Protokoll der Sitzung vom 14.07.2016

Ich habe eben berichtet, wie viele Akten, wie viele Mails, was alles gewälzt wurde, es ließ sich nicht klären.

6. „Das Land hätte aber die ihm zulässigerweise vorgelegten Unterlagen dafür nutzen können, sich einen Eindruck von der Seriosität von SYT zu verschaffen.“

Meine Damen und Herren, alles Rechnungshofbericht. Ich zitiere ihn.

7. „(...) Wirtschaftlichkeitsberechnungen wären haushaltsrechtlich geboten gewesen.“

8. „Die Dokumentation der Vertragsverhandlungen beim Innenministerium war lückenhaft.“

9. „Das Innenministerium unterließ es, sich vor wesentlichen Entscheidungen im Verkaufsprozess ein eigenes Bild über die Professionalität, Seriosität und Bonität der Bieter zu verschaffen. Es verließ sich nur auf die Einschätzung der Beratungsgesellschaft. Auch die Unterlagen der drei Bieter, die verbindliche Angebote abgegeben hatten, sah das Innenministerium nicht selbst ein. Es wertete diese nicht aus und bewertete sie nicht.“

10. Das ist besonders gravierend. „Das Innenministerium stellte in seiner Vorlage an den Ministerrat am 18. Mai 2016 die Sach- und Rechtslage im Zusammenhang mit dem Verkauf der Anteile nicht aktuell, vollständig und differenziert dar. Die Vorlage erweckte den unzutreffenden Eindruck, der Businessplan sei geprüft, er beruhe auf nachvollziehbaren Unternehmenskonzepten, bei SYT handele es sich um einen seriösen Geschäftspartner und der Verkauf sei nach den Vorgaben der EU-Kommission nur an den Höchstbietenden möglich. Die rote und die zwei gelben Ampeln sowie der Gesamtrisikoindikator ‚HOCH‘ aus der IDD, die zu dieser Zeit lediglich als Entwurf vorlag, erwähnte es nicht.“

(Beifall der CDU und des Abg. Michael Frisch, AfD)

Meine Damen und Herren, natürlich hat sich eine Beraterfirma KPMG nicht mit Ruhm bekleckert. Aber nicht Fritzchen,

sondern Fritz trägt die Verantwortung.

(Beifall der CDU und bei der AfD)

Wenn der Bericht zu der Aussage kommt, wie – auch hier zitiere ich – „Offensichtlich war das Innenministerium nicht in der Lage, die Fragen anhand eigener Akten zu beantworten“, dann ist das auch bedenkenswert. Das zwingt doch zu der Frage: Wollte oder konnte man nicht?

Meine Damen und Herren, jede Antwort muss Konsequenzen haben.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Martin Louis Schmidt, AfD)

Wenn sich offensichtlich eine Aktenführung im Nachhinein den Fragen anpasst bzw. wirkliche Sachverhalte gänzlich fehlen, dann ist einer mündlichen Manipulation der Ereignisse Tor und Tür geöffnet.

(Beifall der CDU und des Abg. Jürgen Klein, AfD)

Diesem Aspekt muss ich noch einmal mehr Gewicht verleihen. Seite 81 des Berichts – ich zitiere –: „Während das FM und das Wirtschaftsministeriums zu Ministerratssitzungen grundsätzlich vorbereitende Vermerke anfertigten und der Hausleitung zuleiteten (...), unterblieben solche Informationen beim Innenministerium. Ebenso fehlten Vermerke über Verhandlungen oder Telefonate mit Beteiligung der Staatssekretäre. Eine Dokumentation über die Tätigkeit der Taskforce war nicht vorhanden. Weiter versäumte das Innenministerium, ordnungsgemäß zu dokumentieren, wer aufgrund welcher Informationsgrundlage entschieden hat, bestimmte Bieter vom Verfahren auszuschließen (...) oder mit allen drei Bietern zu verhandeln.“

Auf Seite 84; „Auffällig ist zudem, dass die Ausdrucke der E-Mails in dem dem Rechnungshof übersandten Exemplar der Verfahrensakte ein im wesentlichen einheitliches Datum trugen. Das deutet darauf hin, dass die Beratungsgesellschaft diese Ausfertigung der Verfahrensakte erst nach Anforderung durch den Rechnungshof erstellt hat. Dass die Verfahrensakte den Verkaufsprozess nicht vollständig dokumentiert, zeigt sich insbesondere im Zusammenhang mit dem Ergebnis der IDD-Prüfung.“ Alles jetzt noch Zitate, also nicht eigene Meinung oder Haltung.

„Das Innenministerium“ – so fahre ich fort – „hat mehrfach – wie auch die Landesregierung in ihrer Stellungnahme zum Entwurf der Gutachtlichen Äußerung – angegeben, die Beratungsgesellschaft habe sie hierüber am 30. Mai 2016, dem Tag der Beschlussfassung des Ministerrats, mündlich unterrichtet. Über diese Mitteilung war in der Verfahrensakte nichts festgehalten.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Wie beim Nürburgring! Genau das Gleiche!)

Ebenso enthielt sie keine Unterlagen über den Inhalt des mündlichen Vortrags vor dem Ministerrat, bei dem angabengemäß die Abweichungen zu der Ministerratsvorlage vom 18. Mai 2016 erläutert wurden. Bei beiden nicht dokumentierten Vorgängen handelt es sich um wesentliche Grundlagen für die Entscheidung über den Verkauf der

Landesanteile an der FFHG an SYT.“

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, „dass diese Fehler unter meinem Vorgänger Kurt Beck gemacht wurden.“ – Ich erinnere an dieses Zitat. „Solche Fehler wird es mit mir als Ministerpräsidentin nicht mehr geben.“

Frau Ministerpräsidentin, an was soll ich Sie denn messen, wenn Sie solche Aussagen treffen?

(Beifall bei der CDU)

Die Geschichte des Scheiterns trägt eben nicht allein den Stempel des Innenministeriums. „Ab dem Frühjahr 2016 waren das Innenministerium, teilweise auch das FM und die Staatskanzlei, an Verhandlungen mit Bietern beteiligt“ schreibt der Rechnungshof. „Ansonsten hatte das Innenministerium das FM im Zusammenhang mit der Erstellung von Vorlagen für den Ministerrat in das Geschehen eingebunden.“ Dokumentiert.

Das Finanzministerium, Frau Ahnen, hat in dieser Entscheidungsphase eine viel kritischere Rolle, eine fragende Rolle eingenommen, als das im Sommer letzten Jahres – das gebe ich zu – uns bekannt war. Wie Frau Ahnen, das Finanzministerium – immerhin mit dem HahnAufsichtsratsvorsitzenden Finanzstaatssektretär Barbaro – sich einer eigenen Bewertung des Verkaufs entzog, wird in der Kabinettsvorlage vom 18. Mai 2016, Seite 37, dokumentiert.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Joachim Paul, AfD)

Meine Damen und Herren, dort heißt es – so wie wir vermutet haben –, die beschriebene Beteiligung des Parlaments soll in Form einer Gesetzesvorlage erfolgen, die auch die notwendigen haushaltsrechtlichen Einwilligungen des Ministeriums der Finanzen ersetzt. Dies ist Voraussetzung für den Vollzug des Anteilskaufvertrags. –

Also das Finanzministerium musste so keine eigene Bewertung seiner eigenen Fragen, seiner eigenen Recherchen vornehmen und hat sich so eigentlich hinter dem gesamten Parlament verstecken wollen.

Meine Damen und Herren, Sie, Frau Ahnen, haben aber ohne weitere Prüfung der Fragen dem Verkauf am 30. Mai zugestimmt. Ein einziger Anruf des Aufsichtsratsvorsitzenden an richtiger Stelle hätte alle Fragen zum Bernsteinhändler und dem ehemaligen Piloten der Yangtze River Express, des Herrn Dr. Chou, klären können.

Gerade auf den Angaben des Dr. Chou baute der ganze Businessplan auf. Das Einschalten einer Wirtschaftsdedektei – wie von Ihnen, Frau Ahnen, aus dem Ministerium gefordert – wäre notwendig gewesen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der AfD)

Sie hätten sich das aber auch mit einem einzigen Anruf in der Region ersparen können.

Meine Damen und Herren, die Crews übernachten in der Regel im gleichen Hotel, wenn man das weiß, im Falle Yangtze in Morbach. Ein Anruf beim Hotel und ich hatte jede Information zu den Plänen und seine Verbindung zum Bernsteinhändler; denn Dr. Chou plauderte immer gern an der Theke und legte dort seine Pläne längst offen.

(Heiterkeit bei der CDU)

Der Rechnungshof listet hierzu eine Reihe von Punkten auf, die sich auch in der Kabinettsvorlage widerspiegeln. Auffällig die angeblich vielversprechenden Verbindungen zur HNA, für die doch ADC oder Dr. Englert als weiterer Bieter verhandelte.

Jetzt ersparen Sie mir, die ganzen Punkte aufzuzählen, immer wieder Chou – HNA, Chou – HNA. Aber auch ein deutlicher Hinweis, Chou pflegte langjährige Geschäftsbeziehungen zu Boeing: Meine Damen und Herren, ich kenne auch Fraport.

(Heiterkeit bei der CDU)

Mehr war das aber auch nicht.

Dass Sie auf diese Dinge ohne jede Kontrolle reagiert haben, ist skandalös.

(Beifall der CDU und bei der AfD)

Aufgrund dieser Bedeutung hielt das Finanzministerium eine Recherche für unabdingbar. Keiner der Punkte wurde überprüft. Alle entpuppten sich als Luftnummern.

Meine Damen und Herren, ich könnte jetzt die Passagierzahlen nennen, die man erreichen wollte, alles, was man dort erreichen wollte. Ich will es mit einem Punkt bringen, den ich auch im Plenum Sie, Herr Minister Lewentz, gefragt habe.

Die SYT wollte bis 2020 die Frachttonnagen auf 1,2 Millionen Tonnen anheben, bestenfalls auf 2,5 Millionen Tonnen. Ein Google hätte gelangt. 1,2 Millionen, das sind die Zahlen von JFK New York, das sind die Zahlen von Bangkok, das sind die Zahlen von Chicago. 2,5 Millionen Tonnen: Der große Flughafen Frankfurt ist bei etwa 2,1 Millionen Tonnen. Mittlerweile sind die Zahlen etwas darüber.

Meine Damen und Herren, ich hätte die sofort aus der Tür geschmissen. Aber Sie haben zugeschlagen.

(Beifall der CDU und bei der AfD)

Ein Letztes: Wenn die Regierung immer wieder im Verfahren betonte, dass sie keine Bewertung des Businessplans nach EU-Recht vornehmen durfte, dann ist das eine glatte Lüge. Parlamentarisch darf ich eigentlich nur „Unwahrheit“ sagen, aber draußen wird das besser verstanden. Oder wie es ein Journalist umschrieb: Hier wird das Parlament, die Öffentlichkeit, angeschummelt.

Der Rechnungshof hält ausdrücklich fest – ich zitiere wieder –, „Wenn ein Businessplan offensichtlich fehlerhaft ist, von unrealistischen Annahmen ausgeht, Referenzen fehlen oder nur vage sind, der Bieter nicht über eigene Fluggesellschaften verfügt und er zudem keinerlei Erfahrungen

im Betreiben oder der Weiterentwicklung eines Flughafens hat, ist es nicht nur naheliegend, sondern unerlässlich, sich intensiver mit ihm und seinem Unternehmenskonzept zu befassen. Dies würde kein wirtschaftlich und vernünftig handelnder Marktteilnehmer anders handhaben.“