Protokoll der Sitzung vom 28.09.2000

Ich darf darauf hinweisen, dass dies der erste Redebeitrag des Abgeordneten Wiegard war und die Glückwünsche des Präsidiums aussprechen. Ich gratuliere ihm ganz herzlich zu seiner Genesung.

(Beifall im ganzen Haus)

Nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Bernd Schröder das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Argument, die Ökosteuer sei bei Sprit und Heizöl der Preistreiber Nummer eins, ist bereits widerlegt. Nehmen Sie den Spitzenpreis für einen Liter Superbenzin von 2,06 DM. Davon sind lediglich 14 Pf auf die Ökosteuer zurückzuführen. Nehmen Sie das Heizöl, dessen Preis seit dem Frühjahr um 60 % gestiegen ist. Davon sind ganze 4 Pf auf die Ökosteuer zurückzuführen. Allein diese Beispiele machen deutlich, dass die Preistreiber ganz sicherlich nicht diejenigen sind, die die Steuergesetze gemacht haben, sondern diejenigen, die die Ölmärkte mit ihren Kartellen beherrschen.

(Beifall bei SPD und SSW)

Die Preise für Heizöl und Benzin sind bekanntlich nicht nur in Deutschland gestiegen, sondern in ganz Europa und weltweit - die USA eingeschlossen. Das dürfte ein weiterer Beleg dafür sein, dass die Ökosteuer nicht der Grund für die Preissteigerung sein kann. Die verschiedenen Länder haben unterschiedlich auf die neue Situation reagiert. US-Präsident Bill Clinton gibt jetzt etwa einen Teil der strategischen Ölreserven frei. In Deutschland hat die Bundesregierung schnell reagiert und gezielt mit einer Pendlerpauschale geholfen.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Noch nicht!)

Die entlastet all jene, die zwischen Arbeitsplatz und Wohnort pendeln müssen. Das bedeutet: Diejenigen Pendler, die von den hohen Spritpreisen betroffen sind, werden künftig deutlich entlastet.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

(Bernd Schröder)

Zu den besonderen Belastungen für Spediteure: Die gestiegenen Dieselpreise treffen die Unternehmen hart, das ist überhaupt keine Frage.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das ist Ihnen scheißegal!)

- Kollege Kubicki, das verbitte ich mir, dass mir das „scheißegal“ sei. Das ist wohl kein parlamentarischer Ausdruck für unsere Auseinandersetzung.

(Beifall bei SPD und SSW)

Die besonderen Belastungen für das Gewerbe in Deutschland liegen jedoch in erster Linie in der Wettbewerbsverzerrung, die es - sehr zugunsten der Konkurrenz in anderen Ländern - immer noch in Europa gibt. So kann die Differenz der steuerlichen Belastung für einen LKW zwischen den Niederlanden und Deutschland - je nach Fahrleistung mehr als 13.000 DM im Jahr ausmachen. Das bedeutet, die Politik muss sich dafür stark machen, dass die Wettbewerbsbedingungen in Europa angepasst werden. Dafür haben wir die Initiative ergriffen.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Sagen Sie mal, wo!)

Wir fordern, dass sich die Bundesregierung in Europa mit Nachdruck für eine schnelle Harmonisierung einsetzt. Die Forderung, die Ökosteuer auszusetzen oder abzuschaffen, ist nichts weiter als blanker Populismus, bewegt sich bestenfalls auf Stammtischniveau. Für solche Kampagnen sind Sie ja bekannt. Die bemerkenswerteste war „Kinder statt Inder“. Das ist das Niveau, auf dem wir diskutieren und auf das wir reagieren sollten.

Wer den Markt beobachtet, weiß: In die Lücke, die bei Aussetzung der Ökosteuer entstehen würde, würden sofort die tatsächlichen Profiteure der hohen Spritpreise stoßen, die Mineralölmultis und die Erdöl fördernden Länder, vor allem die OPEC.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das ist Unsinn! Sonst wäre der Spritpreis konstant!)

Die Ökosteuer darf auch deshalb nicht ausgesetzt werden, Herr Kayenburg, weil ihre fiskalische Steuerfunktion richtig ist. Jeder Pfennig, der über die Ökosteuer eingenommen wird, wird bekanntlich genutzt, um die Sozialabgaben zu reduzieren.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das ist falsch!)

Das entlastet langfristig den Faktor Arbeit im Vergleich zum Faktor Kapital.

(Martin Kayenburg [CDU]: Nicht einmal die Hälfte! Sie beschwindeln die Öffentlichkeit!)

Das macht den heimischen Wirtschaftsstandort - ob Sie nun dagegen reden oder nicht - wettbewerbsfähiger

(Martin Kayenburg [CDU]: Sie sagen die Unwahrheit!)

und schafft somit schließlich wieder Arbeitsplätze.

(Beifall bei SPD und SSW)

Der von Ihnen lange Zeit so geschätzte Herr Töpfer, der Chef der UN-Umweltbehörde, hat jetzt aktuell Sie können das nachlesen; er ist ehemaliger CDUBundesminister - ein Festhalten an der Ökosteuer trotz hoher Öl- und Benzinpreise als richtig bezeichnet.

(Zuruf der Abgeordneten Roswitha Strauß [CDU])

Wer hat die Arbeitskosten in Deutschland in den berühmten 16 Jahren Ihrer Regierungsverantwortung verteuert? Wer ist dafür verantwortlich? Wer hat die Folgen der deutschen Einheit vor allem auf die Rentenkassen und damit auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abgewälzt

(Beifall des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

und ruft jetzt nach steuerlicher Entlastung nach dem Motto: „Haltet den Dieb!“?

Zu einer Politik, die Arbeitsplätze sichert und schafft, sehen wir Sozialdemokraten keine Alternative.

So viel übrigens auch zu Ihrem Begriff „Luxussteuer“, Herr Kubicki. Wenn Sie eine Steuerpolitik zur Schaffung von Arbeitsplätzen für Luxus halten, was für eine Partei der besser Verdienenden vielleicht nachvollziehbar ist, sollten Sie das auch immer wieder laut sagen.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das sagen wir auch immer wieder, Herr Schröder!)

Abschließend möchte ich sagen - auch das war gestern nachzulesen -: Für mich ist schon beschämend, wenn sich die „CDU-Allzweckwaffe“ Austermann

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Schauen wir mal, was Sie in vier Wochen sagen, wenn der Kanzler gesprochen hat!)

nicht zu schade ist, durch die Lande zu ziehen und die Emotionen hoch zu treiben.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter, kommen Sie jetzt bitte zum Schluss!

Letzter Satz! Ich glaube, das tut der Politik nicht gut. Es ist nur ein ganz kurzer -

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter, das war ernst gemeint. Jetzt bitte Ihr letzter Satz.

Es ist der Politik nicht förderlich, wenn wir nur darauf hinaus wollten, für den Moment einen Vorteil zu haben. Wir sollten in der Sache eine Lösung finden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das Wort zu einem Beitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat jetzt Herr Abgeordnete Uwe Eichelberg.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Straßenproteste, die wir dieser Tage erleben, sind ein klares Zeugnis dafür, dass wir in der Politik versagt haben. Da schließe ich alle politischen Kräfte mit ein.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Insbesondere die Grünen haben hier etwas verschuldet, was wir im Grunde gar nicht gewollt haben. Natürlich ist keiner dagegen, dass auch Energie besteuert wird. Man muss aber von der Politik etwas mehr verlangen, als immer wieder nur draufzupacken. Man muss flexibel reagieren, wie Sie es in dem Koalitionspapier in Berlin selber vorgegeben haben. Man muss sich zum Beispiel an der Konjunktur und an dem Ölproduktepreis orientieren. Allein daran ist zu entscheiden, was wir machen können. Zurzeit haben Sie den Bogen mit Ihrer Ökosteuer überspannt. Das wissen Sie doch selber. Da gibt es doch gar nichts darüber zu reden.

Das zweite Versagen der Politik der letzten Jahre ist Folgendes. Es ist nicht gelungen, eine alternative Energiepolitik zu schaffen.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Sagen Sie bloß, Sie sind dafür!)