Zu den Äußerungen des Fraktionsvorsitzenden Junge in Richtung der FDP möchte ich sagen: Es verwundert mich sehr, dass Sie sich als Partei darstellen, die absolut die größten Kompetenzen im Bereich der Wirtschaft hat. So war es doch zum Beispiel die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), die gesagt hat – ich darf aus dem Handelsblatt zitieren –:
Die Wirtschaft ist daran interessiert, „mit vielen Partnern in der Welt zusammenzuarbeiten. Dazu passen dumpfe und nationalistische Parolen überhaupt nicht!“ Ich darf weiter zitieren: „Fremdenfeindliche Aussagen von Parteien in Parlamenten können (...) wie fremdenfeindliche Übergriffe Investoren abschrecken.“
Dazu äußerten sich das ifo Institut, das Institut der deutschen Wirtschaft und das Deutsche Institut der Wirtschaftsförderung. Von all diesen Verbänden bekommen Sie gerade Ihre selbst hochgelobte Kompetenz im Bereich der Wirtschaft aberkannt.
(Zurufe der Abg. Matthias Joa und Dr. Timo Böhme, AfD: Das ist ganz billig! Ein ganz billiges Ablenkungsmanöver!)
Ich darf Ihnen auch sagen, der Wirtschaftsausschuss, in dem Sie auch vertreten sind – als ein kleiner Tipp –, ist keine Einbahnstraße. Man darf Anträge stellen, man darf aber auch zuhören in diesem Ausschuss. Ich sage nur Innovationsforen, ich sage nur Meisterbonus I und II, ich sage nur Gründungsallianz, Verknüpfung der Unternehmer zum Ausland und vieles mehr. Sie müssen einmal zuhören und auch wahrnehmen. Wenn ich immer nur mit Scheuklappen alles von mir abprallen lasse, was ich von außen höre, kann ich mich so hinstellen, aber es ist nicht der richtige Weg.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Versprechen der Sozialen Marktwirtschaft aus den Zeiten Ludwig Erhards hieß: Wohlstand für alle bzw. auf Basis von Wettbewerb die freie Initiative mit einem durch die wirtschaftliche Leistung gesicherten sozialen Fortschritt zu verbinden, und lange hat es auch gut funktioniert.
Wir leben in einem freien Land, und wir Grüne wollen, dass die Menschen sich entlang ihrer eigenen Vorstellungen und Lebensziele in Freiheit und Würde entfalten können.
Dafür braucht es ein sozialmarktwirtschaftliches System, das den Unternehmensgeist fördert, das Gründerinnen unterstützt, die Rechte von Beschäftigten schützt und nachhaltigen Wohlstand schafft.
Alle, die gestern Abend beim Parlamentarischen Abend des Entwicklungspolitischen Landesnetzwerks RheinlandPfalz (ELAN) waren, haben, glaube ich, eine gute Nachhilfe bekommen, wenn sie zugehört haben.
Es braucht ein sozialmarktwirtschaftliches System, das auf globale Gerechtigkeit zielt und mit starken sozialen Instituten Gerechtigkeit und Sicherheit präsentiert. Eine starke und zukunftsfähige Wirtschaft, starke staatliche Institutionen und ökologische Leitplanken sowie ein starkes soziales Netz sind deshalb für uns die Grundbedingungen für eine erneuerte sozialökologische Marktwirtschaft.
Im 21. Jahrhundert brauchen wir nämlich die Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft unter Berücksichtigung von ökologischen Notwendigkeiten wie Ressourcenschonung,
Energieeffizienz oder Klimaschutz. Alle diese Elemente müssen neu dazukommen. Diese sozialökologische Marktwirtschaft berücksichtigt dann auch die Veränderungen in der Arbeitswelt, schafft gleiche Chancen für alle und die Gleichberechtigung der Geschlechter.
(Abg. Matthias Joa, AfD: Sie haben keine Vorstellungen, was auf uns zukommt! Wir werden abgehängt von der Welt durch solche Fantasten wie Sie!)
Jetzt kann ich es mir nicht verkneifen, darauf einzugehen, was Herr Junge gesagt hat. Ich habe es mir mitgeschrieben: Geschlecht geht vor Eignung und Leistung.
Herr Junge, wenn ich mir die vielen männlichen Versager an den Schaltstellen von Wirtschaft, von Politik, von Kirche und Gesellschaft anschaue, muss ich Ihnen recht geben.
Ich bin mir sicher, wir brauchen eine Neuformulierung des politischen Leitbildes, nach dem sozialökologischer Fortschritt, freie Initiative und wettbewerbliche Leistungsfähigkeit zusammenpassen und eben keinen Widerspruch mit der Ökologie bilden. Sie bedingen sich gegenseitig.
Dass gerade im Hinblick auf mangelnden bezahlbaren Wohnraum in Städten und steigende Mieten ganz offensichtlich der soziale Ausgleich nicht mehr stimmt, dürfte eigentlich jedem klar sein, der tagtäglich die Zeitung liest oder einfach einmal rausgeht und mit den Menschen spricht. Ich möchte mit Erlaubnis der Präsidentin aus der Süddeutschen Zeitung vom 8. Mai 2019 zitieren. Nun ist die Süddeutsche Zeitung nicht das Parteiorgan der Grünen, würde ich einmal sagen.
Sie schreibt: „Inzwischen entgeht doch niemandem mehr, dass die existierende Marktwirtschaft alles andere als sozial ist: Unternehmen lösen sich von Tarifen, prekäre Arbeitsverhältnisse sind Alltag, Wohnraum ist knapp oder unbezahlbar
mit der Folge von sich potenzierender Obdachlosigkeit beziehungsweise Armut. Umweltverschmutzung und Klimaerwärmung nehmen überhand (...).“
Oder ich verweise auf Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), der sagt: „Die Soziale Marktwirtschaft funktioniert nicht so, wie sie funktionieren sollte.“
Selbst das Handelsblatt postuliert, dass das kapitalistische System „mit Nachdruck reformiert werden“ muss.
So gesehen geht es eben nicht um die Frage zwischen Sozialer Marktwirtschaft und Sozialismus, sondern es geht auch um die Frage, wie wir unser Wirtschaftssystem so entwickeln, dass es eine gute Zukunft für uns, für unsere Kinder und letztendlich auch für unseren Planeten gibt.
Das können verschiedene Modelle sein. Da könnte man durchaus – das ist von der SPD schon oft diskutiert worden – auch noch einmal die Genossenschaftsmodelle oder Sharing-Modelle hochholen. Das kann auch die Frage sein, wie viele Stunden in der Woche wir arbeiten. Müssen es fünf Tage mit acht Stunden sein? Welche Modelle gibt es in einer zunehmend digitalisierten Welt für Menschen, die da vielleicht nicht mitkommen?
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben im März-Plenum vor noch nicht einmal sechs Wochen im Zusammenhang mit der nationalen Industriestrategie sehr grundlegend über Soziale Marktwirtschaft diskutiert. Das, was ich damals gesagt habe, gilt heute genauso uneingeschränkt: Die Soziale Marktwirtschaft ist ein Erfolgsmodell für die Menschen in Rheinland-Pfalz. Sie verschafft uns einen Lebensstandard, den wir in der Geschichte dieses Landes, dieser Region niemals zuvor hatten. In Rheinland-Pfalz und in Deutschland geht es uns so gut, weil wir eine starke und eine soziale Marktwirtschaft haben.
Die Soziale Marktwirtschaft ist das, was aus unserem Grundgesetz folgt, nämlich die Entradikalisierung. Bei uns sind radikale Wirtschaftskonzepte ausgeschlossen. Das gilt aufgrund des Sozialstaatsprinzips für den ungezügelten Manchester-Kapitalismus genauso wie für die sozialistische Planwirtschaft. Das ist auch gut so.
Die Grundrechte der Eigentumsfreiheit, der Berufsfreiheit, der freien Entfaltung der Persönlichkeit und der Vertragsfreiheit sorgen dafür, dass eine sozialistische Wirtschaftsordnung in der Bundesrepublik Deutschland nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Die Marktwirtschaft ist die einzige Wirtschaftsordnung, die zur freiheitlichen Demokratie passt. Sie ist komplementär zur freiheitlichen Demokratie. Was wir als Wahlfreiheit in der Demokratie erkennen, das entspricht in der Marktwirtschaft der Dispositionsfreiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher. Das Eine ist ohne das Andere nicht denkbar.
Wenn man fordert, dass man Wohnraum schaffen kann, indem man Wohnungsgesellschaften enteignet, ist das eine
offensichtlich populistische Forderung. Jedem muss klar sein, dass sich durch die Änderung des Eigentumseintrags im Grundbuch der vorhandene Wohnraum nicht vermehrt.
Es ist allerdings so, dass die Jugend der AfD, die sich jetzt über Populismus aus der Jugend einer anderen Partei echauffiert,
(Abg. Martin Haller, SPD: Die vom Verfassungsschutz beobachtet wird! Das darf man aber nicht sagen, habe ich gelesen!)
nicht gerade dadurch aufgefallen ist, dass sie bisher differenzierte und ausgewogene Äußerungen auf der Grundlage der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland zu ihrem Markenkern gemacht hätte.
Meine Damen und Herren, deshalb ist für Deutschland der Sozialismus keine Alternative, die AfD allerdings auch nicht.