Protokoll der Sitzung vom 21.01.2004

Doch auch das Ministerium für Frauen hat eine Gender-Analyse durchgeführt und die ließ erkennen, dass Frauen bei Abordnungen an andere Dienststellen, die regelmäßig als qualifikationserhöhend für Beförderungsämter angesehen werden - das habe ich aus dem Bericht abgeschrieben; das ist ein Zungenbrecher -, unterdurchschnittlich beteiligt sind. Leider fehlen sowohl differenzierte Statistiken als auch Zahlen zum jeweiligen Anteil von Frauen und Männern bei den Bewerbungen um Beförderungsämter, sodass letztendlich die zunächst aufgestellte Behauptung der Benachteiligung von Frauen jeglicher ordentlichen Grundlage entbehrt. Das muss man so sehen.

Diese beiden Projekte haben meines Erachtens mit dem Gender-Mainstreaming-Prinzip überhaupt nichts zu tun. Das erste Projekt hält man - mit Verlaub gesagt - für einen Aprilscherz und beim zweiten werden zweifelhafte, jedenfalls nicht unterlegte Ergebnisse verkündet.

Artikel 3 Abs. 2 des Amsterdamer Vertrages bestimmt, Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern zu beseitigen und ihre Gleichstellung zu fördern. Der EU-Richtlinienvorschlag gegen die Diskriminierung von Frauen beim Erwerb von Waren und Dienst

leistungen ist eine weitere wichtige Grundlage zur Verbesserung der Gleichstellung von Frauen und Männern. Sie haben dieses Beispiel ja auch schon genannt, Frau Ministerin: Heute zahlen Frauen zum Beispiel für ihre private Altersvorsorge deutlich mehr als Männer. Das bedeutet, dass sie während ihres Berufslebens mehr für ihre Altersvorsorge sparen oder im Alter mit weniger Geld auskommen müssen. Mit der Riester-Rente wird diese Ungerechtigkeit sogar noch staatlich gefördert.

Die CDU hat die Reform bereits damals als frauenfeindlich abgelehnt und Unisex-Tarife gefordert. Durch den Richtlinienvorschlag der EU wird die rotgrüne Bundesregierung nun endlich zum Handeln gezwungen. Genau das, meine Damen und Herren, entspricht dem Gender-Mainstreaming-Prinzip, aber - jedenfalls zum großen Teil - nicht die im Bericht vorgestellten Projekte und Maßnahmen.

(Beifall des Abgeordneten Jost de Jager [CDU])

Geradezu erschüttert, liebe Kolleginnen und Kollegen, bin ich von dem Fazit, das am Schluss des Berichtes gezogen wird. Da heißt es:

„Gender Mainstreaming kann die bisherige Frauenpolitik und ihre Institutionen nicht ersetzen."

Mit diesem Satz zementieren Sie die offensichtlich Ihrer Meinung nach ad infinito unersetzliche Frauenpolitik fest. Meinen Sie das tatsächlich? Trauen Sie unserer Gesellschaft, der jetzigen jungen Generation und den nachfolgenden Generationen so wenig zu? Die Frauenpolitik war und ist auch jetzt noch notwendig. Das ist gar keine Frage. Sie hat viel bewirkt und erreicht. Darüber gibt es auch keinen Zweifel. Aber unser gemeinsames Ziel muss es doch sein, auf dem Weg über die Frauenpolitik die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern auch tatsächlich zu erreichen und dadurch die reine Frauenpolitik irgendwann einmal überflüssig zu machen.

(Beifall bei der CDU und der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Wir sind auf diesem Weg schon weit gekommen. Das Bewusstsein in der Bevölkerung hat sich verändert. Ich habe aber das Gefühl, dass für Sie der Weg das Ziel ist. Das heißt, Sie wollen die reine Frauenpolitik, also den Weg, auf Gedeih und Verderb erhalten. Wir aber wollen, dass der Weg das Mittel ist, um das Ziel, nämlich die Gleichstellung, möglichst bald und

(Caroline Schwarz)

nachhaltig zu erreichen. Das ist der große Unterschied.

(Beifall bei CDU und FDP)

Schon in unserer letzten Debatte zu diesem Thema habe ich gesagt - dazu stehe ich nach wie vor: Gender Mainstreaming als gestaltender Prozess hat große Chancen, eine Wende von der reinen Frauenpolitik hin zur Gleichstellungspolitik zu bewirken und ist das geeignete Mittel, um eine gleichberechtigte Teilhabe beider Geschlechter in der Gesellschaft zu erreichen. In der von der Landesregierung gewählten Form - Sie haben ja von einem Zwischenbericht gesprochen; wir können also hoffen - wird das nicht gelingen.

Schließen möchte ich mit dem Titel eines neuen Werkes zweier Professorinnen der FH Kiel zum Thema „Gendermanagment". Diesen Buchtitel möchte ich dem Plenum einfach nicht vorenthalten, zumal er die Maxime unseres zukünftigen Handelns in dieser Sache sein könnte und meiner Meinung nach auch sein muss. Er lautet: "Frauen sind besser, Männer auch.“ - Meine Damen und Herren, das ist Gender Mainstreaming pur!

(Beifall bei der CDU sowie der Abgeordne- ten Dr. Heiner Garg [FDP] und Anke Spoo- rendonk [SSW])

Für die Fraktion der SPD erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Jutta Schümann das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sollten vielleicht demnächst vorab unsere Redemanuskripte austauschen. Dann könnten wir eine gute Diskussion beginnen.

Ich habe einen völlig anderen Ansatz, liebe Caroline. Das werde ich gleich deutlich machen.

Kolleginnen und Kollegen, Sie erinnern sich: Mit dem Begriff des Gender Mainstreaming wird eine Strategie zur nachhaltigen Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern bezeichnet, deren Hauptanliegen darin besteht, den Mainstream männlichen Denkens in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu verändern. Es handelt sich um einen topdown-initierten und organisierten Prozess, in dem mehr erreicht werden soll als das bisherige - immer noch nicht erreichte - Ziel der Gleichstellung der Geschlechter. Die Frauenministerin hat eben sehr deutlich darauf hingewiesen.

Die Landesregierung wurde in der November-Tagung 2000 aufgefordert, die Prinzipien des Gender Mainstreaming in der Landesverwaltung umzusetzen und über diese Umsetzung nach zwei Jahren einen Erfahrungsbericht vorzulegen. Ich bedanke mich zunächst einmal ganz herzlich für diesen Zwischenbericht. Ich fand ihn durchaus aufschlussreich und empfand ihn auch nicht so negativ wie die Kollegin.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der vorgelegte Bericht zeigt auf, dass die Umsetzung von Gender Mainstreaming nicht in kurzer Zeit erfolgen kann, dass die Wirksamkeit dieses Instrumentes somit allenfalls mittelfristig messbar ist. Der Bericht zeigt übergeordnet auch auf, dass Frauenpolitik weiter notwendig ist, um auch kurzfristig bestehende Benachteiligung von Frauen abzubauen. - Da sind wir ein Stück weit auseinander, Caroline. - Als Diskriminierungstatbestände werden insbesondere die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen, berufliche Nachteile durch Kindererziehung und entsprechend geringere Rentenansprüche sowie Gewalt gegen Frauen genannt. Als Aufgaben der Frauenpolitik nennt der Bericht die entschiedene Interessenvertretung für Frauen wie die Umsetzung des Gleichstellungsgesetzes, die Entwicklung von Konzepten zur Gewaltprävention sowie die Förderung von Beratungseinrichtungen.

Die Umsetzung des konkreten Gender-Mainstreaming-Ansatzes durch die Landesregierung erfolgte in vier Stufen - das scheint mir als Methode und Instrument sehr wichtig zu sein -: Zunächst beginnt es mit einer geschlechterdifferenzierenden Analyse, dann erfolgt die Bestimmung eines konkreten Gleichstellungsziels, danach werden Maßnahmen zur Zielerreichung benannt und schließlich wird ein Wirkungscontrolling durchgeführt.

Es ist erstens zu begrüßen, dass an den entscheidenden Vorbereitungsveranstaltungen nahezu sämtliche Führungskräfte der obersten Landesbehörden und die Personalvertretungen teilgenommen haben. Insgesamt 382 Personen wurden mit diesem Instrument vertraut gemacht. Das scheint mir für den Top-Down-Prozess ganz besonders notwendig und wichtig zu sein.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Es ist zweitens zu begrüßen, dass jedes Ministerium bisher ein Modellprojekt durchgeführt hat. Nun kann man darüber unterschiedlicher Auffassung sein. Ich finde es trotzdem sehr wichtig und gut, dass sich alle daran beteiligt haben. Die Auflistung macht deutlich, wie unterschiedlich das Instrument eingesetzt werden kann. Darin sehe ich durchaus eine Chance. Bei

(Jutta Schümann)

spielsweise wurde es im Justizministerium bei der Entwicklung von Anforderungsprofilen für Juristinnen und Juristen in der Justiz genutzt oder im Bildungsministerium, um die Zahl der Bewerbungen für Schulleitungen - nämlich weibliche - zu erhöhen. Das Konzept der Trainingsgruppen zur Übernahme von Führungsaufgaben wurde daraufhin überprüft, ob es männliche und weibliche Lehrkräfte in gleicher Weise anspricht. Das Konzept wurde nach einer Überprüfung durch Module ergänzt, die Frauen besonders ansprechen, wie zum Beispiel die Gesprächsführung und die kollegiale Unterrichtsberatung. Es gibt weiter das Modell des Sozialministeriums, das bei der Analyse des Programms Arbeit für Schleswig-Holstein zu dem Ergebnis gekommen ist, dass Frauen im Verhältnis zur Zielgruppe in einzelnen Programmpunkten unterrepräsentiert sind. Als Gleichstellungsziel wurden neue Indikatoren für die bisherige Erfolgskontrolle entwickelt.

Übergeordnet muss man feststellen, dass durch die differenzierte Betrachtungs- und Vorgehensweise des Gender Mainstreaming eine zusätzliche Strategie zur Qualitätsentwicklung in den einzelnen Dienstleistungsbereichen der Landesregierung zum Tragen kommt. Das heißt, je passgenauer die jeweilige Maßnahme auf die Zielgruppe beziehungsweise einzelne Personen zugeschnitten ist, umso erfolgreicher und effizienter wird das Ergebnis sein.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Sinne von Qualitätsentwicklung und Qualitätsmanagement, das immer von einem optimalen Einsatz der personellen Ressourcen ausgeht, ist dieses auch unter ökonomischen Gesichtspunkten zu bewerten. Gender Mainstreaming ist somit auch im Zusammenhang mit allgemeinen qualitätssteigernden Maßnahmen zu sehen und deshalb scheint der Vorschlag zur Einrichtung einer Querschnittsstelle Gender Mainstreaming als Servicestelle für die Landesverwaltung, aber auch für die Kommunen, durchaus interessant.

Wir müssen dieses weiter im Ausschuss diskutieren. Aufgrund deines Vortrages müssen wir uns dafür - glaube ich - sehr viel Zeit nehmen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ich möchte mit einem Gender-Fazit schließen, dass du mir vorweggenommen hast, nämlich: Frauen sind besser, Männer auch.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das Wort für die Fraktion der FDP erteile ich jetzt Frau Abgeordneter Veronika Kolb.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einen kleinen Moment habe ich bei meinen Vorrednerinnen überlegen müssen, ob wir beim Thema Gleichstellung sind oder wirklich das Thema Gender Mainstreaming auf der Tagesordnung haben. Aber in ein paar Nuancen habe ich dann doch Ihren Beiträgen entnehmen können, dass wir hier über Gender Mainstreaming reden.

Gender Mainstreaming bedeutet, geschlechtsspezifisch die Angebote so zuzuschneiden, dass beide Geschlechter, unabhängig voneinander, profitieren. Dabei soll nicht eine formale Gleichbehandlung das Ziel sein, sondern vielmehr die Herstellung tatsächlicher Chancengleichheit. Somit setzt dieses Prinzip an allen politischen Entscheidungen an, auch da, wo auf den ersten Blick kein geschlechtsspezifisches Problem erkennbar ist.

Weil Gender Mainstreaming an den Unterschieden, die zwischen den Geschlechtern nun einmal bestehen und auch bestehen sollen, ansetzt, ist auf die unterschiedlichen Bedürfnisse einzugehen, beziehungsweise muss auf diese deutlich mehr eingegangen werden. Allerdings müssen wir uns in diesem Zusammenhang immer wieder vor Augen halten, dass ein entscheidender Unterschied zwischen Gender Mainstreaming und reiner Gleichstellungspolitik besteht. Bei dem Thema Gender Mainstreaming geht es primär um eine geschlechtsdifferenzierte und gerade nicht um eine reine gleichstellungsrelevante Betrachtung. Es ist dann schon enttäuschend, dass in dem vorgelegten Bericht Gender Mainstreaming als Ergänzung zur Frauenpolitik gesehen wird.

Gender Mainstreaming darf nicht heißen, dass sich die Chancengleichheit auf die Durchführung von Sondermaßnahmen für Frauen oder frauenspezifische Angebote beschränkt. Damit kein Missverständnis entsteht: Wir sind bei der Gleichstellung ein Stück weitergekommen, aber sicher noch lange nicht am Ziel. Das ist aber eine Aufgabe, die neben dem geschlechtsdifferenzierten Ansatz bewältigt werden muss. Ich beanstande deshalb bei dem hier vorgelegten Bericht, dass in vielen Fällen nicht differenzierter unterschieden wird.

Es ist sinnvoll und richtig, wenn auf Landesebene einheitlich nach einem Handlungsraster die Ausgangssituation von Frauen und Männern analysiert wird. Ein solches Rahmenkonzept kann nur dann

(Veronika Kolb)

zielführend sein, wenn ein Controlling anhand von zuvor festgelegten Kennzahlen und Indikatoren erfolgt. Hierzu hätte ich mir in dem Bericht noch mehr Hintergrundinformationen gewünscht. Es reicht gerade nicht aus, lediglich auf das jeweilige Geschlecht zu schielen, wenn im Sinne eines Controllings spezielle Bedürfnisse erfasst werden sollen. Vielmehr ist es notwendig, neben dem Geschlecht das Alter, die individuellen Lebensumstände und den gesellschaftlichen Hintergrund zu betrachten, um eine geschlechtsdifferenzierte Analyse des bestehenden Zustandes erreichen zu können. Die Ursachen liegen oftmals so tief, dass nicht nur auf das jeweilige Geschlecht geschielt werden kann. Deshalb sind meiner Ansicht nach immer die Fragen zu stellen: Was betrifft beide Geschlechter? Wo muss stärker als bisher unterschieden werden?

Der vorgelegte Bericht macht deutlich, dass versucht worden ist, diese Fragestellungen in einzelnen Modellprojekten zu beantworten. Diese liefern hierzu einige verblüffende Erkenntnisse, wie das Projekt des Innenministeriums zur besseren Gestaltung von Integrationskursen nach dem Zuwanderungsgesetz gezeigt hat. Die Umsetzung dieser Erkenntnisse, die dazu führen, dass - entgegen der ursprünglichen Erkenntnis - ein besonderer Augenmerk auf männliche Teilnehmer gerichtet werden muss, zeigen, dass Gender Mainstreaming gerade nicht als eine Ergänzung zur Frauenpolitik gesehen werden darf.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Dieser Bericht macht vielmehr deutlich, dass eine geschlechtsdifferenzierte Förderung auf keinen Fall einseitig beleuchtet werden darf. Statt eine solche Förderung in Modellprojekten weiter auszuloten, sollten umso mehr bereits bestehende Maßnahmen gezielt überprüft und schon vorhandene Kenndaten berücksichtigt werden.

(Beifall bei FDP und CDU, Günter Neuge- bauer [SPD], Jürgen Weber [SPD] sowie der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt Frau Abgeordneter Irene Fröhlich.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden hier über das GenderMainstreaming-Prinzip, und zwar reden wir deswegen darüber, weil es eine mittelprächtige Kontroverse