Protokoll der Sitzung vom 14.07.2016

ich Sie aber auch vor die Frage, wie der Rechnungshof auf Grundlage dieser Dateien tatsächlich zu dem in vielen Teilen sehr unangenehm Bericht käme. Es wäre doch gar nicht anders möglich gewesen. Also lassen Sie uns an dieser Stelle nicht streiten.

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD – Abg. Julia Klöckner, CDU: Das glaube ich!)

Meine Damen und Herren, es ist gut, wenn es auch das Herz schwer macht, was man liest. Es ist gut, dass wir diese Aufarbeitung durch den Rechnungshof bekommen haben.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Und jetzt?)

Es ist auch gut, dass wir uns schon im Vorfeld dieser Landtagssitzung vereinbart haben, diesen Punkt gemeinsam in den Ausschussberatungen, mit der nächsten Woche beginnend, zu diskutieren.

Ich habe Ihnen letzte Woche meine Position zum Thema „Verantwortung“ dargestellt. Ich habe Ihnen gesagt, dass ich Ihre Position zum Verkauf des Hahns an die Gesellschaft HNA nicht nachvollziehen kann. Sie konnten sich nicht dazu durchringen, einem Bieter den Flughafen im Hunsrück, von dem wir wissen, er wird es schwierig haben, und er wird es in Zukunft schwer haben, wenn wir nicht handeln, zu veräußern, und das vor dem Hintergrund der Tatsache, dass wir seit vorgestern wissen, dass HNA jetzt der größte Einzelaktionär der Deutschen Bank ist.

Meine Damen und Herren, Vergangenheitsbewältigung, Aufarbeitung, ja, das ist notwendig, das gehört zur Verantwortung, das gehört auch zu unserer Verantwortung.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Und jetzt?)

Wenn ich über Ihre Verantwortung spreche, dann möchte ich auch über unsere Verantwortung sprechen.

(Abg. Alexander Licht, CDU: Sie stimmen geschwärzten Unterlagen einfach zu! Das ist für eine Opposition schwer!)

Man muss zur Kenntnis nehmen, dass sich die Deutsche Bank, die aus schwierigen Phasen kommt, darüber freut, dass HNA bei ihr einsteigt, größter Anteilseigner wird und sie damit stabilisiert, und wir sie gleichzeitig nicht für würdig halten, ihr den Flughafen Hunsrück anzuvertrauen, meine Damen und Herren.

(Zuruf des Abg. Martin Brandl, CDU)

Das ist ein Dilemma, das ist ein Widerspruch, vor dem werden Sie stehen, auch nach der Befassung mit diesem Rechnungshofbericht, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD, bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen ganz offen sagen, ich bin gern Parlamentarier und führe auch gern Auseinandersetzungen. Ich glaube, das wird mir zugesprochen. Aber es gibt Phasen der politischen Arbeit, die einem schwerer fallen als andere. Diese Phase letzten

Sommer, diese Diskussion, die wir heute führen, fällt mir schon schwer, weil es einfach so war, dass wir uns alle darauf verlassen haben, dass wir eine gute Perspektive für die Menschen in der Region finden.

(Zuruf der Abg. Julia Klöckner, CDU)

Wir müssen nun, auch mithilfe dieses Rechnungshofberichts, zur Kenntnis nehmen, dass Fehler gemacht wurden, für die wir Verantwortung mit übernehmen müssen, auch diejenigen, die im Parlament dazu ihre Hand gehoben haben. Das will ich in aller Deutlichkeit sagen. Aber wir sind natürlich auch in der Verantwortung, nach dem, was wir in der Rückschau zur Kenntnis nehmen und analysieren müssen, Schritte aufzuzeigen, wie es am Hahn, in der Region in Zukunft weitergeht. Auch da ist unsere Verantwortung gegeben und dokumentiert. Das will ich an dieser Stelle noch einmal zum Abschluss sagen dürfen.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die AfD-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende Herr Abgeordneter Junge das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Schweitzer! Ja, wir alle brauchen Berater. Ja, wir verlassen uns in einer gewissen Weise auf die Berater, aber man muss sich auch beraten lassen.

Wenn man solche Hinweise von den Beratern bekommen hat und sich dann doch anders verhält, dann verhält man sich fahrlässig. Es ehrt Sie, dass Sie hier wirklich gekämpft haben, um Ihren Parteivorsitzenden in der Funktion des Innenministers zu verteidigen. Aber aus dieser Nummer kommen Sie nicht heraus.

(Beifall der AfD)

Herr Schweitzer, als das Stichwort „Reißleine“ fiel, da fiel mir ein, wenn man als Freifaller aus dem Flugzeug springt und unterhalb von 500 Fuß die Reißleine zieht, dann schlägt man dennoch auf, und zwar unsanft.

Vor zehn Tagen, um zum Thema zu kommen, am Montag, den 24. April 2017, hat der Landesrechnungshof dem Landtag seine gutachtliche Äußerung zum gescheiterten Verkaufsprozess des Anteil des Landes an der Flughafen Frankfurt Hahn GmbH, kurz FFHG, an die Shanghai Yiqian Trading Company (SYT) überreicht. Ich gehe davon aus, dass ein Großteil der heute hier Anwesenden dieses Gutachten vollständig und aufmerksam gelesen oder zumindest – das kommt ja auch in diesem gesamten Prozess einmal vor – eine PowerPoint-Präsentation vorgelegt bekommen hat, in der dessen Inhalt stichwortartig zusammengefasst wurde.

Das wesentliche Ergebnis der gutachtlichen Äußerung des

Landesrechnungshofes dürfte damit im Großen und Ganzen bekannt sein. Da bei der Landesregierung und wohl auch bei dem einen oder anderen Abgeordneten der regierungstragenden Fraktionen erfahrungsgemäß eine unterschiedliche Wahrnehmung eines ansonsten eindeutigen Sachverhalts nicht unüblich ist, möchte ich zunächst versuchen, unsere Wahrnehmung der geschilderten schwerwiegenden Versäumnisse der beauftragten Beratungsgesellschaft, aber insbesondere des Innenministeriums und damit auch letztlich der Landesregierung darzulegen, auch wenn es angesichts des im Parlament zulässigen Vokabulars kaum möglich sein dürfte, deren Versagen in wirklich diplomatische Worte zu fassen.

(Beifall der AfD)

Beginnen wir deshalb mit den Feststellungen des Landesrechnungshofs. Bei der Teilnahme der SYT am Bieterverfahren bestanden von Anfang an Auffälligkeiten: keine einschlägigen Erfahrungen mit dem Betreiben von Flughäfen, ein äußerst geringes Stammkapital von umgerechnet 14.000 Euro und eine klare unklare Gesellschaftsstruktur.

Eine intensive Überprüfung der SYT, der diese nach dem jetzigen Kenntnisstand ganz sicher nicht standgehalten hätte, wäre hier grundsätzlich geboten gewesen. Businesspläne und Investitionsplanungen waren bereits bei der oberflächlichen Prüfung weder nachvollziehbar noch realistisch. Zugrunde liegende Annahmen und Angaben waren gar nicht oder nicht hinreichend belegt. So hätte die SYT entsprechend des Businessplans nicht nur den gesamten Frachtflugverkehr mit China an den Hahn holen müssen, um den sogenannten Best Case zu erreichen, sondern vielmehr nahezu die gesamte potenziell verlegbare Fracht in Deutschland.

Auf einige dieser Auffälligkeiten hatte auch das eigene Finanzministerium ausdrücklich hingewiesen, Stichwort „Beratung“. Hier wäre entweder eine eigene kritische Prüfung durch das Innenministerium ebenfalls geboten gewesen, zumindest aber hätte das Innenministerium die Beratungsgesellschaft dazu anhalten und beauftragen müssen, eine solche vorzunehmen, meine Damen und Herren. Die Angaben zur Finanzierung des Erwerbs der Anteile und die entsprechenden Finanzierungsnachweise waren weder plausibel noch geeignet und wurden zudem auch nicht ausreichend überprüft. An dieser Stelle kommen wir zu einem der Höhepunkte dieser Tragikomödie, die am Flughafen Frankfurt-Hahn spielt und den Titel tragen könnte „Denn Sie wissen nicht, was Sie tun, und Sie wollten es auch gar nicht wissen“.

(Beifall der AfD)

Gleichzeitig kommen wir damit zu einem der Tiefpunkte des Handelns oder, besser gesagt, der Untätigkeit der politisch Verantwortlichen. Ich zitiere aus dem Gutachten des Landesrechnungshofs wie folgt: „Am 16. Oktober 2015 übersandte Herr M der Beratungsgesellschaft per E-Mail die Aufnahme einer Bankgarantie, die Dr. Chou ihm via WhatsApp übermittelt hatte.“ Und weiter: „Auf dem Foto war ein Guthaben von 200 Mrd. US-$

(Abg. Christian Baldauf, CDU: So wenig?)

zu Gunsten eines Weng Jianlin bei HSBC ausgewiesen. Dieser sollte nach einer Mitteilung von Dr. Chou“ – das erinnert mich irgendwie an 007, Dr. Chou oder – „(...) mit 17 % Eigentümer von SYT werden.“ Zitat Ende.

„Der reichste Mann im Weltall“ titelte damals die „Allgemeine Zeitung“ am 26. April diesen Jahres und meinte damit jenen Weng Jianlin, dessen Vermögen das der reichsten drei Menschen Gates, Ortega und Buffet entsprechend der von „Forbes“ 2016 veröffentlichten Liste noch hätte übersteigen müssen. Die beauftragte Beratungsgesellschaft legte nach eigenen Angaben diese E-Mail mit dem WhatsAppFoto der Bankgarantie als nicht verfahrensrelevant zu den Akten, sodass sie erst bei der Prüfung des Landesrechnungshofs aufgefallen war.

Allerdings bestand das Innenministerium auch gar nicht auf einer Finanzierungsbestätigung und veranlasste auch gar keine Erkundigung über die Finanziers – Motto „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“ –, was uns zu einem weiteren zentralen und für den Verkaufsprozess ganz entscheidenden Versäumnis der Landesregierung führt. Bereits das Mandat der Beratungsgesellschaft selbst, aber auch dessen Ausführung und die Auftragsüberwachung durch das Innenministerium waren absolut unzureichend.

Die Berichte der Beratungsgesellschaft enthalten zahlreiche entsprechende Hinweise. Die für die Region und das Land Rheinland-Pfalz so wichtigen Prüfungen waren als Nachforschungen in beschränktem Umfang bezeichnet. Die Beratungsgesellschaft wies darauf hin – sie selbst wies darauf hin –, dass sie ihre Recherchen ausschließlich auf öffentlich zugängliche Aufzeichnungen und Quellen wie Pressemitteilungen, Mediendatenbanken, Handels- und Unternehmensregister oder das Internet beschränkte, also das, was wir auch können.

Es wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Berichte der Beratungsgesellschaft nicht als ausschließliche Entscheidungsgrundlage für geschäftliche Entscheidungen verwendet werden sollten. Also insofern hat die Beratungsgesellschaft schon ihre Pflicht getan, einen eingeschränkten Auftrag, dem Auftraggeber gegenüber deutlich zu machen, Achtung, das was ich dir jetzt sage, kannst du in vollem Umfang nicht verwenden, um daraus Entscheidungen zu generieren. Das ist eigentlich in Ordnung.

Zudem entsprach das Mandat der Beratungsgesellschaft nicht den wiederholten und nachdrücklichen Empfehlungen, die der Landesrechnungshof in dieser Phase für die Auswahl von Geschäftspartnern im Hinblick auf deren Professionalität, Seriosität, Bonität und Liquidität empfohlen hat. Immer wieder muss ich darüber nachdenken, warum die Landesregierung der Beratungsgesellschaft einen nur eingeschränkten Prüfauftrag erteilt hat. Um Geld zu sparen? Also, ich sage Ihnen, wenn ich die Möglichkeiten hätte, die ein Ministerium hat, dann hätte ich aber alles daran gelegt, dass ich über diese Gesellschaften bis ins Kleinste, von den Finanzierungsmöglichkeiten bis zur Sockengröße, alles erfahre, was ich brauche, um hier eine Entscheidung für das Land und für eine ganz wichtige Region zu treffen.

(Beifall der AfD)

Vielleicht – und Herr Licht hat das ja so oder ähnlich auch

schon angesprochen – war aber das Prinzip Schnelligkeit vor Sorgfalt geboten; denn wir erinnern uns, wir standen kurz vor der Sommerpause, und das Ding sollte schnell vom Tisch.

(Abg. Joachim Paul, AfD: Genau!)

Davon abgesehen, dass sich das Innenministerium in keinem Fall allein auf die Empfehlungen und Recherchen der Beratungsgesellschaft hätte verlassen dürfen, obwohl sie ja schon mal ganz gute Hinweise brachten, sondern vielmehr die Ergebnisse der Beratungsgesellschaft in eigener Verantwortung hätte auch selbst prüfen müssen, hätte sie also angesichts der Bedeutung der Transaktion und der spezifischen Risiken bei Geschäften mit chinesischen Vertragspartnern eine Tiefenrecherche in eigenem Interesse, aber vor allen Dingen auch im Interesse der betroffenen Bürger und der Region zumindest in Auftrag geben müssen.

(Beifall der AfD – Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Genau so sieht es aus!)

Entsprechende Anregungen und Forderungen des Finanzministeriums, hier etwa eine Wirtschaftsdedektei einzuschalten, wurden zudem achtlos verworfen. Aber selbst das Ergebnis der erfolgten Nachforschung in beschränktem Umfang hätte schon Anlass zur Sorge geben müssen. So etwa aufgrund der Hinweise zur Klage und Strafverfolgungsmaßnahmen bezüglich Personen mit den Namen Kyle Wang und Zhou Chao – 007.

(Heiterkeit bei dem Abg. Joachim Paul, AfD)

Oder aufgrund der Tatsache, dass der finale Entwurf des Company Due Diligence Berichts die Bewertung des Gesamtrisikofaktors mit „HOCH“ bewertet hatte. „HOCH“, nicht so irgendwie „HOCH“! Keiner von uns kauft Aktien, wo die Bewertungskriterien „HOCH“ sind, jedenfalls kein seriöser.

Auch die Begründung de Landesregierung für den Verkauf an SYT hält der Prüfung durch den Rechnungshof eben nicht stand. Die Landesregierung hatte sich stets darauf zurückgezogen, sie habe strikt nach den Vorgaben der Europäischen Kommission an die SYT als Höchstbietenden verkaufen müssen. Das war und ist, wie der Landesregierung nunmehr bestätigt, so zumindest nicht ganz richtig. Das Fazit des Landesrechnungshofs zur Beauftragung der Beratungsgesellschaft und der Verantwortung der Landesregierung ist daher ebenso deutlich und unmissverständlich als auch insgesamt vernichtend.