Protokoll der Sitzung vom 12.06.2024

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall der AfD)

Für die FDP-Fraktion spricht Abgeordneter Wink.

Verehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich den Wandel der Bevölkerung in den westlichen Industrieländern anschaut, dann fällt der demografische Wandel extrem auf, und das ist auch in Deutschland der Fall. Wir werden immer älter, die medizinische Versorgung wird besser, Bildung und Forschung steigen.

Wir haben einen sehr hohen Wohlstand. Das steigert unser Glücksgefühl

und unsere Lebenserwartung. Diese Lebenserwartung zieht die Herausforderungen mit sich, weshalb das Thema der würdevollen und qualitativ hochwertigen Pflege immer wichtiger und auch individueller wird. Wenn man sich die Zahlen der Pflegevorausberechnungen anschaut, so hatten wir im Jahr 2021 241.000 Pflegebedürftige über alle Kategorien hinweg, im Jahr 2035 sind es 280.000 und 2055 sind das 340.000.

Die Herausforderung der Zwei-Generationen-Pflege wurde von den Kolleginnen und Kollegen schon angesprochen, aber wir haben auch die Sache, dass jüngere Generationen im Bereich der Pflege wesentlich besser gebildet sind, was zum Beispiel den Antrag beim MDK bzw. der Krankenversicherung betrift.

Neben den Vorausberechnungen folgt ein weiteres Modell nach der Einführung des Pflegebedürftigkeitsbegrifs von 2017. Damals wurde die Pflegebedürftigkeit in die Klassen 1 bis 5 eingeteilt. Daraus resultierten Einführungsefekte und somit ein essentieller Anstieg der Zahlen. Das Statistische Bundesamt schätzt, dass der Anstieg bis 2027 gedämpft und dann nur langsam fortgeführt wird.

Dennoch sind individuelle Konzepte nötig. Ein Pfeiler ist der Ausbau der Pflegestruktur, die Bereitstellung von Mitteln, um die Qualität der Pflege aufrechtzuerhalten und zu verbessern. Dies passiert im Bund und im Land. Ein Stück weit wirkt die in Rheinland-Pfalz umgesetzte Schulgeldfreiheit für Gesundheitsberufe in diesem Bereich mit.

Ein Punkt, der auch uns wichtig ist, ist die Digitalisierung der Pflege. Die Digitalisierung der Pflege bedeutet nicht, wie es sich manche vorstellen, dass wir von Robotern gepflegt werden. Es ist einfach die Unterstützung, die schnelle Kommunikation zwischen den Fachkräften oder mit den Patienten, die Dokumentation, Lesefehler verhindern, Rückfragen verhindern, mehr Zeit für Patientinnen und Patienten haben, um ins Gespräch zu kommen, sich den Bedürfnissen hinzugeben, aber auch die Entlastung durch technische Assistenzsysteme wie TeleCare oder Hausnotrufsysteme, ebenfalls Lernkooperationen, die wichtig sein werden, oder Bildungskomponenten, die wichtig sind. Deshalb loben auch wir als FDP-Fraktion die Bildungsofensive, die in Rheinland-Pfalz gestartet wurde, Herr Minister.

Lassen Sie mich noch zwei Punkte ansprechen. Wichtig für die FDP-Fraktion ist auch, dass wir uns die Generalisierung anschauen, immer wieder anschauen, neu evaluieren und eventuell, bei Bedarf und wenn nötig, laufend fortentwickeln. Ein großer Teil der Bürokratie ist – den Punkt möchte ich ansprechen, Herr Kollege Winkler ist in Teilen schon darauf eingegangen –, wenn zum Beispiel eine Klinik ausländische Pflegekräfte anwerben möchte.

Ich möchte auf einen anderen Punkt eingehen. Wir haben im Ausland oftmals eine andere Ausbildungsstruktur, und wir haben im Ausland oftmals die Situation, dass die Pflegekräfte eine andere Delegation von den Ärzten haben. Sie übernehmen Aufgaben, die manchmal in Deutschland nur von Ärztinnen

und Ärzten ausgeführt werden dürfen. Das heißt, wir haben eine hohe Kenntnis zum Beispiel in der Wundversorgung und eine hohe Berufserfahrung. Jetzt kommen sie nach Deutschland, und dann gibt es hier erst einmal den sogenannten Defizitbescheid. Denen wird dann erst einmal per Bescheid mitgeteilt, dass ihnen zum Beispiel die Kenntnisse über die Grundpflege fehlen würden und sie erst einmal gewisse Module nachholen müssen. Das ist ein großer bürokratischer Aufwand, und er schränkt auch ein Stück weit die Motivation der Pflegekräfte ein, die hierherkommen.

Das sind beides Punkte, die im Ausbildungs- und Berufsanerkennungsgesetz geändert werden könnten; natürlich auf Bundesebene, das ist völlig klar. Wir sprechen zu Recht den Angehörigen ohne eine Ausbildung diese Teile der Grundpflege zu. Bei ausländischen Pflegekräften mit einem hohen Ausbildungsgrad und hoher Berufserfahrung sagen wir manchmal per Defizitbescheid: Dir fehlt diese Grundpflege, mache die und die und die und die und die Module, was sich lang hinzieht.

Wir könnten hier ganz einfach auch in eine On-Top-Ausbildung übergehen. Wir machen es also nebenher, die Person geht arbeiten und kann on top durch die Ausbildung die Stempel abholen, die sie noch braucht. Das wäre noch ein Punkt, der uns in diesem Bereich ebenfalls wichtig und im Bereich der Bürokratie anzusprechen ist.

Letztendlich lässt sich sagen, dass die Pflege eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe bleibt, die auch einer Reform auf Bundesebene bedarf. Daran appellieren wir auch als Freie Demokraten Rheinland-Pfalz. Darüber hinaus ist es eine Aufgabe, die interdisziplinär zu denken und zu gestalten ist. In Rheinland-Pfalz haben wir gewisse Fundamente aufgebaut, und nun muss das bedarfsgerechte Haus weitergebaut, aber nicht aufgebaut werden.

Danke schön.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung spricht Staatsminister Schweitzer.

(Staatsminister Alexander Schweitzer kann die Höhe des Re- depults nur langsam verstellen – Abg. Martin Brandl, CDU: Nicht gleich wieder kaputtmachen! – Weitere Zurufe aus dem Hause – Vereinzelt Heiterkeit im Hause)

Herr Präsident, es tut mir leid, dass durch die technische Verzögerung die Landtagssitzung wahrscheinlich auf unbestimmte Zeit verlängert wurde.

(Vereinzelt Heiterkeit im Hause)

Herr Präsident, vielen Dank für das Wort. – Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank für die Debatte. Ich glaube, man darf ganz neutral feststellen, dass es gut ist, dass wir an einem solch zentralen Punkt unserer Landtagssitzung über ein solch zentrales Thema für die Menschen in Rheinland-Pfalz und darüber hinaus sprechen. Ich kann nur davor warnen, sich gegenseitig bei einem solchen Thema zu überbieten, bei dem Menschen genau hinschauen, weil das unmittelbar etwas mit ihnen und ihrer Lebenswelt zu tun hat.

Ich kann nur davor warnen, sich vor allem daran zu ergötzen, dass man die Begrifichkeiten immer weiter nach oben schraubt. Ob die Situation jetzt explodiert oder implodiert, meine Damen und Herren, darf man nur dann anführen, wenn man im nächsten Satz auch Handlungsleitfäden anbietet.

(Beifall bei der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer das nicht tut, der muss sich selbst überprüfen, ob er tatsächlich einen nachhaltigen Beitrag zur pflegepolitischen Debatte in Deutschland liefert. Zunächst einmal ist es so, die Zahl der Pflegebedürftigen steigt. Wer jetzt überrascht tut, hat sich vielleicht vorher nicht intensiv mit dem Thema beschäftigt. Die Gründe sind übrigens in vielen Beiträgen schon genannt worden. Ich will sie nur unterstreichen.

Das ist natürlich die Demografie. Da will ich schon noch einmal sagen, wer immer sagt, das ist eine Demografiewucht und ein großes Problem, der wird von mir immer Widerspruch hören. Das ist nämlich auch ein Erfolg unseres Sozialwesens, unserer Gesellschaft, auch der Tatsache, dass wir in Frieden und Freiheit leben, dass die Menschen länger leben. Ich werde nicht akzeptieren, dass das vor allem als großes Problem geschildert wird. Natürlich stecken darin Herausforderungen, auch für die sozialen Sicherungssysteme, aber ich werde immer sagen, es ist schön, dass es so ist. Wir wünschen uns das doch alle für uns selbst auch.

(Beifall der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Es ist so, dass wir als Politik, aber nicht nur als Politik und schon gar nicht nur auf Landesebene entsprechende Schritte einleiten müssen. Es ist gesagt worden, dass wir seit vielen Jahren eine Fachkräfteinitiative zum Thema „Pflege“ haben, und die ist auch gut und notwendig vorangekommen. Ich will schon einmal hinzufügen dürfen, dass gerade nach der Einführung der Generalistik, die von vielen immer noch kritisch beäugt wird, deutlich wird, dass es keinen Ausbildungsberuf in Deutschland gibt, der häufiger ergrifen wird als der des Pflegefachmanns oder der Pflegefachfrau. Wir haben 6.000 Menschen in der Ausbildung in Rheinland-Pfalz. Darin steckt wahnsinnig viel Arbeit, übrigens auch der Einrichtungsträger.

Das dürfen wir nicht vergessen. Ich hätte mir gewünscht, dass das auch einmal hervorgehoben und gelobt wird, weil da steckt enorm viel Engagement drin,

meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Marco Weber, FDP)

Hinzu kommt die einjährige Helferausbildung im Bereich der Altenpflege und übrigens auch im Bereich des Gesundheitswesens. Ich bin immer sehr ofen und undogmatisch dafür. Viele Wege können in die Pflege führen, und wir brauchen viele Menschen, auch helfende Hände, in der Pflege. Lassen Sie uns an der Stelle immer gemeinsam arbeiten.

Das Thema „Tariflohntreue“ – das Thema „Lohnentwicklung“ – ist indirekt genannt worden. Ich bin froh, dass inzwischen anerkannt wird, dass da etwas passiert ist. Ich bin vor Jahren von einer Geschäftsführerin einer ökumenischen Sozialstation einmal gewarnt worden: Wenn Politik über Pflege redet, redet sie immer darüber, dass so wenig verdient wird. Dabei hat sich schon so viel getan. Das schreckt die Menschen eher ab, in die Pflege zu gehen. Politiker denken, sie tun der Pflege einen Gefallen, wenn sie sagen, Leute, Leute, da wird viel zu wenig verdient. – Da ist in den letzten Jahren enorm etwas nach oben gegangen. Das muss man auch einmal anerkennen, weil das auch das Verdienst der Pflegeberufsangehörigen ist, die sich hingestellt und das eingefordert haben. Wir in der Politik haben die Rahmenbedingungen dann so gesetzt, übrigens auch in Rheinland-Pfalz. Ich bin sehr froh, das sich das auch in der Höhe der Pflegesätze abbildet. Rheinland-Pfalz liegt in Deutschland im oberen Drittel. Das ist ebenfalls das Verdienst gemeinsamer Anstrengungen. Das darf man auch einmal sagen, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Philipp Fernis und Steven Wink, FDP)

Es ist etwas zu dem Thema gesagt worden, was in Rheinland-Pfalz passiert. Na ja, das ist immer dann schwierig, wenn man es kritisiert, aber in der eigenen Antwort dann vieles von dem schildert, was tatsächlich in RheinlandPfalz passiert. Wir sind Innovationsort, was das Thema „Pflege“ angeht. Ich finde es schade, wenn ein bisschen kritisiert wird, dass es so etwas wie einen Pflegebauernhof gibt. Das ist ein toller Aspekt. Es ist schön, was dort passiert. Ich würde mich freuen, wenn es davon noch mehr gäbe. Wir wollen die Voraussetzungen dafür schafen. Das ist nicht die eine Lösung, aber es gibt in der Pflege auch nicht die eine Lösung.

Das Thema „Digitalisierung“ ist genannt worden. Ja, das ist selbstverständlich, sagt Herr Wäschenbach. Wenn das so wäre, wäre das schön, aber es ist nicht so. Wir mussten in Rheinland-Pfalz vorangehen. Wir waren das erste Land, das eine Pflegestudie zum Thema „Digitalisierung“ auf den Weg gebracht hat. Wir waren das erste Land, das eine Bildungsofensive in den Pflegeschulen auf den Weg bringt. Das waren wir in Rheinland-Pfalz, meine Damen und Herren. Das darf man auch einmal sagen. Herr Wäschenbach, Sie wissen das, aber haben es vergessen. Das ist aber natürlich auch okay.

(Beifall der SPD – Zuruf des Abg. Michael Wäschenbach, CDU)

Ich will zum Schluss hinzufügen: Wir werden in Deutschland eine Diskussion darüber führen müssen, wie sich die Pflege in Zukunft finanziert. Da will ich aus meiner persönlichen Haltung kein Geheimnis machen. Ich glaube, dass die Einführung der sozialen Pflegeversicherung ein sozialpolitischer Meilenstein war. Ich glaube aber auch, dass wir nun neu nachdenken müssen. Eine Teilkaskoversicherung bei diesen Lebensrisiken wird nicht reichen. Da erwarte ich von jedem, der hier eine solche Debatte führt, dass er auch einen eigenen Aspekt dazu liefert. Wer das nicht tut, der weiß, er wird an einem zentralen Punkt immer vorbeireden. Das ist eine Forderung, die ich an die habe, die solche Debatten hier führen. Bekennen Sie sich. Wohin soll die Pflegeversicherung in Zukunft gehen? Wo ist Ihr eigener Standort? Wie wollen Sie das klären? Das wollen die Menschen auch von Ihnen hören, selbst wenn Sie in der Opposition sind.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Philipp Fernis, FDP)

Die zweite Runde beginnt mit Herrn Kunz von den FREIEN WÄHLERN.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Winkler, wenn Sie sagen, das Schif ist auf Kurs, dann müssen wir ernsthaft darüber nachdenken, ob das Schif eine konstante Internetverbindung hat oder das Navigationssystem vielleicht irgendwann einmal vergessen wurde upzudaten; denn nach der Stellungnahme der Liga der Freien Wohlfahrtspflege ist doch ganz klar, wenn von 188 befragten ambulanten Diensten 111 erhebliche wirtschaftliche Probleme haben und 107 von ihnen ihre Existenz als gefährdet ansehen, dass man dann schon die Frage stellen muss: Sind wir mit diesem Schif noch auf Kurs?

(Zuruf des Abg. Sven Teuber, SPD)

Wenn Sie dann vom Oberdeck ein Stück weit tiefer in das Unterdeck zu den Tagespflegen gehen, hat sich da die Situation auch nicht verbessert; denn bei den Tagespflegen ist die Situation ähnlich besorgniserregend. Von 42 Einrichtungen haben 24 erhebliche wirtschaftliche Probleme, und 25 kämpfen um das Überleben.

(Zuruf des Abg. Sven Teuber, SPD)

Wenn Ihnen das immer noch nicht reicht, dann gehen wir weiter zum Maschinenraum. In Ihrem Maschinenraum sieht es nämlich noch schlimmer aus. Bei

den vollstationären Pflegeeinrichtungen stehen von 174 befragten Häusern 104 vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen, und 92 sehen sich in ihrer Existenz bedroht.

Ein Blick in das Logbuch vom Kapitän reicht, Herr Winkler. Er hat nämlich geschrieben, die Zahlen machen deutlich, wie ernst die Lage ist.

Herr Minister Schweitzer, wenn ich Ihnen konkrete Beispiele schuldig bin, dann komme ich dieser Forderung liebend gerne nach.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)