Gehen Sie hin und reden Sie über das Ahrtal im Untersuchungsausschuss, oder benennen Sie ein anderes Thema, wenn Sie eine Aktuelle Debatte haben wollen.
(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Das ist Ihnen peinlich, das können wir uns denken! – Zuruf von der AfD: Transparenz!)
Das hier ist eine bodenlose Frechheit, in dieser Situation mit dieser Aktuellen Debatte das zu machen. Sie haben im Prinzip kaum ein Wort dazu gesagt, was das Verfahren insgesamt bedeutet. Sie haben eigentlich Ihr Thema verfehlt. In der Schule hätte man früher gesagt, Thema verfehlt, setzen, sechs.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Flutkatastrophe und die Urlaube danach, was für eine unrühmliche Geschichte.
Wenn man geneigt war zu glauben, dass wir in diesem Zusammenhang schon alles durchlebt hätten, wurden wir nun eines Besseren belehrt. Ich möchte dieser mit Abstand unrühmlichsten Geschichte aus verschiedenen Gründen den Titel geben „Ich mach mir die Welt, widdewiddewitt, wie sie mir gefällt“. Nein, ich werde es Andrea Nahles nicht nachtun. Ich werde es nicht singen.
Meine Damen und Herren, zuletzt wurde bekannt, gut zwei Wochen nach der schlimmsten Katastrophe der Nachkriegsgeschichte nahm die Vizepräsidentin, die auch für den Katastrophenschutz zuständig war, Urlaub und verschwand für zwei Wochen in die USA. Das erfolgte, obwohl für private Reisen wegen der Pandemie gar keine Einreise zu dieser Zeit möglich war. Aber was soll’s, kein Problem, machen wir eine angebliche Dienstreise draus. Was nicht passt, wird passend gemacht, frei nach dem Motto „Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt“.
Der ehemaligen Vizepräsidentin ist, wie im Übrigen einigen verantwortlichen Politikerinnen und Politikern dieser Landesregierung – hier zitiere ich den Chefredakteur des Trierischen Volksfreundes Thomas Roth aus seinem Kom
mentar aus der vergangenen Woche –, „jegliches Gespür verloren gegangen, was die Flutkatastrophe für eine Dimension hatte und was für Chefinnen und Chefs gefragt waren. Menschen, die ihre Verantwortung wahrnehmen, zu Fehlern stehen und die dann vor Ort sind, um den Menschen zu helfen, die ihr Lebenswerk und teils ihre Verwandten und Freunde verloren hatten. In diesem Sinne ist Hermann nur ein weiterer Beweis für die Abgehobenheit mancher Entscheider. Dazu passt es übrigens auch, dass etwa Roger Lewentz immer noch Vorsitzender der größten Regierungspartei ist. Und dass die Ministerpräsidentin immer noch kein einziges Mal wirklich um Entschuldigung für das Versagen in Teilen der Regierung und der Verwaltung gebeten hat.“
Es mutet zutiefst schändlich an, dass die Vizepräsidentin als Einreisegrund genau diese schlimme Katastrophe zur eigenen Steigbügelhilfe nimmt. Wie schräg, wie abgebrüht muss man drauf sein, einen solchen Antrag zu konstruieren mit den schrecklichen Bildern vor Ort im Kopf, mit diesen Bildern vor dem inneren Auge?
Natürlich bleibt die Frage ofen, inwieweit der Präsident der ADD in diesen Sachverhalt involviert war. Hat es ihn wirklich nicht interessiert, mit welchen stichhaltigen Gründen seine Vertreterin ein Visum bekommen hat? Wir dürfen gespannt sein, ob und welche Zeichnungsvermerke wir auf dem Genehmigungsschreiben der amerikanischen Stellen finden, das aus meiner Sicht nicht als Privatpost an Frau Hermann gekommen ist, sondern wohl eher über den Dienstweg verschickt wurde. Der Untersuchungsausschuss wird dem mit Sicherheit noch nachgehen.
Man ist geneigt, davon auszugehen, dass der Präsident hier möglicherweise mehr wusste. Eine so zentrale Figur einer damals aktuellen Katastrophenlage fährt nicht einfach so weg, meine Damen und Herren.
So geht also die Geschichte, wie so oft bei den Sozialdemokraten in RheinlandPfalz, man macht sich die Welt, wie sie einem gefällt, was nicht passt, wird passend gemacht. Wenn das nicht geht, kennt man jemanden, der einem hilft, gerne auch in passende Ämter mit Zusagen für Fördermittel, Beförderungen oder mit einer netten Dienstreise.
Frau Ministerpräsidentin, Sie bleiben in dieser Afäre merkwürdig stumm. Verständlich, geht es doch um eine enge politische Vertraute von Ihnen, die
Sie über Jahre protegiert und gefördert haben. Sie höchstpersönlich setzten Ihre Weggefährtin und Stellvertreterin im Trierer SPD-Vorsitz vor zehn Jahren zunächst als Vize der SGD-Nord ein. 2016 ging es weiter die Treppe hoch als Vizepräsidentin der ADD. Noch vor wenigen Wochen würdigten Sie Frau Hermann, sie habe die ADD in herausragender Weise geprägt. Sollte ihr daher der Ruhestand noch vergoldet werden an der Spitze des neu zu gründenden Vereins Zukunftsregion Ahr, einer Idee, die aus der Staatskanzlei kam, aus der aber, wie wir wissen, jetzt nichts mehr wurde?
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Innenministerium hat uns im vergangenen Sonderinnenausschuss am 22. Februar 2023 über das Disziplinarverfahren gegen die ehemalige Vizepräsidentin der ADD ausführlich informiert. Das war einen Tag, nachdem das Disziplinarverfahren durch den ADD-Präsidenten eingeleitet wurde. Auch ich möchte mich bei Ihnen, sehr geehrter Herr Minister, an dieser Stelle dafür bedanken, dass Sie das Parlament frühzeitig und so ofen eingebunden haben.
Es liegt in der Natur der Sache, dass im laufenden Disziplinarverfahren nicht viel gesagt werden kann. Man sieht es aber an dem Antrag und an Ihrem Beitrag, Herr Schnieder, es geht Ihnen überhaupt nicht um die Sache selbst, es geht Ihnen nur darum zu polemisieren und vorzuverurteilen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie vereinzelt bei der SPD und bei der FDP – Zurufe der Abg. Gordon Schnieder, CDU, und Michael Frisch, AfD)
Es handelt sich um eine Personalangelegenheit. Es geht um einen Sachverhalt, der erst geklärt werden muss und nicht vorher zu beurteilen ist.
In diesem Verfahren werden Unterlagen bewertet, Zeugen werden möglicherweise gehört. All das wird ausgewertet. Dann greift das Landesdisziplinargesetz mit Blick auf die Ergebnisse, die daraus resultieren.
Die Ermittlungsführung liegt ausschließlich beim Innenministerium und nicht beim Parlament oder irgendwo anders, erst recht nicht bei der Öfentlichkeit.
Ich weiß daher nicht, welcher Erkenntnisgewinn sich aus dieser Aktuellen Debatte ergeben soll. Ich gehe davon aus, dass die Ermittlungen im Rahmen des Disziplinarverfahrens zügig erfolgen und der Verdacht, der im Raum steht, entweder bestätigt oder verworfen wird. Wenn er sich bestätigt, wenn das, was im Raum steht, sich bestätigen sollte, dann muss man natürlich sagen, dass wäre in aller Deutlichkeit zu beanstanden, aber, wie gesagt, es ist ein internes Disziplinarverfahren.
Sie nutzen diese Aktuelle Debatte, um zu polemisieren, vorzuverurteilen und nicht zur Sache in irgendeiner Form beizutragen. Da kann ich nur den Kopf schütteln.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Innenminister hat die vergangene Sondersitzung des Innenausschusses genutzt, um den Innenausschuss und mit dem Innenausschuss die Öfentlichkeit darüber zu informieren, dass gegen die frühere Vizepräsidentin der ADD ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde, und über den Gegenstand dieses Verfahrens informiert. Dieser Schritt allein verdient großen Respekt.
Dieser Schritt verdient großen Respekt, weil es sich um eine sensible Personalangelegenheit handelt, die dem Grunde nach ausdrücklich nicht der Öfentlichkeit zugänglich ist. Es geht hier tatsächlich jedes Mal wieder um eine – das will ich bewusst sagen – Einzelfallabwägung auch gegenüber den berechtigten Interessen von politischen Beamtinnen und Beamten, gegebenenfalls nicht einer öfentlichen Vorverurteilung, wie wir sie heute erlebt haben, ausgesetzt zu werden. In dieser Abwägung, weil es sich um eine politische Beamtin handelt, hat der Innenminister dennoch entschieden, zum frühestmöglichen Zeitpunkt Öfentlichkeit und Parlament in Kenntnis zu setzen, weil er ein – das teile ich – berechtigtes Informationsinteresse auch der Öfentlichkeit angenommen hat.
Herr Abgeordneter Frisch, Herr Abgeordneter Schnieder, sich in dieser Situation zum jetzigen Informationsstand aber hier hinzustellen und in dieser Art und Weise die Betrofene in einem Verfahren vorzuverurteilen, ist schlicht und ergreifend hochgradig unanständig.
Wir haben uns aus wirklich guten Gründen dafür entschieden, dass wir Rechtsprechung nicht mehr auf dem Marktplatz der öfentlichen Meinung machen, sondern dafür geordnete rechtsstaatliche Verfahren haben. Daran sollten wir uns auch an dieser Stelle halten.