Protokoll der Sitzung vom 04.05.2017

Für die Koalitionsfraktionen spricht der Abgeordnete Wink.

Verehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf für die Ampelkoalition sprechen. Zu Beginn darf ich sagen: Wir sind proeuropäisch.

(Beifall der FDP, der SPD, der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Gemeinsame Binnenmarkt ist für uns als große zivilisatorische Errungenschaft zu verteidigen, mehr noch, wir möchten ihn weiterentwickeln und verbessern.

Natürlich sind in einer Gesellschaft, in der wir leben, Diskussion und auch Kritik erlaubt. Wir sagen, dass das von der Kommission vorgelegte Dienstleistungspaket kein hilfreiches Instrument zur Verbesserung des Wettbewerbs ist.

Eine Vereinheitlichung von Berufsbildern kann insbesondere im Handwerk nicht erfolgreich sein; denn jene Berufsbilder sind von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat durch verschiedene Tätigkeitsbeschreibungen oder Anforderungen beschrieben. So kann zum Beispiel ein Maurer aus einem Mitgliedstaat viel tiefer in die digitalisierte staatliche Planung einbezogen sein als ein Maurer eines anderen Mitgliedstaates.

Alles in allem scheint das EU-Dienstleistungspaket ein Versuch zu sein, die Probleme bei der Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie zu kitten. Der Versuch an sich ist noch nachvollziehbar, aber dann muss er nach geltenden Regeln geschehen. Das heißt, dass eine restriktivere Notifizierungspflicht sowie das Einbauen zusätzlicher bürokratischer Hürden für uns nicht hinnehmbar sind. Der Bund, das Land und die Kommunen haben eigene Kompetenzen, die von der Kommission zu beachten sind.

Ein weiterer Punkt des Dienstleistungspaketes ist die Einführung der Dienstleistungskarte, die erforderliche Dokumente in elektronischer Form zur Verfügung stellen sollte. Aufgrund der kurzen Prüffristen ist hier allerdings die Einführung des Herkunftslandprinzips zu befürchten. Dieses Bestreben teilen wir nicht.

Mit der Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Berufsregulierungen verhält es sich ähnlich wie mit der Dienstleistungskarte: Gut gemeint, vorab nicht gut durchdacht. –

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie merken, eine Umsetzung des Dienstleistungspaketes ist schon allein wegen der bürokratischen Anforderungen nicht zu leisten. Zur Einigung der Mitgliedstaaten bedarf es deshalb weiterer Diskussionen.

Da wir aber die Vorteile unserer Europäischen Union sehen und kennen, wollen wir gemeinsam mit unseren Partnern einen friedlichen, wirtschaftlich starken und sozialen Bund erhalten. Auch wenn wir jetzt nicht die Möglichkeit sehen, dieses Paket so zu unterstützen, sind wir zur Diskussion bereit.

Weder der Nutzen noch die Notwendigkeit der Vorhaben tragen zu einer besseren Situation bei. Deshalb bitten wir die Landesregierung, sich weiterhin für eine starke EU einzusetzen und die anderen Bundesländer zu einem gemeinsamen Weg oder Vorgehen zu bewegen.

Wir werden heute dem Antrag der CDU zustimmen, nicht allein deshalb, weil der Antrag der AfD wieder einmal genutzt wurde, um ein Bild zu zeichnen, nämlich eines uneinigen Europas, das wir nicht sind. Wir sind es nicht. Wir sind Europa.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD, der CDU und bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung hat der Wirtschaftsminister Dr. Wissing das Wort.

Ich danke Ihnen, Herr Präsident. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die AfD fordert in ihrem Antrag dazu auf, dass wir uns für die Meisterpflicht einsetzen, dem europäischen Dienstleistungspaket entgegentreten und über den Bundesrat erreichen sollen, dass nationale Kontrollrechte nicht durch das europäische Recht ausgehebelt werden.

Der Antrag ist damit vor allen Dingen ein Beleg dafür, dass die AfD weder die Presse noch die Arbeit dieser Landesregierung verfolgt. Die Landesregierung setzt sich nämlich in ihren direkten Kontakten mit Vertretern des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission seit Langem dafür ein, die Bedeutung des Meisterbriefs europaweit darzustellen. Er bildet den Abschluss einer qualifizierten beruflichen Bildung, die Unternehmenspraxis sowie fachpraktische und theoretische Ausbildung miteinander verbindet.

Im Vergleich mit den eher akademisch ausgerichteten Ausbildungsformen anderer europäischer Länder hat sich dieser Ausbildungsweg als vorbildlich erwiesen. Er begründet die guten Startchancen Jugendlicher in den Beruf und im Handwerk über den Meister in die Selbständigkeit.

Auch die Europäische Union unterstreicht inzwischen, dass die Verbesserung der Möglichkeiten, grenzüberschreitend tätig zu werden, kein Angriff auf den Meisterbrief ist. Das ist nicht zuletzt auch ein Ergebnis meines Einsatzes für die duale Ausbildung und die Meisterqualifikation gemeinsam mit den Handwerkskammern am 5. Dezember vergangenen Jahres in Brüssel.

(Beifall der FDP – Abg. Joachim Paul, AfD: Da haben wir sehr vage Antworten bekommen!)

Man darf jedoch das Thema „Meisterbrief“ nicht einfach mit dem EU-Dienstleistungspaket gleichsetzen. Der EU geht es dabei darum, grenzüberschreitende Dienstleistungen zu erleichtern, auch für Personen, die in einem reglementierten Beruf arbeiten, also einem Beruf, für den der Nachweis bestimmter Qualifikationen Voraussetzung für die Berufsausübung ist.

Auch wir Länder im Bundesrat wollen, dass sich der Binnenmarkt für Dienstleistungen weiterentwickelt und Dienstleister in der gesamten Europäischen Union tätig werden können. Wir möchten qualifizierten Dienstleistern aus anderen EU-Mitgliedstaaten den Zugang zu unseren Märkten ebenso gewähren wie wir Interesse daran haben, dass unsere Dienstleister grenzüberschreitend tätig werden können, sei es als selbstständige Handwerker, als Tierärzte oder Ingenieure.

Rheinland-Pfalz hat gemeinsam mit den anderen Ländern dem Weg eine deutliche Absage erteilt, den die EUKommission jetzt gewählt hat, um dieses Ziel umzusetzen. Die Kommission hat gleich vier Regelungen in einem Dienstleistungspaket vorgelegt: die Richtlinie zur Notifizierung von Gesetzen und Verordnungen im Dienstleistungsbereich, die Richtlinie und Verordnung zur Einführung einer elektronischen Dienstleistungskarte und die Richtlinie zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Regulierungen von

Berufsbildern in den einzelnen Mitgliedstaaten.

Ich will darauf kurz eingehen. Es ist wichtig, dass die Sachverhalte klar dargestellt werden, um angemessene politische Lösungen zu finden. Die Inhalte des EUDienstleistungspaketes schießen über das Ziel der EU, den gemeinsamen Binnenmarkt zu fördern, weit hinaus. Ich will Ihnen das an zentralen Beispielen aufzeigen.

Zur Notifizierung von Gesetzen und Verordnungen nach dem geltenden EU-Recht wurden bisher Entwürfe oder verabschiedete rechtliche Regelungen eingereicht. Nun fordert die EU-Kommission zwingend eine Vorabkontrolle künftiger Regelungen. Das bedeutet, dass mit dem Richtlinienvorschlag demokratisch legitimierte Parlamente unter die Kontrolle der Kommission gestellt werden sollen. Genau das ist nicht hinnehmbar. Damit würde die Europäische Union in Gesetzgebungskompetenzen des Bundes, der Länder und der Kommunen eingreifen und bei Weitem die eigene Kompetenz überschreiten.

Die Forderung der Europäischen Union, in jedem Mitgliedstaat eine Koordinierungsbehörde einzurichten, die auf nationaler Ebene für das Funktionieren des Verfahrens zuständig ist, ignoriert die föderale Verwaltungsstruktur der Bundesrepublik Deutschland. Dies ist ebenfalls nicht akzeptabel, ganz abgesehen davon, dass die Neueinrichtung dieser Behörde zusätzliche und völlig überflüssige Bürokratie schaffen würde.

Mit der Richtlinie zur Einführung einer elektronischen Dienstleistungskarte und dem dazugehörigen Vorschlag einer Verordnung zur Einführung der Dienstleistungskarte und entsprechender Verwaltungserleichterungen schlägt die EU Regelungen vor, die im Ansatz gut gemeint sind. Etwa erforderliche Dokumente, die bisher überwiegend in Papierform zusammengestellt wurden, sollen künftig als elektronische Dokumente gebündelt und einmal dazu geprüfte Unterlagen nicht wiederholt geprüft werden.

Die Regelungen im Einzelnen laufen aber der Zielsetzung der Verwaltungserleichterung entgegen. Sie sind im Gegenteil sehr detailliert und würden sehr hohen bürokratischen Aufwand verursachen. Zusätzlich stützen sich die Vorgaben zur Umsetzung der Karte auf ein System der Europäischen Union, das den Standards der EU-Verordnung inhaltlich und technisch selbst noch gar nicht entspricht. Die Karte setzt nämlich voraus, dass IMI, das Internal Market Information System, voll funktionsfähig ist. Davon ist es allerdings noch weit entfernt.

Mit dem Vorschlag zur Richtlinie über eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit vor dem Erlass neuer Berufsregelungen will die Europäische Union gegen ein Übermaß an Regulierung einzelner Berufe vorgehen. Immer wieder unterstreicht die Richtlinie, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, Berufsbilder zu regulieren. Trotzdem versucht die EU-Kommission aber, auf einen umfangreichen Prüfkatalog der Verhältnismäßigkeit von Anforderungen an die Berufsqualifikation in reglementierten Berufen hinzuarbeiten. Dem haben die Bundesländer im Bundesrat inzwischen deutlich widersprochen.

Das EU-Dienstleistungspaket kann in der vorgeschlagenen Form nach Überzeugung aller Bundesländer nicht

umgesetzt werden. Die EU-Kommission ist daher bereits über den Bundesrat zu einer grundlegenden Überprüfung ihrer vier Vorhaben des Dienstleistungspaketes aufgefordert worden.

Nun komme ich zum Antrag der AfD. Der Antrag versucht, den Eindruck zu erwecken, die Landespolitik habe hier etwas versäumt und müsse zum Handeln aufgefordert werden. Ich weise das entschieden zurück und kann auf ein breites Engagement der Landesregierung sowohl in Brüssel, in Gesprächen mit der Kommission und auch auf die Aktivitäten der Landesregierung in Verantwortung für dieses Bundesland im Bundesrat verweisen.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr richtig!)

Tatsächlich zeigt die AfD aber, dass sie die Arbeit der Landesregierung nicht verfolgt. Es interessiert sie nicht, was wir tatsächlich tun,

(Abg. Joachim Paul, AfD: Wir haben doch die Anfrage gestellt!)

sondern Sie nutzen offensichtlich diesen Antrag, um gegen Europa zu sprechen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin sehr dankbar, dass in dieser Debatte klar zum Ausdruck gekommen ist, und zwar nicht nur durch die Regierungsfraktionen, auch durch die CDU als Oppositionsfraktion, dass wir uns klar zu Europa bekennen.

(Beifall der FDP, der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU)

Es ist unsere Aufgabe, Europa durch konstruktive Vorschläge mitzugestalten. Deswegen setze ich Ihrem Satz, den Sie gebracht haben, dass Sie sagen, es ist unser Land, es ist unser Meister, Folgendes entgegen: Wir wollen unseren Meister in unserem Europa.

Herzlichen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr richtig!)

Herr Paul hat sich gemeldet. Ihnen steht mit den Zurechnungen durch die Rede der Regierung noch eine Redezeit von zwei Minuten und 20 Sekunden zu.

Herr Dr. Wissing, wer sich so rechtfertigt, der klagt sich förmlich an.

(Abg. Thomas Roth, FDP: Och!)

Immer wieder hört man aus Ihrem Hause oder auch von der Staatssekretärin Schmitt, dass Sie darstellen bzw. diskutieren, wir haben in Brüssel Akzente gesetzt. Wir haben eine Anfrage gestellt, was Sie in Brüssel getrieben ha

ben, wie Sie sich für den Meistertitel eingesetzt haben. Wir haben eigentlich Worthülsen zurückbekommen und kein klares Bekenntnis. Aus diesen Antworten konnte ich keinen Drang, keine entschlossene Haltung herauslesen.

Tatsache ist, die EU hat beschlossen, der Meisterbrief – das geht aus dem EU-Dienstleistungspaket ganz klar hervor – soll ein Auslaufmodell sein.

(Zuruf der Abg. Gabriele Wieland, CDU)

Am Ende entscheidet der Europäische Gerichtshof. Wir wissen, wie der Europäische Gerichtshof entscheidet, maßgeblich und fast immer für Zentralisierung.