Es ist fast schon rechts oder extremistisch, wenn man Ihre Schulpolitik und Bildungspolitik ablehnt. Das ist nun wirklich, muss man sagen,
Auf Erwiderung wird verzichtet. Dann gehen wir weiter in der Redefolge. Ich erteile für die CDU-Fraktion Abgeordnetem Jens Münster das Wort. Auch er spricht heute das erste Mal zu uns und hält heute seine Jungfernrede. Viel Erfolg.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der AfD-Fraktion beschäftigt sich mit der Einführung einer Handwerksund Gewerbeschule (HGS). Als eine Begründung für deren Einführung nennt dieser Antrag die Ergebnisse der PISA-Studie und die neueste Erhebung des IQB. Wie schön, dass Sie sich für eine gute Ausdiferenzierung im Schulsystem aussprechen. Nur ist der Antrag der AfD-Fraktion vieles, aber bestimmt nicht diferenziert.
Bereits ab der 5. Klasse in der Realschule plus soll eine klare Diferenzierung – Zitat – „in eine stark grundlagenorientierte Schulform (HGS – Handwerks- und Gewerbeschule) und eine mehr allgemeinbildende (Realschule)“ vorgenommen werden. Nur wer soll diese Diferenzierung vornehmen? Die Grund
schullehrer? Die Lehrer an der Realschule plus? Beide zusammen? Ein Ausschuss verschiedener Lehrer? Wer soll das alles dann noch abschließend bewerten? Wie sieht es mit den Übergängen zwischen den Varianten auch innerhalb der gleichen Schulform aus? Vor allem: Was ist mit dem Elternwillen zur Anmeldung an der von Ihnen neu geschafenen Schulform? Soll der direkt auch abgeschaft werden? Was ist mit jemandem, der erst nach der Pubertät richtig durchstartet, dann gute Noten hat und sich plötzlich für andere Dinge interessiert? Wie gestalten sich dann Übergangsmöglichkeiten zwischen diesem Schulzweig auch nach der Schulzeit? In diesem Antrag sind keinerlei Antworten und keine Ausdiferenzierung.
Es ist einfach, auch auf einer rein formalen Ebene, kein guter Antrag, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Was hat die Forderung, sich auf Bundesebene für einen Stopp der Masseneinwanderung einzusetzen, mit der von Ihnen propagierten Einführung der Handwerks- und Gewerbeschule zu tun?
Sie bemängeln zu wenig Nachwuchs im Handwerk und Gewerbe, verschweigen aber, dass in den letzten Jahrzehnten sehr viele Menschen mit einem Migrationshintergrund gerade in diesen Bereichen Fuß gefasst haben. Ohne Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte – sei es in erster, zweiter oder dritter Generation – würden die meisten Handwerker- und Gewerbebetriebe schon heute in Deutschland gar nicht mehr laufen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Statt das anzuerkennen und mehr gute Integration in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen, fordern Sie gar keine Zuwanderung mehr und stattdessen eine neue Schulform, die viele Fragen ofenlässt und inhaltlich sehr dünn argumentiert ist. Wir als CDU-Fraktion stehen klar zu unserem diferenzierten Schulsystem nach der Grundschule mit Förderschulen, Realschulen plus, Gymnasien, berufsbildenden Schulen und vor allen Dingen einem klaren Ja zu einer starken Förderschule.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir als CDU setzen uns für starke verschiedene Schulformen ein. Gerade durch Förderschulen, starke berufsbildende Schulen und starke Realschulen plus kann eine Verbesserung der Situation im Handwerk und im Gewerbe gelingen, aber auch durch eine
zielgerichtete Einbindung in den Arbeitsmarkt mit Maß und Mitte. Wir brauchen dafür verbesserte Rahmenbedingungen wie die Intensivklassen, mehr Sprachförderung, mehr Lehrpersonal und mehr Zeit für die Fertigkeiten in den Grundfähigkeiten Lesen, Schreiben und Rechnen.
Dieser wird einen der Bausteine, die wir als CDU als Bestandteil guter Bildung ansehen, diskutieren. Dieser wird diferenziert sein und ohne Parolen auskommen. Den vorliegenden Antrag werden wir als CDU-Fraktion ablehnen.
Wir fahren in der Redefolge fort. Für die Fraktion der FREIEN WÄHLER darf ich Abgeordnetem Helge Schwab das Wort erteilen. Sie haben maximal 6 Minuten, davon eine zusätzlich. Sie können aber auch weniger nehmen.
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Direkt zu Beginn möchte ich sagen, ich empfinde den vorliegenden Antrag als höchst irritierend. Mit der letzten Forderung, sich auf Bundesebene für einen Stopp der Masseneinwanderung einzusetzen, haben Sie sich für die Debatte um gute Bildungspolitik selbst disqualifiziert;
denn es geht Ihnen nicht darum, konstruktive Lösungen aus den jüngsten Schulleistungsstudien zu ziehen, sondern Sie möchten erneut über die Migrationspolitik sprechen. Bitte machen Sie das nicht auf dem Rücken unserer Schülerinnen und Schüler und schon gar nicht auf dem Rücken engagierter Lehrkräfte.
Eigentlich könnte ich hier schon am Ende sein, aber ich möchte dennoch auf zwei Aspekte Ihres Antrags eingehen. Die Befunde des IQB-Bildungstrends und der PISA-Studie dürfen uns nicht unberührt lassen; selbstverständlich müssen wir daraus Konsequenzen ziehen.
Unsere Jugendlichen schneiden in Deutsch, Mathematik und in den Naturwissenschaften schlechter ab als noch im Jahr 2018. Dafür ursächlich sehen wir als Freie Wähler besonders die sinkenden Kompetenzen in Lesen, Schreiben und Zuhören, und das nicht nur bei Kindern mit Deutsch als Zweitsprache. Dafür ist aber die Einführung der Handwerks- und Gewerbeschule beileibe nicht die Antwort bzw. beste Lösung.
Unsere Schülerinnen und Schüler brauchen gute Deutschkenntnisse, um ihr Potenzial und ihre Fähigkeiten in allen Fächern ausschöpfen zu können. Sie müssen für die Unterrichtssprache interessiert und motiviert sein. Das gilt für alle Schulformen gleichermaßen. Das, was also hier vorgelegt wurde, ist Schaufensterpolitik.
dachte ich schon, dass Sie unter dem Deckmantel der Handwerks- und Gewerbeschule zurück zum dreigliedrigen Schulsystem wollen, aber genau das wollen Sie nicht.
Ironie of. Natürlich wollen Sie zurück zum dreigliedrigen Schulsystem. Während in den 90er-Jahren noch über 80.000 Schülerinnen und Schüler eine Hauptschule in Rheinland-Pfalz besuchten, waren es im Jahr 2010 nur noch rund 9.000 – ein Rückgang um 90 % –, obwohl es ohne Frage eine gute Schule war, in der hervorragende Arbeit geleistet wurde. Der Hauptgrund aber war, die Hauptschule wurde von den Eltern und der Gesellschaft nicht mehr akzeptiert und wertgeschätzt.
Mit dem Versprechen der Landesregierung unter Kurt Beck, dass alle Schülerinnen und Schüler entsprechend ihrer Leistung und Eignung individuell gefördert und unterstützt werden, gibt es bis heute die Realschule plus, doch fehlen nach wie vor Ressourcen in diesem System, um das Versprechen einzulösen. Ja, vor allem mangelt es seit dem Schuljahr 2013 und 2014 an qualifizierten Fachkräften. Hier muss sich etwas ändern. Doch da hilft leider auch nicht die Rückkehr in das dreigliedrige Schulsystem, auch wenn ich persönlich dieses für sehr efektiv gehalten hatte.
Die Eltern stimmten bereits vor mehr als 15 Jahren mit den Füßen ab. Außerdem will ich bei dem Punkt strikt widersprechen.
Nicht nur die Realschulen oder eine Handwerks- und Gewerbeschule sollen eng mit Handwerk, Gewerbe und Industrie zusammenarbeiten, sondern aus Sicht der Landtagsfraktion der FREIEN WÄHLER gilt das auch für unsere Gymnasien. Wir sprechen uns für die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Ausbildung und Bildung aus. Wir Freie Wähler wollen, dass alle Schülerinnen und Schüler eine umfassende und praktisch orientierte Berufsund Studienorientierung erhalten; denn der Fachkräftebedarf von heute und morgen lässt sich nur dann decken, wenn wir unsere Heranwachsenden frühzeitig an das breite Spektrum der Wirtschaft und der Berufswelt heranführen und an allen weiterführenden Schulen die Maßnahmen dafür intensivieren. Wir FREIE WÄHLER hatten dies bereits mehrfach in diesem Hohen Hause gefordert. Das lässt Ihr Antrag völlig außer Acht. Vielmehr spielen Sie beides, nämlich Ausbildung und Studium, gegeneinander aus und zeigen damit, wie Sie denken, nämlich in Schubladen. Aus den genannten Gründen lehnen wir den vorliegenden Antrag selbstverständlich ab.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Schon im September 2019 hat die damalige AfD-Fraktion einen Antrag eingebracht, in dem sie eine umfassende Kurskorrektur in der rheinland-pfälzischen Bildungspolitik gefordert hat: weg vom Ziel einer Schule für alle, hin zu einem wieder mehr gegliederten Schulsystem, das es jedem Kind ermöglicht, seine Stärken optimal zu entfalten. Alle anderen Fraktionen haben das damals abgelehnt.