Protokoll der Sitzung vom 24.01.2024

(Abg. Martin Haller, SPD: Sehr gut!)

Man wolle auf die Herausforderungen unseres Bildungssystems mit Lösungen des 18. Jahrhunderts reagieren, so Herr Köbler damals für die Ampelkoalition. Zum Glück sei unsere Gesellschaft im 21. Jahrhundert weiter.

(Abg. Carl-Bernhard von Heusinger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja!)

Heute, vier Jahre später, sehen wir sehr deutlich, wo unser rheinland-pfälzisches Bildungssystem steht. Es steht vor einem Desaster. Nach dem IQB-Bildungstrend 2018, der unserem Bundesland in den Bereichen der Mathematik und Naturwissenschaften ein sinkendes Niveau attestierte, haben jetzt auch die IQB-Studie des Jahres 2022 und die im Dezember veröfentlichte PISAStudie alarmierende Ergebnisse erbracht. 15-Jährige sind in Deutschland

in Mathematik, Naturwissenschaften und Lesen so schlecht wie nie. Bei rheinland-pfälzischen Neuntklässlern hat die Lesekompetenz weiter abgenommen. Mehr als ein Drittel von ihnen erreicht im Zuhören nicht einmal den Mindeststandard. Das ist das Resultat Ihrer angeblich zukunftsorientierten Bildungspolitik, meine Damen und Herren von der Ampel.

Natürlich sind die Ursachen für diese Entwicklung vielfältig. So hat die Zuwanderung seit dem Jahr 2015 unsere Schullandschaft grundlegend verändert. Lehrer sehen sich immer häufiger mit Schülern konfrontiert, die unzureichende oder gar keine Deutschkenntnisse haben, die aber nach dem Willen der Landesregierung trotzdem im Regelunterricht beschult werden.

Dass das nicht funktioniert, hat inzwischen sogar die CDU-Fraktion verstanden und deshalb mit ihrem morgigen Antrag wieder einmal eine alte AfDForderung kopiert.

(Abg. Joachim Paul, AfD: Genau!)

Hinzu kommt, dass politisch gewollte Veränderungen in den Familien Defizite im Sozialverhalten vieler Kinder zur Folge haben,

(Zuruf von der SPD: „Drei Farben“!)

die in der Schule mühsam korrigiert werden müssen. Nicht zuletzt hat man mit der Abschafung der Hauptschule die Dreigliedrigkeit zerstört und mit einer ideologischen Inklusionspolitik zusätzliche Probleme geschafen.

All das bedeutet eine riesige und zunehmende Herausforderung für unsere Lehrer. Im Unterschied zu Kultuspolitikern, deren schulische Erfahrungen in der Regel nur bis zum Abitur reichen, weiß jeder Praktiker, dass es unmöglich ist, in extrem heterogenen Klassen klar definierte Lernziele zu erreichen. Wie sehr man sich auch bemüht, am Ende steht immer ein Absenken des Leistungsniveaus, steht Frust bei leistungsstarken Schülern, die ihre Möglichkeiten nicht ausschöpfen können, aber auch Frust bei denen, die trotz allem scheitern, weil sie schlichtweg in der falschen Schule sind.

Meine Damen und Herren, deshalb ist und bleibt der Ansatz richtig, über eine neue Ausdiferenzierung unseres Schulsystems nachzudenken. Das ist nicht rückwärtsgewandt, sondern zukunftsorientiert;

(Glocke des Präsidenten)

denn ohne gute Bildung kann unser Land auf Dauer nicht bestehen.

Wir stimmen dem Antrag zu.

Vielen Dank.

(Beifall des Abg. Martin Louis Schmidt, fraktionslos – Abg. Sven Teuber, SPD: Wir? Pluralis Majestatis, oder was ist das? – Abg. Benedikt Oster, SPD: Es gibt kein „Wir“!)

Für die Landesregierung spricht Staatsministerin Dr. Stefanie Hubig.

(Unruhe bei der SPD und bei der AfD – Glocke des Präsidenten)

Frau Dr. Hubig hat das Wort.

Vielen Dank. – Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der AfD, den wir heute beraten, ist so ein bisschen wie beim Lotto. Nicht 6 aus 49, sondern 3 aus 7, würde ich einmal sagen. Die Zahl ist sehr beschränkt.

Wir kennen den Antrag. Ich sage gleichwohl etwas dazu, obwohl hier heute schon sehr viel Richtiges gesagt worden ist.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Von Herrn Paul, ja!)

Wir brauchen – ganz klar – keine neue Handwerks- und Gewerbeschule. Wir haben die Realschule plus, und die Realschule plus verbindet Praxis und Theorie. Die Realschule plus bietet Praktika an. Sie ist eng verbunden mit Handwerksbetrieben, mit Gewerbebetrieben und mit Unternehmen. Junge Menschen, die dort sind, werden dort optimal gefördert.

(Unruhe bei der AfD)

Ich frage mich schon, was Sie für ein Bild vom Handwerk haben. Da hat der Kollege Teuber schon recht.

(Abg. Joachim Paul, AfD: Ne, hat er nicht!)

Ich möchte gar nicht aus Ihrem Antrag zitieren. Doch, ich tue es: Wer sich mit dem Lernen schwertut, kann handwerklich begabt sein. – Unsere Handwerkerinnen und Handwerker heute, die brauchen aber Fachwissen. Die müssen rechnen können und Ahnung haben von Computerprogrammen. Die sind keine, die nur ein bisschen Hämmern, Bohren und Schrauben können, sondern das müssen Leute sein, die auch eine schulische Bildung haben, und die bekommen sie ganz hervorragend in der Realschule plus, in den Integrierten Gesamtschulen. Natürlich können auch die, die aufs Gymnasium gehen, in eine Ausbildung gehen. Das ist richtig und gut so.

(Beifall der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Abg. Michael Frisch, fraktionslos: Deshalb werden die Leistun- gen immer besser!)

Deshalb brauchen wir Ihre Handwerks- und Gewerbeschule, mit der Sie hier zum zweiten oder dritten Mal schon antreten, nicht.

(Abg. Joachim Paul, AfD: Wird nicht das letzte Mal sein!)

Wenn Sie dann PISA und IQB als Begründung anfügen, dann sollten Sie vielleicht auch einmal so ehrlich sein, dass Sie einmal hineinschauen, was eigentlich in der PISA-Studie steht und was Herr Schleicher sagt. Herr Schleicher sagt nämlich: „Das deutsche Schulsystem schickt Kinder zu früh auf vorgefertigte Bahnen.“ Das seien Strukturen der Industriegesellschaft des vergangenen Jahrhunderts,

(Beifall des Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

als man noch davon ausging, dass nicht so viele Wissensarbeiter gebraucht werden. Heute dagegen müssen wir jedes Talent fördern. Lesen Sie einmal PISA. Es ist erhellend, kann ich Ihnen sagen, und es wird genau den Kurs bestätigen, den wir eingeschlagen haben.

(Heiterkeit des Abg. Joachim Paul, AfD)

Wir haben nämlich gesagt, dass wir Basiskompetenzen fördern, und wir haben ein Neun-Punkte-Programm vorgelegt. Wir haben in der Vergangenheit schon für die Grundschulen festgelegt, dass es einen Grundwortschatz geben muss, der nicht von der AfD ist, sondern bei dem wir uns entschieden haben, es so zu tun, zusammen mit Hessen. Wir haben den Grundschulen gesagt, sie müssen verbindlich „Mathe macht stark“, „Lesen macht stark“ machen. Das zeigt Erfolge, und es zeigt, dass wir da vorankommen.

Wenn Sie jetzt fordern, Abschlussprüfungen für die 9. und 10. Klasse, und so tun, als sei dann die Welt in Ordnung,

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

kann ich Ihnen nur sagen: Die Länder, die Abschlussprüfungen haben, haben bei IQB kein bisschen anders abgeschlossen. Schauen Sie es sich an, und Sie werden sehen, das ist nicht der richtige Weg.

Was ich aber eigentlich auch noch sagen will und was mich wirklich umtreibt nach der Diskussion, die wir heute Mittag hatten: Sie haben sich heute Mittag hier hingestellt und gesagt, wir wollen keine Klassengesellschaft, Erste und Zweite Klasse. Das haben Sie weit von sich gewiesen, aber genau das ist Ihr Plan. Das erkennt man glasklar an diesem Antrag;

(Zuruf des Abg. Carl-Bernhard von Heusinger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

denn Sie wollen die Kinder wegnehmen. Sie wollen unterscheiden, ganz früh, in die Guten und in die Schlechten, in die Deutschen und die Nichtdeutschen,

(Abg. Martin Haller, SPD: Ja, genau so ist das! Genau so ist das! – Heiterkeit bei der AfD)

in die Schwachen und die Starken. Die einen sollen mit den anderen nichts zu tun haben. Die Starken sollen gefördert werden und die Schwachen irgendwo anders hin.

(Abg. Martin Haller, SPD: Ekelhaft ist das!)

Das ist Ihr Plan, und das ist auch Ihre Vorstellung von Gesellschaft. Wenn Sie auch nur einen Funken ehrlich wären, hätten Sie jetzt auch einmal den Mumm, das zu sagen und nicht im Hinterzimmer zu planen, was Sie umsetzen wollen, was Sie aber jetzt weit von sich weisen.

(Beifall der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Abg. Martin Haller, SPD: Sehr gut, Stef! So sieht es doch aus!)

Wissen Sie, wenn Sie ein bisschen mutiger wären, dann würden Sie das auch einmal sagen. Ihre Pläne sagen es ganz deutlich. Das ist Ihr Plan. Sie wollen, dass beeinträchtigte Kinder nur noch auf Förderschulen gehen. Sie wollen sie nicht in einer inklusiven Schule haben. Sie wollen, dass die, die nach Ihrer Meinung nicht richtig denken können, dann nur noch Handwerk machen. Die sollen auf die Handwerksschule gehen.

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Nein, schauen Sie sich doch Kinder einmal an. Kinder sind vielfältig.