Protokoll der Sitzung vom 25.01.2018

(Abg. Jens Guth, SPD: So viel zum Thema freie Rede!)

Genau. Das habe ich nie behauptet, dass ich das anstrebe.

Gleichzeitig ignorieren Sie den gesellschaftlichen Wandel auch in Form des Selbstbildnisses, das junge Mediziner von ihrem Beruf haben. Die hohe Anzahl der im Vollzeitäquivalent arbeitenden Ärzte ist nämlich vorbei, da zunehmend Teilzeitmodelle präferiert werden. Demnach muss sich das wachsende Versorgungsvolumen – Stichwort: Demografie und die damit verbundene Multimorbidität – auf immer mehr Ärzte verteilen.

Hier müssen Anpassungen vorgenommen werden, was bedeutet, als allererste Maßnahme die Aufstockung der Medizinstudienplätze vorzunehmen, um dieses Defizit auszugleichen. Das fordern ebenfalls der Marburger Bund,

unsere Landesärztekammer, die KV und die Ärzteschaft. Auch Stipendien – diese wurden bereits von uns vorgeschlagen – sollten ernsthaft in Erwägung gezogen werden.

In vier Jahren müssen 4.310 Ärzte nachbesetzt sein. Im Schnitt verlassen aber nur 167 Mediziner pro Semester die Uni. Hier wird doch das krasse Missverhältnis zwischen Absolventen und dem Nachbesetzungsbedarf deutlich. Woher sollen denn die Ärzte kommen? Unter Berücksichtigung entsprechender Zahlen des Statistischen Bundesamtes von 2015 kostet ein Studienplatz der Humanmedizin 31.690 Euro. Eine zehnprozentige Aufstockung würde unter Zugrundelegung unserer 2.782 Mainzer Studienplätze in Gänze etwa 8,9 Millionen Euro kosten, selbstverständlich verteilt auf die Studienjahre.

Sie müssen jetzt handeln und nicht, wie von der Gesundheitsministerin am 12. Januar auf der Homepage dargestellt, prüfen, ob auf längere Sicht die Ausbildungskapazitäten insgesamt erhöht werden müssen. Das ist Zeitverschwendung.

Wenn etwa für den Persönlichen Pflegemanager, dessen Nutzen fraglich ist, jährlich zusätzlich 4,7 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden, dann müssen auch für die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung entsprechend Mittel aufgebracht werden.

(Beifall der AfD)

Sie sind nicht überzeugt, dass ein Mehr an Studienplätzen unter anderem zu einer Zunahme von Ärzten in den unterversorgten Regionen führt, so Ihre Antwort in der Drucksache 17/1442. Dann glauben Sie selbst wohl nicht an die Zukunft des ländlichen Raumes.

Auf der anderen Seite gesteht die Landesregierung in der Drucksache 17/4238 ein, Infrastruktur und Mobilität im ländlichen Raum seien wichtige Aspekte der Lebensqualität, weshalb sie entsprechende Maßnahmen vorantreibe. Vergessen Sie dabei nicht die Mittelrheinbrücke. Als Teil einer lokalen Infrastruktur wird von den Medizinstudenten selbst die medizinische Versorgung wahrgenommen, genauso wie Kindergärten, Schulen, mittelständische Unternehmen und Einkaufsmöglichkeiten vor Ort, so die KV 2014 im Rahmen einer Erhebung unter Medizinstudenten.

Meine Damen und Herren, lassen Sie den Kommunen endlich mehr Mittel zukommen, um den ländlichen Raum aufzuwerten, statt ihn abzurüsten, damit junge Mediziner hier in ihm ihren Lebensmittelpunkt finden können. Das wollen wir doch.

(Beifall der AfD)

Als Gäste auf der Zuschauertribüne begrüße ich Mitglieder des Weißen Rings aus der Vulkaneifel und Seniorenbeauftragte des Landkreises Daun. Herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Wink das

Wort.

Verehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag hat zum Ziel, die Studienplatzzahlen für Humanmedizin zu erhöhen. Im Antrag heißt es konkret: „In der Erhöhung der Studienplatzzahlen liegt ein Schlüssel für die Sicherung der ärztlichen Versorgung.“

Erlauben Sie uns bitte die Bemerkung, dass wir nicht zwingend an die Korrelation glauben, dass sich 10 % mehr ausgebildete Ärztinnen und Ärzte 1 : 1 im Bereich der Landärzte bemerkbar machen würden.

Eine Lücke in der landärztlichen Versorgung resultiert nicht allein aus zu wenig Medizinern, sondern auch daraus, dass die Attraktivität des ländlichen Raums und die Ausübung des Arztberufes auf dem Land in ihrem Ruf gelitten haben. Genau da setzen wir als Ampelkoalition auch an.

Der Landtag hat auf Antrag der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP im November und im Koalitionsvertrag zielgerichtete Maßnahmen zur Zukunftsfähigkeit der medizinischen Versorgung auf dem Land beschlossen.

(Beifall der FDP und vereinzelt Beifall bei der SPD)

Hierbei haben wir auf Vernetzung gesetzt; denn diese ermöglicht den dort ansässigen Ärztinnen und Ärzten einen regelmäßig fachlichen Austausch, Synergieeffekte und die stete Möglichkeit, sich weiterzubilden. So werden wir die Stärkung von medizinischen Versorgungszentren vorantreiben.

Darüber hinaus haben wir in einem Pilotprojekt ein regionales Weiterbildungszentrum entwickelt, in dem die eben erwähnte Vernetzung junger Ärztinnen und Ärzte erfolgen soll. Ebenso ist es unser Bestreben, den Ärztinnen und Ärzten, die sich auf dem Land niederlassen, Zugang zu neuester Technik zu gewährleisten. Dadurch wird ein unbürokratisches und effektiveres Arbeiten möglich. Hier sehen wir vor allem wieder die Telemedizin mit ihrem Potenzial, das wir stark vorantreiben wollen.

Ergänzend dazu unterstützen wir weitere Konzepte zur besseren Erreichbarkeit der Gesundheitsversorgung, wie Transportdienste für Patienten oder mobile Praxisteams. Hierbei sei auch die Attraktivität des ländlichen Raums im Allgemeinen zu erwähnen, nämlich Maßnahmen, die die Landesregierung anstrebt, wie den ÖPNV, Kulturangebote, Freizeitangebote und Digitalisierung. Das sind alles Maßnahmen, die dazu beitragen, dass die Menschen auch im ärztlichen Raum wohnen oder bleiben wollen.

(Beifall der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Abschließend kann man sagen, dass wir uns auf einem guten Weg sehen, die medizinische Versorgung im ländlichen Raum auch in Zukunft gewährleisten zu können. Wir sind aber nicht verschlossen. Wir möchten mit Ihnen in die Diskussion gehen, um Ihre Ideen, Anregungen oder Vorschläge aufzunehmen oder zu berücksichtigen. Da

her freuen wir uns auf die Diskussion im Ausschuss zur stetigen Verbesserung der medizinischen Versorgung in Rheinland-Pfalz.

Danke schön.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Binz das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Medizinerausbildung, ärztlicher Nachwuchs und medizinische Versorgung ist ein Dauerbrennerthema in diesem Haus. Ich will daher nicht auch noch einmal den Rundumschlag über alle Facetten der Debatte machen, sondern mich heute kurz halten.

Lassen Sie mich zu Beginn noch einmal eine Sache wiederholen, die auch bereits in der letzten Plenarsitzung diskutiert wurde. Es ist mit mehr Studienplätzen nicht sichergestellt, dass wir im Ergebnis auch mehr Landärzte und vor allen Dingen auch mehr Hausärzte haben. Ohne eine Ausweitung der Studienplätze bekommen wir auch nicht mehr Ärzte im Allgemeinen und auf dem Land im Besonderen. Darüber sollte man nicht hinwegsehen; denn wir brauchen mehr Ärzte.

(Zuruf des Abg. Dr. Peter Enders, CDU)

Herr Enders, ich habe Ihnen gerade die Logik erklärt. Ohne mehr Studienplätze bekommen wir nicht mehr Ärzte. Das ist ganz einfach.

Wir haben jetzt auch ein Verfassungsgerichtsurteil des Bundesverfassungsgerichts vorliegen, das uns aufgegeben hat, auch den Zugang zum Medizinstudium gerechter und neu zu gestalten. Nach wie vor gilt aber auch ein Urteil aus dem Jahr 1972 des Bundesverfassungsgerichts, das die Einschränkung des Hochschulzugangs nur unter engen Grenzen erlaubt. Nach wie vor gilt also: Zulassungsverfahren insbesondere zum Medizinstudium sind verfassungsrechtlich keine Eignungsprüfung, sondern eigentlich – grob gesagt – Mangelverwaltung.

Unter diesen Umständen und unter den aktuellen Herausforderungen in der medizinischen Versorgung sind wir daher gut beraten, uns auch intensiver mit der Frage nach der Erhöhung der Zahl der Studienplätze zu beschäftigen. Allerdings können wir das nicht einfach mit einem Beschluss in diesem Landtag in der heutigen Sitzung machen; denn wir müssen uns intensiver damit auseinandersetzen, wie wir das organisatorisch, finanziell und in welchem Zeitrahmen umsetzen können.

Deswegen freue ich mich sehr darauf, diese ganzen Fragen in der nächsten Zeit im Ausschuss zu erörtern und hoffentlich zu guten Lösungen zu kommen.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei SPD und FDP)

Für die Landesregierung spricht Herr Staatssekretär Professor Dr. Barbaro.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal vielen Dank für die sehr konstruktive Debatte. Ich glaube, es ist gemeinschaftlich festgestellt worden, dass man über zwei Themenbereiche spricht, die nicht unmittelbar zusammenhängen. Frau Binz hat es eben gerade gesagt, Frau Anklam-Trapp vorher auch.

Wir reden einerseits über die Anzahl der Studienplätze, aber viele Studienplätze ergeben noch keine gute Verteilung der Ärzte. Wir reden andererseits über die Verteilung der Ärzte. Eine gute Verteilung der Ärzte sichert noch keine gute medizinische Versorgung. Wenn wir über die Erhöhung der Medizinstudienplätze reden – – –

(Zuruf der Abg. Marlies Kohnle-Gros, CDU)

Stimmt etwas am Mikrofon oder mit mir nicht?

(Abg. Marlies Kohnle-Gros, CDU: Man versteht Sie nicht! – Abg. Christine Schneider, CDU: Sie sind sehr zurückhaltend, Herr Staatssekretär!)

Man versteht mich nicht. Ich soll lauter reden. Da sind wir uns schon mal einig. Ich rede dann auch gerne etwas lauter und stelle fest, dass man bei dem Bestreben nach mehr Studienplätzen zunächst einmal festhalten kann, dass die Zahl der Studienplätze gestiegen ist.

Herr Dr. Enders, Sie mögen sagen, wenn man das mit einem gewissen Jahr, ich glaube, 2006, vergleicht und man Leute dabei hat, die über die Stiftung für Hochschulzulassung hineinkamen, dann darf man die nicht hinzuzählen. Man kann gerne darüber streiten, dass ein Mediziner, der auf diesem Weg zu einem Medizinstudium kommt, nicht automatisch Keilschriftenforscher wird und nicht der medizinischen Versorgung zur Verfügung steht.

Um das abzuschließen, betrachten wir nur die verordneten Kapazitäten, also die Studienplätze, die laut der Kapazitätsverordnung festgesetzt sind. Im Jahr 2013 waren es 392. Im Jahr 2018 sind es 435. Sie sehen, in den letzten fünf Jahren – bereinigt um Teilzeit etc. – ist ein Zuwachs von 10 % vorhanden. Wir sollten also nicht so tun, als würden wir am Anfang einer Debatte stehen, ob eine Ausweitung der Studienplätze notwendig ist. Sie hat in den letzten Jahren stattgefunden. Wenn Sie Niedersachsen zitieren, finde ich, dann kann man im Landtag auf Rheinland-Pfalz verweisen.

Darüber hinaus ist mit der Verabschiedung des „Masterplans Medizinstudium 2020“ eine Verständigung von Bund und Ländern zur umfassenden Reform des Medizinstudiums herbeigeführt worden. Gemeinsam mit dem Ministeri

um für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie arbeiten wir derzeit daran, diese umzusetzen. Der Masterplan zielt darauf ab, schon innerhalb des Studiums Schwerpunkte auf praktische Fertigkeiten und das Fach Allgemeinmedizin zulegen.