Protokoll der Sitzung vom 24.01.2024

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte um die Agrarkürzungen zeigt aus meiner Sicht dreierlei auf. Zunächst wurden

quasi über Nacht Planungssicherheit und Zuverlässigkeit von der Berliner Ampelregierung vom Tisch gefegt. Verlässlichkeit wurde nicht mehr dargestellt. Deswegen sind zu Recht Tausende von Bäuerinnen und Bauern auf die Straße gegangen, um das einzufordern, was für ihren Berufsstand so wichtig ist, nämlich Planungssicherheit und Verlässlichkeit. Deswegen müssen diese Kürzungen wieder vollständig vom Tisch.

Zweitens: Die Art und Weise, wie sich das vollzogenen hat, hat erneut zu einem enormen Vertrauensverlust in die Politik in Gänze geführt. Davon profitiert leider nur eine Fraktion in diesem Hause, rechts außen, die AfD. Das ist extrem zu bedauern.

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Drittens: Irgendwie ist es zur politischen Praxis geworden, dass Menschen, die sich zusammentun und auf der Straße für ihre Interessen eintreten – das ist ganz wichtig in einer Demokratie –, in die rechte Ecke gestellt werden.

In einer Tageszeitung in Deutschland war zu lesen, der „Mähdrescher-Mob“.

(Zuruf des Abg. Joachim Paul, AfD)

Wie müssen sich die Männer und Frauen fühlen, die auf Traktoren und Mähdreschern sitzen, wenn die Politik und Teile der Medienlandschaft derart übergrifg Dreck auf sie werfen?

(Zuruf des Abg. Michael Frisch, fraktionslos)

Das muss der Vergangenheit angehören.

(Beifall der Abg. Michael Frisch, Matthias Joa und Martin Louis Schmidt, fraktionslos)

Klar ist, die Kürzungen sind zu wenig. Die Bauernschaft ist weiter als dieser CDU-Plenarantrag. Die Bäuerinnen und Bauern fordern zu Recht die Umsetzung der Ergebnisse der Zukunftskommission. Der Abschlussbericht, einstimmig verabschiedet, liegt seit Sommer 2021 vor. Dort sind bemerkenswerte Ziele formuliert. Ich will einige herausgreifen, nachzulesen auf der Seite 48.

Eine zentrale Botschaft ganz am Anfang: Es soll nicht mehr um das Wachsen oder Weichen bei den Betrieben gehen, sondern die Anzahl der Betriebe soll stabilisiert und, wenn möglich, wieder ausgebaut werden. Das ist Zielsetzung dieser Zukunftskommission.

Des Weiteren wird gefordert, dass wieder ein Humusaufbau auf den Ackerböden stattfinden soll, weil in Deutschland und europaweit ein beklagenswerter Abbau von Humus auf unseren Ackerflächen zu beobachten ist.

Es wird zum Beispiel Sortenvielfalt und dass wieder vielfältige Fruchtfolgen stattfinden sollen gefordert. Es wird gefordert, dass möglichst eine ganzjäh

rige Bodenbedeckung da ist, die gerade vor dem Hintergrund der Starkregenereignisse zunehmend wichtig ist. Ferner wird zum Beispiel gefordert, dass die Junglandwirte einen verbesserten Zugrif auf das Wirtschaftsgut Boden bekommen.

All diese Forderungen sind formuliert und dokumentiert in der Zukunftskommission. Die Frage heute muss sich an die Landesregierung richten, welche dieser Forderungen auf Landesebene mit umgesetzt worden sind und welche Forderungen über Bundesratsinitiativen in Berlin eingefordert werden.

Vielen Dank.

(Abg. Sven Teuber, SPD: Stille!)

Jetzt spricht für die Landesregierung Staatsministerin Schmitt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich vielleicht vorweg sagen, es ist eine anspruchsvolle, eine schwierige Lage, nicht nur für die Landwirtschaft, aber für die Landwirtschaft ganz besonders. Deswegen habe ich Verständnis für die Proteste.

Ich will auch vorab ganz klar sagen, die Veranstaltungen, an denen ich persönlich teilgenommen habe – es waren einige –, sind friedlich und geordnet verlaufen. Man hat sich an die Absprachen gehalten. Ich will an der Stelle einen Dank aussprechen, einen Dank an die Veranstalter, aber auch ganz besonders einen Dank an die Polizei und die Ordnungskräfte. Es war eine große Leistung. Herzlichen Dank dafür.

(Beifall der FDP, bei der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die im Dezember vorgelegten Einsparvorschläge der Bundesregierung waren von Anfang an für mich in der Form nicht akzeptabel. Warum? – Weil sie den Agrarsektor überproportional trefen würden. Sie waren völlig unabgestimmt mit den Berufsverbänden

(Zuruf des Abg. Joachim Paul, AfD)

und mit den Landeslandwirtschaftsministerinnen und -ministern, und – das sage ich hier auch noch einmal ganz klar – man hat die Bedeutung der Landwirtschaft für den ländlichen Raum völlig unterschätzt. Die Landjugend, die Landfrauen, die Landwirte, die das Dorfest organisieren, sich bei der Feuerwehr engagieren und letztendlich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt einsetzen, diesen Blick hat man in Berlin der Landwirtschaft nicht geschenkt. Deswegen war das für mich nicht akzeptabel.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD – Zuruf des Abg. Joachim Paul, AfD)

Ich habe mich direkt Mitte Dezember klar dazu geäußert und das noch einmal in einem Schreiben an die Bundesminister Özdemir und Lindner dokumentiert. Ich sage an der Stelle, die Rücknahme der Streichung der Kfz-Steuerbefreiung für land- und forstwirtschaftliche Nutzfahrzeuge ist ein erster Schritt und geht in die richtige Richtung.

(Zuruf von der AfD)

Wichtig ist jetzt, meine Damen und Herren, dass wir den Dialog aufnehmen. Ich sage ganz klar, den Dialog miteinander, nicht den Dialog übereinander und nicht den Dialog gegeneinander. Wir Länder bringen uns seit Mitte Dezember aktiv ein, aber ich will auch noch einmal betonen, der Bund ist jetzt gefordert. Ich bin dankbar, dass wir letzte Woche anlässlich der Grünen Woche – viele von Ihnen waren ebenfalls in Berlin – die Zeit genutzt haben für Gespräche. Ich war mehrfach mit dem Bundeslandwirtschaftsminister zusammen. Viele Parlamentarierinnen und Parlamentarier haben auch diese Begegnungen genutzt und klargemacht, was es mehr braucht.

An der Stelle will ich klar sagen, für mich, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist Agrarpolitik viel, viel mehr als die Debatte über das grüne Kennzeichen und den Agrardiesel. Deswegen brauchen wir jetzt ein Gesamtpaket, damit die Landwirtschaft im harten Wettbewerb bestehen kann, damit die Betriebe eine Zukunftsperspektive haben, gerade auch die junge Generation, und damit Deutschland auch in Zukunft Nahrungsmittel hier produzieren kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was meine ich mit einem Gesamtpaket? – Es geht für mich zunächst einmal um das Thema „Wertschätzung“, aber auch um das Thema „Verbraucherverhalten“. Es geht zudem darum, die Rolle des Lebensmitteleinzelhandels zu erfragen. Darüber hinaus geht es noch um Planungssicherheit. Wenn ich von Planungssicherheit spreche, geht es mir auch um die Frage der Genehmigungen und Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln. Hier brauchen wir ebenfalls Verlässlichkeit.

Selbstverständlich gehört zum Gesamtpaket auch die Zukunft der GAP-Strategie, die erste und die zweite Säule. Hier sollte es aus meiner Sicht keine weiteren Umschichtungen geben, auch hier braucht es Verlässlichkeit für die Betriebe.

(Beifall bei der FDP sowie vereinzelt bei der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen ganz klar auch die aufgeblähte Bürokratie in den Blick nehmen. Wie ist es im landwirtschaftlichen Betrieb? – Da ist es der Landwirt, der sich samstags abends oder sonntags morgens, wenn andere in die Kirche gehen, an den Schreibtisch setzt und es selbst macht. Da gibt es kein Rechnungswesen und keine Büroabteilung, da muss es von ihm selbst gemacht werden.

Ich bin auch dankbar für – das will ich auch noch einmal sagen, vielleicht hat

der eine oder andere in top agrar das Interview mit Bundesfinanzminister Lindner gelesen – Tarifglättung, Risikoausgleichsrücklage. Das sind Schritte in die richtige Richtung und zeigen, vieles ist in Bewegung geraten. Das ist gut so. Viele sind aber Bundes- und europäische Themen. Deswegen werden wir seitens Rheinland-Pfalz die Stimme über die Agrarministerkonferenz erheben.

Wenn wir über ein Gesamtpaket für den Agrarsektor für die Landwirtschaft sprechen, will ich in aller Klarheit für die Zukunft sagen, aus meiner Sicht sind der Schlüssel für die Herausforderungen der Zukunft ganz klar Innovation, Forschung und Entwicklung, technologischer Fortschritt, neue Antriebstechnologien, sodass wir in Zukunft gar nicht mehr über den Agrardiesel sprechen müssen.

Es geht um Applikationstechnik, um Mittel präzise ausbringen zu können. Wir sollten auch der grünen Biotechnologie Chancen einräumen, das realistisch zu prüfen; denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, nur so werden wir in Zukunft den Folgen des Klimawandels gerecht werden. Es braucht einen breiteren Instrumentenkasten und keinen schmäleren.

Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft – das will ich zum Schluss sagen – geht nur mit Wirtschaftlichkeit. Nur wenn die Betriebe wirtschaftlich stark aufgestellt sind, können sie wichtige Investitionen tätigen und am Ende auch die Familie davon ernähren. Das sollte uns umtreiben.

Ich freue mich, dass wir heute noch weiter die Gelegenheit haben, über das Thema zu sprechen, aber an die antragstellende Fraktion, das Bekenntnis seitens Rheinland-Pfalz ist klar. Daran sollten wir weiter arbeiten.

Herzlichen Dank.

(Beifall der FDP sowie vereinzelt bei der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt hat Abgeordneter Zehfuß das Wort. Sie haben noch 3 Minuten Redezeit.

Die FDP hat in ihrem Wahlprogramm 2021 das Thema „Lebt der Hof, lebt das Land“ aufgenommen, so, wie das vorhin Kollege Weber gesagt hat.

(Zuruf des Abg. Marco Weber, FDP)

Damit haben Sie nur allzu recht.

(Beifall bei der CDU)

Frau Schmitt, lieber Herr Kollege Marco Weber, Umsetzung versuchen, Ver

ständnis haben, reicht nicht aus. Wir brauchen ein verbindliches Ergebnis, dass wir dem Hü und Hott der Ampelregierung ein Ende setzen und sich Landwirte wieder auf das verlassen können, was sie kurz vorher noch gesagt bekamen.

(Beifall der CDU und bei den FREIEN WÄHLERN)