Protokoll der Sitzung vom 30.05.2017

Wir wissen gerade von der Salafistenszene, dass sie immer haarscharf in einem Bereich am Rande der Meinungsfreiheit bleiben, um keine strafrechtlichen Konsequenzen auf sich zu ziehen. Deswegen stellt sich die Frage, was wir hätten tun können, um einen solchen Auftritt in privaten Räumlichkeiten zu verhindern.

Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Manchmal ist es schwer zu ertragen, wenn eine solche schwierige Meinung vertreten wird. Wir haben aber an dieser Stelle immer wieder ganz klar gesagt, dass wir diese radikale Meinung, die Auslegung und den Missbrauch einer Religion scharf verurteilen. Dass eine Religion für radikale Zwecke missbraucht wird, der Hass, der dort gepredigt wird, der Antisemitismus, die Homophobie, der Sexismus und diese Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, all das gehört nicht zu Rheinland-Pfalz. Das ist ganz klar unsere Meinung.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei SPD und FDP)

Viel wichtiger ist in diesem Zusammenhang, dass wir mit Präventionsprojekten erreichen, dass sich junge Menschen erst gar nicht radikalisieren. Darauf sind meine Kollegin Willius-Senzer und Herr Kollege Hüttner schon eingegangen.

Rheinland-Pfalz verfügt über verschiedene Konzepte und Ansätze im Präventionsbereich. Das Konzept zur Verhinderung islamistischer Radikalisierung ist schon erwähnt worden. Damit werden Beratungsangebote für betroffene Familien und das Umfeld sowie Ausstiegsmöglichkeiten für die jungen Menschen, die sich schon radikalisiert haben, geschaffen.

Das Präventionsnetzwerk DivAN und das Modellprojekt „Leitplanke“ wurden gegründet, damit auch Haupt- und Ehrenamtliche aus der Kinder- und Jugendarbeit sensibilisiert werden, um zu erkennen, wenn ein junger Mensch sich radikalisiert. All das zeigt, dass wir in Rheinland-Pfalz, sowohl was die Sicherheitsbehörden als auch was die Präventionsstrukturen anbelangt, gut aufgestellt sind und die Entwicklung im Blick haben. Wir beobachten genau, was stattfindet.

Was wir aber nicht brauchen, sind die Menschen, die eine Religion für ihren Menschenhass missbrauchen. Genauso wenig brauchen wir aber rechte Gruppen, die die Salafisten missbrauchen, um gegen den Islam zu hetzen.

(Zuruf des Abg. Uwe Junge, AfD – Heiterkeit bei der AfD)

Diese Vereinfachung ist nicht zuträglich. Sie schürt nur Hass. Wir wollen ein friedliches Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Religionen oder keiner Religion. Wir wollen, dass keine Islamfeindlichkeit in Rheinland-Pfalz um sich greift. Wir wollen keine Form von Hass und Gewalt. Das passt nicht zu Rheinland-Pfalz. Wir leben hier in einer vielfältigen und offenen Gesellschaft.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei SPD und FDP)

Für die Landesregierung spricht Herr Minister Lewentz.

Verehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte ganz bewusst sehr sachlich die Dinge schildern, die uns als Erkenntnisse vorliegen. Ich will mich zunächst einmal ganz herzlich bei Frau Kollegin Willius-Senzer, Frau Schellhammer und Herrn Hüttner bedanken und sie ausdrücklich mit einschließen.

(Zurufe der Abg. Johannes Zehfuß und Julia Klöckner, CDU)

Ich fand, es war eine, wenn auch teilweise von unterschiedlichen Ansichten geprägte, sehr sachliche Diskussion. Sachlichkeit tut heute auch der städtischen Gemeinschaft in Bendorf und den dort tätigen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die für Verständnis und Gemeinsamkeit stehen, sehr gut.

Nach Erkenntnissen rheinland-pfälzischer Sicherheitsbehörden sprach am Freitag, den 5. Mai 2017, ein aus Berlin stammender, bundesweit mit Vorträgen aktiver Prediger mit deutscher Staatsangehörigkeit in einem islamischen Gebetsraum in Bendorf zu einer Gruppe von Musliminnen und Muslimen in einer Größenordnung von etwa 30 bis 35 Gläubigen.

Der Redner dieser nicht öffentlichen Veranstaltung ist dem salafistischen Spektrum zuzuordnen und hielt bereits im November 2016 einen ähnlichen Vortrag in Bendorf. Wie bei diesem Prediger häufiger festzustellen, ist auch der Mitschnitt seines jüngsten Vortrags in Bendorf im Internet veröffentlicht. Die Islamwissenschaftler des Landeskriminalamts Rheinland-Pfalz haben auch dieses Video ausgewertet.

Wenngleich der Vortrag keine strafrechtlich relevanten Aussagen beinhaltete und keine konkreten Gefahren für die öffentliche Sicherheit erkennbar waren, ist er doch ein Grund zur Besorgnis und vor allem zur Wachsamkeit. Die Aussagen sind nach Bewertung der Sicherheitsbehörden im Gesamtkontext der Predigten des Mannes durchaus dazu geeignet, Menschen zur Abwertung Andersdenkender zu bewegen.

Der Prediger propagierte ein dualistisches Bild des Islams, das die Gesellschaft in Gläubige und Ungläubige teilt und von den Gläubigen fordert, sich von den Andersdenkenden fernzuhalten. Damit polarisiert er und behindert die Integration von Muslimen in Deutschland. Diese Ansichten entsprechen einer typisch salafistischen Weltsicht.

Beim Salafismus handelt es sich um eine besonders rigide Strömung innerhalb des sunnitischen Islamismus. Maßgeblich für das Handeln und die angestrebte Ordnung von Salafisten sind ausschließlich die Weisungen von Koran und Sunna, das heißt, die überlieferten Worte und Taten der ersten Generationen von Muslimen. Demgegenüber lehnen Salafisten die später entstandene Form der Religiosität wie die Heiligenverehrung ebenso strikt wie weltliche Gesetze ab.

Daraus ergibt sich nicht zwangsläufig ein gesetzwidriges Verhalten aller Salafisten hierzulande, prinzipiell aber streben Salafisten eine Staats- und Rechtsordnung an, die allein auf den als göttlich postulierten Rechtsvorschriften des Islams beruht. Herrschern, die nicht islamische Gesetze anwenden, sprechen sie in der Konsequenz die Legitimität ab.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, um es ganz klar zu sagen, die Ansichten und Werte der Salafisten entsprechen nicht unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und sind daher ganz eindeutig abzulehnen.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der wiederholte Auftritt dieses Predigers – auch das will ich deutlich sagen – begründet die Besorgnis, dass sich mittel- oder langfristig eine dauerhafte salafistische Szene in Bendorf etablieren könnte.

(Abg. Julia Klöckner, CDU: Ja!)

In Rheinland-Pfalz verfolgen nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes ca. 150 Personen salafistische Bestrebungen, bundesweit sind es in etwa 9.000. Die Zahl der Salafisten hat innerhalb der letzten Jahre leider kontinuierlich zugenommen. Wir haben im Innenausschuss oft darüber gesprochen.

Knapp ein Drittel der rheinland-pfälzischen Salafisten wird als gewaltorientiert eingestuft. Dieser Begriff der Sicherheitsbehörden deckt ein Spektrum ab, das von gewaltlegitimierend bis gewalttätig reicht.

Die salafistischen Anhänger verteilen sich auf unterschiedliche Städte und Regionen des Landes. Tendenziell ist in den städtischen Ballungsräumen eine höhere Konzentration von Salafisten vorzufinden als in ländlich strukturierten Regionen.

Einzelne rheinland-pfälzische Moscheevereine dienen als Anlaufstellen, mitunter auch als Plattformen zur Verbreitung salafistischen Gedankenguts. Bislang ist aber kein rheinland-pfälzischer Moscheeverein eindeutig oder in Gänze dem salafistischen Spektrum zuzurechnen.

Die Propagierung salafistischen Gedankenguts und die Vernetzung der Salafisten findet im hohen Maße im Internet und hierbei vor allem in sogenannten sozialen Netzwerken statt. Eine wichtige Funktion bei der Vernetzung von Salafisten, der Rekrutierung neuer Anhänger und deren Indoktrinierung kam außerdem der Koranverteilaktion „Lies“ zu. Aufgrund der von Sicherheitsbehörden gewonnenen Erkenntnisse hat das Bundesinnenministerium – auch darüber haben wir hier gesprochen – mit der entsprechenden Unterstützung der Länderinnenminister die verantwortliche Vereinigung „Die wahre Religion“ im November 2016 bundesweit verboten.

Rheinland-Pfalz stellt innerhalb Deutschlands keinen Brennpunkt salafistischer Aktivitäten dar, und wir werden alles dafür tun, dass das auch so bleibt.

Überregional bekannte salafistische Meinungsführer und

Einrichtungen, die sozusagen als Magnet wirken könnten, sind in Rheinland-Pfalz – das will ich ganz bewusst sagen – Gott sei Dank nicht vertreten. Allerdings traten in den vergangenen Jahren überregional bekannte salafistische Prediger wiederholt auf Einladung einzelner Moscheevereine in Rheinland-Pfalz auf, im jüngsten Fall des Berliners in Bendorf. Sie erinnern sich an Pierre Vogel, der vor dem Hauptbahnhof in Koblenz aufgetreten ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser Stelle klar sagen, die Ansichten der Salafisten können und werden wir nicht tolerieren. Wir müssen Ihnen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln entgegentreten. Das tun wir ganz genau und mit aller Konsequenz. Die Sicherheitsbehörden behalten die Situation in Bendorf wie im gesamten Land fortlaufend im Blick, um bei Bedarf rechtzeitig die notwendigen Maßnahmen ergreifen zu können. Dazu gehört auch, Veröffentlichungen auf einschlägigen Webseiten oder in sozialen Netzwerken im Hinblick auf strafrechtlich relevante Inhalte auszuwerten. Wenn erforderlich, ergreifen wir Maßnahmen zur Ermittlung der Verantwortlichen. Sobald die Schwelle der Strafbarkeit überschritten wird, werden die Strafverfolgungsbehörden einschreiten.

Rheinland-Pfalz ist eines der sichersten Länder in Deutschland.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Zum Glück!)

Rheinland-Pfalz ist wachsam und sehr stark in der Inneren Sicherheit aufgestellt.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr richtig!)

Wir sind wachsam in jede Richtung, nach links, nach rechts und auch bei islamistischem Terrorismus.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, darüber hinaus kommen aktuell in erster Linie Maßnahmen der Prävention nach dem rheinland-pfälzischen Konzept zur Verhinderung einer Radikalisierung junger Menschen in Betracht. Die Landesregierung unterstützt die örtliche Initiative der Bürger, der kommunalen Vertreter und islamischen Gemeinden.

Im gemeinsamen Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern des Landkreises und der Stadtverwaltung stimmen derzeit das Familien- und das Innenministerium weitere Möglichkeiten zur Verhinderung der Verfestigung einer örtlichen salafistischen Szene ab. Die Reaktion der Bürgerinnen und Bürger von Bendorf ist hier mehrfach genannt worden. Ich bin beeindruckt von dieser Reaktion. Man ist sehr schnell, eindeutig und Flagge zeigend auf die Straße gegangen, gemeinsam mit dem örtlichen Moscheeverein, vielen Bürgerinnen und Bürgern, vielen Offiziellen aus der Stadt, und am 12. Mai 2017 hat man sich gegen die salafistischen Bestrebungen ganz eindeutig öffentlich positioniert.

Wenn man Bendorf beobachtet – ganz so weit wohne auch ich nicht von dort weg –, dann fällt einem auf, dass aus dem Rathaus, aus dem Jugendzentrum, vom örtlichen DGB, von den Kirchen und von vielen Bürgerinnen und Bür

gern sehr intensiv an dem gemeinsamen Zusammenleben in Bendorf gearbeitet wird, dass man dort sehr aufmerksam und sehr klar aufgestellt ist. Das will ich ausdrücklich von meiner Position als Dankeschön an das Rathaus, an den Bürgermeister und an die Bürgerinnen und Bürger in Bendorf sagen. Dort ist man sehr bewusst aufgestellt.

(Beifall der SPD, der FDP, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, uns eint alle eines: Wir müssen sehr aufmerksam und bewusst aufgestellt sein gegen Feinde der Demokratie, gegen Menschen, die gegen Christen hetzen und gegen Menschen, die gegen islamischen Glauben hetzen. Das ist nicht zu akzeptieren. Wir müssen gegen solche Hetzer – in dem Fall gegen Salafisten – gemeinsam stehen.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Für die AfD-Fraktion spricht Herr Kollege Paul. Liebe Kolleginnen und Kollegen, durch die verlängerte Redezeit der Landesregierung stehen den Fraktionen jeweils noch eine Minute und 30 Sekunden zur Verfügung. Das heißt, Sie haben jetzt drei Minuten und 30 Sekunden Redezeit, Herr Paul.

Liebe Kollegen! Sehr verehrter Herr Kollege Dötsch, Sie haben vorhin davon gesprochen, wir, unsere AfD-Fraktion, hätten Halbwahrheiten verbreitet, sie kämen doch alle von außerhalb, das sei doch bekannt. Dann darf ich Sie einmal an die Anfragen Ihres Herrn Kollegen Lammert erinnern. Der setzt es in Anfragen als bekannt voraus, dass wesentliche Teile dieser Szene von Kosovaren, von KosovoAlbanern gestellt werden. Setzen Sie sich einfach einmal zusammen und schauen Sie, was in der CDU-Fraktion Halbwahrheiten oder ganze Wahrheiten usw. sind, bevor Sie uns solche Vorwürfe machen. Ich finde das eigentlich unverschämt, was Sie vorhin gemacht haben.

(Beifall der AfD)

Frau Senzer, Sie haben richtig bemerkt, dass diese „Einzelfälle“ vorher hier nie ein Thema waren. Ich darf Sie beruhigen, die werden hier immer wieder die nächsten Jahre Thema sein.

(Beifall bei der AfD)