Protokoll der Sitzung vom 23.08.2018

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Ich achte mal ein bisschen darauf, was Sie machen!)

Das war im Jahr 1598. Aber es ist egal. Der Dodo starb daraufhin aus; denn die Seefahrer schleppten invasive Arten ein. Wir haben uns in diesem Plenum den invasiven Arten jüngst ausgiebig gewidmet. Der starb dann aus. Die Folge war, dass nicht nur der Dodo weg war, sondern auch Pflanzen, die den Dodo zwangsläufig brauchten, um keimen und sich vermehren zu können. Wenn eine Art ausstirbt, ist auch eine andere gefährdet.

Wir haben das hier an diversen Stellen bei dem Thema Insekten schon diskutiert. Unser Ökosystem ist ein komplexes Zusammenspiel. Es kann tatsächlich so sein, dass es gravierende Auswirkungen auf andere Arten hat, wenn eine von dieser Erde geht.

Heute sind die Hauptursachen nicht irgendwelche Seefahrer oder eingeführte Tiere. Heute ist vor allem die permanente industrielle Revolution, eine stetig wachsende Bevölkerung, eine Industrialisierung – auch die der Landwirtschaft –, der menschengemachte Klimawandel, der weltweit anwachsende Verkehr und der Handel mit Wildtierprodukten zu benennen, die die Artenvielfalt eindampfen.

Experten schätzen, dass täglich zwischen 50 und 150 Arten unwiederbringlich von der Erde verschwinden. Wenn Sie auf die Rote Liste schauen, dann sehen Sie, 80.000 Tier- und Pflanzenarten stehen darauf. Nur etwa 62.000 sind nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen bewertet. Das sind die größeren und auffälligeren Spezies. Jede fünfte Säugetierart, jeder achter Vogel, jedes dritte Amphibie, 70 % der Pflanzen auf der Liste sind gefährdet und vom Aussterben bedroht.

Schauen wir nach Rheinland-Pfalz. Schauen wir da auf die Rote Liste der Brutvögel. Die aktuelle Liste, die auf eine Bestandserhebung zwischen 2007 und 2012 zurückgeht, zeigt, dass der Bestand von Tieren, die einst allgegenwärtig waren, geschrumpft ist. Von 175 Vogelarten, die im Land brüten, sind 50 % gefährdet. Darunter befinden sich

auch Arten, die einst jedes Kind kannte, die Schwalbe, der Spatz und die Feldlerche. Seit 1990, als die letzte Rote Liste erschien, hat sich die Lage verschlechtert. 11 % der Arten sind inzwischen ausgestorben. 15 % der Brutvögel sind vom Aussterben bedroht, darunter der Kiebitz, 12 % stark gefährdet oder gefährdet. Weitere 9 % befinden sich quasi als Anwärter auf der Vorwarnliste.

Ich möchte Ihnen das an einer Art deutlich machen, weil Zahlen immer sehr abstrakt sind. Ich vergegenwärtige Ihnen das nicht am Dodo, sondern am Haselhuhn. Das ist eine rheinland-pfälzische Art. Das Haselhuhn kennen einige von Ihnen in einem anderen Kontext, nämlich immer dann, wenn es um Lückenschlüsse ging. Fakt ist, dass wir in diesem Land nicht wissen, wie viele Haselhühner es tatsächlich gibt. Optimisten gehen von 200 Bruthabitaten aus, andere gehen davon aus, dass diese Art ausgestorben ist. Wir reden von einer distinkten Unterart, die es nur in Rheinland-Pfalz gibt. Das ist das Westliche Haselhuhn.

In der aktuellen Ausgabe der GNOR, der Zeitschrift der Gesellschaft für Naturschutz und Ornithologie, beschreiben die Autoren Christian Dietzen und Markus Handschuh das Haselhuhn als Phantom. Die eigentliche Bestandssituation ist unzureichend dokumentiert.

Zusammengefasst kann ich sagen, das Westliche Haselhuhn ist ein Rheinland-Pfälzer. Es steht vor dem Aussterben. Das mögen Sie lustig finden, aber Fakt ist, eine endemische Art läuft Gefahr, dass es sie nicht mehr gibt, wenn nicht Maßnahmen ergriffen werden, Maßnahmen, die Sie hier als lächerlich abtun.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man sich mit dem Aussterben von Arten beschäftigt, trifft man auf Einzelschicksale, Inselschicksale, komplexe Zusammenhänge und globale Phänomene. Aber es geht am Ende immer um Entscheidungen. Die Landesregierung hat Entscheidungen getroffen.

Frau Staatsministerin Höfken, ich bin sehr froh, dass Sie mit Ihrer Regierungserklärung dieser Thematik einen wichtigen Raum geben und damit die Dringlichkeit deutlich machen, die dieses Thema bei uns allen einnehmen sollte.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben aufgezählt, was bisher gemacht wurde. Der erste Nationalpark des Landes ist im Jahr 2015 auf den Weg gebracht worden. Naturschutzgroßprojekte sind zu nennen.

Frau Schneider, Sie haben gesagt, man könnte nicht erkennen, was bisher gemacht worden ist. Ich kann Ihnen gerne einige Leuchtturmprojekte aufzählen: der Nationalpark Hunsrück-Hochwald, das Naturschutzgroßprojekt Bienwald, wo mehr als 300 Biotope beheimatet sind, das Naturschutzgroßprojekt Obere Ahr – Hocheifel, wo Wildkatzen gleichermaßen daheim sind wie Lachse. In Heidesheim bei mir in Rheinhessen gibt es eines von ganz vielen Beweidungsprojekten. Dort grasen Exmoor-Ponys auf der Wiese. Es gibt die Öko-Tage, die Projekte der „Akti

on Blau Plus“. Es gibt die Zitadelle in Mainz, wo insgesamt 447 Tier- und Pflanzenarten leben, darunter 66 Arten der Roten Liste.

Es gibt ein Projekt zur Erhaltung genetischer Ressourcen vom Glanrind bis zum Roten Riesling usw. Sie stellen sich hier hin und sagen, es sei nichts gemacht worden.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Aufhalten des Artensterbens ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, wie die Staatsministerin zu Recht betont hat. Mit der „Aktion Grün“ wurde ein Netzwerk und Aktionsbündnis für die biologische Vielfalt in RheinlandPfalz geschaffen, das die Biodiversitätsstrategie des Landes in diesem Sinne umsetzt. Sie bündelt bestehende und neue Naturschutzmaßnahmen, vernetzt Naturschützer und Nutzer, Landwirte und Jäger, Städte, Gemeinden, Bürger und Verbände, und zwar vom Moorschutzprogramm über Artenschutzkonzepte, Biotopvernetzung, Grünlandschutz bis zum Erhalt von Kulturpflanzen und Nutztierrassen, Umweltbildungsaktionen und alles, was das Thema „Naturerlebnis“ betrifft.

Zusammenhänge geraten genauso in den Fokus. Eine einseitige Fokussierung auf einen Strang kann man hier beim besten Willen nicht unterstellen, wie Sie das hier vorne getan haben.

Von der Notwendigkeit, sich mit Ökosystemen in ihrer Gänze zu beschäftigen, handelt diese Strategie. Die „Aktion Grün“ tut dies mit ihrem Projekt- und Maßnahmenkatalog. Im Jahr 2018 stellen wir wie bereits im Jahr 2017 2,5 Million Euro Landesmittel zur Verfügung.

Lassen Sie mich auf drei Projekte eingehen, die ich im Rahmen der „Aktion Grün“ für besonders erwähnenswert halte. Das ist die Aktion „Bänder des Lebens“. Die Frau Ministerin sprach sie an. Das auch vom Bund geförderte Naturschutzgroßprojekt vernetzt auf 23.284 ha Lebensräume und Menschen rund um den Nationalpark von der Mosel über die Nahe bis hin zum Truppenübungsplatz in Baumholder. Lebensadern sollen über kommunale Grenzen hinweg gefördert werden. Die Region gehört zu den 30 deutschen Hotspots der biologischen Vielfalt. Hier sind besonders viele verschiedene Arten zu finden.

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen aber deutlich, dass viele dieser Arten seltener werden. Im Jahr 2016 wurde daher das Projekt „Bänder des Lebens“ ins Leben gerufen. Die Trägerschaft haben die drei Landkreise Birkenfeld, Bernkastel-Wittlich und Trier-Saarburg unter der Geschäftsführung der Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz übernommen. Ziel ist es, selten gewordene Biotope aufzuwerten, etwa Niederwälder – da ist übrigens das Haselhuhn zu Hause – oder Streuobstwiesen. Die Biotope sind Lebensräume für viele gefährdete Arten. Sie zu vernetzen, ist das herausragende Leitziel dieses Projektes. Das bezieht sich zum einen auf den Biotopverbund und zum anderen auf die Vernetzung von Ehrenamtlichen, die dort aktiv sind.

Das Zweite ist die „Aktion-Grün“-Kommunen. Die Gemeinden in Rheinland-Pfalz, die besonders viel für Natur- und

Artenschutz tun, werden als „Aktion-Grün“-Kommune ausgezeichnet. Weiler bei Bingen ist eine solche Kommune. Zuletzt war es auch Frankenstein im Kreis Kaiserslautern. Diese werden gewürdigt für ihr vielfältiges Engagement im Umweltschutz, das von Beweidungsprojekten mit landesweitem Vorzeigecharakter über die Unterstützung der Kernzonenerweiterung, also der Erweiterung völlig naturbelassener Flächen im Biosphärenreservat, bis zur insektenfreundlichen LED-Straßenbeleuchtung geht. Das ist eine Antwort auf die Frage, was unsere Kommunen tun können.

Das Dritte ist das Modul „Rheinland-Pfalz blüht“. Die Schaffung neuer Nahrungs- und Bruthabitate für Bienen, Vögel und Schmetterlinge ist ein zentrales Ziel der „Aktion Grün“. Es fehlt zunehmend an Lebensräumen für Arten, die an eine extensive, also naturverträgliche Bewirtschaftung und an vielfältige Biotopstrukturen gebunden sind. Verschiedene Projekte zeigen den Weg auf.

Die Aussaat von Blühmischungen in Weinbergen wie bei mir zu Hause in Ingelheim beim Biowinzer beispielsweise sind zu nennen. Dasselbe gilt für Stadtparks wie den Mainzer Volkspark. Mit verschiedenen Projekten ist die Landesregierung bereits auf einem guten Weg, auch durch das Förderprojekt „Blühendes Rheinhessen“ beispielsweise. Dieses Engagement hat Vorbildcharakter.

In einer meiner Heimatkommunen ist in der Verbandsgemeinde Nieder-Olm ein Projekt „Blühende Wiesen“ gestartet. Die Verbandsgemeinde schaffte samt ihren Kommunen, Jägern und Landwirten 7 ha Fläche, auf denen sie Regionalsaat einbringen werden. Damit schaffen sie zum einen ein Habitat für Insekten, und zum anderen schaffen sie es, im Bereich Umweltbildung aktiv zu sein. Sie setzt sich ein für den genetischen Schutz von Ressourcen.

Wie das ganze Projekt „Rheinland-Pfalz blüht“ wird der Nachhaltigkeitscharakter hier besonders deutlich. Wir – das haben Sie auch gesagt; da sind wir uns einig – alle können etwas tun, um das Artensterben aufzuhalten. Das gilt für Kommunen, Schulen, Kitas, Landwirte und für jeden Privatmann.

Wir als Politiker können auch etwas tun. Die Landesregierung leistet mit ihrem Maßnahmenkompendium, mit der Biodiversitätsstrategie des Landes und mit der „Aktion Grün“ einen wichtigen Beitrag.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir von der SPD unterstützen sie hierbei.

Erlauben Sie mir diesen letzten Satz, auch wenn Sie die Thematik belächelt haben, Frau Kollegin: Wir unterstützen das, damit das Haselhuhn Rheinland-Pfälzer bleiben kann.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Simone Huth-Haage, CDU: Wir haben Ihre Rede, nicht die Thematik belächelt!)

Ich erteile das Wort der Abgeordneten Schneider zur Kurzintervention.

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Aber nicht so lange, bis wieder eine ausstirbt!)

Frau Kollegin Kinkel, ich habe an keiner Stelle in meiner Rede den Erhalt der Biodiversität lächerlich gemacht, so wie Sie hier versucht haben, es darzustellen.

(Beifall der CDU – Zurufe aus dem Hause)

Frau Kollegin Kinkel, ganz im Gegenteil, ich habe ganz dezidiert betont, dass der Erhalt der Biodiversität und des Artenrückgangs uns alle angeht.

Aber, Frau Kollegin Kinkel, wenn die Ministerin den Einstieg in ihre Regierungserklärung mit einer in Wissenschaftskreisen extrem umstrittenen Studie wählt,

(Zuruf der Staatsministerin Ulrike Höfken)

dann ist es unsere Aufgabe, dies anzusprechen, weil wir, wenn wir solche Studien zitieren, der Biodiversität einen riesigen, riesigen Bärendienst erweisen,

(Beifall bei der CDU)

weil wir all denen die Argumente an die Hand geben, die den Klimawandel und den Insektenrückgang ohnehin negieren. Deshalb dürfen wir solche Dinge nicht zitieren.

Frau Kollegin Kinkel, in Ihren Ausführungen zurück in die letzten Jahrtausende und über den Dodo haben Sie doch das belegt, was ich in meiner Regierungserklärung gesagt habe.

(Beifall des Abg. Christian Baldauf, CDU – Heiterkeit im Hause – Abg. Michael Hüttner: In Ihrer Regierungserklärung! – Weitere Zurufe aus dem Hause)

In meiner Rede zur Regierungserklärung.

(Heiterkeit im Hause)

Ganz so weit sind wir noch nicht, aber wir arbeiten daran.