Protokoll der Sitzung vom 20.02.2004

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute wird in zweiter Lesung das Gesetz über die Ausbildung von Juristinnen und Juristen im Land Schleswig-Holstein verabschiedet. Es wird auch Zeit, denn das Bundesrahmengesetz ist seit dem 1. Juli 2003 in Kraft und viele andere Bundesländer haben die Umsetzung des Rahmenrechts in Landesrecht bereits abgeschlossen.

(Thorsten Geißler [CDU]: Sehr richtig!)

Brauchen wir diese Reform überhaupt - Reform ist fast schon das Unwort des Jahres oder könnte es gut werden - und bringt sie was? - Beides will ich für die SPD- Fraktion ausdrücklich bejahen. Wir brauchen sie und sie bringt etwas.

Nach ausführlicher Lesung und Beratung will ich Ihnen und mir umfängliche Begründungen dazu ersparen. Trotzdem möchte ich Ihnen drei Schlagworte zur Erinnerung nennen:

Erstens. Die Wahlfachprüfungen werden vollständig auf die Universitäten übertragen, sodass ihnen damit ein wesentlicher Teil der Examensprüfungen selbst obliegt, jedoch bleibt das erste Staatsexamen erhalten. Ich denke, das ist eine Stärkung der Universitäten, um sich zu profilieren.

Zweitens. Mit der Aufnahme neuer interdisziplinärer Schlüsselqualifikationen und dem Nachweis von Fremdsprachenkenntnissen erfolgen eine längst fällige inhaltliche Reform und eine Anpassung an den internationalen Bedarf. Künftige Generationen von Juristinnen und Juristen werden vertiefte Kenntnisse der Kommunikation und der Verfahren außergerichtlicher Streiterledigung erlangen und dadurch besser auf die alltäglichen Anforderungen vorbereitet sein.

Drittens. In der Referendarausbildung wird durch die Erhöhung der Dauer der anwaltlichen Ausbil

dungsstation von vier auf neun Monate endlich der Tatsache Rechnung getragen, dass 80 % der Referendare nach dem zweiten Examen eine anwaltliche Tätigkeit aufnehmen.

Lassen Sie mich kurz etwas zu den Änderungsanträgen sagen. - Dank der gründlichen Auswertung der erneuten schriftlichen Anhörung durch das Justizministerium, einer interfraktionellen Initiative und der Sondersitzung des Innen- und Rechtsausschusses schlagen wir Ihnen zwei Änderungen vor:

Die erste Änderung betrifft § 7 und schließt eine Gesetzeslücke bei der Gewichtung der schriftlichen und mündlichen Prüfungsteile innerhalb der Schwerpunktprüfung. Ferner ermöglicht diese Änderung den Universitäten, den Umfang von Prüfungsarbeiten zu begrenzen. Letzteres ist gut für die Studenten, die ein Thema kurz und prägnant bearbeiten müssen, und es entlastet die Prüfer.

Mit dem zweiten Änderungsvorschlag in § 15 schaffen wir weichere Übergangsfristen, die insbesondere Studenten zugute kommen, die durch Auslandssemester, Gremienarbeit oder durch Elternschaft nach der bisherigen Fassung benachteiligt wären.

Wichtig ist mir und der SPD-Fraktion allerdings, dass durch diesen Änderungen die Reform der Juristenausbildung nicht verzögert, sondern zügig in Angriff genommen und umgesetzt wird. Dazu gibt es mehr Bereitschaft bei den Universität, den Anwälten und der Anwaltskammer, als es uns die Opposition in der ersten Lesung glauben machen wollte.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Thorsten Geißler [CDU]: Haben Sie die Anhörung verfolgt?)

- Aber hallo! Herr Geißler, Sie melden sich zum rechten Zeitpunkt zu Wort. Denn ich möchte direkt auf die Haltung der CDU-Fraktion im Innen- und Rechtsausschuss eingehen. Sie werden sich enthalten oder das Gesetz in Gänze ablehnen.

Dazu zwei kurze Anmerkungen: Sie fordern, weitaus mehr Regelungen im Gesetz zu treffen, statt - wie vorgesehen - in die Verordnung zu verlagern. Das, meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, widerspricht meines Erachtens allen Regeln der Kunst moderner und effizienter Gesetzgebung und ist im Grunde genommen in der Modernisierungsdebatte eine Rolle rückwärts. Ich weiß gar nicht, wie Sie das mit Ihren anderen Redebeiträgen vereinbaren können.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

(Ingrid Franzen)

Ferner wollen Sie dem JAG auch nicht zustimmen, weil Ihnen Rot-Grün im Ausschuss bei einer zum jetzigen Beratungsstand - das betone ich - noch vorzunehmenden mündlichen Anhörung ausschließlich der CAU nicht gefolgt ist. Dabei wäre es - das wissen wir aus den schriftlichen Stellungnahmen - darum gegangen, mehr Finanzmittel für die Reformen zu bekommen.

Fakt ist aber - da hilft ein Blick in die andere Ausschuss- und Parlamentsarbeit -, dass Landesregierung und CAU für den Zeitraum 2004 bis 2008 eine Zielvereinbarung über jährlich circa 134 Millionen € für laufende Kosten und 3,8 Millionen € für Investitionen abgeschlossenen haben; diese Summen beinhalten nicht die Klinika.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ferner werden die Tarifsteigerungen ausgeglichen und das sind noch einmal rund 3 Millionen € im Jahr. Und - das ist im Zusammenhang mit dem JAG besonders wichtig - die CAU hat sich „zur Weiterentwicklung wettbewerbsfähiger Studienstrukturen“ - das ist ein wörtliches Zitat aus der Vereinbarung - verpflichtet.

Meine Damen und Herren, anders kann es doch auch nicht sein: Wir wollten uns doch nicht bis 2008 jede Möglichkeit der Reform von Studiengängen nehmen.

(Glocke des Präsidenten)

- Herr Präsident, ich komme zum Schluss. - Lieber Herr Geißler, wir wissen ja, dass Sie uns in Richtung Lübeck verlassen werden. Suchen Sie sich doch ein anderes Feld, auf dem sich Sie und Ihre Fraktion noch einmal rechtspolitisch profilieren können. Das JAG eignet sich dazu nicht.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Geißler das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielen Dank für die guten Ratschläge, Frau Kollegin Franzen, aber heute wollen wir uns noch einmal mit dem JAG auseinander setzen.

Wir hatten bereits in der ersten Lesung Kritik geübt; das hat damals unser Kollege Dr. Wadephul für die CDU-Fraktion gemacht.

Zum einen haben wir den Zeitplan kritisiert. Die Landesregierung hat mehr als ein Jahr nach Verabschie

dung des Rahmengesetzes durch den Bund den Gesetzentwurf vorgelegt. Wir sind - das haben Sie eingeräumt, Frau Franzen - eines der letzten Bundesländer, die diese Reform in Landesrecht umsetzen. Aber wir hatten auch inhaltliche Kritik geäußert und die hat sich aus unserer Sicht voll und ganz durch die Anhörung im Innen- und Rechtsausschuss bestätigt.

Die Ausbildungsreform wird natürlich im Grundsatz von vielen begrüßt. Die Argumente sind genannt worden, die Forderung von Schlüsselqualifikationen, der Nachweis von Fremdsprachenkenntnissen, die Ausdehnung der Anwaltszeit im Referendariat. Das sind alles positive Neuregelungen, die wir unterstützen.

Wir freuen uns auch, dass die Landesregierung zumindest einen Kritikpunkt aufgegriffen hat. Die Übergangsregelungen waren so, dass viele Studierende gesagt haben, wenn wir jetzt noch im Ausland studieren, werden wir dem neuen Prüfungsrecht unterworfen; deshalb verzichten wir auf den Erwerb von Schlüsselqualifikationen im Ausland. - Das kann nicht sinnvoll sein. Deshalb ist die Frist verlängert worden. Das tragen wir mit, auch wenn es in letzter Minute durch die Landesregierung passiert ist.

Aber unbeantwortet sind alle Fragen bezüglich der Umsetzbarkeit des Gesetzes, das heute beschlossen werden wird. Haben Sie denn - da habe ich mich schon gewundert, Frau Franzen - die Stellungnahmen der CAU gar nicht gelesen? - Auf die Rechtswissenschaftliche Fakultät der CAU werden nämlich durch die Umsetzung des Gesetzes erhebliche Mehrbelastungen zukommen. Die Dekanin der Fakultät hat dazu ja auch sehr detailliert Stellung genommen.

Es wird einen Mehraufwand für die Durchführung zusätzlicher Lehrveranstaltungen geben. Personeller Aufwand wird durch die Errichtung eines Prüfungsamtes für die Schwerpunktbereichsprüfung veranlasst. Durch die Einbindung von universitätsexternen Prüferinnen und Prüfern werden Vergütungskosten entstehen.

In der Gesetzesbegründung heißt es dazu lediglich:

„Zusätzlicher Aufwand wird bei der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der CAU durch die von ihr durchzuführende Schwerpunktbereichsprüfung und durch die Vermittlung von Fremdsprachenkenntnissen und Schlüsselqualifikationen entstehen. Der Aufwand ist schließlich in Abhängigkeit von der Anzahl der bereitgestellten Studienplätze zu betrachten. Dieser ist im Rahmen vergütbarer Mittel und Ressourcen des Hochschulbudgets zu decken.“

(Thorsten Geißler)

Der Deutsche Hochschulverband hat diese euphemistische Formulierung mit den Worten kommentiert: „Man gibt der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der CAU Steine statt Brot“.

Bereits jetzt befindet sich die CAU aufgrund der angespannten Haushaltslage, gemessen an den im Prinzip unveränderten Aufgaben, im Zustand völlig unzureichender Finanzausstattung. Das versucht man aufzufangen, indem man die Zahl der Studienplätze begrenzt. Im Wintersemester 2003/2004 wurde die Zahl der Studienanfänger von 360 auf 260 abgesenkt, aber damit hat die CAU noch keine zusätzlichen Mittel, um adäquaten Unterricht zur Vermittlung von Schlüsselqualifikationen und Fremdsprachenqualifikation zu erteilen.

Die CAU verfügt auch nicht über Personal, das diesen Unterricht in angemessener Weise geben könnte.

Es hat wenig Sinn, ein Gesetz zu verabschieden, wenn die Voraussetzungen für dessen Umsetzung nicht im Ansatz hergestellt sind. Wir hätten der CAU im Innen- und Rechtsausschuss gern noch einmal Gelegenheit gegeben, ihre Argumente vorzutragen und Fragen zu stellen. Sie haben das bedauerlicherweise abgelehnt - entgegen allem parlamentarischen Brauch. Wer gegen solche parlamentarischen Usancen verstößt, der kann nicht erwarten, dass wir heute zustimmen. Wir werden uns der Stimme enthalten.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Nun zu Ihrem Argument, das mich doch in Erstaunen versetzt hat, Frau Kollegin Franzen. Sie sagen, es sei moderne Gesetzgebungstechnik, ganz wenig im Gesetz und fast alles in der Verordnung zu regeln. Das kann ich nun beim besten Willen nicht teilen. Vom Grundsatz her - das hat das Bundesverfassungsgericht auch immer wieder festgestellt - muss alles Wesentliche durch Gesetz geregelt werden.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Es kann nur eine Ausnahme sein, dass die Landesregierung an die Stelle des Landtages tritt und dann natürlich nur durch eine Verordnungsermächtigung durch den Landtag. Dass Sie eine so weitgehende Verordnungsermächtigung hier erteilen wollen, bis an die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen, und das als Modernität verkaufen, das kann einen nur in Erstaunen versetzen, weil es ein eigenartiges parlamentarisches Selbstverständnis verrät.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben darauf aufmerksam gemacht, wir hätten von der Möglichkeit Gebrauch machen können, Änderungsanträge zu stellen. Aber dann hätten wir das

Gesetz von seiner Systematik her völlig verändern müssen. Das kann nicht sinnvoll sein. Wir halten es für wenig angemessen, dass eine so wichtige Frage wie beispielsweise die Gliederung des Vorbereitungsdienstes im Verordnungsweg geregelt sind, nicht hier durch diesen Landtag festgesetzt - möglicherweise im Streit, kontrovers zwischen den Fraktionen -, also nicht durch diejenigen, die durch eine Wahl durch das Volk dazu direkt legitimiert sind, sondern durch die, die nur mittelbar demokratische Legitimation besitzen, nämlich durch die Landesregierung.

Es kann keinen Zweifel an der Notwendigkeit einer Reform der Juristenausbildung geben. Es gibt auch keine Zweifel, dass das Bundesgesetz zur Reform der Ausbildung aus dem Jahr 2002 Verbesserungen darstellt. Ich habe auch - das gehört zur Fairness - die Verbesserungen herausgestellt, die die Umsetzung in das Landesrecht mit sich bringen werden. Aber zahlreiche Probleme bleiben ungelöst. Ungelöst bleiben die Fragen der Umsetzung, ungelöst bleibt die Frage der unzureichenden Finanzausstattung der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der CAU. Daher werden wir uns der Stimme enthalten. Wir hatten erst erwogen, dagegen zu stimmen. Das werden wir nicht tun, weil es in der Tat eine Reihe von Gemeinsamkeiten gibt. Aber wir werden diesem etwas eigenartigen Gesetzentwurf nicht zustimmen.

(Beifall bei der CDU)

Bevor ich das Wort erteile, will ich Gäste begrüßen. Inzwischen haben neue Gäste die Tribüne mit Beschlag belegt. Ich freue mich, Schülerinnen und Schüler mit ihren Lehrkräften von der Freien Waldorfschule in Neumünster sowie von der Hannah-ArendtBerufschule in Flensburg begrüßen zu dürfen. - Herzlich willkommen!