Protokoll der Sitzung vom 22.01.2004

Mit Blick auf die Beschäftigten im öffentlichen Dienst sage ich hier: Wir reden hier über organisatorische Veränderungen bei sicheren und krisenfesten Arbeitsplätzen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Apropos Beschäftigte des öffentlichen Dienstes: Vielleicht verrät uns ja der neue Wahlkampfmanager, der Herr Schlie, ob er - oder seine Fraktion - inzwischen die Meinung von Herrn Carstensen teilt, der dem staunenden Publikum via „Schleswig-HolsteinMagazin“ erklärt hat, die Kürzung des Weihnachtsgeldes für die Beamten sei notwendig. Hoppla! Haben Sie nicht im Dezember hier das Gegenteil erklärt und uns heftige Vorwürfe gemacht? Wahrscheinlich halten Sie es hier mit Ihrem schwarzen Sangesbruder Roberto Blanco: „Heute so - morgen so.“ So muss es ja wohl sein, wenn ich das höre, was Sie hier zu diesem Thema zu sagen haben.

(Heiterkeit und Beifall bei SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren -

Herr Minister, kommen Sie zum Schluss.

- ich komme zum Ende -, Lokalpatriotismus und Lobbyismus, aber auch die Bedeutung einer sicher begrüßenswerten Ortskenntnis in Eiderstedt finden dort ihre Grenzen, wo eine größere Verantwortung für das Land und für die Gesellschaft beginnen muss. Noch so große Fröhlichkeit, für die ich schon von meiner Mentalität her große Sympathie habe, kann

nicht die Alternative zu verantwortlichem Handeln auch in schwierigen Zeiten sein.

Was die Anträge angeht, begrüße ich sehr das, was die regierungstragenden Fraktionen beantragt haben. Der CDU-Antrag ist in Teilen, da, wo ein Steuervorschlag gemacht wird, akzeptabel. Ansonsten bedeutet Ihr Antrag: Wir tun nichts bis zur Landtagswahl. - Ich sage Ihnen: Sie können weiter reden. Wir handeln dieses Jahr und auch ab 2005. Verlassen Sie sich darauf.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Wolfgang Kubicki [FDP]: Ich bin Minister! Holt mich hier raus!)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Wiegard.

Frau Präsidentin! Herr Minister, ich habe mich inzwischen nach Herrn Küblbübi erkundigt.

(Heiterkeit)

- Na ja, so schlimm war der Vergleich eigentlich nicht.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Küblböck ist be- liebt!)

Wir haben hier schon mehrfach erleben dürfen, dass die markigen und wortgewaltigen Äußerungen des Herrn Finanzministers mit dem, was er tut, nicht ganz im Einklang stehen. Aber was soll’s. Ich hätte Ihnen gern noch ein bisschen länger zugehört in der Hoffnung, dass Sie vielleicht doch noch einmal zum Thema kommen. Aber dem war nicht so. Na gut, dann werde ich Sie zum Thema führen.

„Das jetzige Steuersystem ist undurchschaubar, betrugsanfällig und nicht sozial.“ - Das sagt Ihre Ministerpräsidentin Heide Simonis. Ich füge hinzu: und außerdem mit hohem administrativen Aufwand verbunden! Insoweit sind wir uns einig. Gestern jedenfalls war das noch so, Herr Stegner.

(Minister Dr. Ralf Stegner: Auch heute!)

- Auch heute noch!

Die Regierungschefin kündigte an, dass die Landesregierung im März 2004 Eckwerte zur Steuervereinfachung vorlegen werde. So weit sind wir auch noch einig.

Ich lese auch mit großem Vergnügen, dass sich die Herren Finanzminister und -senatoren der norddeut

(Rainer Wiegard)

schen Länder aktiv in die Bewertung der vorliegenden Steuerreformmodelle einbringen wollen. Das Ziel, so heißt es, sei Steuervereinfachung. Insofern besteht auch noch Einvernehmen.

Ich stelle immer wieder fest: Wir sind im Grundsatz einvernehmlich. Wenn Sie dann anfangen, im Detail etwas zu machen, gerät das Ganze zu einer Katastrophe. Jedenfalls in der Ankündigung und Verkündigung von Zielen und Maßnahmen sind Sie Weltmeister, in der Umsetzung führt das meistens zum Chaos. Ich muss sagen: Wenn man jemanden gesucht hätte, die Geburt Jesu Christi anzukündigen, wären Sie der richtige dafür gewesen.

(Heiterkeit bei CDU und FDP)

Wahrscheinlich hätte das Christentum dann die Menschheit aber nie erreicht.

Sie haben gesagt, Sie wollten im Ergebnis des ganzen Karussells 2 Millionen €, und zwar im Durchschnitt und irgendwann einmal, in zehn Jahren, erwirtschaften. Das Erste. Ich gebe Ihnen einen kollegialen Rat, Herr Minister, so über den Tisch hinweg, wie das bei uns hin und wieder üblich ist: Sprechen Sie doch einfach einmal mit den Chefs Ihrer Finanzämter, 21 an der Zahl.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sie dürfen nicht zu viel erwarten!)

Lassen Sie sich von den Chefs Ihrer Finanzämter sechs Namen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des notwendigen Dienstes nennen, sechs in 21 Finanzämtern, sechs von 4.300 Beschäftigten in der Steuerverwaltung. Das sind - ich habe das mit dem Taschenrechner ausgerechnet, damit ich keinen Fehler mache - 0,14 % der Beschäftigten in der Steuerverwaltung. Setzen Sie diese sechs in der gewerblichen Betriebsprüfung ein. Unterstelle ich, dass Ihre Zahl richtig ist - ich unterstelle, dass sie falsch ist; aber ich bin sehr freundlich zu Ihnen -, und diese sechs jeweils netto 400.000 € an Steuereinnahmen für Bund, Land und Gemeinden gemeinsam erwirtschaften, ist das Ziel schon übererfüllt, das Sie mit Ihrem ganzen Behördenkarussell erst in zehn Jahren erwirtschaften wollen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Von den 2,4 Millionen € - wenn die Zahl denn so stimmt - bleiben zwar nur 400.000 € beim Land Schleswig-Holstein, aber okay, einverstanden, wir haben dann keinen Pfennig dazubezahlt. Das ist doch auch erfolgreich und alle haben etwas davon und Sie bräuchten das andere jetzt nicht zu tun.

Das Zweite. Neben dem kollegialen möchte ich Ihnen auch einen wirklich freundschaftlich gemeinten Rat geben. Wenn Sie mit den Beschäftigten, mit Personalräten Gespräche führen - reden Sie auch einmal mit ihnen. Die haben immer das Gefühl, dass Sie von Ihnen nur einseitig Vorträge hören, dass Sie nicht zuhören und dass man nicht ins Gespräch kommt. Machen Sie das einmal! Ich glaube, das wird uns sehr viel weiterhelfen.

Sie haben das angekündigt und eben dargestellt. Ich bestätige das gern, wir sind einvernehmlich: Wir haben eine hervorragend qualifizierte Steuerverwaltung auf hohem Niveau, aber zu den Bedingungen, die die Steuerpolitik gesetzt hat. Das Steuerrecht machen nicht die Beschäftigten in den Finanzämtern, sondern die Politik. Für die Komplexität unseres Steuerrechts können die Beschäftigten in der Steuerverwaltung nichts.

Die Mitarbeiter haben es im Übrigen täglich mit steuerpflichtigen Leuten zu tun, die ihnen fadenscheinige Erklärungen abgeben. Wir erwarten von unseren Beschäftigten in der Finanzverwaltung, dass sie das erkennen und durchschauen. Deshalb finde ich es ganz schön heftig, dass Sie von diesen Mitarbeitern, von denen wir täglich diese Höchstleistungen verlangen, erwarten, dass sie den Murks, den Sie ihnen mit diesem Konzept vorgelegt haben, akzeptieren sollen. Das kann nicht wahr sein! Es kann nicht wahr sein, dass diese ganzen Berechnungen, die hinten und vorn nicht stimmen, von denen akzeptiert werden sollen, von denen wir täglich verlangen, dass sie jede Berechnung auf das Sorgfältigste untersuchen und in unserem Sinne revidieren.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich möchte mich bei der Steuergewerkschaft, bei der Gewerkschaft ver.di und bei den Personalräten ausdrücklich für die wirklich sachliche Einbringung von Gedanken, Anregungen und Ideen und eine außerordentlich sachlichen Diskussion in dieser Frage bedanken.

Was wollen Sie? Man stelle sich das einmal vor: Sie wollen 400.000 steuerpflichtige Menschen in Schleswig-Holstein mit einer neuen Steuernummer versehen. Das Einzige, das Ihnen in Ihrem ganzen Konzept dazu einfällt, ist, was das an Portokosten verursacht. Sie müssen einmal den volkswirtschaftlichen Unsinn erkennen, der darin besteht, 400.000 Steuerpflichtigen in Schleswig-Holstein eine neue Steuernummer zu verpassen und Steuerberater und Unternehmen dazu zu veranlassen, daraus Handlungen abzuleiten, die dann durchzuführen sind!

(Beifall bei CDU und FDP)

(Rainer Wiegard)

Sie wollen etliche Behörden in Schleswig-Holstein neu bauen oder erweitern. Sie wollen Meldorf erweitern, Heide schließen, Sie wollen Oldenburg erweitern, beziehungsweise neu bauen, Eutin behalten, Sie wollen Leck erweitern, Husum behalten, Sie wollen Plön verdoppeln. Sie haben irgendetwas von Grundlagen erforderlicher Mindestgröße gesagt. Beziehen Sie sich dabei in Ihrem so genannten Gutachten auf Landesrechnungshofsgutachten von 1975 oder Arbeitskreisvorschläge für die Entwicklung von Steuerbehörden in den neuen Bundesländern von 1990? Warum haben Sie sich eigentlich 2002 nicht daran gehalten, als Sie in Plön neu gebaut haben?

(Beifall bei CDU und FDP)

Da haben Sie das offensichtlich gar nicht gekannt. Da haben Sie ein Finanzamt gebaut, von dem Sie vier Wochen später festgestellt haben, dass es offensichtlich gar nicht geeignet ist. Heute verdoppeln Sie das. In Ihrem Papier steht, Sie müssen jetzt Plön erweitern, weil Sie in Plön bis zum Jahre 2033 gebunden sind. Das ist die Grundlage für Ihre Entscheidung! Ich muss Ihnen sagen, das kann so nicht sein. Jetzt wollen Sie weitere verbindliche Mietverträge für 30 Jahre eingehen. Das alles in einer Zeit, in der Sie gerade dabei sind, das Steuersystem völlig zu entrümpeln und auf neue Beine zu stellen. Sie bauen eine neue Behördenstruktur auf und entziehen dieser neuen Behördenstruktur im selben Jahr völlig die Grundlage, weil Sie alles einfacher und besser machen wollen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Sie wollen hunderte von Mitarbeitern kreuz und quer durch Schleswig-Holstein versetzen. Wenigstens die Umzugsunternehmen haben dann von dem Aufschwung etwas. Sie rechnen die mit dieser Behördenstruktur verbundenen Kosten schön. Allein bei den Personalkosten haben Sie drei Tage angesetzt, die den Mitarbeitern durch den Umzug verloren gehen. Diese drei Tage sind längst durch die völlig unsinnige täglich stattfindende Diskussion verbraten. Die Diskussion über diese völlig unsinnige Struktur muss selbstverständlich stattfinden.

(Beifall bei CDU und FDP)

Sie ignorieren vorhandene Kosten, zum Beispiel für derzeitige Flächen, und sagen, dafür seien Sie nicht zuständig. Natürlich ist das Land in der Haftung, wenn die GMSH für Mietflächen, die sie an das Land vermietet hat, keine Miete kriegt. Das ist eine Anstalt des Landes Schleswig-Holstein, genauso wie die LVSH. Wenn dort Geld fehlt, dann müssen Sie das reinschieben. Das ist die Lösung, die Sie hier gefunden haben. Sie rechnen Einnahmesynergien hinzu,

die - wie ich eingangs sagte - völlig ohne zusätzliche Ausgaben erzielbar wären. Ich habe Ihnen das vorgeschlagen.

Wenn Sie diese 400.000 € anrechnen, dann sind das die Bruttosteuereinnahmen. Wenn Sie dagegen die Aufwendungen des Landes rechnen, ist das eine merkwürdige Berechnungsgrundlage. Das wäre so, als würden Sie in Ihrem Haushaltsplan bei den Steuereinnahmen nicht die Steuereinnahmen des Landes Schleswig-Holstein einstellen, sondern die Steuereinnahmen im Land Schleswig-Holstein. Das wäre schön, denn das wären 10 Milliarden €. Dann wären wir alle Probleme los. Vielleicht machen wir das nächstes Jahr einmal so. Mal sehen, was Sie dann dazu äußern werden. Das ist nicht logisch!

Zum Beispiel Odenburg und Eutin: Das kommt dabei heraus, wenn man Ihre Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zerlegt. Wenn man die Einnahmesynergien nämlich herausrechnet, die man auch ohne diese Umstrukturierung erreichen kann, bleiben Kostensynergien von 230.000 €. Wenn man die Kosten dieser Maßnahme hinzurechnet, nämlich 330.000 € für das neu zu schaffende Finanzamt, weitere 120.000 € an Lehrstandskosten allein bei Drittanmietung bis zum Jahre 2009 und noch einmal die bei der GMSH anfallende Fläche, über die ich eben gesprochen habe, dann kommen Sie nicht zu einem Ergebnis von 400.000 € plus, sondern zu 400.000 € minus. Das hat mit wirtschaftlicher Betrachtung nichts zu tun.

(Beifall bei CDU und FDP)

Bei Heide/Meldorf beträgt das wirtschaftliche Ergebnis dann nicht 825.000 € plus, sondern 160.000 € minus. Für das, was Sie in Ihrem Bericht geschrieben haben, haben Sie wahrscheinlich ein sehr gutes Informationssystem, das immer wiederkehrende Texte schreiben kann. Im Bericht steht, die wirtschaftlichen Vorteile wiegen schwerer als die Nachteile für die Betroffenen und die organisatorischen Nachteile. Es gibt keine wirtschaftlichen Vorteile, aber die Nachteile für die Betroffenen und die organisatorischen Nachteile bleiben. Das ist die Konsequenz aus diesem Bericht.