Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Der aktuelle Gesetzentwurf der Landesregierung für Hilfen bei psychischen Erkrankungen ersetzt das alte Gesetz von 1985 und greift gesellschaftliche Veränderungen und veränderte Angebotsstrukturen der Behandlung dieser kranken Menschen auf. Wenn wir uns bewusst werden, dass in dem alten Gesetz von 1959 die Behandlung dieser kranken Menschen im Wesentlichen durch Wegsperren geprägt war, wird klar, welch grundlegend neuer menschenwürdiger Umgang sich mit diesen kranken Menschen vollzogen hat. Wir sind noch nicht am Ende eines schwieriger werdenden Prozesses und einer Enttabuisierung.
Das Gesetz bringt deutliche Verbesserungen der Selbstbestimmung psychisch kranker Menschen und legt den Schwerpunkt auf geeignete Schutzmaßnahmen und möglichst einer Vermeidung der Unterbringung in Kliniken und im Maßregelvollzug.
Das Gesetz, welches auf über 120 Seiten ausgeführt und ausführlich im Detail begründet wird, folgt auch einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juli 2018 – die Ministerin hat es erwähnt – zur Zulässigkeit der Fixierung untergebrachter Personen.
Wir waren mit dem Gesundheitsausschuss schon mehrfach in den Krankenhäusern in Alzey, Andernach-Weißenthurm und Klingenmünster und konnten uns von der psychiatrischen und forensischen Arbeit ein authentisches Bild verschaffen. Jedes Mal bin ich persönlich mit großer Betroffenheit über die Einzelschicksale der untergebrachten Menschen einerseits und einer tiefen Dankbarkeit über das medizinische und speziell geschulte pflegerische Personal andererseits nach Hause gefahren.
Der das Individuum achtende zeitintensive Umgang ist für alle Beteiligte eine große Herausforderung, die oft an die Grenzen des menschlich Machbaren geht. Daher möchte ich heute allen Bediensteten und auch den Angehörigen im Namen der CDU-Fraktion ein herzliches Dankeschön sagen.
Nicht vergessen möchten wir auch die vielen kleinteiligen psychiatrischen Angebote in den Kommunen. In den Städten und Gemeinden stoßen wir unmittelbar vor Ort auf vielfältige und leider sich notwendigerweise häufende Hilfsangebote in stationären und ambulanten Bereichen. Die Koordinierungsstellen für die Gemeindepsychiatrie stehen flächendeckend vor großen qualitativen – ich erinnere hier an Richtervorbehalte – und quantitativen Herausforderungen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren, die Verpflichtung der Landkreise und kreisfreien Städte wird im Gesetz präzisiert und gestärkt. Die Landkreise und kreisfreien Städte sollen darauf hinwirken, dass die Leistungserbringer gemeindepsychiatrische Verbünde bilden und eine schriftliche Kooperationsvereinbarung mit dem Ziel abschließen, in ihrem Bereich die Versorgungsver
pflichtung für eine möglichst wohnortnahe Versorgung und Unterstützung insbesondere chronisch schwer psychisch erkrankter Personen zu übernehmen.
Der Grad und die Verlässlichkeit der Zusammenarbeit der Leistungserbringer ist einer der zentralen Parameter für die Strukturqualität des gemeindepsychiatrischen Verbunds. Nur wenn Leistungen am erforderlichen Bedarf der hilfebedürftigen Personen ausgerichtet und abgestimmt erbracht werden, können sie optimal wirken.
Die Nachteile und Hemmnisse aus der Zergliederung der gesundheitlichen und sozialen Sicherungssysteme sollten möglichst auf der Ebene der Pflichtversorgungsregionen durch die Etablierung einer verbindlich organisierten integrativen Versorgung überwunden werden.
Für diesen Personenkreis der schwer psychisch erkrankten Personen ist es besonders wichtig, dass erforderliche Behandlungen und Hilfen wohnortnah abgestimmt erbracht werden. Aber das kostet Geld und Personal, Geld, welches oft nicht ausreichend vorhanden ist.
Wir werden sicherlich in den weiteren Beratungen mit den Kommunen darüber zu reden haben, wie wir das gemeinsame Ziel erreichen können. Das gilt auch für Fragen der Personalbemessung in der Psychiatrie. Es gilt für die Dezentralisierung, die Differenzierung und eine Patientenzentrierung. Es gilt auch für Interventionen zu Hause und für Fragen, den Patienten dort abzuholen, wo er ist. Es geht um psychiatrische Wohngruppen, die es in den Corona-Zeiten besonders schwer hatten. Der stationäre Aufnahmedruck ist in dieser Zeit gestiegen.
Es geht auch um die Frage der Freiwilligkeit, wie man zum Beispiel in Härtefällen eventuell zu Zwangsbehandlungen beim Menschen zurück muss, die sich Medikamentengaben verweigern. Es geht um die Frage des Globalbudgets, weil die derzeitige Aufsplittung zwischen den Büchern des Sozialgesetzbuchs und Kostenträgern sehr kompliziert ist. Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rente, Eingliederung, es ist alles sehr zersplittert und sehr kompliziert. Das stellt auch die Leistungserbringer vor große Herausforderungen.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich war letzte Woche im Landeskrankenhaus in Alzey und habe an einer Veranstaltung mit dem Titel „Es ist Zeit für einen neuen Aufbruch – Denkanstöße zur Reform der psychosozialen Versorgung 45 Jahre nach der Psychiatrie-Enquete“ teilgenommen. Viele Eindrücke konnte ich mitnehmen, die wir im Gesundheitsausschuss im Sinne der psychisch kranken Menschen, für die wir dieses Gesetz verabschieden, weiter diskutieren werden.
Sehr geehrtes Präsidium, sehr geehrte Damen und Herren! Mit seinem Urteil vom 24. Juli 2018 in den Sachen 2 BvR 309/15 und 502/16 hat das Bundesverfassungsgericht unmissverständlich klargestellt, dass Fixierungen von Patienten eine freiheitsentziehende Maßnahme darstellt, die von einer richterlichen Unterbringungsanordnung nicht gedeckt ist. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht einen Regelungsauftrag aus Artikel 104 Abs. 2 Satz 4 Grundgesetz hergeleitet, der den Gesetzgeber verpflichtet, den Richtervorbehalt verfahrensrechtlich auszugestalten, um den Besonderheiten der unterschiedlichen Anwendungszusammenhänge gerecht zu werden.
Zudem hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass es zur Gewährleistung des Schutzes der Betroffenen eines täglichen rechtlichen Bereitschaftsdienstes bedarf, der den Zeitraum von 6 bis 21 Uhr umfasst.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird diesem Regelungsauftrag nunmehr nachgekommen. Insoweit handelt es sich an dieser Stelle schlichtweg um die Umsetzung verfassungsrechtlicher Notwendigkeiten. Das muss jetzt nicht weiter kommentiert werden.
Der Gesetzentwurf führt in diesem Zusammenhang aus, dass die Umsetzung dieser verfassungsrechtlich notwendigen vorgesehenen gesetzlichen Regelungen „zusätzliche Personal- und Sachkosten bei der Justiz in noch nicht sicher quantifizierbarem Umfang“ verursachen wird. Das ist zu unspezifisch. Deshalb möchte ich bereits an dieser Stelle auf unser Anliegen hinweisen, in den kommenden Ausschusssitzungen detaillierter darauf einzugehen, wie die entsprechenden verfassungsrechtlich notwendigen Regelungen praktisch umgesetzt werden sollen. Gesetzliche Regelungen sind immer nur so gut wie ihre praktische Umsetzung.
Mit seinem Urteil vom 18. Januar 2012 hat das Bundesverfassungsgericht zudem Maßstäbe für die Beleihung privatrechtlicher bzw. freigemeinnütziger Träger von Einrichtungen zur Durchführung des Maßregelvollzugs formuliert, um Unterbringungen in den entsprechenden Einrichtungen durchführen zu können. Auch diesen verfassungsrechtlich gebotenen Anforderungen wird mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nachgekommen.
Der Gesetzentwurf erschöpft sich allerdings nicht in der Umsetzung der genannten Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, sondern rückt psychisch erkrankte Menschen und deren Belange in den Vordergrund. Als Ärztin und gesundheitspolitische Sprecherin meiner Fraktion möchte ich das ausdrücklich begrüßen.
Psychisch erkrankte Menschen benötigen in erster Linie psychiatrische und psychotherapeutische Hilfe. Der vorliegende Gesetzentwurf setzt insoweit die richtigen Schwerpunkte auch vor dem Hintergrund, dass die zwangsweise
Unterbringung von psychisch erkrankten Personen zur Gefahrenabwehr im Falle ihrer akuten Selbst- oder Fremdgefährdung absolut gesehen nur eine geringe Anzahl an psychisch erkrankten Menschen betrifft.
Begrüßen möchte ich ebenfalls, dass eine Vielzahl von Anregungen aus der Praxis im Gesetzentwurf ihren Niederschlag gefunden haben. Im Ergebnis sehen wir derzeit wenig Anlass zu Kritik.
Verehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! In vielen Bereichen unseres Lebens ergeben sich Veränderungen. Oftmals ist die Gesetzeslage veraltet und muss neuen Gegebenheiten angepasst werden. Genau dies liegt hier vor.
1995 wurden mit dem Landesgesetz für psychisch kranke Personen, zuletzt geändert durch Artikel 10 des Gesetzes im Jahr 2018, erstmals in Rheinland-Pfalz Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch erkrankte Menschen gesetzlich geregelt. Das angeführte Gesetz ist seit mehr als 25 Jahren in Kraft. Seitdem haben sich die Rechtsgrundlage sowie Angebotsstrukturen in der Versorgung psychisch kranker Menschen weitgehend verändert. Diese Veränderungen betreffen auch Hilfen, Schutzmaßnahmen und Unterbringung psychisch erkrankter Menschen.
Auch die Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juli 2018 zur Zulässigkeit von Fixierungen bei untergebrachten Personen hat hohe Wichtigkeit. Somit ist das vorliegende Landesgesetz nicht nur ein logischer Schluss, sondern eine unumgängliche Notwendigkeit.
Weitergehend behandelt das vorliegende Gesetz die Unterbringung psychisch Erkrankter im Maßregelvollzug in Einrichtungen von privatrechtlichen und freigemeinnützigen Trägern. Grundlage zur Umsetzung ist auch in diesem Fall ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts.
Bereits am 22. Dezember 2015 trat das Maßregelvollzugsgesetz in Kraft und hat sich gut bewährt. Zahlreiche Rückmeldungen aus der Praxis und Änderungen der Rechtsprechung bringen dennoch auch hier die Notwendigkeit einer kleinen Änderung mit sich. Vor allem die Regelungen zur Fixierung im Maßregelvollzug sind in diesem Fall anzupassen. Ich erinnere mich an die Anhörung des Gesundheitsausschusses im Januar dieses Jahres. Hier haben wir Rückmeldungen erhalten.
griff die Gleichbehandlung psychisch erkrankter Patientinnen und Patienten im Bereich der öffentlich-rechtlichen Unterbringung und im Maßregelvollzug gewährleistet werden.
Weiter werden Ideen aus der Praxis wie die Gemeinschaftspsychiatrie übernommen. Es ist wichtig, dass in Zukunft für Betroffene und Angehörige, aber auch für die ausführenden Personen vor Ort Rechtssicherheit besteht. Dieses Gesetz kann dies gewährleisten.
Grundsätzlich sind Fixierungen und andere Eingriffe in die Grundrechte eines Menschen nur in akuten Notfällen anzuwenden. Hierbei erwarten wir als Freie Demokraten von allen an solchen Maßnahmen beteiligten Personen eine stetige Reflexion der Situation und der Notwendigkeit der Maßnahme. Die Grundrechte des Menschen sind einer der Pfeiler unserer Gesellschaft.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Novellierung des bisherigen Landesgesetzes für psychisch kranke Personen zum neuen Landesgesetz über Hilfen bei psychischen Erkrankungen ist uns Grünen seit Langem ein wichtiges Anliegen gewesen.
Zentrale Leitidee der Änderungen ist, Menschen mit psychischen Erkrankungen noch stärker als Subjekt mit eigenen Rechten zu behandeln. Sie sollen in ihren Persönlichkeits- und Selbstbestimmungsrechten deutlich gestärkt werden. Das gebietet nicht zuletzt auch die UNBehindertenrechtskonvention mit den darin festgeschriebenen Rechten für Menschen mit Behinderungen, zu denen auch Menschen mit psychischen Behinderungen gehören.
Am Anfang des Gesetzes werden die Ziele, die mit den Hilfen für psychisch kranke Menschen erreicht werden sollen, neu und klarer definiert. Ich zitiere dazu mit Erlaubnis des Präsidenten: „(...) die Erkrankung zu heilen, deren Verschlimmerung zu verhüten und Krankheitsbeschwerden zu lindern sowie der gesellschaftlichen Ausgrenzung der psychisch erkrankten Personen entgegenzuwirken und ihre selbstständige Lebensführung und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.“
Damit wird das persönliche Wohl der Betroffenen in den Mittelpunkt gestellt. Außerdem wird ergänzt, dass die persönliche Freiheit einschränkende Maßnahmen durch vorsorgende und begleitende Maßnahmen vermieden und verkürzt werden sollen. Das ist ein wesentlicher Punkt. Des
halb wird in dem neuen Gesetz zum einen vor allem die Genehmigung und die Durchführung von Fixierungen neu geregelt und an die aktuellen Rechtsprechungen zur Verfassungsmäßigkeit angepasst.
Außerdem wird noch stärker darauf verwiesen, dass alle Eingriffe in die Rechte psychisch erkrankter Personen verhältnismäßig sein müssen. Die Ärztinnen und Ärzte und Kliniken werden verpflichtet, untergebrachte Personen umfassend über das Ergebnis der ärztlichen Untersuchung und ihre Rechte und Pflichten während der Unterbringung im Rahmen der Aufnahme aufzuklären sowie Behandlungsvereinbarungen aktiv zu fördern.
Als Grüne ist es für uns ein wesentliches Ziel, dass Menschen mit chronischen psychischen Erkrankungen oder Behinderungen nach Möglichkeit nicht in Kliniken behandelt werden müssen, sondern zu Hause mittels sogenanntem Home Treatment in ihrem Lebensumfeld versorgt werden können. Dabei sollen die Patientinnen und Patienten und ihre Angehörigen eng einbezogen werden.
Auch die Selbsthilfe psychisch erkrankter Personen und ihrer Angehörigen sowie das bürgerschaftliche Engagement für psychisch erkrankte Menschen und ihre Angehörigen sollen stärker unterstützt und gefördert werden. Dies verbessert nachweislich die Inklusion und Selbstbefähigung der Betroffenen. Auch sollen die Angehörigen und nahestehende Bezugspersonen in die Behandlung mit einbezogen und als Partnerinnen und Partner im Genesungsprozess betrachtet werden sowie insbesondere die Kinder psychisch erkrankter Eltern besondere Berücksichtigung finden.
Wichtig ist auch die Einbettung der psychiatrischen Behandlung in das Quartier und die Koordinierung der gemeindepsychiatrischen Strukturen vor Ort. Hier gehen wir mit der Verpflichtung zu einer Kooperationsvereinbarung der Leistungserbringer vor Ort hinsichtlich einer wohnortnahen und lebensfeldzentrierenden Versorgung einen weiteren Schritt voran.