Protokoll der Sitzung vom 26.10.2017

Waren bis dahin noch zehn bis zwölf Diktate pro Jahr für die Dritt- und Viertklässler vorgeschrieben, sind jetzt nur noch drei Arbeiten im Bereich Richtig schreiben eingeplant. Das müssen aber keineswegs Diktate sein. Es sind auch andere Formate wie Lückentexte zulässig.

Weil Diktate nicht mehr der Bildungsmode entsprechen, greifen die Lehrer verstärkt auf solche Lückentexte zurück. Dabei waren Diktate für viele Generationen, die unsere Schulen mit solider Rechtschreibung verlassen haben, selbstverständliche Prüfungsleistungen, auf die man sich zielgerichtet vorbereitet hat.

Es ist bezeichnend für den Stellenwert der Rechtschreibung in Rheinland-Pfalz, wenn nicht einmal die Bildungsministerin weiß, ob in der Grundschule Diktate nun verbindlich vorgeschrieben sind oder nicht.

(Beifall der AfD)

Zu den irreführenden Zahlen: Frau Hubig nannte 14 von insgesamt 1.000 Grundschulen, an denen ausschließlich die Schreiben-nach-Gehör-Methode praktiziert wird. Dagegen hatte die Landesregierung im Sommer 2015 mitgeteilt, dass in Rheinland-Pfalz im Schuljahr 2014/2015 in der ersten Klassenstufe 946 und in der zweiten Klassenstufe 932 Grundschulen mit Elementen des lautorientierten Schreibens arbeiteten. An 16 der insgesamt 969 Grundschulen komme sogar zunächst ausschließlich die Anlauttabelle zum Einsatz.

Vor rund zweieinhalb Jahren wurden also an weit über 90 % der Grundschulen Elemente des lautorientierten Schreibens eingesetzt. Wenn die Ministerin jetzt den Eindruck zu erwecken versucht, lediglich an 1,4 % der Schulen komme Schreiben nach Gehör zum Tragen, ist das in der Sache irreführend.

Zur vermuteten Unkenntnis: Wir haben den Eindruck, dass die Ministerin den Teilrahmenplan Deutsch für die Grundschulen nie gelesen hat. Anders sind ihre Äußerungen im Bildungsausschuss, aber auch gestern im Plenum, nicht zu verstehen. Es ist zweifellos so, dass dort der schülerzentrierte Unterricht eine erhebliche Aufwertung erfährt und der lehrerzentrierte gerade noch so geduldet wird.

Ich wüsste nicht, wie der Teilrahmenplan anders interpretiert werden könnte, wenn es dort auf Seite 18 heißt: „Deutlicher als bisher üblich sind jene Lernarrangements zu praktizieren, die sowohl die sachbezogen-mitgestaltende Eigenaktivität der Schüler fördern und einfordern (...). Neben Varianten offener Unterrichtsformen wie Gruppenarbeit, schülerzentrierte Stationen-, Wochenplan-, Werkstattund Projektarbeit hat auch der lehrerzentrierte Unterricht nach wie vor seinen Platz, darf aber aus den genannten Gründen nicht dominieren.“ Zudem ist von eigenaktiver Regelbildung der Schüler die Rede.

Frau Ministerin, Sie selbst haben am Dienstag im Ausschuss mehr Verbindlichkeit und Stringenz in Aussicht gestellt. Wenn Sie das ernst meinen, müssen Sie den Teilrahmenplan gewaltig überarbeiten, ja eigentlich ersetzen.

(Beifall der AfD)

Insgesamt bin ich mir aber nicht sicher, ob die Tragweite dieser Studie in der Landesregierung und bei den Koalitionsparteien schon erfasst wurde. Frau Brück redete die Ergebnisse gestern in bekannter Art und Weise schön. Frau Lerch war einmal mehr nicht bereit, Schreiben nach Gehör zu kritisieren, und das, obwohl die FDP in Hamburg und Nordrhein-Westfalen diese unsägliche Methode inzwischen eindeutig ablehnt. Dass die Grünen zu keiner Kurskorrektur bereit sind, verwundert nicht weiter.

(Heiterkeit bei dem Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei war es doch gerade Herr Köbler, der gestern anmahnte, man solle sich mit den sozialen Unterschieden auseinandersetzen. Ja, Herr Köbler, das tun wir. Dabei wird klar, je offener die Unterrichtsformen sind, je weniger strukturiert der Unterricht erfolgt, desto größer auch die Öffnung der sozialen Schere. Nicht überall sind die Eltern dazu in der Lage, ihren Kindern zu Hause nachsteuernd zu helfen. Das gilt in ganz besonderem Maße für die Rechtschreibung, wie Professor Steinig in seiner Langzeitstudie festgestellt hat.

Die Grundschule sollte nicht mit allen möglichen Dingen überfrachtet werden. Gerade nach solch einem desolaten Ergebnis muss man die Erwartungen, was Grundschule leisten kann, auf das Wesentliche zurückfahren: Lesen, Schreiben, Rechnen. –

(Beifall der AfD)

Der Alternativantrag der CDU greift leider nur einige unserer Vorschläge auf. Darüber hinaus enthält er weitere interessante Ansätze, weshalb wir ihn gern im Ausschuss diskutieren würden. In der jetzt vorliegenden Form können wir ihm noch nicht zustimmen.

Was das lautorientierte Schreiben betrifft, das der CDUAntrag genauso kritisiert wie wir, so liegt der Ball bei der FDP. Mit ihrer Unterstützung wäre es möglich, diese Methode aus dem Rahmenplan Deutsch herauszunehmen und den regelbasierten Schrifterwerb allgemeinverbindlich für die Grundschulen zu machen. Verehrte Kollegen von der FDP, Sie haben die Wahl zwischen einem rot-grünen „Weiter so“ und einer bildungspolitischen Wende im Interesse unserer Kinder.

(Beifall der AfD)

Es wäre schön, wenn Sie endlich einmal den Mut hätten, liberales Profil zu zeigen, anstatt in Nibelungentreue zur Koalition fragwürdige Positionen weiter mitzutragen.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Brück.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist also heute IQB-Bildungstrend die Dritte für diese Woche. Bereits am Dienstag im Bildungsausschuss, gestern in der Aktuellen Debatte und heute diskutieren wir das Thema erneut. Es ist ein wichtiges und ernstes Thema. Deshalb ist es gut, dass wir uns im Bildungsausschuss mit diesem Thema weiter intensiv beschäftigen werden, intensiv mit den Ergebnissen der Studie umgehen und auch über die Konsequenzen sprechen werden.

Ich habe überhaupt nichts schöngeredet, Herr Frisch. Wahrscheinlich stand das schon in Ihrem Konzept, bevor Sie die Rede gestern gehört haben.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Davon kann man ausgehen!)

Nach der allgemeinen Aufregung gestern werde ich aber auch nicht alles wiederholen, was gesagt worden ist, sondern zu dem kommen, wozu ich gestern wegen der allgemeinen Aufregung zu diesem Thema gar nicht kam.

Es ist so, dass wir uns intensiv Gedanken über gute Schulund Unterrichtsqualität machen. Wenn man sich wirklich intensiv mit den Ergebnissen der Studie befasst und sie analysiert und auswertet, ist es heute zu früh, schon Schlüsse daraus zu ziehen und Vorschläge zu machen, was man alles besser machen kann.

Die Vorschläge, die die AfD in ihrem Antrag und die CDU in ihrem Änderungsantrag machen, werden zudem von den Expertinnen und Experten für die Grundschulen, nämlich den Grundschullehrkräften, nicht unbedingt als das Gelbe

vom Ei angesehen. Wie man in der Presse lesen kann und wir aus Gesprächen und dem Landtagswahlkampf wissen, werden sie zum Teil auch von den Verbänden abgelehnt.

Ich denke, insofern ist es ganz wichtig, dass wir zunächst analysieren und vor allen Dingen eines nicht tun, nämlich die Arbeit der Grundschullehrkräfte diskreditieren oder in ein schlechtes Licht stellen. Sie leisten nämlich hervorragende Arbeit in unseren Grundschulen für unsere Schülerinnen und Schüler.

(Zurufe der Abg. Michael Frisch und Dr. Jan Bollinger, AfD)

Leider kommt das aus dem AfD-Antrag so hervor. Herr Frisch, auch das, was Sie eben gesagt haben, lässt vermuten, dass Sie das so sehen. Leider ist das auch in Teilen im CDU-Antrag nicht ganz von der Hand zu weisen. Ich möchte das auch begründen.

Der AfD-Antrag spiegelt schon einmal überhaupt nicht die Situation in unseren Grundschulen wider und zeigt ein bildungspolitisches Verständnis, das weit in die Vergangenheit zurückreicht. Dazu haben die Experten in der Presse schon einiges gesagt. Wenn Herr Paul gestern so gern den Ausdruck „aus der Zeit gefallen“ verwendet hat, ist eines wirklich aus der Zeit gefallen, nämlich die Vorschläge von der AfD.

(Abg. Uwe Junge, AfD: Üben, üben, üben ist nicht aus der Zeit gefallen! Das schadet nicht!)

Neben Ihren Vorschlägen behaupten Sie zudem – heute wieder, Herr Frisch –, es gäbe keine Diktate, und allein der Frontalunterricht ist aus Ihrer Sicht der einzig selig machende Versuch, alles gut zu machen.

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD – Abg. Uwe Junge, AfD: Ein Fake! Genau das haben wir nicht gesagt!)

Das ist sicher nicht der Fall. So, wie Sie es dargestellt haben, haben Sie suggeriert, es gebe Beliebigkeit in unserer Bildungspolitik und im Grundschulunterricht. Das ist nicht der Fall.

Bitte informieren Sie sich ganz genau. Informieren Sie sich in den Grundschulen. Es gibt unterschiedliche Formen der Unterrichts- und Stoffvermittlung. Es gibt unterschiedliche Formen der Leistungserbringung. Eine davon sind Diktate.

Allein die Forderung nach mehr Frontalunterricht macht noch keinen Unterricht besser. Das ist gestern schon lange diskutiert worden. Herr Frisch, ich habe nach Ihrem Vortrag und der Interpretation der Diskussion von gestern ein bisschen den Eindruck, dass es bei Ihnen darum geht zu sagen, ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt. So ist es aber nun einmal nicht.

(Abg. Uwe Junge, AfD: Das macht Ihre Frau Nahles! Sie ist gut darin! – Zuruf aus dem Hause)

Ich lese auch Bücher und brauche dafür niemanden. Wir haben sehr viel Vertrauen in die Expertinnen und Experten in unseren Grundschulen, in die ausgebildeten Grund

schullehrkräfte. Sie leisten hervorragende Arbeit. Deswegen fallen Ihre Vorschläge bei uns genauso durch wie bei den Verbänden. Scheinbar einfachen Lösungen können wir nicht auf den Leim gehen, weil es sie in diesem Fall überhaupt nicht geben kann.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Sie sagt nichts zu unseren Vorschlägen! Keinen Satz!)

Leider macht der CDU-Alternativantrag die Sache auch nicht viel besser. Hier wird wieder das Schreiben nach Gehör tituliert. Das ist schon im Wahlkampf gescheitert. Wir bleiben dabei, die Grundschullehrkräfte wissen am besten, wie sie unseren Schülerinnen und Schülern Lesen und Schreiben beibringen werden. Die Methode Schreiben nach Gehör ist eine von vielen Methoden, die zum Einsatz kommen.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Frisch, es hilft auch nicht, wenn Sie alle Schulen auf einmal addieren und dann den Ruf nach „früher war sowieso alles besser“ noch mit hineinbringen.

(Abg. Uwe Junge, AfD: Die Ergebnisse sind doch schlecht!)

Wir konstatieren für die Koalition, dass wir beiden Anträgen nicht zustimmen können.

(Glocke der Präsidentin)

Wir werden unsere Grundschullehrkräfte weiter unterstützen, damit sie den Weg der individuellen Förderung konsequent weitergehen können. Wir werden in der Diskussion zu verbesserten Ergebnissen und Maßnahmen kommen, sodass der nächste Bildungstrend dann hoffentlich besser ausfällt.

Vielen Dank.