Protokoll der Sitzung vom 24.06.2020

In der Begründung zum Gesetzentwurf heißt es wörtlich – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –: „Aus dem Schulverhältnis als einem Rechtsverhältnis ergibt sich, dass der Schüler nicht lediglich Objekt der Schule ist. Er ist in seiner Menschenwürde (...) und als Träger von Grundrechten zu achten (...).“

Das liest sich alles so, als wäre Schülergenerationen – dazu gehören auch wir Abgeordnete – in den letzten Jahrzehnten systematisch die Menschenwürde verweigert worden. Dabei tragen Sie doch seit 30 Jahren Verantwortung für die Bildungspolitik im Land. Haben Sie da an der Menschenwürde Abstriche gemacht? Das zeigt, wie absurd die Diskussion mittlerweile ist. Sie hat den Boden der Ratio verlassen.

Definitiv ein schlechtes Zeugnis muss der Landesregierung ausgestellt werden, wenn es um die Digitalisierung geht. Hier hat die Landesregierung die Entwicklung völlig verschlafen. Die AfD-Fraktion hat seit ihrem Einzug in den Landtag im Jahr 2016 unzählige Male die völlig unzureichende Digitalisierung in Rheinland-Pfalz kritisiert. Wir haben konkrete Forderungen erhoben und eine Reihe von parlamentarischen Initiativen gestartet, die leider sämtlich abgelehnt worden sind. Rheinland-Pfalz bleibt, was Mobilfunk und schnelles Netz angeht, ein Schwellenland. Das haben Sie zu verantworten!

Ein zügiger Ausbau der WLAN-Infrastruktur und die Ausstattung mit den notwendigen Serverkapazitäten sind Selbstverständlichkeiten, die nun endlich umgesetzt werden müssen. Herr Lamowski vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) hat sehr treffend gefordert, man müsse die Schulen aus der Steinzeit holen. Das ist richtig.

Ich will aber nicht verhehlen, dass wir vom Einsatz von digitalen Endgeräten gerade im Grundschulbereich alles

andere als begeistert sind. Gerade hier müssen Fundamente gelegt werden. Volle Konzentration auf die Kulturtechniken und nicht eine Anhäufung von Zerstreuungs- und Ablenkungspotenzial.

Wir treten nicht dafür ein, dass jeder Schüler ein digitales Endgerät aus Steuermitteln bekommt. Aus unserer Sicht steht der finanzielle Aufwand in keinem Verhältnis zum Bildungsertrag, zumal die Geräte sehr schnell veraltet sind. Wir wollen an unseren Schulen keine Hardware-Friedhöfe produzieren.

Fazit: Wir werden diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen, weil er weiter in die falsche Richtung schreitet und im Grunde genommen die Bildungsmisere, die Sie seit 1991 zu verantworten haben, nahtlos fortsetzen will. Wir wollen eine Bildungswende.

(Glocke der Präsidentin)

Wir brauchen mehr Bildungsrealismus.

Wenn ich noch einen Satz ergänzen darf: Einer Landesregierung, die die Diktatpflicht mit der Begründung ablehnt, Leistungsnachweise – ich formuliere es so salopp – bringen ohnehin nicht viel, ist bildungspolitisch nicht zu trauen. Leider atmet diesen Geist auch Ihr Gesetzentwurf. Wir werden ihn ablehnen. Wir werden so lange weitermachen, bis es tatsächlich zu einer Bildungswende kommt. Da muss alles auf den Prüfstand.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Für die FDP-Fraktion spricht die Fraktionsvorsitzende Willius-Senzer.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Über den Wert guter Bildung haben wir soeben gesprochen. Allerdings bevorzugen wir es, keine populistischen Debatten zu führen, sondern durch konkrete Taten zu überzeugen; denn wir wollen, dass Rheinland-Pfalz Bildungsland bleibt. Die Verabschiedung des neuen Schulgesetzes ist eine solche Tat.

Mit dem neuen Schulgesetz treiben wir vor allem die Digitalisierung an den Bildungseinrichtungen deutlich voran. Der Einsatz digitaler Lehr- und Lernmethoden ist zukünftig kein Nice-to-have, sondern klare gesetzliche Aufgabe; denn nicht erst seit der Corona-Pandemie wissen wir, wie wichtig digitale Bestandteile für den Unterricht sind.

Umso wichtiger ist es nun, dass wir mit dem neuen Gesetz echte Pflöcke einschlagen. Bereits jetzt läuft die Beschaffung von iPads und Laptops. Im kommenden Jahr soll eine zentrale Cloud für die Lehrenden an den Start gehen. Über

dieses System sollen Unterrichtsinhalte und Materialien schnell und unkompliziert bereitgestellt werden.

Insgesamt kommen wir dem von uns immer geforderten Ende der bildungspolitischen Kreidezeit näher. Wir Freien Demokraten wollen, dass Schülerinnen und Schüler den schweren Schulranzen bald nur noch aus dem Geschichtsunterricht kennen. Dicke Schulbücher sollen smarten Tabletes weichen.

Aber ganz so weit sind wir noch nicht. Weitere Meter auf dem Weg dorthin werden jetzt gepflastert. Für den papierlosen Klassenraum des 21. Jahrhunderts sehe ich in nicht allzu ferner Zukunft eine realistische Perspektive.

Die Digitalisierung unserer Schulen endet aber nicht mit der Beschaffung von iPads und Laptops oder durch Cloudbasierte Systeme; denn zentral für den Erfolg der digitalen Bildung ist, dass diejenigen, die Wissen vermitteln sollen, auch wissen, wie die neuen Systeme und Methoden bestmöglich angewendet werden.

Daher ist es von zentraler Bedeutung, dass auch die Weiterbildung für Lehrerinnen und Lehrer in digitalen Kompetenzen stetig verbessert und auch intensiviert wird.

Der zweite wichtige Punkt des neuen Gesetzes ist die deutliche Verbesserung der Mitbestimmungsrechte von Schülerinnen und Schülern; denn Demokratie ist nun einmal kein Selbstläufer. Der verantwortungsvolle Umgang mit ihr muss erlernt und täglich auch gelebt werden.

Umso wichtiger ist es, dass das Verständnis für demokratische Entscheidungsfindungen frühzeitig und kontinuierlich vermittelt wird. Wir sind der Meinung, dass das erfolgreiche Erlernen von Demokratie nicht nur theoretisch und durch Lesen eines Schulbuchs funktioniert. Wir wollen, dass Schülerinnen und Schüler aktiv mitreden dürfen und selbst an Entscheidungen beteiligt werden.

Mit dem neuen Schulgesetz wird ermöglicht, dass sich alle Schülerinnen und Schüler mithilfe ihrer Vertretungen an der Gestaltung ihres Schulalltags beteiligen können. Zudem ist die Einführung des Stimmrechts für volljährige Schülerinnen und Schüler in den kommunalen Schulträgerausschüssen ein gutes Instrument, um jungen Menschen wertvolle Einblicke in parlamentarisch ähnliche Arbeitsweisen und demokratische Entscheidungsfindungen zu ermöglichen.

Ein Satz noch, weil wir eben darüber gesprochen haben. Im aktuell noch gültigen Schulgesetz findet sich in Artikel 1 der Begriff „Rasse“. Diesen wollen wir aus den vorhin schon diskutierten Gründen streichen und ersetzen. Eine Diskussion über eine etwaige Alternative zu dem Begriff erübrigt sich im Übrigen; denn die „ethnische Herkunft“ als sinnvoller Ersatz für „Rasse“ steht bereits im Schulgesetz.

Meine Damen und Herren, wir wollen heute ein zukunftsorientiertes, modernes und besonders schülerfreundliches Gesetz beschließen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abgeordnete Köbler.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Heute ist ein guter Tag für die Schülerinnen und Schüler in Rheinland-Pfalz. Erstmals wird digitale Bildung als Bildungsauftrag in unserem Schulgesetz verankert.

Spätestens seit der Corona-Pandemie ist wohl auch dem Letzten klar geworden, wie dringend notwendig das für die Zukunftsfähigkeit unseres Bildungssystems ist. Wir legen heute die Grundlage, damit endlich alle Schulen und alle Schülerinnen und Schüler von modernsten digitalen Lehrund Lernmitteln profitieren können.

Und für uns gilt: Mehr Demokratie lernen, aber auch leben. So lernen die Kinder und Jugendlichen die Demokratie nicht nur in der grauen Theorie, sondern zukünftig noch stärker, was Demokratie wirklich bedeutet. Sie dürfen von Anfang an mitgestalten.

Für uns bedeutet Schule das Zusammenwirken gleichberechtigter Gruppen auf Augenhöhe, der Lehrkräfte, der Eltern und eben der Schülerinnen und Schüler. Sie müssen gemeinsam die Verantwortung für ihre Schule übernehmen und gemeinsam mitgestalten. Deswegen wollen wir auch den Schülerinnen und Schülern diejenigen Rechte und die Mitbestimmungsrechte geben, die die Eltern und die Lehrkräfte sowieso heute schon haben. Das bedeutet Demokratie und Partizipation auf Augenhöhe von Anfang an.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Das kann gar nicht früh genug beginnen. Deswegen ist es richtig, das auch schon altersgerecht in den Grundschulen zu beginnen. Wir haben in diesem Landtag ein modernes Kita-Gesetz verabschiedet und jetzt die kuriose Situation, dass die Kinder in den Kitas momentan mehr Beteiligungsrechte als in den Grundschulen haben. Schon allein deswegen ist es dringend notwendig, bei den Grundschulen entsprechend nachzuziehen.

Es ist ein sehr gutes Gesetz geworden, weil es die Beteiligung sehr ernst meint und nicht nur Beteiligung bei den Themen, bei denen jemand vielleicht meint, da können die Schülerinnen und Schüler einmal mitbestimmen, zum Beispiel ob es am Kaffeeautomaten Kakao mit oder ohne Zucker geben soll. Nein, es geht wirklich um die harten Fragen im Schulalltag und dann auch um Grundsätze zum Umfang von Hausaufgaben.

Mit unserem Änderungsantrag haben wir noch einen ganz wichtigen Punkt mit aufgenommen, den auch die Landesschüler*innenvertretung noch einmal stark aufgenommen hat und der uns Grünen auch sehr wichtig war. Das ist die Beteiligung nicht nur auf Ebene der Schule oder auf Ebene des Landes, die schon bei der Erstellung des Gesetzes sehr vorbildlich mit der Landesschüler*innenvertretung funktioniert hat, sondern auch beim Schulträger, bei dem die Schülerinnen und Schüler heute schon in den Ausschüssen beratend vertreten sind, damit sie im Zweifel auch mitbestimmen können. Auch da soll es auf Augenhöhe mit den Eltern, den Lehrkräften und den Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern erfolgen.

Wir haben auch aus der Anhörung mitgenommen, dass wir hinreichend über die Rechte informieren müssen, dass es auch gerade in der Grundschule Zeit braucht. Deswegen haben wir den Entschließungsantrag formuliert. Was wir nicht verwechseln dürfen, ist das, was wir im Schulgesetz an Grundlagen regeln, und das, worauf wir bei der Umsetzung und Implementierung des neuen Gesetzes achten müssen.

Deswegen haben wir auch gesagt, es muss Handreichungen geben, in denen alle Beteiligten, vor allem die Schülerinnen und Schüler, über die neue Rechtslage und über ihre Rechte aufgeklärt werden. Wir geben Schulen auch Möglichkeiten, sich über das Maß hinaus noch demokratischer und beteiligungsorientierter aufzustellen, möglicherweise mit Schulparlamenten. Lehrkräfte sollen auch ein entsprechendes Angebot an Fort- und Weiterbildungsangeboten bekommen, übrigens nicht nur im Bereich der Demokratie und demokratischer Beteiligung, sondern ganz explizit auch im Bereich digitaler Bildung.

Meine Damen und Herren, als Sprecher für Inklusion meiner Fraktion ist mir auch wichtig, dass es uns mit unserem Änderungsantrag gelungen ist, dass Eltern von Kindern mit Behinderungen auch in den Elternbeiräten der Schwerpunktschulen regelmäßig mit dabei sind, um die spezielle Perspektive von Familien mit Kindern mit Behinderungen auch auf Ebene der Elternvertretung stärker mit einzubringen.

Nicht zuletzt setzen wir mit dem neuen Schulgesetz ein klares Zeichen gegen Rassismus und streichen den problematischen Begriff „Rasse“ aus dem Gesetz. Darüber haben wird gerade diskutiert. Ich bin der Meinung, dies sollte demnächst auch in unserer Landesverfassung geschehen.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Abgeordneten Paul das Wort.

Verehrtes Präsidium, liebe Kollegen, Herr Kollege Köbler! Man hat den Eindruck, dass Sie allen Ernstes glauben, es würde zu einer Demokratisierung führen, wenn die Schüler über den Umfang der Hausaufgaben abstimmen könnten.

Es liegt hier aber ein anderer Sachverhalt vor, als wenn ich darüber abstimmen kann, ob mein Klassenraum nun in Blau oder in Grau gestrichen wird.

Es handelt sich um Aufgaben, die ganz bewusst von außen an den Schüler herangetragen werden müssen. Das sind manchmal auch Aufgaben, die sich nicht so einfach bewältigen lassen, die Konzentration und Disziplin erfordern.

Die Schüler sollen gerade an diesen Aufgaben wachsen. Auch wenn diese in dem Moment, in dem sich zeigt, dass es schwierig wird, sie zu bewältigen, als problematisch vom Schüler angesehen werden, kann der pädagogische Effekt trotzdem darin liegen, dass der Lehrer sagt: „Du kannst mehr leisten! Du musst Dich mehr konzentrieren! Du kannst mehr leisten, Du kannst auch das!“

Wenn der Schüler dann in der Schule zeigt, dass er geschafft hat, was er vorher für unmöglich gehalten hat, ist das pädagogisch Gold wert.

Wir können die Schüler aus der Natur der Sache heraus gar nicht über den Umfang von Hausaufgaben abstimmen lassen, da es dann zu einer Nivellierung kommt, weil man den bequemsten Weg geht. Ihre Ansicht von der Schule ist weltfremd und lebensfern.