Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Durch Beschluss des Landtags vom 14. Juli 2016 ist der Antrag an den Ausschuss für Gesellschaft, Integration und Verbraucherschutz – federführend – und an den Innenausschuss – mitberatend – überwiesen worden.
Der Ausschuss für Gesellschaft, Integration und Verbraucherschutz hat den Antrag dreimal, nämlich am 6. September 2016, 27. Oktober 2016 und 1. Februar 2017, beraten. In der Sitzung am 27. Oktober 2016 hat der Ausschuss für Gesellschaft, Integration und Verbraucherschutz ein Anhörverfahren durchgeführt, zu dem die Mitglieder des Innenausschusses geladen waren.
In der Anhörung ist deutlich geworden, dass es sich beim Thema Islamismusprävention um ein drängendes Thema
handelt, da der Islamismus und islamistische Radikalisierungen schon längst nicht mehr nur ein importiertes Phänomen sind. Dabei wurde von den Anzuhörenden deutlich gemacht, dass es auf den Dreiklang von Prävention, Intervention und Sanktion ankommt. Es geht darum, Präventionsmaßnahmen auszubauen und Interventionsmaßnahmen zu bündeln.
Traurige Aktualität hat das Thema inzwischen aufgrund des Anschlags in Berlin vom 19. Dezember gefunden.
Herr Köbler, Sie möchten bitte eine Berichterstattung für die beteiligten Ausschüsse leisten. Also bitte ohne Bewertung!
Wenn Sie sagen, traurige Berühmtheit, ist das eine Bewertung. Die können wir teilen, aber trotzdem ist das nicht Teil der Berichterstattung.
Der federführende Ausschuss für Gesellschaft, Integration und Verbraucherschutz hat die Ablehnung des Antrags empfohlen. Daher fand eine abschließende Beratung im Innenausschuss nicht mehr statt.
legen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mittlerweile sind eineinhalb Jahre seit der Beantwortung unserer Großen Anfrage und mehr als ein Jahr seit unserem ersten Antrag im Januar 2016 und gut ein halbes Jahr seit unserem zweiten Antrag im Juli 2016 zur Prävention und Intervention gegen religiösen Extremismus vergangen.
Wurde bei unserem Antrag von der damaligen Integrationsministerin, Frau Irene Alt, noch in Abrede gestellt, dass es in Rheinland-Pfalz überhaupt religiös motivierten Extremismus gibt, so wird mittlerweile im Alternativantrag der regierungstragenden Fraktionen vom islamistischen Terror als nicht nur importiertes Phänomen gesprochen und eingestanden, dass die Wurzeln und Ursachen auch im Inneren unseres Landes zu suchen sind. Es bleibt leider festzustellen, dass die Landesregierung wieder einmal zum Jagen getragen werden musste.
Ich will kurz auf die für uns wesentlichen Aussagen in der Anhörung vom 27. Oktober 2016 zurückblicken. Ziel der Anhörung war es, nach den Ursachen des religiös motivierten Extremismus zu suchen und Wege zu finden, wie dem begegnet werden kann. Die oft als eine mögliche Ursache dargestellte Diskriminierungserfahrung wurde von der Anzuhörenden Frau Professor Dr. Susanne Schröter infrage gestellt. Sie bestreitet dabei nicht, dass Musliminnen und Muslime Diskriminierungserfahrungen haben. Jedoch hätten andere Gruppen der Bevölkerung ebenfalls Erfahrungen mit der Diskriminierung, ohne dadurch radikal zu werden und Anschläge zu verüben.
Die Behauptung, dass Salafisten religiöse Analphabeten seien, hält Frau Professor Schröter für eine Mär. Der Verfassungsschutz habe bestätigt, dass die Hälfte der Dschihadisten, die zuvor in Moscheegemeinschaften aktiv waren, durchaus religiös erzogen worden seien. In vielen deutschen Moscheegemeinschaften gäbe es einen sehr fundamentalistischen Islam, der sehr klar zwischen den sogenannten Gläubigen und den Ungläubigen trennen würde. Frau Professor Schröter warnt auch ausdrücklich davor, ungeprüft Moscheegemeinden mit der Prävention zu beauftragen, wie es im Antrag der regierungstragenden Fraktionen gefordert wird.
Herr Dr. Abou-Taam, Islamwissenschaftler beim Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz, führte bei der Anhörung aus, dass die Radikalisierung eine Kombination aus verschiedenen Elementen sei und die unterschiedlichsten Menschen treffen könne. Es können diejenigen sein, die Stipendien bekommen, genauso wie diejenigen mit Bildungsabbrüchen und Diskriminierungserfahrungen.
Weiter führte er aus, es sei naiv zu glauben, dass Islamismus nichts mit dem Islam zu tun habe. Genauso naiv sei es jedoch auch zu glauben, dass alle Muslime Islamisten sein müssten.
Bei den in Deutschland aufgewachsenen muslimischen Jugendlichen sieht er oftmals eine Identitätskrise, die sie für den Salafismus empfänglich machen würden. Zur Struktur der salafistischen Szene Rheinland-Pfalz sagte Herr Dr. Abou-Taam, dass die Rheinland-Pfälzer „Möchtegernsalafisten“ in Zentren nach Bonn, Mannheim und Hessen
Vom Leiter des Hessischen Informations- und Kompetenzzentrums gegen Extremismus, angesiedelt beim Hessischen Ministerium des Innern und für Sport, wurde dargestellt, wie dort phänomenübergreifend sämtliche landesweiten Initiativen der Prävention und Intervention gegen verfassungsfeindliche Bestrebungen aus dem Bereich des Rechts-, des Links- und des islamistischen Extremismus zentral erfasst, koordiniert und optimiert werden.
Das Kompetenzzentrum ist organisationsübergreifend mit Vertreterinnen und Vertretern aller tangierten Ressorts sowie dem Landesamt für Verfassungsschutz und dem Hessischen Landeskriminalamt besetzt. Aus dem Kompetenzzentrum heraus wurde das Hessische Präventionsnetzwerk gegen Salafismus geschaffen. Die Akteure für die Maßnahmen der Prävention und der konkreten Intervention arbeiten auf Landes- und kommunaler Ebene in den verschiedensten Bereichen zusammen. Insgesamt gab das Land Hessen für die Extremismusprävention und -intervention im Jahr 2016 ca. 3,8 Millionen Euro aus.
In Rheinland-Pfalz wird nur ein Bruchteil dieser Summe verausgabt. Um ein deutliches Zeichen für eine verstärkte Präventionsarbeit zu setzen, werden wir bei den anstehenden Haushaltsberatungen unter der Haushaltsstelle „Verhinderung extremistischer Radikalisierung“ im Einzelplan 07 eine erhebliche Erhöhung des dort zur Zeit eingestellten Betrages fordern.
Die Anhörung bestärkt uns in unserer Auffassung an die Landesregierung, unverzüglich auch in Rheinland-Pfalz ein mit den Nachbarbundesländern und dem Bund abgestimmtes effektives Präventionsnetzwerk einzurichten, das insbesondere auch eine Beratung von Angehörigen und die Schaffung eines Ausstiegsprogramms für Radikalisierte umfassen soll. Wir bitten Sie erneut um die Zustimmung zu unserem Antrag.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kessel, es ist richtig, wir beraten heute noch einmal über den Antrag der CDU vom 14. Juli 2016 mit dem Thema „Maßnahmen gegen religiösen Extremismus“. In meiner damaligen Rede habe ich bemängelt, dass der Antrag ein Copy-and-Paste des Antrags vom 22.01.2016 sei und nicht die bereits begonnenen Aktivitäten der Landesregierung berücksichtigt habe. Uns war und ist es wichtig, dass wir zunächst einmal qualitativ gute Konzepte entwickeln und diese dann auch mit dem notwendigen Geld ausstatten, also kein blinder Aktionismus.
In der Einschätzung der Herausforderungen liegen wir nahe beieinander; deshalb stimmten wir auch gern dem Anhörungsverfahren zu. Die Anhörung der verschiedenen Experten fanden wir sehr bereichernd und aufschlussreich, weil sie ein breites Spektrum abgebildet hat.
Dass uns die Realität mit dem Anschlag von Berlin und dem 12-jährigen Kind, das einen Anschlag geplant hatte, so schnell einholt, hat uns in unserem Ansinnen bestätigt, noch mehr zu tun. Die Landesregierung hat bei ihrem Sicherheitsgespräch bewusst nicht nur das Thema der Sicherheit, sondern auch die Prävention in den Blick genommen und drückt dies auch im Regierungshandeln aus. Bei der Auswertung der Anhörung habe ich keine großen Differenzen zwischen den Koalitionsparteien und der CDU festgestellt. Deshalb sage ich an dieser Stelle, schade, Herr Kessel, schade, liebe CDU, dass wir heute keinen gemeinsamen Antrag zur Abstimmung stellen können.
Wir wären dazu bereit gewesen, und es wäre auch ein starkes Zeichen aller demokratischen Parteien gegen den radikalen Salafismus gewesen. Deshalb legen wir heute unseren Alternativantrag vor, in dem wir die bereits existierenden Maßnahmen begrüßen und aufzeigen, was wir schon jetzt auf den Weg gebracht haben, in dem wir aber auch unsere Erwartungshaltung an die Landesregierung formulieren, dass wir in Rheinland-Pfalz unseren Beitrag zur Prävention leisten, dies jedoch unbedingt bundesländerübergreifend und mit dem Bund gemeinsam auf den Weg gebracht werden muss. Die einzelnen Projekte wird sicherlich Frau Ministerin Bätzing-Lichtenthäler noch darstellen.
Mir liegen zwei Dinge besonders am Herzen, erstens, dass alle beruflich mit Kinder und Jugendlichen befassten Menschen die Anzeichen einer Veränderung wahrnehmen und entweder selbst die Anzeichen deuten können oder sich Expertise in den Beratungsstellen holen. Dies gilt aber nicht nur bei religiösem Extremismus, sondern auch für viele andere Bereiche wie Rechts- und Linksextremismus oder Alkohol-, Spiel- und Drogensucht sowie -missbrauch und Mobbing. Wir brauchen eine Kultur des Hinsehens und des Kümmerns. Kinder und Jugendliche müssen gestärkt werden, Anerkennung und Lob erfahren, um Widerstandskraft und Selbstwertschätzung zu entwickeln. Deshalb sind die Beratungsstellen für Familien und Hauptamtliche von großer Bedeutung, um sie bei dieser Aufgabe zu unterstützen.
Der zweite Punkt, der mir am Herzen liegt, ist, dass Jugendliche, die in ihrer Orientierungsphase einen falschen Weg eingeschlagen haben, immer wieder einen Weg zurück in unsere Gesellschaft haben müssen, vielleicht erst beim zweiten, dritten oder auch vierten Anlauf. Wir dürfen sie nicht aufgeben, auch auf die Gefahr hin, dass wir scheitern. Aus diesem Grund brauchen wir Aussteigerprogramme wie beim Rechtsextremismus – oder ich erinnere auch an die Scientologen – sowie Menschen, die in der Jugendszene akzeptiert sind und die vielen falschen Deutungen und Versprechen der Islamisten glaubhaft widerlegen können. Dies hat unser Anzuhörender Herr Berrissoun von dem Projekt „180 Grad“ sehr anschaulich erklärt.
Gestern haben wir uns auch mit Hass und Lüge im Internet befasst. Ich denke, dass wir uns bei der Radikalisierung durch Gewaltfilme im Internet in einem ähnlichen Feld befinden. In diesem Bereich müssen wir noch nach Lösungen suchen; denn mit Medienkompetenz allein können wir die Radikalisierung nicht verhindern. Das Darknet muss erhellt und bekämpft werden.
Sie sehen also, wir haben uns in unserem Antrag sehr viel Mühe damit gemacht, das Thema intensiv auch aus der Anhörung abzuleiten und die entsprechenden Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Sie haben in Ihrer Rede gesagt, Sie hätten uns zum Jagen getragen. Ich denke, die Entwicklung hat ihr Übriges dazu getan. Es war keineswegs so, dass Sie uns zum Jagen getragen haben, sondern es war auch der Entwicklung geschuldet.
Was in Ihrer Darstellung jedoch falsch war, ist, dass die Prävention durch die Moscheegemeinden durchgeführt werden soll. Das steht in unserem Antrag so nicht, sondern darin steht, dass wir in einen Dialog und in eine Kooperation mit den Moscheen eintreten werden. Das können Sie gern noch einmal in Spiegelstrich Nummer 3 nachlesen.
Sie sehen also, wir gehen mit unserem Antrag inhaltlich deutlich weiter, als es in dem CDU-Antrag beschrieben ist.
Herr Kessel, Sie haben im Gespräch angedeutet, dass Sie Ihren Antrag noch verändern würden. Wir sind davon ausgegangen, dass die Ergebnisse der Anhörung bei Ihnen Eingang finden.