Protokoll der Sitzung vom 16.05.2019

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der AfD)

Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Schnieder.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach diesem Feuerwerk der Emotionen

(Vereinzelt Beifall und Heiterkeit im Hause)

haben Sie es sich verdient, dass wir uns zu diesem wichtigen Thema die volle Aussprachezeit nehmen.

Meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen der AfD, wenn Sie so viel Ahnung von Kommunalverwaltungsund Kommunalhaushaltsrecht hätten wie von Tinder, Herr Kollege Paul,

(Vereinzelt Heiterkeit im Hause)

könnte man sich solche Anträge wie den vorliegenden tat

sächlich sparen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Aber es ist notwendig – weil es einfach diesem Antrag immanent ist –, noch einmal kurz auf das Thema zu sprechen zu kommen. Es ist auch zu ernst dafür.

Eine Kommunal- und Verwaltungsreform und der Prozess dahin ist doch eine Untersuchung, die die Frage beantworten muss, ob die Verwaltungsstrukturen, die wir haben, auch für die nächsten Jahrzehnte noch die richtigen sind, ob wir Aufgaben verschieben müssen, ob wir uns die verschiedenen Ebenen anschauen und betrachten müssen, ob wir da Änderungen vollziehen müssen. Ganz am Ende einer solchen Debatte kann dann auch die ergebnisoffene Frage stehen, ob man Gebiete zusammenführen muss oder alles noch so in Ordnung ist, wie es ist.

Allein diese Erläuterung zeigt, dass es ein einmaliger Gesamtprozess sein muss, mit allen staatlichen Ebenen, mit allen kommunalen Ebenen. Deswegen war es von Anfang an ein Fehler, nur die Verbandsgemeindeebene innerhalb eines Landkreises herauszupacken, sie herauszusuchen und in einen Fusionsprozess zu bringen,

(Beifall bei der CDU)

geschuldet einer absoluten Mehrheit im Zeitraum von 2006 bis 2011.

(Beifall der CDU – Abg. Gerd Schreiner, CDU: So ist das!)

Es wurden Fehler gemacht. Auch im Jahr 1970 war es fehlerbehaftet. Wenn ich nur innerhalb eines Landkreises Verbandsgemeinden fusioniere, kann ich landsmannschaftliche Zusammenhänge nicht betrachten, die über Kreisgrenzen hinausgehen. Deswegen ist das ein Fehler in Ihrer Argumentation im Antrag. Sie schreiben nämlich dort – Sie haben ja leider einen Absatz vorher aufgehört, den ganzen Antrag vorzulesen, sonst hätten wir das schon gehört –:

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Ein bisschen lesen müssen Sie selbst!)

„Es kommt hinzu, dass die erste Stufe der KVR zugleich als Grundlage für die zweite Stufe dient. Umso bedeutender ist folglich, dass die erste Stufe gründlich, überlegt, sorgfältig und erfolgreich durchgeführt wird, denn sie stellt das Fundament für alles Nachfolgende dar.“ Das ist schlichtweg falsch; denn dieser erste Prozess war schon losgelöst falsch, und die erste Stufe ist nicht das Fundament für die nachfolgende.

(Beifall der CDU – Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Das hat doch keine Logik!)

Meine Damen und Herren, Sie haben die ifo-Studie zitiert. Das kann man ganz deutlich sagen: Bei einer KVR und der Untersuchung, die man anstellt, sollte und kann und darf eigentlich nie die Überschrift sein, wie man sich finanziell verbessert. Dass man Kommunen finanziell besserstellt, regeln wir über den Landes- und kommunalen Finanzausgleich, nicht über eine KVR durch die Hintertür, meine

Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Es gab einen Schriftwechsel zwischen mir und dem Innenministerium – ich glaube, es war schon im Jahr 2016 –, in dem wir über die Evaluation gesprochen haben. Die Gutachter sagen, wir brauchen bis zu zehn Jahre. Auch wenn ich das als Grundlage nicht brauche, war das nicht der Grund für eine kreisinterne KVR einer ersten Stufe, die nicht sinnvoll ist. Trotzdem würden wir die Ergebnisse gerne sehen. Wir müssen diese Jahre abwarten, und dann werden wir uns die Frage im Jahr 2021 stellen.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Bis dahin machen wir weiter, super!)

Die zweite Stufe ist jetzt in einem Prozess. Wir warten noch ein weiteres Gutachten ab, um dann in einen politischen Meinungsbildungsprozess zu gehen. Dann sage ich Ihnen das noch einmal, auch auf den Zwischenruf hin: Die erste Stufe ist nicht das Fundament, es ist losgelöst davon.

Und als letzter Punkt, damit ich Sie nicht mehr weiter strapazieren muss: Sie sagen, der Landtag fordert die Landesregierung auf, die Zusammenlegung von Verbandsgemeinden bis zur Landtagswahl 2026 auszusetzen. In dem Punkt muss man der Landesregierung schon bescheinigen, Sie ist ein bisschen clever; denn in dieser ganzen Periode gab es keine Gesetzesvorlage durch die Landesregierung, das waren nämlich alles Gesetzesvorlagen der Fraktionen. Die schieben den Ärger dort in die drei Fraktionen ab.

(Abg. Martin Haller, SPD: Ihr macht doch oft genug mit! – Weitere Zurufe von der SPD)

Herr Haller, dazu komme ich noch, rufen Sie doch nicht dazwischen. Ich habe noch 3 Minuten.

Da, wo es freiwillig ist und wir freiwillige Prozesse nicht aufhalten, wollen wir nicht im Weg stehen. Dann sind es vier Fraktionen, die diese Anträge stellen.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Das hat jetzt aber nicht geklappt mit der Argumentation!)

Und so werden wir als Landtag den Fraktionen nicht untersagen, Anträge zu stellen. Aber genauso wenig macht es Sinn, die Landesregierung zu etwas aufzufordern, was sie ohnehin nicht tut.

Wir werden den Antrag ablehnen, vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Staatssekretär Stich das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Da

men und Herren Abgeordnete! Ich möchte zunächst eines feststellen: Die bisherigen Gebietsänderungen der verbandsfreien Gemeinden und der Verbandsgemeinden auf der ersten Stufe der Kommunal- und Verwaltungsreform können sich wahrlich sehen lassen.

Dabei handelt es sich um eine Reform, die dieses Wort auch verdient und es in diesem Umfang in Rheinland-Pfalz seit 50 Jahren so nicht gegeben hat.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Einschließlich der Fusionen, die aktuell parlamentarisch beraten werden, erstreckt sich die erste Stufe der Kommunal- und Verwaltungsreform auf bisher 39 Gebietsänderungsmaßnahmen, und – das sollten Sie noch einmal berücksichtigen – weit überwiegend stellen sie Maßnahmen dar, die im Konsens mit den einbezogenen kommunalen Gebietskörperschaften auf den Weg gebracht worden sind.

Die 39 Gebietsänderungsmaßnahmen erfassen acht verbandsfreie und 44 Verbandsgemeinden mit eigenem Gebietsänderungsbedarf, 30 Verbandsgemeinden ohne eigenen Gebietsänderungsbedarf sowie eine große kreisangehörige Stadt. Es wurden also bis heute sage und schreibe 83 hauptamtlich geführte Kommunen zukunftsfähig aufgestellt. Das ist die Geschichte, die dahinter steht. Und das ist auch heute schon der große Erfolg der Kommunalund Verwaltungsreform, den wir hier an dieser Stelle zu verzeichnen haben.

Die Gebietsänderungsmaßnahmen der verbandsfreien Gemeinden und der Verbandsgemeinden sind auf eine qualitative Optimierung ausgerichtet. Nach dem Landesgesetz über die Grundsätze der Kommunal- und Verwaltungsreform sollen die Gebietsänderungen die Leistungsfähigkeit, die Wettbewerbsfähigkeit und die Verwaltungskraft kommunaler Strukturen stärken.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Ist das erreicht worden?)

Und jetzt frage ich Sie an dieser Stelle ganz ausdrücklich: Was an diesen Zielen ist falsch, und warum sollen diese Ziele nicht weiterverfolgt werden?

(Abg. Michael Frisch, AfD: Sind die erreicht worden? Darum geht es!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, das Ergebnis des bisherigen Prozesses belegt eindrucksvoll, dass das Vorgehen richtig war und richtig ist. Weit überwiegend sind die Maßnahmen – ich habe es schon gesagt – im Konsens mit den einbezogenen kommunalen Gebietskörperschaften auf den Weg gebracht worden. Der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz hat das Landesgesetz über die Grundsätze der Kommunal- und Verwaltungsreform für verfassungskonform befunden. Auch das gehört zur Wahrheit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Innenministerium beabsichtigt, alle in Rheinland-Pfalz herbeigeführten Gebietsänderungsmaßnahmen auf der Ebene der verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden in einem sachgerechten zeitlichen Abstand zu ihrer Reali

sierung gemeinsam zu evaluieren. Das heißt, wir werden dann evaluieren – das ist das einzig wissenschaftlich Sinnvolle –, wenn die Ergebnisse auch valide sein können.

Um aussagekräftige Ergebnisse erlangen zu können – auch das wurde schon gesagt –, hält eben gerade Herr Professor Dr. Junkernheinrich eine solche Bewertung in der Regel frühestens etwa acht Jahre nach der Umsetzung der Gebietsänderungsmaßnahme für sinnvoll, und dabei gilt es dann auch, alle landesweit realisierten Gebietsänderungsmaßnahmen einzubeziehen.

(Zuruf des Abg. Uwe Junge, AfD)

Zur Erinnerung: Diese sind zum großen Teil erst in den Jahren 2017 bis 2019 durchgeführt worden. Etliche weitere Gebietsänderungsmaßnahmen werden erst im zweiten Halbjahr 2019 und im Jahr 2020 umgesetzt.