Protokoll der Sitzung vom 20.06.2018

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir im Juni 2018 nicht zum ersten Mal knietief im Wasser stehen.

(Beifall der CDU)

Bereits bei den Unwettern 2014 und 2016 waren Leid und Hilfsbedürftigkeit groß. Immer wieder hat die CDU-Fraktion auf die dringende Notwendigkeit von Finanzhilfen hingewiesen.

(Beifall der CDU)

Der eigene Anspruch der Landesregierung ist – ich zitiere –, „schnell, unkompliziert und passgenau zu handeln“. Wird die Landesregierung diesem Anspruch gerecht?

Dabei sind nicht nur finanzielle Hilfen wichtig, sondern zum Beispiel auch zügige Genehmigungsverfahren. Nach dem zurückliegenden schweren Hochwasser in der Verbandsgemeinde Stromberg hat die Kommune binnen kürzester Zeit ein Hochwasserschutzkonzept entwickelt und zur Genehmigung vorgelegt. Dann passierte monatelang nichts. Die Prüfung dauerte an, die Genehmigung blieb aus, die Schutzmaßnahmen konnten nicht begonnen werden, nur eines kam verlässlich wieder, das Wasser.

Meine sehr geehrte Damen und Herren, Mitte der 1990erJahre befasste sich eine eigene Enquete-Kommission des Landtags mit der Thematik Hochwasser. In ihrem Abschlussbericht empfahl die Kommission die Einrichtung eines Hochwasserfonds. Dieser Empfehlung folgten die SPD-geführten Landesregierungen nicht. Nicht nur das, sie lehnten unsere Initiativen für die Einrichtung eines Fonds sogar mehrfach ab. Damals wie heute erfolgte lediglich der Fingerzeig auf Berlin. Das reicht aber aus unserer Sicht nicht aus.

(Beifall der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zur Elementarschadenpflichtversicherung: Die Haltung der Landesregierung in dieser Frage ändert sich leider so oft wie das Wetter selbst.

Werfen wir einen kurzen Blick zurück. Es war 1994: Die Landesregierung lehnte eine Pflichtversicherung im Rahmen der Enquete-Kommission „Hochwasser“ ab und zeigte sich für einen Solidarfonds offen.

2002: Ministerpräsident Beck plädiert vollmundig für eine Pflichtversicherung.

Dezember 2003: Die Regierung Beck rudert zurück. Zu viele grundlegende Fragen können nicht geklärt werden; alles bleibt offen.

2005: Die Landesregierung rückt von der Versicherungspflicht ab.

2013: Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe stellt erneut fest, eine Pflichtversicherung für Elementarschäden verstößt gegen Verfassungs- und Europarecht und ist nicht zu finanzieren.

2014: Das hält die Landesregierung nicht davon ab, wiederum für die Einführung einer Versicherungspflicht zu plädieren.

2016: Am runden Tisch kündigt die Umweltministerin erneut den Einsatz für eine Pflichtversicherung gegenüber den kommunalen Vertretern an. Auf rechtliche Hürden geht sie nicht ein.

2017: Auch die Ministerpräsidentenkonferenz befasst sich erneut damit. Von der Weiterverfolgung der Versicherungspflicht sieht man ab. Die Beschlüsse dort fallen einstimmig.

Nun in der vergangenen Woche im Juni 2018: Hier wird die Unvereinbarkeit der einen und der anderen Position fast dialektisch. Umweltstaatssekretär Dr. Griese von den Grünen wirbt munter um breite Unterstützung; ist also auf SPD-Kurs. Am anderen Tag meldet sich FDPWirtschaftsminister Dr. Wissing mit erheblichen Bedenken.

Meine Damen und Herren, diese Abläufe zeigen, das Handeln der Landesregierungen in Rheinland-Pfalz ist ein verwirrender Zickzackkurs.

(Beifall der CDU)

Seit mehr als 15 Jahren geben die jeweils amtierenden Landesregierungen falsche Sicherheiten, stellen wieder und wieder eine Versicherungspflicht in dem Wissen in Aussicht, dass sie auf Bundesebene nicht kommen wird, weil sie nicht kommen kann.

Frau Ministerpräsidentin, Sie kündigten gerade an, die Landeskampagne für mehr Versicherungsschutz mit neuem Schwung zu versehen und eine Aktionswoche starten zu wollen. Das ist auch bitter nötig; denn um die Werbekampagne des Umweltministeriums ist es schlecht bestellt. Wir liegen in Rheinland-Pfalz rund 10 % hinter dem Bundesdurchschnitt bei der Versicherungsquote zurück. Frau Ministerpräsidentin, das ist kein Erfolg, sondern da ist dringend Nachholbedarf geboten.

(Beifall der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, damit den Betroffenen jetzt und künftig wirklich schneller, unkomplizierter und passgenauer geholfen werden kann, haben wir über die Ansätze hinaus, die die Landesregierung präsentiert, folgende eigene Vorschläge entwickelt:

Erstens, wir schlagen die Einführung eines Elementarschadenfonds vor. Dieser beinhaltet einen Nothilfeplan mit organisatorischen Festlegungen und klaren Zuständigkeiten. In ihm werden dauerhaft Finanzmittel vorgehalten, auf die im Bedarfsfall innerhalb eines Tages zurückgegriffen werden kann. Eine Beteiligung der Versicherungswirtschaft soll dabei ausdrücklich vorbehalten bleiben. Sehr geehrte Damen und Herren, genau das verstehen wir unter schneller, unkomplizierter und passgenauer Hilfe. Hilfe ab dem ersten Tag!

(Beifall der CDU)

Zweitens, mit dem Fonds sollen weitere Anreize für den Abschluss einer Elementarversicherung gesetzt werden. Auch bisher nicht Versicherten soll, anders als in Ihrem Modell, mit 50 % der Schadenssumme geholfen werden, wobei die Hälfte in ein zinsgünstiges Darlehen umgewandelt wird.

Drittens, sollten Schäden über 25.000 Euro hinaus ungedeckt bleiben, hilft der Fonds mit zinsgünstigen Darlehen. Ein Modell, mit dem unsere hessischen Nachbarn übrigens großen Erfolg haben.

Viertens, von vielen Betroffenen im Land hören wir in diesen Tagen, dass sich sich versichern wollen, aber die Versicherungen sie schon vor den Unwettern nicht ange

nommen haben und es jetzt erst recht nicht mehr tun. Wir können hier die Menschen nicht alleinlassen. Wir setzen uns für ein breites Bündnis aus Land, kommunalen Spitzenverbänden, Industrie- und Handelskammern und der Versicherungswirtschaft ein. Mit einem solchen Bündnis ist Bayern Vorbild. Im Ergebnis erhält damit jeder, der sich versichern möchte, eine Versicherung zu vertretbaren Konditionen. Von den kommunalen Spitzenverbänden haben wir im Übrigen die Rückmeldung, dass sie jederzeit für ein solches Bündnis zur Verfügung stehen.

Fünftens, wir schlagen weiter vor, den Oberbürgermeistern, den Landräten, aber bewusst auch zusätzlich den Bürgermeistern vor Ort die Entscheidung über die Verteilung der Softhilfemittel zu übertragen. Die örtlich Verantwortlichen können die Situationen und die Bedürfnisse am besten einschätzen.

25.000 Euro pro Landkreis werden aber sicher nicht ausreichen. Lassen Sie es uns an einer Hilfe pro Kopf und nicht pro Deckel festmachen und nicht voreilig Budgets festlegen, die an den Bedarfen in den betroffenen Landkreisen vorbeigehen.

(Beifall der CDU)

Sechstens, jeder Landkreis und jede kreisfreie Stadt erhält einen sogenannten Gerätewagen Hochwasser. Dieser wird zentral vom Land beschafft, was Kosten bis zu 40 % spart, die Kommunen entlastet und ein landesweites Netz der gegenseitigen Hilfeleistung aufspannt.

Siebtens, neben den Privathaushalten sind es genauso die kleinen Betriebe, die in ihrer Existenz bedroht sind.

(Vizepräsidentin Astrid Schmitt übernimmt den Vorsitz)

Da war ich etwas verwundert bei Ihrem Modell. Ihre heutige Ankündigung einer Taskforce von ISB und Bürgschaftsbank geht aber an den tatsächlichen Nöten von Betrieben, die Geldmittel brauchen, vorbei.

(Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Die gibt es schon!)

Es braucht echte finanzielle Hilfen und keine neuen Beratungsangebote, um die Unternehmen am Leben zu erhalten, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall der CDU)

Achtens, ein dritter Leidtragender sind die Kommunen. Deshalb müssen folgende kommunale Förderprogramme aufgestockt werden: Der Schulstock für Schulbaumaßnahmen, der Investitionsstock, aber auch die Mittel für den kommunalen Straßenbau im Wirtschaftsministerium, um Kreis- und Gemeindestraßen reparieren zu können. Außerdem müssen die Förderquoten angepasst werden. 50 % bis 60 % Eigenanteil können sich viele Gemeinden – das weiß ich – vor allem auch in den betroffenen Gebieten nicht leisten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bereits am Anfang der vergangenen Woche habe ich der Ministerpräsidentin in einem persönlichen Brief die Zusammenarbeit

in dieser Sache angeboten. Dieses Angebot erneuere ich heute. Die Ausgestaltung eines Elementarschadenfonds muss auf eine breite parlamentarische Basis gestellt werden. Hierfür stehen wir gern mit unseren Vorschlägen zur Verfügung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluss noch einiges Allgemeineres sagen. Die Unwetterkatastrophe, über deren Folgen und deren Bewältigung wir heute sprechen, kann jeden von uns treffen, in seinem Heimatdorf oder in seiner Stadt, ob Hauseigentümer, Winzer, Landwirt oder Mittelständler. Schon jetzt hat der Klimawandel deutliche Auswirkungen auf Europa, vor allem den Süden, der enorm leidet, Auswirkungen auf Deutschland, ja, auch auf Rheinland-Pfalz.

Die Europäische Umweltagentur warnt vor großen Risiken für unsere Ökosysteme, aber auch für unsere Wirtschaft. Der Klimawandel steckt nicht hinter jedem Extremwetter. Solche Phänomene gab es auch schon früher, aber wir können nicht die Augen verschließen und ignorieren, was geschieht. Es wird wärmer, und wenn es wärmer wird, häufen sich Unwetter. Die warnenden Stimmen aus der Wissenschaft werden von Jahr zu Jahr lauter. Da ist es sicher keine Glanzleistung, dass Deutschland seine Klimaschutzziele verfehlt. Ja, wir haben bereits – selbstkritisch muss man das sagen – in den vergangenen Jahren viel für den Klimaschutz getan, aber es reicht nicht.

(Beifall der CDU und des Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel,

(Zurufe aus dem Hause)

ja –, dass sie hier gestern – – –

(Abg. Jens Guth, SPD: Sie hat jetzt lange genug Zeit gehabt, etwas zu machen!)

Finden Sie nicht, dass das Thema ernst genug ist, als dass man jetzt da so reinbrüllt?