Protokoll der Sitzung vom 09.12.2011

............................................................................................. 1021 Abg. Dr. Mittrücker, CDU:............................................................................................................................ 1019 Abg. Dr. Rosenbauer, CDU:........................................................................................................................ 1029 Abg. Dr. Wilke, CDU:........................................................................................................................... 999, 1000 Abg. Frau Brück, SPD:...................................................................................................................... 1007, 1008 Abg. Frau Dickes, CDU:.............................................................................................................................. 1009 Abg. Frau Dr. Machalet, SPD:............................................................................................................... 996, 998 Abg. Frau Ebli, SPD:.......................................................................................................................... 1001, 1002 Abg. Frau Elsner, SPD:......................................................................................................................... 995, 998 Abg. Frau Huth-Haage, CDU:...................................................................................................................... 1008 Abg. Frau Klöckner, CDU:................................................................................... 1009, 1024, 1025, 1027, 1029 Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU:..................................................................................................................... 1009 Abg. Frau Müller-Orth, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:.................................................................................. 1003 Abg. Frau Neuhof, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:........................................................................................ 1005 Abg. Frau Raue, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:................................................................................. 1002, 1003 Abg. Frau Schäfer, CDU:............................................................................................................................. 1005 Abg. Frau Spiegel, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:.......................................................................................... 997 Abg. Frau Thelen, CDU:................................................................................................................................ 997 Abg. Guth, SPD:.......................................................................................................................................... 1017 Abg. Hering, SPD:....................................................................................................................................... 1026 Abg. Hürter, SPD:........................................................................................................................................ 1005 Abg. Hüttner, SPD:...................................................................................................................................... 1002 Abg. Klöckner, SPD:.................................................................................................................................... 1010 Abg. Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:.......................................................................................... 997, 1028 Abg. Lammert, CDU:................................................................................................................................... 1001 Abg. Schmitt, CDU:...................................................................................................................................... 1006 Abg. Wehner, SPD:............................................................................................................................. 998, 1006 Abg. Weiner, CDU:...................................................................................................................................... 1012 Abg. Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:......................................................................................... 1013 Abg. Zehfuß, CDU:...................................................................................................................................... 1002 Frau Alt, Ministerin für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen:............................... 1007, 1008, 1009 Frau Conrad, Bevollmächtigte des Landes beim Bund und für Europa:..................................................... 1015 Frau Dreyer, Ministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie:.................. 995, 996, 997, 998, 999 Frau Höfken, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten:................. 1003, 1005.................................................................................................................................................................... 1006 Frau Lemke, Ministerin für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung:.................................... 1022 Frau Raab, Staatssekretärin:........................................................................................... 999, 1001, 1002, 1003 Präsident Mertes:................................................................... 995, 996, 997, 998, 999, 1000, 1001, 1002, 1003................................................................................................................... 1005, 1006, 1007, 1008, 1009, 1010 Vizepräsident Schnabel:........................................................ 1012, 1013, 1015, 1017, 1019, 1020, 1022, 1024.................................................................................................................... 1025,1026, 1027, 1028, 1029, 1030

17. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz am 9. Dezember 2011

Die Sitzung wird um 09:30 Uhr vom Präsidenten des Landtags eröffnet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 17. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz und begrüße Sie ganz herzlich.

Zu schriftführenden Abgeordneten berufe ich die Kollegen Benedikt Oster und Susanne Ganster. Frau Ganster führt die Rednerliste.

Lieber Herr Dötsch, Sie werden heute 57 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall im Hause)

Sie sehen, Sie haben ein außerordentlich dankbares Publikum, wenn Sie nachher einen ausgeben.

(Heiterkeit im Hause)

Damit Sie dies können, habe ich natürlich wie immer für den Abgeordneten, der am Tag der Plenarsitzung Geburtstag hat, ein kleines Kistchen Wein. Ich wünsche Ihnen ein gutes und erfolgreiches neues Lebensjahr.

So frohgestimmt, nehmen wir zur Kenntnis, dass heute die Abgeordneten Christian Baldauf, Josef Bracht, Herbert Schneiders sowie Herr Staatsminister Roger Lewentz entschuldigt sind.

Wir beginnen mit Punkt 24 der Tagesordnung:

Fragestunde – Drucksache 16/664 –

Ich rufe die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Petra Elsner und Dr. Tanja Machalet (SPD), Mini- und Midijobs in Rheinland-Pfalz – Nummer 5 der Drucksache 16/664 – betreffend, auf.

Frau Kollegin Elsner hat bereits angezeigt, dass sie die einzelnen Fragen vortragen wird. – Bitte schön.

Danke schön, Herr Präsident. Es geht um Mini- und Midijobs in Rheinland-Pfalz. Hierzu fragen wir die Landesregierung:

1. Wie beurteilt die Landesregierung die geplanten Änderungen für die Mini- und Midijobs insbesondere im Hinblick auf Rheinland-Pfalz?

2. Welche Folgen hat diese Anhebung für die Altersversorgung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer?

3. Sieht die Landesregierung Änderungsbedarf bei den aktuellen Regelungen zu Mini- und Midijobs?

Für die Landesregierung antwortet Frau Staatsministerin Malu Dreyer.

Guten Morgen, Herr Präsident, meine sehr verehrten Herren und Damen Abgeordnete! Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Petra Elsner und Dr. Tanja Machalet beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt:

Mit fast 7,4 Millionen Minijobs kommt diesem Beschäftigungssegment eine bedeutende Rolle auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu. Im September 2011 wurden in Rheinland-Pfalz 355.716 geringfügig entlohnte Beschäftigte registriert, hinzu kommen noch rund 15.500 geringfügig entlohnte Beschäftigte in Privathaushalten.

Nach den mir vorliegenden Presseberichten plant die Bundesregierung, die Minijob-Grenze von 400 Euro auf 450 Euro anzuheben. Gleichzeitig sollen Minijobber künftig grundsätzlich voll in der Rentenversicherung abgesichert werden und damit auch Ansprüche auf Erwerbsminderungsrente erwerben oder Vorteile der Riester-Rente in Anspruch nehmen können.

Dafür stocken Sie den pauschalen Rentenversicherungsbeitrag des Arbeitgebers von 15 % um 4,6 % auf. Wer das nicht will, soll darauf verzichten können. Dann bleibe es bei der pauschalen Abgabe des Arbeitgebers.

Die Midijob-Grenze soll entsprechend von 800 Euro auf 850 Euro angehoben werden.

Zu Frage 1: Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse sollen zu einer Flexibilisierung des Arbeitsmarktes beitragen. Für die betroffenen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die sozialen Sicherungssysteme und den Arbeitsmarkt sind diese Beschäftigungsverhältnisse jedoch mit zahlreichen Problemen und Risiken verbunden. Sie äußern sich häufig in einer Benachteiligung gegenüber anderen Beschäftigten, in der unzureichenden eigenständigen sozialen Absicherung und in der fehlenden Brückenfunktion zu einem oftmals gewünschten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis.

Da inzwischen fast jedes fünfte Beschäftigungsverhältnis in Deutschland ein Minijob ist, hat dies erhebliche Auswirkungen auf die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme und die Steuereinnahmen. Zwischenzeitlich haben sich ganz unterschiedliche Gruppen und Institutionen für eine Reform bzw. Abschaffung der geringfügigen Beschäftigung ausgesprochen, beispielsweise der Sachverständigenrat, der Deutsche Juristentag, der Deutsche Frauenrat und das IAB im Jahr 2010 sowie die Sachverständigenkommission zur Erstellung des Ersten Gleichstellungsberichtes der Bundesregierung im Jahr 2011.

Die von der Regierungskoalition geplanten Änderungen für Mini- und Midijobs entsprechen in keiner Weise dem festgestellten notwendigen Reformbedarf und werden von der Landesregierung daher sehr kritisch gesehen. Seit dem Jahr 2003 ist die Anzahl der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse gestiegen und wird, bedingt durch die Anhebung auf 450 Euro, weiter steigen. Bereits heute haben geringfügig Beschäftigte häufig sehr lange Arbeitszeiten und erreichen oftmals nur geringe Stundenlöhne. In der Form der ausschließlich geringfügigen Beschäftigung ermöglichen sie zudem weder ein existenzsicherndes Erwerbseinkommen, noch sind sie eine ausreichende Basis für die notwendige Altersvorsorge. Deshalb sollte das Arbeitsmarktsegment der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse verkleinert und nicht durch eine Anhebung der Grenzen noch weiter vergrößert werden.

Eine Beitragsaufstockung zur Rentenversicherung durch Minijobber ist bereits heute auf freiwilliger Basis möglich. Derzeit nutzen diese Möglichkeit nur 5 % der Minijobber im gewerblichen Bereich und 7 % der Minijobber in Privathaushalten.

Neu ist lediglich die Umkehrung der Freiwilligkeit. Künftig sollen Minijobber grundsätzlich eine Beitragsaufstockung vornehmen, können diese aber auch weiterhin ablehnen. Diese Neuregelung ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, er löst jedoch nicht das grundsätzliche Problem der unzureichenden eigenständigen sozialen Absicherung.

Für die Midijobber, die derzeit im Grenzbereich von 400 Euro bis 450 Euro verdienen, ist die Neuregelung eine klare Benachteiligung, da sie zu Minijobbern werden. Ihre soziale Absicherung erfährt hierdurch deutliche Einschränkungen, und zwar auch dann, wenn Sie den Beitrag des Arbeitgebers zur Rentenversicherung aufstocken.

Zu Frage 2: Bei einer Geringfügigkeitsgrenze von 400 Euro ergibt sich in heutigen Werten pro Jahr der Betätigung ein Bruttoanspruch auf eine gesetzliche Altersrente von monatlich 3,28 Euro. Um eine Bruttoaltersrente von 850 Euro monatlich zu erzielen, müsste man eine solche geringfügige Beschäftigung rund 260 Jahre lang ausüben.

Bei einer Geringfügigkeitsgrenze von 450 Euro ergibt sich ein Bruttoanspruch von 3,69 Euro. Der monatliche Rentenanspruch steigt somit um gut 40 Cent. Statt rund 260 Jahre müsste man nur noch rund 230 Jahre arbeiten, um eine Rente von 850 Euro zu erzielen.

Solche oder ähnliche Vergleiche zeigen, dass geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, unabhängig von ihrer Ausgestaltung, keine ausreichende Basis für eine auskömmliche Altersvorsorge sind. Auch mit Blick auf die Altersvorsorge sind sie deshalb vor allem danach zu beurteilen, ob sie den Weg in eine Erwerbstätigkeit mit auskömmlichem Einkommen ebnen können oder nicht. Dies gilt im Übrigen grundsätzlich auch für eine Verschiebung der Gleitzone für die sogenannten Midijobs.

Zu Frage 3: Es gibt eine Vielzahl guter Gründe, die im internationalen Vergleich fast einzigartige Sonderrege

lung zur geringfügigen Beschäftigung grundlegend zu reformieren, auch weil sie die deutliche Zunahme der Niedriglohnbeschäftigung in den vergangenen Jahren begünstigt und beschleunigt hat.

Genau wie viele Experten, zu denen neben den bereits genannten auch das Institut Arbeit und Qualifikation an der Universität Duisburg-Essen gehört, sieht auch die Landesregierung im Bereich der Mini- und Midijobs grundlegenden Änderungsbedarf. Dazu gehört neben einer angemessenen Bezahlung für die Beschäftigten in den Minijobs – in diesem Bereich darf es kein Lohndumping geben – vor allem auch eine Reduzierung der hohen Zahl der Minijobber. Minijobs dienen der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und sollen nicht als überwiegende Beschäftigungsform genutzt werden, wie dies mittlerweile in manchen Branchen – zum Beispiel Einzelhandel oder Gastronomie – Alltag geworden ist.

Nordrhein-Westfalen wird zu dieser Thematik am 16. Dezember 2011 eine Bundesratsinitiative in den Bundesrat einbringen. Dieser Entwurf eines Gesetzes zur Reform der geringfügigen Beschäftigung und zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung wird anschließend in den Ausschüssen des Bundesrates beraten werden. Die Landesregierung wird den Gesetzentwurf konstruktiv begleiten und gegebenenfalls notwendige Änderungsanträge in die Ausschüsse einbringen.

So weit die Antwort der Landesregierung.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Gibt es Zusatzfragen? – Frau Dr. Machalet, bitte.

Frau Ministerin, gehen Sie davon aus, dass die Anhebung um 50 Euro in Form eines höheren Stundenlohnes bei den Beschäftigten oder eher in Form ausgeweiteter Arbeitszeiten ankommt?

Frau Abgeordnete Machalet, das ist schwer zu beantworten. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass etwas ursprünglich gut Gemeintes genau in das Gegenteil verkehrt worden ist. Eines der größten Probleme bei den Minijobs ist die unglaublich hohe Anzahl von Arbeitsstunden, die in dieser 400-Euro-Regelung verbracht werden. Deshalb befürchten wir auch, dass die Anhebung auf 450 Euro dazu führen wird, dass es letztendlich nicht zu einem besseren Stundenlohn kommt, sondern eher zu einer Ausweitung von Stunden.

Das heißt, ohne die Stundenzahl im Bereich der Minijobs zu begrenzen, wird man an der Stelle wirklich nicht weiterkommen. Zumindest wird es weiterhin zum Nachteil der Beschäftigten sein.

Eine Zusatzfrage der Frau Kollegin Thelen.

Frau Ministerin, trifft es zu, dass die Hauptausdehnung der Minijobs seit der Reform durch Hartz IV 2003 erfolgt ist?

Ich schließe direkt eine zweite Frage an. Sind Ihnen die Zahlen bekannt, wie viel der Minijobber – Sie haben eben die Gesamtzahl für Deutschland genannt – diesen Job neben einem Hauptjob oder neben sonstigen Leistungen, z. B. Rentenleistungen, wahrnehmen?

Die erste Frage ist selbstredend. Vorher war das Thema der Minijobs völlig anders geregelt. Erst mit der Hartz IVReform ist das Thema „Minijobs und Midijobs“ auf neue Füße gestellt worden. Deshalb haben wir natürlich seit der Einführung dieser sogenannten neuen Minijobs auch einen Anstieg von Minijobs.

Ich füge aber hinzu: Auch da gilt das, was wir gestern umfänglich diskutiert haben, dass nämlich das Projekt „Minijob“ damals eigentlich zur Flexibilisierung auf dem Arbeitsmarkt dienen sollte. Inzwischen können wir aber sehr deutlich schon seit Jahren sagen, dass es eigentlich zu Missbrauch auf dem Arbeitsmarkt geführt hat.

Wir wissen, gerade im Einzelhandelsbereich sind ganz viele sozialversicherungspflichtige Jobs in 400-EuroJobs umgewandelt worden. Das ist natürlich nicht Ziel dieses Gesetzes und kann es auch nicht sein.

Die Zahlen liegen mir vor, ich habe sie aber nicht präsent. Wenn es okay ist, reiche ich sie gerne nach. Wir haben sie natürlich zur Verfügung.