Protokoll der Sitzung vom 19.02.2004

- Ja, im Moment sind sie auch noch rot und grün. Sie werden sehen, was wir damit vorhaben.

Alcopops haben einen Alkoholgehalt von 5 bis 6 %. Das entspricht dem Alkoholgehalt von Starkbier und ich spreche hier nicht über den Konsum von Erwachsenen. Dieser Alkohol wird für Jugendliche - stark gesüßt, mit künstlichen Aromastoffen ausgestattet und in hippe kleine Flaschen gefüllt - genießbar gemacht. Eine Flasche Alcopops ist bereits für 1,11 Euro zu bekommen. Auf die Flaschen wird kein Pfand erhoben. Seit 1998 sind die Alcopops in Deutschland auf dem Markt. Ein genialer Schachzug der Alkoholindustrie gegen den Negativtrend im Absatz.

Seitdem sind die Alcopops mit ihrem Marktanteil auf Platz 2 bei den 11- bis 15-jährigen gelandet. Verkauft werden dürfen sie nach dem Jugendschutzgesetz erst an Jugendliche ab 18 Jahre. Seit 2001 hat sich der Umsatz dieser Spirituosen-Mixgetränke um das rund Dreieinhalbfache auf 341 % erhöht. Dementsprechend - das ist das Besorgniserregende - ist der Alkoholkonsum von Jugendlichen angestiegen. Das belegt die jüngste HBSC Studie im Auftrag der WHO. Danach greifen 37 % der 15-jährigen Jungen und 25 % der gleichaltrigen Mädchen mindestens einmal

pro Woche zum Alkohol. Das entspricht bei den Jungen einer Steigerungsrate von 8 %, bei den Mädchen einer um 3 % gegenüber der letzten Studie von 1998.

Dieses deckt sich mit der Aussage eines Berichtes aus der Lörracher Kinderklinik. Ich zitiere:

„Es gab schon immer betrunkene Kinder, aber nicht so regelmäßig wie in den letzten Jahren. Der Anteil der 13- und 14-jährigen, die im volltrunkenen Zustand eingeliefert wurden, hat sich in den letzten drei Jahren vervierfacht.“

Was tun Alcopops? Mit ihrem Aussehen, kreischend bunt, und ihrem Standort im Regal neben den Limonaden und Fruchtgetränken verharmlosen sie ihre Wirkung. Sie suggerieren: Der Griff zur hippen Flasche ist cool! Mit ihrem Geschmack überlisten sie Teenager, überhaupt erst einmal Alkohol zu trinken. Jugendliche werden im wahrsten Sinne des Wortes angefixt und ausgetrickst.

Die WHO-Studie stützt die Vermutung, dass durch die Süßgetränke immer mehr Teenager in den regelmäßigen Alkoholkonsum hineinrutschen und auch Sonderformen des Trinkens wie das Kampf- und Komasaufen dadurch gefördert werden. Appelle wie von Frau Lütkes im Januar, doch das Jugendschutzgesetz besser zu beachten, scheinen nicht ausreichend zu sein. Die „Landeszeitung“ berichtete am 6. Februar 2004 von einem Test in Rendsburger Supermärkten. Von den getesteten zehn Supermärkten und Tankstellen verkauften acht Alcopops an Minderjährige, unter anderem an 13-Jährige.

Der Drogenbeauftragte der Landesregierung forderte bereits im August 2003 eine erhöhte Steuer auf Alcopops. Die CDU-Bundestagsfraktion unterstützt diese Forderung. Die SPD-Bundestagsfraktion sieht das ähnlich. Der Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren sagt:

„Preiserhöhungen sind die wirksamste Maßnahme bei Alkoholkonsum überhaupt; bei Jugendlichen erst recht.“

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Danke. Auch die EU-Kommission wurde am 3. Februar aufgefordert, eine grenzübergreifende Initiative gegen den Konsum von Alcopops einzuleiten.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete, bitte kommen Sie zum Schluss.

Ich komme zum Schluss. In Frankreich wurde 1997 eine Zusatzsteuer eingeführt, die den Endverkaufspreis im Schnitt verdoppelte. Danach ist dort der Markt für Alcopops zusammengebrochen. Es geht meiner Fraktion und mir mit diesem Antrag um die Gesunderhaltung sehr junger Menschen. Ich bitte um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Eichstädt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe keine Flaschen dabei wie meine Kollegin. Ich fand es trotzdem sehr nett, dass Sie eine rote und eine grüne Flasche hier vorn hingestellt und diese mit den Attributen leidenschaftlich und dynamisch versehen haben. Ich habe noch den Hinweis: Es gibt auch schwarze Flaschen, zum Beispiel „Dirty Harry“. Die hätten Sie vielleicht mitbringen können. Die Farben sind richtig verteilt.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir reden von „RIGO“, „BREEZER“ oder „SMIRNOFF ICE“, verpackt in bunt gestaltete Flaschen. Ihr Inhalt schmeckt Jugendlichen und leider auch Kindern zunehmend wie eine Mischung aus Limonade und Freiheit. Sie werden Alcopops genannt. Dies ist der Name der neuen Alkoholmixgetränke. Es gibt keine exakte Definition des Begriffs Alcopops. Meistens werden alkoholhaltige Limonaden als solche bezeichnet. Eigentlich gibt es sie schon lange. Die meisten von uns hier im Hause kennen sie in irgendeiner Weise: Berliner Weiße mit Sirup, Altbier mit Cola gemischt, Cola mit Rum, Whisky und Cola, das sind seit Jahrzehnten Standardgetränke für viele.

Neu ist, dass diese Getränke fertig gemixt in kleinen Flaschen auf den Markt kommen. Warum machen uns nun Alcopops mehr Sorgen als andere Alkoholgetränke ohnehin schon? Der Erfolg der Alcopops bei Kindern und Jugendlichen basiert zum einen auf der Überdeckung des Alkoholgeschmacks durch starke Zuckerzusätze und Fruchtgeschmack. Es erscheint angenehm, dass der Alkohol selbst dabei nicht oder kaum zu schmecken ist. Gleichzeitig wird aber auch die Wirkung des Alkohols in den Getränken geschätzt.

Eine andere Grundlage des Erfolgs dieser Alcopops ist die Tatsache, dass sie sozusagen auf leisen Sohlen daherkommen. Sie sind farbig getrimmt, in bunten

Flaschen verpackt und in kleinen Mengen zu konsumieren. Sie sind locker und leicht präsentiert. Die Bewerbung dieser Produkte setzt bewusst auf diese verharmlosenden Attribute. Sie vermitteln Jugendlichen das Gefühl, dass diese Getränke extra für sie gemacht seien und zu einem jugendlichen Lebensgefühl geradezu dazugehören. Dazu gehört auch, dass ältere Menschen diese in der Regel nicht konsumieren; mit wenigen Ausnahmen.

Alcopops sind für den steigenden Alkoholkonsum von Jugendlichen entscheidend mitverantwortlich. Obwohl diese Mixgetränke erst seit wenigen Jahren hier erhältlich sind, steht ihr Konsum nach Bier bereits an zweiter Stelle bei den Jugendlichen; weit vor anderen Spirituosen, Wein oder Sekt. Das ist kein Zufall. Auch die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen - Sie haben sich auch mit den Aussagen beschäftigt - meint, dass diese Getränke entwickelt worden sind, um eine spezielle Kundschaft anzulocken. Der Geschäftsführer Hüllinghorst hat deshalb Recht, wenn er Alcopops als eine Einstiegsdroge bezeichnet und bei Kindern und Jugendlichen das Vorgehen der Getränkeindustrie als eine Art des Anfixens umschreibt.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Für die Getränkehersteller ist der neue Trend eine Goldgrube. Bei BACARDI Deutschland verdreifachte sich der Absatz der Mixgetränke im letzten Jahr und liegt bei mehr als 100 Millionen Einheiten. Die Unternehmen wehren sich gegen die Vorwürfe, bewusst Produkte für Jugendliche zu entwickeln. Bis zum Ende des Jahres sollen deshalb alle Alcopop-Flaschen mit dem Aufdruck „ab 18 Jahren“ gekennzeichnet werden.

Darüber sind wir uns offensichtlich einig und das sieht die Bundesregierung auch so: Ich meine, dass diese - von den Unternehmen ergriffenen Maßnahmen - nicht weit genug gehen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Den Vorschlag, die Alcopop-Getränke mit einer zusätzlichen und empfindlichen Steuer zu belasten, halten wir für einen sinnvollen Weg. Gerade bei den besonders jungen Konsumenten ist eine drastische Erhöhung des Preises ein geeignetes Mittel, diese vom Kauf solcher Getränke abzuhalten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer nur ein begrenztes Taschengeld zur Verfügung hat, überlegt beim Kauf einer doppelt so teuren bunten Alcopop-Flasche auch doppelt so gründlich den Kauf.

(Peter Eichstädt)

Die Nachbarländer Schweiz und Frankreich haben das bereits vorgemacht. In Frankreich wurde 1997 der Preis über die Steuer verdoppelt. In der Schweiz ist der Preis seit einigen Monaten vervierfacht worden. In Frankreich hat diese Maßnahme ein gutes Ergebnis gezeigt. Der Markt ist nahezu zusammengebrochen.

Ich möchte allerdings anmerken: Ein Aspekt fehlt mir bei der CDU. Neben allen Maßnahmen, die Sie vorschlagen, sollte nicht vergessen werden, dass das Jugendschutzgesetz gerade in diesem Bereich mit aller Härte und Konsequenz auch angewendet werden muss. Die Abgabe dieser Getränke an Jugendliche unter 18 Jahren ist verboten. Basta!

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Darüber sollte auch die bunte Farbe dieser lustigen Getränke uns selbst nicht hinwegtäuschen. Deshalb begrüßen wir es auch außerordentlich, dass das Jugendministerium in einem neuen Erlass zum Jugendschutzgesetz, den Sie offensichtlich noch nicht kennen, Frau Kollegin, verdeutlicht hat, dass Alcopops unter das absolute Abgabeverbot gemäß § 9 fallen.

Ebenso wichtig wie die geplante Preiserhöhung ist aber auch die öffentliche Diskussion dieses Themas. Hier sollten wir nicht nachlassen, denn Jugendliche und auch Eltern haben einen großen Aufklärungsbedarf und sollten sich dieser Gefahren bewusst werden, beziehungsweise sie sollten ihnen bewusst gemacht werden. Viele Eltern unterliegen der verharmlosenden Aufmachung dieser Alcopops genauso wie die Kinder.

Lassen Sie mich zum Schluss noch auf einen dritten Punkt kommen, den wir im Rahmen der Beratung Ihres Antrags im Ausschuss gern diskutieren würden.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, bitte formulieren Sie Ihren letzten Satz.

Ja. Eine wichtige Aufgabe der Aufklärung liegt bei den Kreisen und kreisfreien Städten. Frau Tengler, es wäre hilfreich, wenn Sie parallel zu Ihrem Antrag auch auf die Mehrheiten der CDU in den Kreisen und kreisfreien Städten dahingehend einwirken würden, dass nicht gleichzeitig die Finanzausstattung der Beratungsstellen gekürzt wird, wie das zum Beispiel im Kreis Herzogtum Lauenburg - aber auch anderswo - geschieht. Herr Kollege Schlie, wir beide wissen

das. Wenn dies geschähe, würde der Glaubwürdigkeitsgehalt Ihres Antrags erheblich gefördert werden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Zunächst begrüße ich auf der Tribüne den interessierten Teil der Besuchergruppe der Beruflichen Schulen am Ravensberg, Kiel. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich erteile Frau Abgeordneter Kolb das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zugegebenermaßen häufen sich in der letzten Zeit die Meldungen darüber, dass es einen unerhörten Anstieg im Konsum dieser Alcopops bei Jugendlichen gibt. Auch die Warnungen vor den zu erwartenden gesundheitlichen Problemen haben zugenommen. Aktuelle Repräsentativerhebungen zu Bekanntheit, Kauf und Konsum von Alcopops in der Bevölkerung, die Ende 2003 von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung durchgeführt wurden, bestätigen die dramatische Entwicklung im Alkoholkonsum von Jugendlichen.

Im Vergleich zu einer Studie, die vor fünf Jahren durchgeführt worden ist, hat sich der Verkauf von Alcopops bei den Käufern bis zu 29 Jahren fast versechsfacht. Mittlerweile sind in der Gruppe der 14- bis 17-Jährigen Alcopops die beliebtesten alkoholischen Getränke vor Bier, Wein, Sekt und weiteren Spirituosen. Durch den extrem hohen Zuckergehalt dieser Getränke entwickeln Jugendliche offensichtlich ein Trinkverhalten wie bei nicht alkoholischen Getränken, da der Alkoholgeschmack überdeckt ist. Das macht die alkoholischen Fruchtgetränke, die Alcopops, besonders beliebt.

Kauften im letzten Monat 37 % der jungen Erwachsenen zwischen 18 bis 29 Jahren Alcopops, so liegt der Anteil der Jugendlichen im Alter zwischen 14 bis 17 Jahren sogar bei 39 %. Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen sind dabei im Konsumverhalten nicht ermittelt worden.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung kommt deshalb zu dem Schluss, dass aufgrund der breiten Verfügbarkeit, des angenehmen Geschmacks, der den Alkoholgehalt und -geschmack überdeckt, sowie des ausgesprochen positiven Images, Alcopops Jugendliche immer früher zu einem regelmäßigen Alkoholkonsum verführen.

(Veronika Kolb)

Meine Damen und Herren, umso mehr stellt sich deshalb für mich die Frage, ob durch die Einführung einer neuen zweckgebundenen Abgabe dieser Alkoholkonsum verringert oder gar verhindert werden kann.