Protokoll der Sitzung vom 24.01.2024

Ob und in welchem Umfang von den zu betreibenden Meldestellen Gebrauch gemacht wird, wird sich in den kommenden Jahren zeigen und sollte aus unserer Sicht fortlaufend evaluiert werden. Wir werden diesen Gesetzentwurf positiv begleiten.

Danke schön.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der SPD)

Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Abgeordneter Carl-Bernhard von Heusinger.

Sehr geehrte Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich sage Ähnliches in Grün, aber nur Ähnliches und nicht das Gleiche. Sagt Ihnen der Name Brigitte Heinisch etwas? Brigitte Heinisch arbeitete Anfang der 2000er-Jahre als Altenpflegerin in einem Berliner Pflegeheim. Laut Brigitte Heinisch führte die unzureichende Personalausstattung des Pflegeheims im Jahr 2004 dazu, dass die hygienische Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner des Heims nicht mehr gewährleistet war. Ich denke, wir alle hier sind uns einig, dass wir unsere Angehörigen niemals in einer Einrichtung untergebracht wissen möchten, in der sie mehr verwahrt als versorgt werden.

Weil Brigitte Heinisch die damaligen Zustände nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren konnte, verlangte sie eine schriftliche Erklärung der Geschäftsleitung über die Missstände und wie diese beseitigt werden sollten. Die Geschäftsleitung wies die Vorwürfe zurück. Brigitte Heinisch erstattete daraufhin Strafanzeige und verlor ihren Job. Gegen diese Kündigung klagte Brigitte Heinisch. Vor den deutschen Gerichten klagte sie erfolglos. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gab ihr aber schließlich recht. In einem wegweisenden Urteil entschied das Gericht, dass die Aufdeckung von Missständen im Interesse der Öfentlichkeit und durch die Meinungsfreiheit geschützt ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Menschen wie Brigitte Heinisch sind zu Unrecht unpopulär. Als vermeintliche Nestbeschmutzerinnen und Netzbeschmutzer verunglimpft werden viel zu oft jene, die in Wahrheit darauf hinwirken, dass sich ihre Arbeitgeber gesetzeskonform verhalten, mehr noch, ohne ihren Mut ist die Beseitigung von Missständen oftmals kaum möglich.

Es ist daher gut, dass die EU bereits im Oktober 2019 zum Schutz sogenannter Whistleblowerinnen und Whistleblower eine Richtlinie auf den Weg gebracht hat. Heute gehen wir also hier den letzten Weg auf der Etappe zu einem wirklich umfassenden Schutz von hinweisgebenden Personen und erledigen den Teil, der die kommunale Ebene betrift. Dieser muss – das hatte Kollege Herber schon richtig gesagt – durch ein Landesgesetz geregelt werden. Konkret – das wissen Sie jetzt auch schon – geht es um die Einrichtung von internen Meldestellen für die Mitteilung von Informationen über Verstöße.

Das ist keine überflüssige Bürokratie. Das Beispiel von Brigitte Heinisch macht deutlich, dass wir diese Meldestellen brauchen. Wir brauchen sie in den Unternehmen, und wir brauchen sie in den Behörden. So beheben wir Missstände und bekämpfen Korruption.

Zweitens haben wir als Land alles dafür getan – das haben wir schon sowohl vom Kollegen Oster als auch vom Kollegen Herber gehört –, vorhandene Spielräume zu nutzen und so zu einer kommunalfreundlichen und ressourcenschonenden Umsetzung der Richtlinie zu kommen. Konkret bedeutet dies, dass nur Kommunen mit mehr als 10.000 Einwohnenden und in der Regel mindestens 50 Beschäftigten interne Meldestellen einrichten müssen.

Über die anderen Wege haben wir schon gesprochen. Wir als Grüne finden dieses Gesetz heute gut und finden gut, dass wir es auf den Weg bringen. Ich freue mich auf die positiven Beratungen im Ausschuss.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und bei der FDP)

Für die AfD-Fraktion spricht Abgeordneter Stuhlfauth.

Sehr geehrte neue Präsidentin, meine Damen und Herren! Der hier von der Landesregierung vorgelegte Gesetzentwurf ist das Produkt des auf Bundesebene im vergangenen Jahr verabschiedeten und auf die Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1937 zurückzuführenden Hinweisgeberschutzgesetzes, das im vergangenen Mai unter höchst fragwürdigen Umständen – man könnte auch demokratieunwürdigen Umständen sagen – in einem Vermittlungsausschuss zusammengemauschelt worden und kurz darauf in Kraft getreten ist.

Auch inhaltlich ist das Gesetz, mit Bekanntem vielfach erörtert, höchst fragwürdig. Unter dem Feigenblatt, ein Gesetz zum Schutz von Whistleblowern und aufrechten Hinweisgebern von Korruptionsfällen auf den Weg zu bringen, hat die Ampelregierung auf Bundesebene mit Unterstützung der CDUBundestagsfraktion ein Gesetz verabschiedet, das den ehrbaren Grundgedanken in ein groteskes Denunziationsgesetz für Hobbyblockwarte und Steuerspitzel pervertiert hat.

Zuträger gab es in Betrieben und Behörden schon immer, meistens von links. Jetzt werden sie staatlicherseits gezüchtet und dazu noch gelobt. Dieses Gesetz birgt das Potenzial, in Betrieben wie Behörden den kollegialen Zusammenhalt zu zerstören und das Betriebsklima nachhaltig zu schädigen. Künftig ist man unter Kollegen immer mit der Frage konfrontiert, was kann ich noch sagen, was wird möglicherweise schon als falsch oder angreifbar gewertet, was interpretiert mein Kollege oder Vorgesetzter bereits als kriminell, wann werde ich angezeigt, welche Konsequenzen drohen mir?

Dieses Gesetz destabilisiert gesellschaftliche Verbindungen, zerstört Vertrauen und weckt Erinnerungen an den längst begraben geglaubten Stasistaat des vergangenen Jahrhunderts. Nun beschäftigt sich der von der Landesregierung vorgelegte Gesetzentwurf natürlich nicht mit den eigentlichen Inhalten des Gesetzes, sondern lediglich mit der rechtlich erforderlichen Umsetzung der EU-Richtlinie für den kommunalen Bereich. Insofern trift die Landesregierung an den Inhalten des Hinweisgeberschutzgesetzes keine direkte Schuld, sie folgt lediglich den gesetzlichen Erfordernissen.

Da wir es aber bereits auf Bundesebene nicht mit unserem demokratischen Gewissen vereinbaren konnten, das umstrittene Hinweisgeberschutzgesetz in seiner nun gültigen Form auf den Weg zu bringen, werden wir auch auf Landesebene keine Unterstützung für die weitere Umsetzung dieses Machwerks aufbringen. Wir lehnen daher den von der Landesregierung vorgelegten Gesetzentwurf ab.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Für die FDP-Fraktion spricht deren Vorsitzender Fernis.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu dem Gesetzentwurf ist bisher viel Richtiges und manch Wirres gesagt worden. Wie so oft in diesem Plenum kam das Richtige von den Kollegen aus den demokratischen Fraktionen und das Wirre von Ihnen, Herr Stuhlfauth. Dass Sie bei der AfD-Fraktion ein gewisses Problem damit haben, dass man dafür sorgen möchte, dass gegebenenfalls Fehlverhalten und Missstände an das Licht der Öfentlichkeit kommen, ist nun in der Tat auch bemerkenswert.

An dieser Stelle geht es aber nun darum nicht, wie selbst Sie gemerkt haben, Herr Stuhlfauth. Es geht um die Umsetzung von europäischem Recht. Das dazu Erforderliche ist von den Kollegen gesagt worden. Ich will nur noch einmal unterstreichen, weil es uns Freien Demokraten im Interesse der Vereinfachung für die Kommunen ein besonderes Anliegen war und ist, dass wir sämtliche Spielräume zur Vereinfachung, das heißt die Möglichkeit der Einrichtung

gemeinsamer Meldestellen, die Begrenzung und auch die entsprechende Schwelle von 50 Mitarbeitenden, in diesem Gesetz untergebracht haben. Ansonsten ist es die rechtstechnische Umsetzung von europäischem Recht, der wir selbstverständlich zustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der FREIEN WÄHLER spricht deren Fraktionsvorsitzender Dr. Streit.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine Damen und Herren! Auch wir begleiten dieses Gesetz positiv und, was die Bundesebene und die Umsetzung betrift, kritischer. Zivilcourage ist nicht erst in diesen Wochen in unserer Gesellschaft mehr denn je gefragt. Aufstehen und Hinweise auf Missstände geben ist auch Zielrichtung des sogenannten Whistleblowing bezogen auf Unternehmen, Verwaltungen oder etwa auch auf Hochschulen.

Der Hinweisgeber berichtet aus eigenen Erfahrungen und riskiert als Mitarbeiter oft Benachteiligungen in seinem beruflichen Umfeld, seien es Disziplinarmaßnahmen bis hin zur Kündigung oder Schädigung seines Rufs und das Karriereende. Dem Schutz dieser Hinweisgeber dient die Richtlinie des Europäischen Parlaments und das Hinweisgeberschutzgesetz aus dem Jahr 2023. Von den 27 EU-Mitgliedstaaten haben mittlerweile 25 Staaten die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt. Lediglich Polen und Estland verzögern die Umsetzung noch.

In Deutschland war es am 2. Juli 2023. Mit dem vorliegenden Landesgesetz geht es die ergänzende Umsetzung der Richtlinie auch für den kommunalen Bereich in Rheinland-Pfalz an. In anderen Bundesländern, etwa Hessen, ist dies bereits erfolgt. Dort ist auch ein Fall bekannt geworden, dass in der Stadt Frankfurt eine Anzeige erfolgte und sich der anonyme Hinweisgeber anschließend selbst einer Anzeige ausgesetzt sah. Der Complianceund Forensikexperte Kristof Wabl von Transparency International Österreich sprach damals gegenüber der F.A.Z. von einem Präzedenzfall für kommunale Verwaltungen und einem Paradebeispiel für negative und abschreckende Auswirkungen auf Whistleblower. Da erkennt man es wieder. Dass die öffentliche Hand es schaft, mittlerweile besser mit dem Schutzcharakter der Hinweisgeber umzugehen, ist zu hofen.

Wir Freien Wähler begrüßen im vorliegenden Gesetzentwurf besonders die sinnvolle Ausgestaltung der Möglichkeit der interkommunalen Zusammenarbeit, um unsere Kommunen nicht noch mehr als ohnehin schon zu belasten;

denn die Kosten, die durch die Verpflichtung zur Einrichtung und zum Betrieb interner Meldestellen bei Gemeinden und Gemeindeverbänden sowie bei kommunalen und kommunal kontrollierten Unternehmen entstehen, belasten die kommunalen Haushalte mit schätzungsweise kumulierten Einrichtungskosten in Höhe von 1,8 Millionen Euro und kumulierten jährlichen Betriebskosten in Höhe von 2,3 Millionen Euro. Die einmaligen Einrichtungskosten und die jährlichen Betriebskosten in Höhe von 8.500 Euro nach Schätzung des Bundes haben unsere Kommunen zusätzlich zu tragen.

Ob diese Kostenschätzung belastbar ist, muss man in Zweifel ziehen. Zwar würden 193 Gemeinden und Gemeindeverbände in Rheinland-Pfalz die maßgebliche Einwohnerzahl von 100.000 überschreiten, so die Landesregierung; ob aber auch das Zweitkriterium der maßgeblich regelmäßigen Zahl der Beschäftigten ebenfalls für den Anwendungsbereich überschritten ist, bleibt ofen, da – ich zitiere – keine belastbaren Daten vorliegen. Diese gilt es meines Erachtens schnellstens zu erheben, um eine tragfähige Kostenschätzung vornehmen zu können.

On top der obigen Kosten für Gemeinden und Gemeindeverbände kommen die Kosten bei Zweckverbänden und kommunalen und kommunal kontrollierten Unternehmen in Privatrechtsformen sowie Anstalten des öfentlichen Rechts. Eine Anwendung des Konnexitätsprinzips ist leider nicht möglich; denn die EU gibt die Regeln vor, und unsere Kommunen müssen die finanzielle Belastung tragen.

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, es geht wirklich um den besseren Schutz der Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber. Dieser steht im Vordergrund.

Wir kritisieren den privatrechtlichen Bereich, den ich en passant nennen darf. Daneben soll ab 50 Beschäftigten eine Meldestelle eingerichtet werden. So wie sie in Deutschland ausgeführt wird, ist das eine weitere bürokratische Belastung. Wenn man sich Österreich anschaut, wird dort die gleiche EURichtlinie in einem ganz schmalen Verfahren umgesetzt. Wenn man dann nach Deutschland schaut, wie sehr auch Privatunternehmen die Straftaten verschiedenster Art nicht nur anzeigen, sondern auch mit einem gewaltigen Aufwand an Dokumentation und Verfolgung begleiten müssen, dann ist das schon bedenklich; denn grundsätzlich sind die Strafverfolgungsbehörden für diese Dinge da. Nicht staatliche Einrichtungen in die Strafverfolgung derart einzubinden, ist ein Dammbruch und ein Ofenbarungseid des Staats.

(Vizepräsident Matthias Lammert übernimmt den Vorsitz)

Das entspricht nicht mehr dem Gedanken, Schutz der Hinweisgeber, sondern das ist die Ausweitung der staatlichen Strafverfolgung auf Private. Es kann nicht sein, dass der private Unternehmer zum Büttel des Staats gemacht wird.

Das hiesige Landesgesetz dient jedoch der Ausführung des Hinweisgeberschutzes für den kommunalen Bereich in Rheinland-Pfalz und hält sich in den rechtlichen Möglichkeiten, aber auch in den Grenzen der EU-Richtlinie

und der bundesrechtlichen Regelung des Hinweisgeberschutzgesetzes.

Das Ziel für Rheinland-Pfalz muss es sein, die Einrichtung von internen Meldestellen efzient und ressourcenschonend zu ermöglichen. Deshalb werden wir den Gesetzgebungsprozess positiv begleiten.

(Beifall der FREIEN WÄHLER)

Wir fahren in der Rednerfolge fort. Für die Landesregierung erteile ich Innenminister Michael Ebling das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine Damen und Herren Abgeordnete! Lassen Sie mich noch einmal feststellen oder vielleicht weitestgehend gemeinsam bekräftigen, Hinweisgebersysteme sind kluge Systeme. Sie sind nicht nur so etwas wie State of the Art, würde man lapidar sagen, sondern sie werden massenhaft in der Praxis von Unternehmen schon jahrelang genutzt, weil man ihren nachhaltigen Nutzen schätzen gelernt hat, weil sie oftmals helfen, Schaden abzuwenden, und weil es eben auch ein Beitrag zur Fehlerkultur ist. Deshalb sollten sie nicht verdammt werden und am allerwenigsten in den Ruch kommen, es hätte irgendetwas mit hintertückischem Verhalten zu tun. Das Gegenteil ist eher der Fall. Sie sind ein Stück Transparenz. Es ist eine nachvollziehbare Complainceregelung, die am Ende die Rollen klarer und vor allen Dingen nachvollziehbarer fasst. Deshalb ist es gut, dass man die Hinweisgeber, die Hinweisgeberinnen an dieser Stelle entsprechend schützt.

Auch hier in der Debatte konnten wir aber erleben, Hinweisgebersysteme werden in der Regel – das sagt die allgemeine Lebenserfahrung – am meisten von denen befürchtet, die wahrscheinlich auch die Hinweise befürchten müssen.

Ich bin den Fraktionen, die diesen Gesetzentwurf gemacht haben, ausdrücklich dankbar, dass sie in der Anwendung und Umsetzung dieses Gesetzes eine sehr kommunalfreundliche Regelung gefunden haben und nicht nach Schema F vorgegangen sind, sondern Diferenzierungen an den Tag gelegt haben. Das ist hier schon verschiedentlich genannt worden. Ich glaube, es ist für die kommunale Familie ein wichtiges Signal, dass man es so umsetzt, dass es am Ende auch handhabbar wird und es im Übrigen auch die interkommunale Zusammenarbeit durchaus fördert und unterstützt.

In dem Sinne bedanke ich mich bei den Fraktionen noch einmal ausdrücklich dafür, diese verbindlichen Vorgaben so angepackt zu haben, und will mit dafür werben, dass dieses Gesetz am Ende gut in Kraft treten kann.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Philipp Fernis, FDP)

Damit sind wir am Ende der Debatte zum Tagesordnungspunkt 4. Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP – Drucksache 18/8552 – an den Innenausschuss – federführend – und mitberatend an den Rechtsausschuss zu überweisen. Gibt es dagegen Widerspruch. – Das ist erkennbar nicht der Fall. Danke schön.

Dann kommen wir zu Punkt 5 der Tagesordnung: