Protokoll der Sitzung vom 20.09.2018

Sehr geehrter Herr Abgeordneter, genau dies gehört zu den Aspekten, die wir uns im Rahmen der Evaluierung gemeinsam mit der Stadt Pirmasens anschauen wollen. Wie Sie selbst wissen, ist die Regelung erst seit dem 31. März dieses Jahres in Kraft getreten, und es war von vornherein vereinbart, dass wir die Evaluierung nach einem Jahr vornehmen werden. Der bürokratische Aufwand wird ein Aspekt sein, den wir uns dabei anschauen werden.

Zu einer weiteren Nachfrage erteile ich Herrn Abgeordneten Weiner das Wort.

Frau Ministerin, hat die Zuzugssperre für Pirmasens zu signifikanten Veränderungen bei Zuzügen in anderen Kommunen geführt, also gab es sozusagen Ausweichbereiche, oder gab es keine signifikanten Veränderungen?

Sehr geehrter Herr Abgeordneter, in meinem Ministerium haben wir gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden die Wanderungsbewegungen im ganzen Land versucht zu erheben. Ich muss vorausschicken, dass nicht alle Kommunen im Land einer Datenerhebung nachgekommen sind, sodass mir kein vollständiger Überblick vorliegt. Aber anhand der Daten und Zahlen, die erhoben wurden und die uns vorgelegt wurden, kann ich sagen, dass es daraufhin keine signifikanten Wanderungs- oder Veränderungsbewegungen gegeben hat.

Eine weitere Nachfrage hat Herr Abgeordneter Paul.

Frau Staatsministerin, vielen Dank für Ihre Angaben. Können Sie uns kurz schildern, wie dieser Evaluierungsprozess vonstattengeht? Ist es ein Fragebogen? Führen Sie Einzelgespräche? Wie wird das gemacht, und wer hat die entsprechenden Fragen oder den Prozess gestaltet?

Herr Abgeordneter, dieser Evaluierungsprozess wird sich in der Art und Weise, wie er vonstattengeht, stark an dem Bundesland Niedersachsen und der dortigen Stadt Salzgitter orientieren, die wir im Übrigen auch für die Zuzugssperre in Pirmasens als Grundlage genommen haben. Wir orientieren uns im Vorgehen sehr stark an der Stadt Salzgitter.

Ich hatte es bereits in meinem Sprechvermerk gesagt, es geht um die unterschiedlichsten Daten, beispielsweise um die Frage, wie viele Ausländerinnen und Ausländer, die mit ihrem Aufenthaltstitel unter die Zuzugssperre fallen, wir in dem Erhebungszeitraum in verschiedenen Abständen gehabt haben, wie viele wir im Jahr vorher hatten, aber auch, wie sich der Zugang zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt vor Ort darstellt.

Der Evaluierungsprozess berücksichtigt aber auch soziodemografische Daten vor dem Hintergrund der Frage, ob es aufgrund der Zahl der Geflüchteten, die unter diesen Aufenthaltstitel fallen, zu Integrationshemmnissen vor Ort kommt. Um Ihnen ein konkretes Beispiel zu geben: Wir beschäftigen uns auch mit der Zahl der angebotenen Sprachkurse vor Ort und mit der Frage, ob die Zahl der Personen, die vor Ort sind, dazu geführt hat, dass eine Inanspruchnahme von Sprachkursen nur zeitlich stark verzögert möglich war. All diese Daten werden von der Stadt Pirmasens erhoben und dann in den Evaluationsprozess einfließen.

Zu einer weiteren Nachfrage erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Braun das Wort.

Frau Ministerin, gibt es direkte Kontakte zur Stadt Pirmasens, oder läuft das alles über den Fragebogen? Haben Sie mit den zuständigen Menschen aus Pirmasens – mit dem Oberbürgermeister, dem Bürgermeister etc. – direkt Kontakt gehabt in der Frage?

Sehr geehrter Herr Fraktionsvorsitzender Dr. Braun, ich glaube, es ist ein wichtiger Bestandteil der Arbeit der Landesregierung, dass wir über die nahezu täglichen Kontakte der Fachebene hinaus mit den Behörden vor Ort und den jeweiligen Kommunen selbstverständlich auch als Mitglieder der Landesregierung direkte Kontakte haben und natürlich auch Termine vor Ort durchführen. Ich kann für mein Haus sagen, dass wir seitens der Hausleitung seit

der Konstituierung und der Aufnahme der Arbeit der neuen Landesregierung sechs Termine in Pirmasens wahrgenommen haben.

Weitere Nachfragewünsche liegen mir nicht mehr vor, damit ist die Mündliche Anfrage beantwortet. Vielen Dank, Frau Ministerin.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Ich rufe nun die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Joachim Paul (AfD), Gemeinsame Demo von DGBJugend und Linksextremen – Nummer 3 der Drucksache 17/7317 – betreffend, auf.

Ich bitte Sie, die Fragen vorzutragen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie wird aus Sicht der Landesregierung der gemeinsame Aufruf von DGB-Jugend und Linksextremen – wie die im Verfassungsschutzbericht 2017 erwähnte Deutsche Kommunistische Partei und die Jugendorganisation SDAJ oder etwa die sogenannte Rote Hilfe – zu einer Demo bewertet, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die DGB-Jugend mit Landesmitteln unterstützt wird?

2. Wurden nach Kenntnis der Landesregierung seitens des DGB oder der DGB-Jugend Mitfahrgelegenheiten, wie beispielsweise die Bereitstellung von Bussen, zu der „Kein Gauland in Mainz“-Demonstration angeboten?

3. Bei welchen weiteren Demonstrationen waren nach Kenntnis der Landesregierung in der Vergangenheit sowohl die DGB-Jugend als auch eine Organisation aus dem linksextremen Umfeld als Unterstützer angeführt?

4. Wird es von der Landesregierung generell als problematisch angesehen, dass Mitgliedsverbände des Landesjugendrings, der aufgrund zahlreicher Mitgliedsverbände aus dem linksradikalen Umfeld, wie etwa der Sozialistischen Jugend Deutschlands – die Falken, in der Kritik steht, gemeinsam mit Organisationen aus dem linksextremen Umfeld Demonstrationen organisieren?

Vielen Dank für die Fragen. Wer antwortet für die Landesregierung? – Frau Staatsministerin Spiegel hat das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Bevor ich auf die einzelnen Fragen eingehe, erlauben Sie mir folgende Vorbemerkung:

Der Aufruf, auf den sich die Mündliche Anfrage bezieht, drückt die Sorge aus, dass in Deutschland und europaweit ein gesellschaftliches Klima vorherrschend wird, das sich gegen Artikel 1 unseres Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ und ebenso gegen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte wendet. Der Aufruf „Kein Gauland in Mainz – Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda“ hat sich auf eine Veranstaltung unter anderem mit Herrn Gauland am 1. September 2018 in Mainz bezogen.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Das ist der Fraktionsführer im Bundestag!)

Den Aufruf offiziell unterstützt haben nach meiner Kenntnis unter anderem attac Mainz, DIE LINKE Mainz – Mainz-Bingen, die DGB-Jugend Rheinland-Pfalz-Saarland, DKP Mainz, Gutmenschliche Aktion Mainz, Linksjugend Rheinland-Pfalz, Rote Hilfe Mainz, SAV Mainz, SDAJ Mainz, Seebrücke, Piraten Mainz, Klimaaktion Mainz, Antifa Mainz, Flüchtlingsrat Mainz und der Verein Armut und Gesundheit in Deutschland e. V.

Zu der auf den Aufruf folgenden Demonstration möchte ich mit Erlaubnis des Präsidenten aus der Allgemeinen Zeitung Mainz zitieren: „Hitler-Gruß vor Mainzer AfDVeranstaltung mit Gauland. 1.500 Demonstranten protestierten gegen die AfD-Veranstaltung mit Alexander Gauland in Mainz. Die einzige Straftat beging ein junger Besucher des AfD-Abends, der den Hitler-Gruß zeigte. (...) Massive, lautstarke, aber friedliche Proteste begleiteten die AfD-Veranstaltung mit Parteichef Alexander Gauland am Samstagabend im Kurfürstlichen Schloss Mainz.“

(Abg. Uwe Junge, AfD: Gut, dass ich in Chemnitz war!)

Nun zu den einzelnen Fragen. Zu Frage 1: Die Landesregierung hat keinerlei Veranlassung, an der Verfassungstreue der DGB-Jugend zu zweifeln. Sie sieht sie nicht in einem extremistischen politischen Spektrum und wird sie selbstverständlich weiter über den Landesjugendring fördern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Meine Damen und Herren, nichts ist dagegen einzuwenden, dass sich zivilgesellschaftliche Organisationen für die Grundrechte des Grundgesetzes starkmachen, zu denen unter anderem auch die Versammlungsfreiheit gehört.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Schulterschluss mit Linksextremismus!)

Unter den Aufruferinnen und Aufrufern war auch die Deutsche Kommunistische Partei (DKP). Diese wird im Verfassungsschutzbericht Rheinland-Pfalz mit folgendem Satz erwähnt: „In ihrer öffentlichen Darstellung bleiben revolutionär-marxistische Organisationen wie beispielsweise die ,Deutsche Kommunistische Partei‘ (DKP) in Rheinland-Pfalz nahezu bedeutungslos.“ Die übrigen beiden Organisationen, die Jugendorganisation jener DKP und die Rote Hilfe, finden im Übrigen weder im Verfassungsschutzbericht des Bundes noch des Landes eine Erwähnung.

Zu Frage 2: Die Landesregierung hat keine Erkenntnisse darüber, dass seitens des DGB oder der DGB-Jugend Mitfahrgelegenheiten wie die Bereitstellung von Bussen zu der Demonstration „Kein Gauland in Mainz – Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda“ angeboten wurden. Es ist anzumerken, dass Mitfahrgelegenheiten aus Sicht der Landesregierung eine geeignete umweltpolitische Alternative darstellen.

(Heiterkeit im Hause und vereinzelt Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Zu Frage 3: Die Landesregierung überprüft nicht, welche Organisationen zu welchen Demonstrationen aufrufen; es sei denn, es sind verfassungsfeindliche, dann kommen die Sicherheitsorgane selbstverständlich dieser Aufgabe nach.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Meine Damen und Herren, zum wiederholten Mal wird mit der Mündlichen Anfrage der Versuch unternommen, den Landesjugendring und die Sozialistische Jugend Deutschlands – Die Falken als linksradikal oder linksextremistisch darzustellen.

(Abg. Joachim Paul, AfD: Sind sie auch!)

Die Landesregierung weist diese Unterstellungen mit Entschiedenheit zurück.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich im Zusammenhang mit der Beantwortung der vierten Frage noch generell auf den Landesjugendring und dessen Arbeit eingehen. Mir – und ich spreche hier für die Landesregierung insgesamt – zeigt die Arbeit des Landesjugendrings und der Verbände, gerade auch der Falken und der DGB-Jugend, sie ermöglichen mit ihrer Jugendarbeit, dass Demokratie im Alltag junger Menschen unmittelbar erlebt werden kann.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Jawohl! – Abg. Martin Haller, SPD: So sieht es aus!)

Der Landesjugendring und seine Mitgliedsverbände setzen sich in einem weiten Spektrum zentraler gesellschaftspolitischer Themen für die Interessen aller Kinder und Jugendlichen in Rheinland-Pfalz ein. Ich mache es an nur zwei Beispielen deutlich.

Erstens, die Partizipation von jungen Menschen: Der Landesjugendring und die Verbände fördern eine nachhaltige gesellschaftliche und politische Beteiligung junger Menschen, die ihnen Mitspracherechte und reale Gestaltungsmöglichkeiten geben. Das Engagement für das Wahlalter von 16 Jahren, die Unterstützung von Jugendinitiativen vor Ort, das Einbringen der Expertise zur Jugendbeteiligung im Rahmen der Enquete-Kommission „Jugend und Politik“ des Landtags Rheinland-Pfalz oder der Beschluss „Beteiligung mit Zukunft!“ der 105. Vollversammlung des Landesjugendrings nenne ich als Beispiele für die umfangreiche Arbeit in diesem Bereich.

Zweitens, die soziale und politische Beteiligung und Bildung sowie das Ehrenamt: Der Landesjugendring und die Jugendverbände stehen dafür, dass jährlich mehrere Tausend soziale und politische Bildungsmaßnahmen in Rheinland-Pfalz durchgeführt werden, an denen landesweit über 100.000 junge Menschen partizipieren. Ebenso können sich jährlich durchschnittlich 19.000 Jugendliche und junge Erwachsene ehrenamtlich schulen lassen und wirken so kompetent in den Jugendfreizeiten und anderen Angeboten der Verbände mit. Diese Zahlen allein sind beeindruckend.

Den Landesjugendring und die Jugendverbände zeichnet ferner aus, dass sie sich für die Schaffung gleicher Lebens- und Bildungschancen für alle Kinder und Jugendlichen einsetzen, für die Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen sowie Frauen und Männern und ebenso für ein lebendiges demokratisches Zusammenleben in allen Bereichen der Gesellschaft ohne nationalistische, rassistische, sexistische und diskriminierende Strukturen. Davon zeugen nicht zuletzt die Vollversammlungen der letzten beiden Jahre, in denen sich die Jugendverbände dezidiert mit dem Thema „Demokratiebildung“ auseinandergesetzt und entsprechende Leitbeschlüsse verabschiedet haben.

Meine Damen und Herren Abgeordnete, Verantwortung, Partizipation und solidarisches Handeln kennzeichnen die Arbeit der Jugendverbände, über die demokratisches Bewusstsein gebildet und demokratisches Handeln gelebt und erfahrbar wird.

Der Landesjugendring und die Jugendverbände sind für die Landesregierung daher zentrale Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartner,

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)