Protokoll der Sitzung vom 29.03.2019

(Beifall der CDU)

Es ist deshalb auch, wie Frau Dr. Köbberling betont hat, ein umfangreiches Papier mit einem umfangreichen Analyseund Einleitungsteil, weil die Debatte um seine Vorschläge mit zu seinem Ziel gehören. Das betont er auch. Es soll einen intensiven Dialog mit allen relevanten Akteuren aus Industrie, Wirtschaft, Gewerkschaft, Wissenschaft, Politik angestoßen werden. Letztendlich soll eine EUIndustriestrategie entstehen, insbesondere mit Frankreich.

Ja, wir haben schon gehört, es gibt Teile des Papiers, die wenig umstritten sind. Es geht zunächst um eine ehrliche Analyse; denn sie ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Zukunft. Es geht um eine Diagnose einer in Teilbereichen schwierigen Wirtschaftssituation. Es geht darum, herauszuarbeiten, wo die deutsche, die europäische Wirtschaft im internationalen Wettbewerb steht angesichts eines chinesischen Staatskapitalismus, der auch hegemoniale Ambitionen pflegt. Unter solchen Voraussetzungen muss Prinzipientreue diskutiert und eventuell leicht angepasst werden.

(Beifall der CDU)

Genau diese ehrliche Diagnose würde auch der rheinlandpfälzischen Wirtschaftspolitik guttun. Es bringt uns nicht weiter, wenn wir in Rheinland-Pfalz, in Deutschland nur von Spitzenreitern, nur von Erfolgen sprechen. Die Konjunktur beginnt zu erlahmen. Auch in Rheinland-Pfalz basiert der Wohlstand zu einem großen Teil auf der Industrie.

(Beifall der CDU)

Diese muss sich im weltweiten Wettbewerb behaupten. Dafür brauchen wir Instrumente. Das können nicht immer die Instrumente von gestern und vorgestern sein.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Das ist aber inhaltlich unkonkret!)

Deshalb ist aus meiner Sicht eine Diskussion über die künftige Entwicklung – das Papier heißt „Industriestrategie 2030“ – angebracht.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Das ist in der Zukunft!)

Wir sollten sie in Rheinland-Pfalz aufgreifen und führen.

Beispiele dafür in der zweiten Runde.

(Beifall der CDU)

Wir dürfen Gäste im rheinland-pfälzischen Landtag begrüßen. Zunächst Schülerinnen und Schüler der Hildegardisschule Bingen, die dort an der Berufsbildenden Schule das Fachabitur machen. Herzlich willkommen bei uns!

(Beifall im Hause)

Dann dürfen wir Bürgerinnen und Bürger der Bürgergemeinschaft Kirchweiler begrüßen. Herzlich willkommen bei uns!

(Beifall im Hause)

Auch heute dürfen wir die Künstlerin Kirsten Kötter und ihren Ehemann Peter Sandner von Artistic Research bei uns begrüßen. Erneut herzlich willkommen bei uns!

(Beifall im Hause)

Darüber hinaus dürfen wir Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Jugendverbände im Einsatz für den Klimaschutz bei uns begrüßen. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Für die AfD hat der Abgeordnete Joa das Wort.

Werter Herr Präsident, liebe Kollegen! Nachdem Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sein Papier zu einer nationalen Industriepolitik vorgestellt hatte, entbrannte eine intensive Diskussion um die Frage: Soll es staatliche Industriepolitik geben, ja oder nein?

(Unruhe im Hause – Glocke des Präsidenten)

Die Diskussion zu dieser Fragestellung war nicht besonders produktiv. Befürworter und Gegner verharrten jeweils in ihren argumentativen Stellungen.

Die Frage sollte doch besser lauten: Welche staatliche Industriepolitik kann mit den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft und mit den Prinzipien der Ordnungspolitik überhaupt vereinbart werden und bringt effiziente Ergebnisse?

Es gibt weltweit gesehen viele Beispiele von Industriepolitik. Die meisten brachten klägliche Ergebnisse. Einige wenige, gerade in Ostasien, Japan und Südkorea, waren in den letzten Jahren erfolgreich. Es kommt also entscheidend darauf an, nicht ob man Industriepolitik macht, sondern wie man sie macht. Da sollte zunächst einmal gelten: gleiche Regeln für alle, ob groß, ob klein, in jeder Branche.

Der deutsche Mittelstand darf nicht gegenüber den globalisierten Konzernen benachteiligt werden. Man sollte auch wissen, Wettbewerb ist das beste Mittel, um Wettbewerbsfähigkeit zu schaffen. Marktbeherrschende Stellungen sind hier unbedingt zu vermeiden. Die AfD-Fraktion

Rheinland-Pfalz glaubt also dem Bundeswirtschaftsminister nicht, wenn er behauptet, Größe zählt; denn Größe hat nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile.

Eine Politik, die darauf ausgerichtet ist, nationale und europäische Champions zu schaffen, ist nicht zielführend. Das nationale und europäische Wettbewerbsrecht muss nicht überprüft und gelockert werden. Wie es gehen soll, aus zwei Lahmen, wie bei der Commerzbank und der Deutschen Bank, einen Langstreckenchampion zu machen, hat sich uns noch nicht erschlossen.

Industriepolitik muss nicht nur beim Unternehmen ansetzen, sondern auch bei den Technologien. Das Konzept der Schlüsseltechnologien, also der Technologien, die für viele Unternehmen und Branchen wichtig sind, ist seit Jahrzehnten bekannt. Diese Schlüsseltechnologien gilt es zu identifizieren, weiterzuentwickeln und zu verbreiten. Die Chinesen haben dies erkannt. Durch aktive Industriepolitik sollen in China Schlüsseltechnologien in zehn Sektoren gestärkt werden.

Wir teilen die Einschätzung von Minister Altmaier, dass künstliche Intelligenz (KI) eine der größten Basisinnovationen für das nächste Jahrzehnt ist. In einigen Jahren wird der Käufer eines hochwertigen Produkts, sei es ein Auto, sei es eine Maschine, wie selbstverständlich intelligente Produkte fordern. Das Maß an Intelligenz wird das Kaufkriterium werden, die Hardware an sich wird an Bedeutung verlieren.

Altmaier stellt dazu fest: „Zu den entscheidenden KIAnwendungen der Zukunft gehören das Autonome Fahren und die medizinische Diagnostik. Deutschland ist im Bereich der Forschung gut aufgestellt, hinkt aber bei der praktischen Anwendbarkeit deutlich hinterher.“

Die Stärkung von Schlüsseltechnologien soll auch der Sinn der von uns geforderten Digitalagentur sein, aber auch darüber hinaus müssen wir das wissens- und technologiebasierte Wirtschaftsgeschäft stärken, insbesondere über steuerliche Bedingungen für Forschung und Entwicklung. In diesem Sinn bleibt die Industrie das Rückgrat der deutschen Wirtschaft.

Ob ihr Anteil an der Wertschöpfung gerade 25 % betragen muss, wie Altmaier behauptet, oder vielleicht auch 22 oder 23 %, darüber muss die Politik nicht befinden. Interessant ist dagegen die Idee einer Airbus-KI. Airbus ist in der Tat eines der raren Beispiele erfolgreicher Industriepolitik in Europa. Das lag daran, dass man bei der Gründung von Airbus ein klares Ziel hatte. Man wollte den Rückgang gegenüber der nordamerikanischen Flugzeugindustrie aufholen. Airbus förderte darüber hinaus den Wettbewerb und beugte einer Monopolisierung des Flugzeugmarkts vor.

Nach diesem Muster könnte auch ein europäisches Google erfolgreich sein. Suchmaschinen sind im Moment das wichtigste Anwendungsfeld der KI. Auch hier müssen wir die begonnene oder sich im Werden befindende Monopolisierung durch amerikanische Konzerne wieder zurückdrehen.

Zunächst müssen wir uns aber darum kümmern, den Abfluss von deutschem Know-how zu verhindern. Wir müssen die Industrie vor Spionage schützen. Wir müssen aber

auch vermehrt darauf achten, die Übernahme deutscher durch ausländische Unternehmen zu überwachen und gegebenenfalls zu unterbinden.

Der Ausverkauf von Wissen, das in unserem Land über Generationen aufgebaut wurde, muss beendet werden. So haben wir das bereits im Bundestagswahlkampf gefordert. Wir begrüßen es, dass sich der Bundeswirtschaftsminister nun auch hierüber Gedanken macht.

Es ist ein beständiges Muster in der Wirtschaftsgeschichte, dass neue innovative und zukunftsfähige Arbeitsplätze nicht unbedingt in den Ländern und Regionen entstehen, in denen bestehende Arbeitsplätze durch den technologischen Fortschritt wegfallen. Das hat Altmaier richtig erkannt. Die Gefahr, dass sich die Geschichte wiederholt, ist groß.

(Beifall der AfD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Blatzheim-Roegler.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal ist es lobenswert, wenn sich der Bundeswirtschaftsminister Gedanken in strategischer Richtung macht und erkennt, dass die Digitalisierung voranschreitet. Ob er wirklich erkennt, dass sich die Klimakrise verschärft, weiß ich nicht. Auf jeden Fall stellen die USA im Moment den Multilateralismus infrage. China – das wissen wir alle – will der Globalisierung seinen Stempel aufdrücken.

Die richtige Antwort darauf finde ich aber nicht bei Herrn Altmaier. Ich denke, die richtige Antwort ist, dass Europa durchaus mit einer gemeinsam industriepolitischen Strategie antwortet und den eigenen Wirtschaftsstandort stärkt. Altmaier versäumt es nach meinem Gefühl aber, Europa in sein Strategiepapier in angemessenem Maß aufzunehmen. Darin ist zu wenig Europa enthalten. Die Chancen einer nachhaltigen Industrie werden links liegen gelassen. Bei Unternehmen scheinen offensichtlich nur die Größe und nicht die Vielfalt sowie die Innovation zu zählen.

Er setzt auf Bestandssicherung, denn Konzerne wie Thyssen-Krupp oder die Deutsche Bank sollen sozusagen unter „Artenschutz“ gestellt werden. Nach seinem nationalen Vorpreschen hat Altmaier versucht, die Kurve ein Stück weit zu bekommen und immerhin mit seinem französischen Kollegen nachgelegt. In ihrem gemeinsamen Papier „Französisch-deutsches Manifest für eine europäische Industriestrategie für das 21. Jahrhundert“ haben sie stärker die europäische Perspektive in den Blick genommen. Aber auch da zeigt sich, das Konzept ist schlicht nach dem Motto „Je größer, desto besser“ angelegt.

Unterstützte Industriepolitik, auch vom Staat unterstützte Industriepolitik kann in dem einen oder anderen Punkt durchaus erfolgreich sein. Sie erinnern sich an die EEG

Umlage, über die Solarpanels gefördert und rentabel gemacht wurden. Das war ein wichtiger Anschub. Das war ein richtiger Anschub für die alternative Energieerzeugung. Doch genau diese Visionen fehlen bei Altmaier völlig – Visionen, die in eine klimafreundliche Richtung weisen.

Stattdessen kehrt er in die nationale Vergangenheit zurück, als seien die Thyssens, BASFs und SiemensIndustriebetriebe dieser Welt diejenigen, die auf staatliche Hilfe angewiesen wären. Nein, wir brauchen eine Industriestrategie, die für ganz Europa gilt, die ökologisch, sozial und digital ausgerichtet ist, die den Staatengemeinschaften eine aktivere Rolle bei Innovationen und Investitionen in Zukunftstechnologien zuteilt und – ganz wichtig – den fairen Wettbewerb verteidigt; denn die Vielfalt der Unternehmen, ihr Ideenreichtum, ihre Flexibilität und auch ihre Innovationsbereitschaft sind die Stärken in einem Kampf um einen globalen Wettbewerb.

Wir haben es gestern gehört – auch heute Morgen haben es die Kollegen gesagt –, genau dafür ist Rheinland-Pfalz gut aufgestellt, weil kleinere und mittlere Unternehmen sehr viel flexibler auf diese Marktherausforderungen reagieren können.

Ich möchte erwähnen, dass die Landesregierung, der Staatsminister, mit den Fraktionen zusammen schon mehrere Außenwirtschaftsreisen durchgeführt hat. Zweimal führten sie auch nach China. Genau dort hat sich gezeigt, welche großen Chancen Firmen aus Rheinland-Pfalz haben, die zu den, wie schon gesagt wurde, Hidden Champions gehören.

Eine weitere, meiner Ansicht nach geradezu abenteuerliche Idee ist Altmaiers Vorstoß, mit einem Federstrich die Fusionskontrolle auszuhebeln. Dabei ignoriert Altmaier, dass schon heute die Wettbewerbsbehörden Effizienzgewinne, Skaleneffekte und verbessere Innovationsmöglichkeiten in ihren Fusionsentscheidungen berücksichtigen. Sie schauen auf globale Märkte und auf die künftige Entwicklung des Wettbewerbs. Selbst in hoch konzentrierten Märkten erlauben sie Fusionen, wenn dadurch ein Gegengewicht zu einem dominanten Unternehmen geschaffen werden kann.