich, wenn ich diesen Bedarf auch quantifiziert habe, noch in der Lage, 2018, wenn das Projekt zu Ende ist, wirklich eine solche Hilfeleistung flächendeckend für alle hochbetagten Menschen in Rheinland-Pfalz anzubieten? – Nur wenn ich sage: „Ja, das kann ich, das will ich, und das werden wir stemmen“, habe ich eigentlich die Berechtigung, jetzt Kommunen und Träger in Modellprojekte zu schicken, um Dinge auszutesten.
Diese Antwort bleiben Sie aber schuldig. Ich kann mir vorstellen, weshalb. Das wird schon eine Größenordnung sein. Mich würde schon einmal interessieren, mit welcher Größenordnung wir rechnen müssen. Den Betrag konnten Sie heute noch nicht nennen. Ich finde, das ist auch etwas planlos. Ehe ich in ein Modellprojekt gehe, muss ich wissen, was es mich insgesamt kostet, und ob ich diesen Betrag finanziert habe. Wenn ich das weiß, dann kann ich sagen, ich mache ein Modellprojekt.
Sie schreiben aus. Die Ausschreibung läuft. Die Bewerbungsfrist ist am 21. Mai. Die Kommunen wissen bis heute nicht, was Sie von Ihnen bekommen, Frau Ministerin. Das geht nicht. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich glaube, wir brauchen ganz bestimmt eine aufsuchende Hilfe.
Sie nehmen sich mit der Konstruktion Ihres Modellprojektes selbst viele Möglichkeiten, um alternative Hilfeformen zu testen. Das halte ich für mehr als schade. Damit gehen vielleicht auch potenzielle Hilfemöglichkeiten für unsere Seniorinnen und Senioren verloren. Ich mache ein Fragezeichen, ob ich wirklich – damit knüpfe ich an Ihr Beispiel von eben an –
für die Organisation der Chorprobe tatsächlich die Qualifikation einer Fachpflegekraft mit Case Management, Care Management und mit der Kompetenz zur sozialräumlichen Planung brauche.
Sehr geehrte Frau Ministerin, mir geht es um die Frage, welche Chancen und Beratungsmöglichkeiten Menschen haben, die aus dem europäischen Ausland oder woher auch immer zu uns gekommen sind, hier tatsächlich eine Arbeit gefunden haben, aber dann merken, dass die Arbeitsbedingungen nicht dem Vertrag entsprechen. Ist das dann auch noch das Welcome Center, bei dem man sich beraten kann, oder welche anderen Beratungsstrukturen stehen für diese Mitarbeiter zur Verfügung?
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, die Angst vor einem leidvollen Sterben ist groß. Ja, wir wollen, dass unnötiges Leid verhindert, Schmerzen gelindert und die Qualen begrenzt werden, und wir wollen für uns, für unsere Angehörigen, für unsere Lieben, einen würdigen und möglichst erträglichen Tod.
Müssen wir dafür die bestehenden Gesetze ändern? Sollen wir die aktive ärztliche Sterbehilfe ermöglichen? – Ich möchte dies nicht; denn bei allem, was wir tun, müssen wir das Ende bedenken, das Wirken unseres Tuns auf die Einstellungen und Verhaltensweisen unserer Gesellschaft, aber auch vor allem im Umgang mit kranken, pflegebedürftigen, dementen Menschen. Was dies heißt, können wir in Gesellschaften beobachten, die eine offene Gesetzgebung haben, die aktive ärztliche Sterbehilfe erlauben.
In den Niederlanden ist dies seit dem 1. April 2002 der Fall. Die Statistik dort zeigt, dass die Zahl der aktiven Sterbehilfen und der ärztlich assistieren Suizide Jahr für Jahr deutlich zunimmt.
2007 waren es 2.123 Fälle, 2011 3.695 und 2013 schon fast 5.000 Menschen, die sich das Leben haben nehmen lassen.
Kritiker bemerken, dass selbst die relativ liberalen Sorgfaltspflichten in Einzelfällen von Ärzten außer Acht gelassen werden. Die Einstellung zu schwerkranken Men
schen ändert sich. Ihr Leben und ihr Recht auf Leben werden offensichtlich deutlich leichter infrage gestellt.
Auch für eine schwer demenzkranke Frau wurde nach einem Bericht im Ärzteblatt 2012 erstmals aktive Sterbehilfe geleistet. Dabei verlangt auch die niederländische Regelung, dass der Arzt unter anderem zu der Überzeugung gelangt sein muss, dass der Patient seine Bitte freiwillig und nach reiflicher Überlegung geäußert hat.
Er muss den Patienten über dessen Situation und über die medizinische Prognose aufgeklärt haben, der Patient muss unerträglich leiden und eine Heilung aussichtslos sein. Eine schwer an Demenz erkrankte Person kann ihre Situation nicht reiflich überlegen. Sie kann die nötige, freiwillige Willensäußerung nicht leisten.
2013, ein Jahr später, waren es fast 100 demente Menschen, die aktive Sterbehilfe erhielten. Auch erhalten immer mehr psychisch Kranke aktive Sterbehilfe. Man stelle sich Menschen in einer depressiven Phase vor.
Ich befürchte, dass sich in einem Land mit legaler aktiver Sterbehilfe schwerkranke Menschen, Pflegebedürftige oder auch Menschen mit beginnender Demenz unter Druck gesetzt fühlen, ihrem Leben ein Ende zu bereiten.
Ich befürchte, dass Umstände den Wunsch nach aktiver Sterbehilfe beeinflussen, die niemand wollen kann: die Sorge, den Kindern oder dem Partner zu sehr zur Last zu fallen, die Angst, die Kosten der Pflege nicht mehr tragen zu können oder dass sie eben von den Kindern getragen werden müssen.
Ich befürchte, dass dieser Druck empfunden wird, selbst wenn man eigentlich auch trotz und mit Leid und Krankheit durchaus noch leben möchte.
Ich will mir auch gar nicht ausmalen, welche Wirkung die Möglichkeit der legalen aktiven Sterbehilfe in Deutschland in den schwierigsten Jahren des demografischen Wandels haben kann. In den Jahren 2030 bis 2050 werden die geburtenstarken Jahrgänge hoch betagt sein, in großen Teilen vielleicht pflegebedürftig und krank, und es wird ihnen eine deutlich geringere Zahl an jungen Menschen im erwerbsfähigen Alter gegenüberstehen.
Ich will mir nicht ausmalen, welches Verführungspotenzial die aktive Sterbehilfe haben könnte.
Ich will auch nicht, dass das wichtige Vertrauensverhältnis zu den Ärzten beschädigt wird. Dies würde es für mich, wenn ich nicht sicher sein kann, dass mich meine Ärzte bedingungslos beim Leben unterstützen.
Ich will gute Begleitung beim Sterben mit allen Möglichkeiten, Schmerzen und Qualen zu lindern. Ich möchte auch in unserem Land eine ausreichende Versorgung mit ambulanter und stationärer Palliativ- und Hospizbetreuung und danke allen, die sich in der Begleitung Sterbender engagieren.
Danke sehr.
Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie haben soeben noch einmal darauf hingewiesen, dass das gesamte Verfahren der eigenen Personalhoheit des MDK unterliegt. Allerdings möchte ich Sie jetzt fragen: Wie bewerten Sie dann die Tatsache, dass die geplante Vergünstigung, also Reduzierung der Ansprüche des ehemaligen Geschäftsführers im Jahr 2013 durch eine entsprechende Veränderung des Vertrages nicht abgeschlossen wurde und in dieser Angelegenheit sehr wohl das Ministerium interveniert hat?
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Frau Anklam-Trapp, als wir den Antrag das erste Mal gelesen haben, waren wir etwas überrascht. Ich sage ganz spontan, was mir in den Sinn kam. Es erschien mir so wie die Geschichte vom Dieb in der belebten Fußgängerzone, der meint, ertappt worden zu sein, sich mutig aufrichtet, den Finger weit von sich weist und ruft: Haltet den Dieb!
Genau so kommt mir dieser Antrag vor.
Liebe Frau Kollegin, ich glaube, Sie wissen auch warum. Ich will es Ihnen auch gerne sagen, damit das noch einmal deutlich wird.
Was steht in dem Antrag von SPD und GRÜNEN? – Man kritisiert den Bund, der das alles nicht hinreichend auf den Weg gebracht hat, man lobt sich selbst, weil im Land alles prima läuft.
Bei den Forderungen delegiert man dann die Verantwortung auf die Kommunen, die bei der Sicherstellung der Qualitätsentwicklung mit eingebunden werden sollen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesem Antrag fehlen ganz entscheidende Dinge. Da fehlt vor allen Dingen die eigene Verantwortung des Landes.
Das kann nicht sein, dass Sie das wirklich vergessen haben. Sie selbst, als die SPD die absolute Mehrheit in der letzten Legislaturperiode hatte, haben mit der Initiatorin und damaligen Sozialministerin und heutigen Ministerpräsidentin Malu Dreyer 2009 ein Gesetz beschlossen „Landeswohn- und Teilhabegesetz“ mit dem § 12, mit dem Sie sich selbst verpflichtet haben, in Absatz 1 differenzierte Qualitätsberichte von den Heimbegehungen, von den Überprüfungen der Einrichtungen mit entsprechenden Kriterien zu erstellen.
In Absatz 2 haben Sie sich auch selbst verpflichtet, spätestens im Juli 2011 diese Qualitätsberichte in verständlicher Sprache im Internet, im Sozialportal – früher hieß es anders – des Landes Rheinland-Pfalz zu veröffentlichen.
Was ist geschehen? – Nichts, gar nichts.
Sie selbst werden dem eigengesteckten Ziel in keiner Weise gerecht. Ich sage einmal, wenn einem das nicht an den Dieb erinnert, der den Finger reckt und nur sagt, was bei den anderen falsch läuft, aber nicht bei ihm
selbst, bei dem alles gut läuft, das erfordert fast schon wieder Respekt für diese Glanzleistung.
Noch eines finde ich ganz spannend. Gehen Sie doch alle einmal auf dieses Sozialportal. Was Sie dort finden können, sind die Einrichtungen, die es in Ihrer Region gibt. Die stehen dort mit Adresse, mit Namen und der Anzahl der verschiedenen Betten, die es gibt. Das war es.
Dann gibt es links im Menü noch den Unterpunkt Qualitätsberichte, auf den Sie gehen können. Was Sie dort finden, ist eine allgemeine Erläuterung Ihres eigenen Gesetzesauftrages, den Sie sich gegeben haben. Dann sagen Sie, ja, wir haben in einer halbjährigen Testphase mit einem Institut alles evaluiert.
Als Ergebnis stehen unten zwei Links. Der eine Link führt zu dem gesamten Gutachten dieser Wissenschaftler, Gesamtlänge 171 Seiten. Für den eiligen Leser steht die Kurzfassung mit 60 Seiten mit dabei.
Das können sich dann die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes ansehen, um Klarheit über die Qualitätskriterien der Einrichtungen in unserem Land zu bekommen.
Liebe Kollegen, Sie machen es sich ein bisschen einfach mit einem solchen Antrag, ohne wenigstens mit drei Sätzen zu sagen, warum es nicht gelingt.
Ich glaube Ihnen, dass es schwer ist. Ich weiß, dass es schwer ist. Das sagt Ihnen auch Ihre wissenschaftliche Einrichtung, die Sie das haben evaluieren lassen.