Protokoll der Sitzung vom 02.03.2023

Wir haben uns aus wirklich guten Gründen dafür entschieden, dass wir Rechtsprechung nicht mehr auf dem Marktplatz der öfentlichen Meinung machen, sondern dafür geordnete rechtsstaatliche Verfahren haben. Daran sollten wir uns auch an dieser Stelle halten.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Frisch, ich habe Ihnen hier zugegebenermaßen jedes Mal widersprochen, aber Sie verbreiten immer diese Legende, bei der AfD handele es sich um eine Rechtsstaatspartei. Bei der AfD handelt es sich um eine Rechtspartei im Staat Deutschland und nicht um eine Rechtsstaatspartei. Das haben Sie hier wieder relativ eindrücklich bewiesen. Gelegentlich hilft ein Blick ins Gesetz bei der Rechtsfindung.

Deswegen möchte ich doch mit Erlaubnis des Präsidenten an dieser Stelle, nach dem, was Sie aus dieser Aktuellen Debatte gemacht haben, § 25 Abs. 2 Untersuchungsausschussgesetz zitieren: „Vor Abschluß der Beratung über die Abfassung des schriftlichen Berichts (§ 28 Abs. 1) sollen sich die Mitglieder und Ersatzmitglieder einer öfentlichen Beweiswürdigung enthalten.“

(Zurufe von der SPD)

Sie haben hier das Gegenteil gemacht. Sie haben das gemacht, was die AfD immer tut. Sie haben vorverurteilt, Sie haben polemisiert, Sie haben an einer Aufklärung in der Sache keinerlei Interesse.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Heiterkeit des Abg. Michael Frisch, AfD)

Sie haben ein Interesse daran, Dinge zu finden, mit denen Sie Verantwortliche in den Dreck ziehen können. Darum geht es Ihnen. Das können Sie so machen. Auch das habe ich hier schon öfter gesagt. Ihre Freiheit, hier Unsinn zu reden, werde ich immer verteidigen.

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Ich werde es allerdings dann auch immer als das bezeichnen, was es ist: grober Unsinn. Den Rest überlassen wir rechtsstaatlichen Verfahren. Das ist eine große Errungenschaft in diesem Land. Nachdem der Innenminister in dieser Form transparent vorgegangen ist, bin ich davon überzeugt, dass auch das Verfahren mit der gebotenen Konsequenz geführt wird. Ich will mich in einer Frage dem Innenminister ausdrücklich anschließen. Sollten sich die Vorwürfe als wahr erweisen, ist das ein Verhalten, das in der Tat zutiefst

politisch zu missbilligen ist. Jenseits des Politischen entscheiden darüber Verwaltungsbehörden und gegebenenfalls unabhängige Gerichte. Zu deren Schutz sind wir zu allererst in diesem Parlament berufen.

Herzlichen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die FREIEN WÄHLER spricht Abgeordneter Wefelscheid.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass die Vizepräsidentin a. D. der ADD, die Abteilungsleiterin der Abteilung für Bevölkerungsschutz war – immerhin die Abteilung, in der das Referat Katastrophenschutz angesiedelt ist –, während der schwierigsten Phase in den Tagen nach der Flut in den Urlaub fährt, ist für sich genommen schon ein Skandal.

Wenn man dann aber noch erfährt, Herr von Heusinger, ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten aus dem Sprechvermerk des Innenministeriums, der „Verdacht steht im Raum, dass die politische Beamtin im Ruhestand im Juli 2021 einen dienstlichen Anlass konstruiert haben könnte, um für eine private Reise in die USA eine Einreisegenehmigung von den US-Behörden zu erhalten“, dann ist das ein Skandal im Skandal.

Meine Damen und Herren, wenn Herr von Heusinger sagt, es gebe kein öffentliches Interesse an einer Plenardebatte,

(Abg. Carl-Bernhard von Heusinger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das habe ich aber nicht gesagt!)

dann muss man sich eigentlich nur den Sprechvermerk des Innenministers ansehen. Mit Ihrer Erlaubnis zitiere ich daraus noch einmal. Dort sagte er: „Ich werde Ihnen heute über ein Disziplinarverfahren bei der ADD berichten. Über solche Verfahren berichten wir in der Regel nur, wenn es ein entsprechendes öfentliches Interesse gibt.“

(Beifall der FREIEN WÄHLER, der CDU und der AfD – Abg. Gordon Schnieder, CDU: So ist das!)

„Dies ist“, so der Innenminister, „aus unserer Sicht in diesem Fall gegeben. Wir halten es für geboten, hierüber das Parlament schnellstmöglich zu informieren.“ Deswegen ist es auch nur folgerichtig, dass sich das Parlament in einer Aktuellen Debatte mit dieser Thematik befasst.

Herr Ebling, ich bin Ihnen allerdings auch dankbar, dass Sie diesen Schritt gegangen sind und wir kein Katz-und-Maus-Spiel spielen müssen, über Anfragen herauszukitzeln, wie die Verhältnisse sind. Sie haben bei Ihrem Antritt

gesagt, dass Sie unvoreingenommen an diese Aufarbeitung der Flutkatastrophe herangehen.

Insofern, wie gesagt, bin ich Ihnen dankbar, dass Sie proaktiv auf den Innenausschuss zugegangen sind, auch deshalb, weil – wir haben das Verhältnis zum Untersuchungsausschuss eben angesprochen – es für die politische Bewertung der Frage im Untersuchungsausschuss meines Erachtens irrelevant ist, ob sie in den Urlaub geflogen ist und dabei ein Einreisevisum erschlichen hat oder nicht.

Wir müssen im Rahmen des Untersuchungsausschusses prüfen: Waren die Verantwortlichen bei der Bewältigung der Flutkatastrophe vor Ort? – Nein, das war sie nicht. Gab es einen Anlass dafür? – Ja, sie hatte einen Urlaubsantrag eingereicht. War er genehmigt oder nicht? – Ja, er war genehmigt.

Dann haben wir als Untersuchungsausschuss eigentlich zu bewerten, warum dieses Fehlen gerechtfertigt sein könnte oder nicht. Hier haben wir divergierende Ansichten. Die Ampel-Fraktionen vertreten die Ansicht von Thomas Linnertz, dass es durchaus möglich gewesen und er in der Lage gewesen sei, das zu bewältigen. Ich persönlich habe dort eine andere Einschätzung. Ich selbst habe das schon als Skandal bezeichnet; denn wir haben im Untersuchungsausschuss mannigfaltige Zeugen gehört.

(Abg. Michael Frisch, AfD: So ist es!)

Das haben wir in der Zeitung alle lesen können, dass unter anderem die Bundesakademie für Bevölkerungsschutz Hilfe angeboten hatte, die aber abgelehnt wurde. Wir haben Zeugen gehört. Von der Branddirektion München war ein Mitarbeiter im Lagezentrum, der sagte, S1 bis S6 sei unklar gewesen, das Mindset habe gefehlt. Wir haben gehört, dass es unterschiedliche Interpretationen der DV 100 gab.

Herr Ebling, es hätte aus meiner Sicht nahegelegen, dass die Abteilungsleiterin, die für den Bevölkerungsschutz originär zuständig ist, nicht in den Urlaub fliegt, sondern sie, wenn die Erkenntnisse vorliegen, dass es schwierig ist, auswärtige Hilfskräfte aus anderen Bundesländern in der Leitstelle zu integrieren, hingeht und zum Beispiel Richtlinien oder Stabsordnungen entwirft. Das wäre aus meiner Sicht ihre Aufgabe gewesen.

(Beifall der FREIEN WÄHLER, bei der CDU und bei der AfD)

Dass sie aber – Sie haben selbst diesen Verdacht im Innenausschuss vorgetragen – einen Einreisegrund konstruiert haben könnte – das haben wir eben vom Kollegen Schnieder gehört, er sprach von Abgebrühtheit –, ist aus meiner Sicht ein Punkt, bei dem man sich ein Sittengemälde von emotionaler Kälte zeichnen kann; denn sie war drei Tage vor Ort gewesen. Sie hat ausgeführt, dass sie gesehen hat, welche Probleme auch bei der Abfallbeseitigung bestehen, dass Straßen nicht geräumt werden können.

In einer solchen Situation von sich aus zu sagen, ich bleibe nicht hier, sondern

dann noch – so ist der Verdacht im Raum – etwas zu konstruieren, um ein Visum zu bekommen, um die Familie in Sacramento zu besuchen, kann man aus meiner Sicht – ich habe vorher davon gesprochen, dass sie die Flucht vor der Verantwortung antritt – schon von politischer Fahnenflucht sprechen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN, bei der CDU und bei der AfD)

Meine Damen und Herren, abschließend – ich habe noch 20 Sekunden – möchte ich darauf eingehen, dass auch ich über die Brücke noch nicht gehe. Herr Ebling hatte Herrn Linnertz soweit in Schutz genommen, dass er sagte, Herr Linnertz sei in das Vorgehen nicht involviert. Ich halte das für wenig glaubwürdig, einfach aus dem Grund, dass man als Präsident eigentlich weiß, was seine Abteilungsleiter tun.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Wissen sollte!)

Ich halte es für merkwürdig anzunehmen, dass ein Präsident nicht im Bilde gewesen sein sollte über das, was seine Abteilungsleiterin tut. Das werden wir uns beim weiteren Disziplinarverfahren ansehen. Ich habe schon Akteneinsicht beantragt. Ich bin gespannt, was da noch alles zutage kommt.

Vielen Dank.

Für die Landesregierung spricht Innenminister Ebling.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Der Innenausschuss wurde im Rahmen der Sondersitzung am 22. Februar unmittelbar über den hier thematisierten Sachverhalt informiert. Ich möchte ausschließlich über diesen thematisierten Sachverhalt sprechen. Ich möchte hier nicht über die boshaften Verdrehungen des Abgeordneten Frisch sprechen. Ich finde es auch nicht angemessen – das ist meine Bewertung –, dieses Thema in 7 Minuten im Rahmen einer Aktuellen Debatte zu versuchen abzuhandeln.

(Beifall bei der SPD, bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Ich habe mich entschlossen, das Parlament schnellstmöglich über das eingeleitete Disziplinarverfahren gegen die ehemalige ADD-Vizepräsidentin in Kenntnis zu setzen. Es ist hier mehrfach angesprochen worden. Ich sehe ein öfentliches Interesse für diesen Vorgang.

Die wesentlichen Punkte habe ich in der öfentlichen Sitzung des Innenausschusses dargestellt. Diese sind, dass der ADD-Präsident am 21. Februar das erwähnte Disziplinarverfahren eingeleitet hat, der Präsident der ADD zuvor

vom Innenministerium mit der Aufklärung des Sachverhalts beauftragt wurde und im Ergebnis der Verdacht im Raum steht, dass die politische Beamtin im Ruhestand im Juli 2021 einen dienstlichen Anlass konstruiert haben könnte, um für eine private Reise in die USA eine Einreisegenehmigung von den US-Behörden zu erhalten.

Die Reise wurde von der Beamtin im Ruhestand ausschließlich selbst finanziert. Es handelte sich ausdrücklich nicht um eine Dienstreise, und ja, Einzelheiten sind Teil der Prüfungen im Rahmen des Disziplinarverfahrens.

Meine Damen, meine Herren, ich habe ebenfalls darüber informiert, dass der ADD-Präsident nicht in den Vorgang eingebunden war und erst durch die Aufklärungsbitte des Innenministeriums Kenntnis von dem in Rede stehenden Sachverhalt erlangte. Er hatte den Urlaubsantrag der ehemaligen Vizepräsidentin im Frühjahr des Jahres 2021 genehmigt. Er kannte das Reiseziel. Weitere Details der Reise, insbesondere Möglichkeiten zur Einreise, sind nicht Teil eines Antrags auf Erholungsurlaub. Urlaubsgesuche müssen auch grundsätzlich nicht begründet werden. Es wird lediglich die Dauer eines Urlaubs zur Genehmigung vorgelegt.

Dass der Präsident die genauen Umstände einer möglichen Einreise nicht hinterfragte, daraus ist kein Vorwurf zu machen. Er hatte von einer rein privaten Reise auszugehen. Dass allgemein gesprochen ein Dienstvorgesetzter einen Urlaubsantrag auf Einreisebestimmungen überprüft, ist mit Verlaub realitätsfern. Zudem hatte er, wie Sie alle wissen, die extrem herausfordernde Aufgabe als Gesamteinsatzleiter übernommen. Der ADD-Präsident kümmerte sich zu dieser Zeit ausschließlich um die Krisenbewältigung und hielt sich ständig im Ahrtal auf. Auch das ist eine bekannte Tatsache.

Meine Damen, meine Herren, ich habe dem Innenausschuss klar gesagt – ich wiederhole das in aller Klarheit –, sollte sich der in Rede stehende Vorwurf bestätigen, wäre ein solches Verhalten in aller Deutlichkeit zu missbilligen. Ich habe aber auch betont, dass dies nun im Rahmen des angestoßenen Disziplinarverfahrens aufzuklären ist.

Selbstverständlich darf und muss man von der Landesregierung erwarten können, dass die Ermittlungen dabei nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geführt werden. Weitere Details wurden daher in vertraulicher Sitzung des Innenausschusses dargestellt, um das Parlament weiterhin transparent und unmittelbar zu informieren. Darüber hinaus wurden dem Parlament im Nachgang der Sitzung zentrale Dokumente des Vorgangs zur Einsicht zur Verfügung gestellt.

Da es sich um eine Personalangelegenheit handelt, sage ich noch einmal mit allem Verständnis, dass sich die ADD und das Innenministerium auch in Zukunft nur dann öfentlich in der Angelegenheit äußern werden, wenn das rechtlich und unter Berücksichtigung der Fürsorgepflicht gegenüber der Beamtin auch vertretbar ist. Diesen Anspruch auf ein rechtsstaatliches Verfahren haben alle Beamtinnen und Beamten in unserem Land.

Vielen Dank.