Wenn es nur darum ginge, eigene kurzfristige Probleme zu haben, wäre es ja nicht so schlimm. Aber es ist eben ein Vertrauensverlust.
Meine Damen und Herren, es geht auch nicht um die Bewertung von sechs Wochen. Es geht um die Bewertung von Jahren. Denn man darf dieses Gesetz nicht isoliert betrachten, als sei alleine dieses zum 1. Januar in Kraft getreten. Dieses Gesetz war im Sommer vergangenen Jahres in der Diskussion. Damals wurde es von Ihnen schon als inhaltlich so wenig zutreffend angesehen, dass als nächstes Joschka Fischer eine Bürgerversicherung gefordert hat. Ein laufendes Gesetzgebungsverfahren, noch nicht einmal zu Ende und schon von einem ganz anderen Vorschlag überlagert.
Die Kassenbeiträge sind erhöht worden. Sie haben allen eine Nullrunde zugemutet und sie haben überall Liquiditätsengpässe produziert. Und was ist das Ergebnis? Nicht ein besseres Gesundheitswesen, sondern ein qualitativ schlechteres. Das ist die Situation, in der wir stehen.
(Beifall bei CDU und FDP - Zuruf der Ab- geordneten Silke Hinrichsen [SSW] - Ursula Kähler [SPD]: Unglaublich!)
Die Kassenbeiträge wurden nicht gesenkt und die Lage in den Krankenhäusern ist nicht besser geworden. Auch in den Praxen ist es schwieriger geworden.
Meine Damen und Herren, was wir hier diskutieren, ist nicht nur ein Umsetzungsproblem. Das Problem, über das wir diskutieren, besteht vielmehr darin, dass die Menschen immer mehr für aus ihrer Sicht immer weniger Leistung zahlen müssen. Das ist die Diskussion, die wir hier zu führen haben.
(Beifall bei CDU und FDP - Zurufe der Ab- geordneten Wolfgang Baasch [SPD] und Ur- sula Kähler [SPD])
Schauen Sie sich doch einmal die anderen Bereiche an. In den Praxen und in den Krankenhäusern haben Sie mit diesen Dingen mehr Bürokratie erzeugt. Darüber klagt jeder, ganz gleich, wo Sie hingehen. Sie brauchen doch nur eine Bürgersprechstunde anzukündigen. Dann kommen zehn bis 15 Leute, die Ihnen erzählen, was für ein Murks - ich setze differenzierend hinzu: aus ihrer Sicht - das ist.
Der Ärztemangel wird derzeit nicht beseitigt, sondern wird sich rasant verstärken, einhergehend mit weiteren Versorgungsproblemen. Wir haben nicht mehr Pflegekräfte. In Schleswig-Holstein ist ein Abbau der Ausbildungsplätze in der Pflege von 2.247 im Jahr 1992 auf 2.059 im Jahr 2003 zu verzeichnen. Bei den Ausbildungsplätzen im Kranken- und Pflegebereich gibt es in Schleswig-Holstein ein reales Minus. Wie wollen Sie da zu einer besseren Gesundheitspolitik kommen? Das ist doch gänzlich ausgeschlossen.
Und was in dieser Diskussion viel zu wenig gesehen wird: Wir reden über ein ganz sensibles Thema und über viele Arbeitsplätze. Im Gesundheitsbereich gibt es 4,2 Millionen Arbeitsplätze, davon 72 % Teilzeitarbeitsplätze, vor allen Dingen von Frauen. Viele Arbeitsplätze in Praxen und anderswo sind gefährdet, einfach weil der Kostendruck zu hoch geworden ist. Sie müssen ganz klar erkennen, dass die Frage der Arbeitsmarktpolitik und der drohenden Arbeitslosigkeit von Mitarbeitern zumindest ein Thema ist.
(Günter Neugebauer [SPD]: Nennen Sie doch einmal Ihre Alternative! Sie schlagen sich einfach in die Büsche!)
Es ist die Wahrheit, dass aufgrund von Mehrfachrezepten 60 € bis 70 € fällig werden, sodass die Leute einfach sagen: Ich hole mir das Rezept für dieses Medikament nicht mehr ab.
(Günter Neugebauer [SPD]: War die CDU dafür oder dagegen? - Ursula Kähler [SPD]: Es war doch euer Vorschlag, verdammt noch mal!)
- Jawohl. Es sind auch Ihre Beschlüsse. Meine Damen und Herren, wo kommen wir denn hin, wenn ich in diesem Parlament nicht meine Auffassung zu bestimmten Dingen sage!
Erst sind Sie an dieser Ecke sechs Minuten ruhig, weil Sie nichts zu sagen haben, und nun regen Sie sich künstlich auf.
(Ursula Kähler [SPD]: Sie regen sich doch auf! - Weitere Zurufe von der SPD - Glocke des Präsidenten)
(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist verlogen! - Ursula Käh- ler [SPD]: So etwas Verlogenes habe ich schon lange nicht mehr gehört!)
- Frau Abgeordnete Kähler, ich bitte, nicht dazwischenzuprügeln! Parlamentarisches Zwischenrufen ist guter Brauch, aber nicht Prügelei.
Meine Damen und Herren, ich stelle die Meinung der Menschen dar, die Probleme mit der Umsetzung und mit den Inhalten dieser Reform haben.
- Ich finde es wirklich nur peinlich, wie Ihre Redner nichts zu sagen haben und noch nicht einmal in der Lage sind, die Probleme zu skizzieren, die die Menschen draußen berühren.
Ich kann Ihnen genau sagen, warum Sie so gereizt sind. Wir sprechen über Solidarität, wir sprechen über das Soziale. Wir sprechen darüber, ob die soziale Balance gewahrt ist. Das Problem der Sozialdemokraten ist es, dass sie bei diesem Thema mit ihrer eigenen Regierungspolitik in Berlin Probleme haben. Das ist die Fragestellung, über die wir uns zu unterhalten haben.
Mit der ganzen Sache kommt ja noch mehr. Die Diskussion um Zahnersatz bekommen wir erst noch. Wir bekommen auch eine Diskussion über Wartezeiten und so weiter.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einen vorletzten Aspekt nennen. Dieses Gesetz und seine Umsetzung zeigen auch, wie schwierig heute politische und fachliche Arbeit geworden ist. Wir sprechen über ein Thema, bei dem Verantwortung zum Teil hin- und hergeschoben wird.
Nicht für alles, was geschieht, hat allein die Politik die Verantwortung. Der Streit zwischen Ihrer Ministerin und den Kassenärztlichen Vereinigungen dreht sich genau um diese Fragestellung. Wenn Sie sich sorgsam damit beschäftigten und nicht Ihre einseitig parteipolitisch gefärbte Brille aufsetzten, dann würden Sie das, was ich hier sage, aufnehmen und sich darüber Gedanken machen, inwieweit wir möglicherweise auch dort zu Folgerungen kommen müssen.