Protokoll der Sitzung vom 12.12.2003

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einige Feststellungen: Eine Meldung von Vogelschutzgebieten, etwa Eiderstedt, nach Brüssel hat es bisher nicht gegeben. Anders lautende Behauptungen sind nicht richtig. Ich glaube, das ist jetzt auch bekannt. Brüssel verlangt jedoch eine solche Meldung, und zwar alsbald. Zwangsgelder sind angedroht. Ein

beliebiges Zeitfenster gibt es nicht. Die Halbinsel Eiderstedt ist wörtlich erwähnt und bestens bekannt.

Eine Bemerkung dazu: Der Landrat des Kreises Nordfriesland, der ja stets Vorreiter gegen die Landesregierung ist, wird nicht müde,

(Jürgen Feddersen [CDU]: Gott sei Dank, kann ich da nur sagen!)

immer wieder in den Gesprächen dieselbe Augenhöhe - etwa zwischen Kiel und Vertretern der Landwirte - zu fordern. Nur, eine gleiche Augenhöhe zwischen Kiel und Brüssel gibt es erst gar nicht, sodass unser Verhandlungsspielraum eher gering ist.

(Unruhe)

Aus gutem Grund können wir - und zwar gerade im Interesse der Betroffenen - nicht dem Wunsch folgen, das Beteiligungsverfahren um ein Jahr zu verschieben. Die Regierung ist in der Tat gut beraten, durch einen Beschluss das Beteiligungsverfahren - ich sage das hier deutlich, darüber gibt es bei uns überhaupt keinen Zweifel - einzuleiten, schon um deutlich zu machen, dass wir uns bemühen und zu handeln beginnen, gerade weil wir die Zustimmung Brüssels für mögliche Sonderformen des Naturschutzes benötigen.

Es gibt im Übrigen zwei weitere Gründe, die gegen eine solche Pause sprechen. Auf der Versammlung in Garding hat der Landrat angekündigt, dass viele Bauern die Nisthilfen für die Trauerseeschwalben vernichten werden. Die Folge wäre, dass im nächsten Jahr keine Trauerseeschwalben auf Eiderstedt mehr brüten könnten. Erste Schritte in diese Richtung sind bereits umgesetzt worden. Unglücklicherweise hat auch ein Bauer, der die Nisthilfen auf seinem Land entfernt hat, dafür gesorgt, dass entsprechende Fotos in der Zeitung erschienen. Aus solchen Aktionen könnte man in Brüssel durchaus die Schlussfolgerung ziehen, man wünsche sich die Pause von einem Jahr in Eiderstedt, um die Trauerseeschwalbe weitgehend zu vertreiben, damit diese dann bei folgenden Zählungen keine Rolle mehr spielen. Auch in Brüssel werden übrigens Zeitungen gelesen, ja, sogar das „Bauernblatt“. Insofern glaube ich, dass diese Entscheidung nicht gut war.

(Zuruf des Abgeordneten Claus Ehlers [CDU])

Ich bin deshalb dankbar, dass heute bei der Demonstration auch Nisthilfen überreicht wurden - wenn auch mit Kautelen, das weiß ich. Aber es wäre vielleicht sinnvoll, dass auch dieses Foto im „Bauernblatt“ erscheint.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Dr. Ulf von Hielmcrone)

Ein weiteres Argument lautet: Man brauche ein Jahr Zeit, um nachprüfbare Daten zu erhalten.

(Claus Ehlers [CDU]: So ist das!)

Abgesehen davon, dass belastbare und profunde Daten in großem Umfang vorhanden sind und eingesehen werden können, würde eine weitere Zählung auf Eiderstedt nur zu dem Ergebnis führen, dass - wenn man den Eiderstedter Bauern glauben darf und das tue ich - es heute mehr Vögel als je zuvor gibt und nicht etwa weniger. Nach der Logik der Brüsseler Naturschützer ist aber genau dies, nämlich das zahlreiche Vorkommen einer Spezis, erst recht der wesentliche Grund dafür, das Gebiet auszuweisen.

(Zurufe von der CDU)

- Genau, Herr Kollege, darauf komme ich gleich.

Also, das ist eine Logik, die uns vielleicht nicht gleich eingeht, aber das hauptsächliche Vorkommen ist eben wichtig.

Alles in allem entspricht es meiner Meinung - meiner ganz persönlichen Meinung, aber auch der meiner Freunde -, dass vieles dafür spricht, jetzt mit dem Beteiligungsverfahren zu beginnen und nicht zu warten.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Übrigens ein Schelm, wer sich bei dem Wunsch der CDU auf Verlängerung etwas Übles denkt und meint, man wolle die Sache in den Wahlkampf tragen. Das will ich Ihnen nicht unterstellen.

Allerdings: Zu den Anzuhörenden und Beteiligten müssen die betroffenen Einzelpersonen und die entsprechenden Verbände, wie der Kreisbauernverband, zählen. Einseitig darf das auf keinen Fall werden.

Trotzdem muss die Frage aufgeworfen werden, wie es praktisch weitergehen kann und soll. Wenn man die Gutachten hinsichtlich der verschiedensten Wiesenvögel liest, erkennt man zweierlei: Eiderstedt ist eines der wichtigsten Vogelgebiete in Deutschland und das wichtigste für Wiesen-Limikolen, also Feuchtwiesenvögel. Dieses Vogelvorkommen ist jedoch voll und ganz von der spezifischen Landnutzung auf Eiderstedt abhängig, der Weidelandschaft und teilweise von aktiven Bruthilfen. Gerade hier aber besteht das Problem. Die Mast der Rinder auf der Wiese wird mehr und mehr durch die Mast im Stall ersetzt. Das hatte bisher häufig einen Umbruch der Weiden zu Ackerland, insbesondere für Maisanbau und ein Absenken der Wasserstände zur Folge - beides mit drastischen Folgen für das Vogelhabitat. Aber das hatte nicht nur Folgen darauf, sondern es hatte auch durch

die damit einhergehende Landschaftsveränderung schädliche Folgen für den Tourismus. Das haben Sie eben gerade beklagt.

(Zurufe von der CDU)

Ein Schutzgebiet und das damit verbundene direkte Verbot des Umbruchs, nicht nur des Prämienverlustes, aber auch jede andere Nutzungsänderung, würde den wirtschaftenden Bauern die Möglichkeit nehmen, sich der Wirtschaftsentwicklung zeitgemäß anzupassen. Das kann tatsächlich zu einer ganz realen Existenzbedrohung führen. Es ist daher nur zu verständlich, dass es massive Ängste gibt, die wir zu verstehen haben und berücksichtigen müssen. Wenn sich der Bauer also verpflichten soll, kein Weideland umzubrechen und seine Wirtschaftsform daher auch nicht zu ändern, darf das nicht mit einer möglichen - auch künftigen - Existenzvernichtung einhergehen, sondern muss im Gegenteil mit einer garantierten Existenzsicherung einhergehen.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf von der CDU: Wie geht das?)

Die Lösung wäre ein Vertragsnaturschutz mit hinreichenden Vertragslaufzeiten und ein entsprechender finanzieller Ersatz. Denn in der Tat übernimmt der Bauer und Landwirt Pflegeaufgaben für die Natur, etwas, was beispielsweise bei der Modulation berücksichtigt werden soll. Ein weiterer Lösungsansatz wäre das verstärkte Aufkaufen von geeignetem Land durch die Stiftung Naturschutz. Dieses Land könnte dann unter Schutz gestellt werden und die Natur wäre dort ungestört.

Unter einem gemeinsamen Dach eines Vogelschutzgebietes könnte es dann unterschiedliche Schutzbereiche geben: Erstens den des Vertragsnaturschutzes, zweitens einen strenger unbefristeten Schutz auf Stiftungsländereien und drittens schließlich Gebiete mit eher potenziellem Schutzcharakter, einem geringeren Schutz mit speziellen Regelungen, die auszuhandeln wären, zum Beispiel kein Absenken des Wasserstandes, aber die Möglichkeit zum Umbruch zu Ackerland, denn nicht überall brüten Vögel. Und viertens könnte es die Herausnahme besiedelter Flächen geben.

Ich finde, der Umweltminister hat hierzu sehr interessante und wichtige Vorschläge gemacht. Dieser Weg kann unter zwei Voraussetzungen gegangen werden. Erstens: Der Umweltminister erreicht bei seinen Verhandlungen in Brüssel entsprechendes Verständnis und Zugeständnisse. Auch deshalb kann er jetzt nicht mit leeren Händen dort hinreisen. Das Angebot, dort

(Dr. Ulf von Hielmcrone)

zusammen hinzufahren, ist doch in der Tat sehr großzügig.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Ich finde, dieses Angebot sollten wir sehr begrüßen und sagen: Herr Minister, ja, machen Sie das. Darüber sollten wir uns doch nun wirklich nicht aufregen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

- Herr Dr. Garg, ich möchte Ihnen einmal etwas sagen. Ich habe einen Beruf ausgeübt und übe ihn zum Teil immer noch aus, bei dem ich direkte Verantwortung für Menschen habe. Das hat mich gelehrt, solche Dinge nicht als Clownerie zu bezeichnen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens: Der Umweltminister und die Vertreter der Betroffenen müssen sich an einen Tisch setzen und Einzelheiten besprechen und aushandeln. Eine Verweigerungshaltung darf es im Interesse aller nicht geben.

Um ein Vogelschutzgebiet werden wir wahrscheinlich nicht herum kommen. Welche Größe es hat, ist auszuloten, und wie das ausgestaltet werden kann, haben wir möglicherweise noch in der Hand. Ich fordere also: unterschiedliche flächenspezifische Schutzkriterien unter Einbeziehung des Vertragsnaturschutzes; Verhandlungen der betroffenen Gruppen mit dem Ministerium, die unverzüglich aufzunehmen sind, sowie die Eröffnung des Anhörungsverfahrens.

Ein Letztes: Die einzigartige Landschaft Eiderstedt - sie muss erhalten bleiben für den Menschen und die Natur. Und sie geht uns alle an, nicht nur die Bauern und nicht nur die Naturschützer.

(Heinz Maurus [CDU]: Wer hat sie denn bis heute erhalten?)

- Das haben die Landwirte getan und das soll auch in Zukunft so bleiben. Deswegen sind wir prinzipiell für den Schutz. Es kommt deshalb nur noch auf das Wie an.

Insofern, Herr Minister, wünsche ich Ihnen viel Erfolg in Brüssel. Nehmen Sie die Vertreter der Landwirte aus Eiderstedt mit.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der CDU erteile ich Frau Herlich Marie Todsen-Reese das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich noch einmal hervorheben und mich ausdrücklich dafür bedanken, dass heute Morgen von den Eiderstedterinnen und Eiderstedtern Ihnen, Herr Minister, als Zeichen, wie ernst man es in Eiderstedt mit dem Naturschutz nimmt, die Brutflöße für die Trauerseeschwalben für die neue Brut im Jahr 2005 übergeben worden sind.

(Zurufe: 2004!)

- 2004, ja, danke, Herr Minister, für die Assistenz.

Ich denke, hiermit haben die Eiderstedterinnen und Eiderstedter sehr eindrucksvoll bewiesen, was wir eigentlich schon lange wissen sollten, dass sie selber nämlich sehr wohl in der Lage sind - das haben sie auch in den letzten Jahren bewiesen -, etwas für den Naturschutz auf Eiderstedt zu tun.

(Beifall bei CDU, FDP und vereinzelt bei der SPD)

Ich denke, das ist die richtige Art und Weise, wie man Naturschutz in Schleswig-Holstein umsetzt.