- Ich bitte diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die noch vor der Tür stehen, jetzt in den Plenarsaal einzutreten.
Bevor wir wieder in die Beratungen einsteigen, darf ich auf der Tribüne die Soldatinnen und Soldaten der Waffentauchergruppe in Eckernförde begrüßen
sowie die Damen und Herren der „Leitstelle ÄlterWerden“ der Landeshauptstadt Kiel. Herzlich willkommen!
Vor der Mittagspause haben wir den Tagesordnungspunkt 6 beraten. Die Beratungen waren abgeschlossen; die Abstimmung steht aber noch aus.
Es war beantragt worden, die Antwort auf die Große Anfrage an die zuständigen Ausschüsse - Innen- und Rechtsausschuss und Umweltausschuss - zu überweisen. Wer möchte diesem Antrag seine Zustimmung erteilen? - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist also einstimmig so beschlossen. Damit ist Tagesordnungspunkt 6 erledigt.
Bericht des Landtagspräsidenten gemäß § 28 des Schleswig-Holsteinischen Abgeordnetengesetzes (SH AbgG) über die Angemessenheit der Entschädigung sowie der Aufwandsentschädigung der Abgeordneten
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe pflichtgemäß entsprechend dem Betreff, den der Herr Präsident eben genannt hat, Bericht zu erstatten. Das habe ich auch getan. Der schriftliche Bericht liegt Ihnen vor; ich brauche ihn also nicht im Einzelnen vorzulesen.
Spannend wird die Angelegenheit diesmal eigentlich dadurch, dass genau in die Zeit der Anfertigung dieses Berichts das lange erwartete Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Funktionszahlungen fiel. Beklagter war der Thüringer Landtag.
Ich möchte mich auf einige wesentliche Anmerkungen beschränken, die aus beiden Vorgängen - sowohl aus dem Bundesverfassungsgerichtsurteil als auch aus der Berichterstattung - resultieren und die uns betreffen.
Zunächst sollte ich sagen, dass wir als SchleswigHolsteinischer Landtag mit unserem Abgeordnetengesetz durch das Bundesverfassungsgerichtsurteil nicht unmittelbar betroffen sind; wir waren nicht Beklagte. Aber aus unserem Verfassungsverständnis als Verfassungsorgan heraus ist es eine Selbstverständlichkeit, dass wir unsere Gesetzgebung anhand der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts überprüfen.
Wenn wir uns den Kern dieses Verfassungsgerichtsurteils ansehen, stellen wir fest, dass die Verfassungsrichter zu dem Schluss kommen, dass die auch bei uns vorhandene Vielzahl der Funktionszahlungen, die wir in unserem Abgeordnetengesetz verankert haben, die Gleichheit des Mandats und damit auch die Unabhängigkeit des Mandats - also ein Verfassungsgut - bedroht. Insofern sind wir uns in diesem Hause wohl alle darüber einig, dass es notwendig ist, auch unsere Gesetzgebung - also das Abgeordnetengesetz - an die Verfassungswirklichkeit anzupassen. Dabei ist zu bemerken, dass wir seit 1990 ein Abgeordnetengesetz haben, das eigentlich in seiner Art sogar vorbildlich ist: Wir haben alle Funktionszahlungen im Gesetz ausgewiesen, wir haben Kriterien eingeführt - beispielsweise das Kumulationsverbot -, wir haben eindeutige Begrenzungen der Kataloge eingeführt, sodass bei uns mit irgendwelchen verdeckten Zahlungen nichts zu machen ist; es gilt ausschließlich das, was im Gesetz steht, für jedermann und jedefrau einsehbar ist das ausgewiesen. Wir waren der Meinung, damit sauber davor zu sein, müssen uns nun aber sagen lassen, dass wir jetzt an die Struktur unseres Gesetzes herangehen müssen. Denn eines ist klar: Der Bestandteil „Funktionszahlungen“ ist natürlich überhaupt nur im Gesamtpaket der Diät zu verstehen. Wenn wir über die Angemessenheit der Diät reden, reden wir über die Gesamtstruktur, über den Zugang zum Mandat, über den Abgang aus dem Mandat, über die Altersversorgung und natürlich auch über die Entlohnung; keine dieser Komponenten ist losgelöst von den anderen zu sehen. Insofern steht in der Tat unser gesamtes Abgeordnetengesetz auf dem Prüfstand.
Mit den Fraktionen haben wir untereinander darüber gesprochen und sind uns einig, dass wir von der bisherigen Vorgabe in den letzten Jahren abgehen sollten. Der Präsident kann sich ja bei der Berichterstattung über die Angemessenheit der Diät einer unabhängigen Sachverständigenkommission bedienen. Diese Praxis haben wir in den letzten Jahren bewusst ausgesetzt, weil wir auf dieses Struktururteil des Bundesverfassungsgerichts gewartet haben und warten mussten. Wenn wir jetzt an die Überarbeitung der gesamten Struktur unserer Diät herangehen müssen und auch herangehen wollen, ist es sicherlich notwendig und richtig, eine solche Sachverständigenkommission zu berufen, die unserer Beratung dienen soll.
Ich denke, auch diese Überprüfung wird über die Fraktionen hinweg gestützt und erkannt, dass wir eine Kommission aus unabhängigen sachverständigen Menschen berufen sollten, die uns über die gesamte Struktur unserer Diät beraten sollte, also über das gesamte Abgeordnetengesetz, und die nicht den Auftrag enthält, eine Kompensation - oder was auch immer - für den
Wegfall von Funktionszahlungen zu prüfen. Es dreht sich vielmehr um die Gesamtstruktur unserer Diät. Für alle Teile der Diät muss ein umfassender Vorschlag vorgelegt werden, also für den Zugang zum Mandat, für die materielle Absicherung des Mandats, für den Abgang aus dem Mandat bis hin zur Altersversorgung.
Man kann auch Folgendes überlegen - auch dies kann einmal geprüft werden -: Wir haben immer wieder darüber diskutiert, ob es notwendig ist, dass Abgeordnete ihre Diäten selbst festsetzen. Von der Verfassung her ist es überhaupt gar keine Frage, dass dies notwendig ist; es kann nicht anders sein. Dieser Standpunkt ist auch sehr gut mit der Unabhängigkeit des Mandats als Verfassungsgut begründet. Aber es gibt neuerdings auch andere Wege. Wir könnten prüfen lassen, ob es Vorschläge in dieser Richtung geben könnte.
Entscheiden werden wir immer selbst müssen; darum werden wir nicht herumkommen. Aber wir sollten uns - wie gesagt - des Sachverstandes bedienen.
Eine solche Kommission sollte tunlich ohne direkte oder indirekte politische Beteiligung gebildet werden. Das haben wir in der Vergangenheit anders gehandhabt. Wir haben immer unabhängige Kommissionen gehabt, aber wir haben sie immer auch ein Stück zum Teil mit ehemaligen Abgeordneten, Vizepräsidenten und ähnlichen Leuten besetzt. Wir sollten uns aus dieser Kommission völlig heraushalten. Sie soll ihre Vorschläge unbeeinflusst von uns erarbeiten können.
Das bedeutet nicht, dass das Parlament gegenüber der Kommission nicht angemessen artikulieren kann, wie die heutige Befindlichkeit und die Realität des Abgeordnetenalltags und einer entsprechenden Ausstattung ist. Dazu werden wir ausreichend Gelegenheit haben. Aber in der Kommission selbst wollen wir nichts zu sagen haben. Dies sollte Grundsatz sein.
Ich möchte die Fraktionen bitten - ich werde gleich noch einen Zeitrahmen dafür aufzeigen -, in den nächsten zwei Wochen - Zeitrahmen bis zur nächsten Landtagstagung - darüber nachzudenken, welche geeigneten Persönlichkeiten ihnen für die Kommission einfallen, sodass wir eine Kommission von sieben Leuten - etwa in dieser Größenordnung - berufen können. Dafür bitte ich um hilfreiche Vorschläge.
Was den Zeitrahmen angeht, so muss es Ziel sein, dass die Arbeit der Kommission schnell beginnen kann, das heißt, sie muss im Grunde ihre Arbeit nach den Herbstferien im November aufnehmen können. Sie muss auch eine Zeitperspektive erhalten - das kann ja nur unser Wunsch sein, aber ich denke, als Vorgabe wird das sicherlich akzeptiert werden -, dass wir ihr
für diese Arbeit maximal ein halbes Jahr Zeit einräumen, sodass wir im späten Frühjahr des Jahres 2001 mit einem Ergebnis rechnen und dann in die Beratungen eintreten könnten. Dabei sollten wir uns auch die Frage stellen, wie wir diese Beratungen transparent machen, sodass auch die Öffentlichkeit daran teilnehmen kann. Wir selbst müssten bemüht sein, unser Abgeordnetengesetz im Jahre 2001 in erster und zweiter Lesung neu gefasst zu haben.
Meine Erfahrung sagt mir - wir haben zwei strukturelle Reformen gehabt, eine Anfang der Achtzigerjahre und eine andere 1990 -: Es gibt nur bestimmte Zeitfenster, in denen man solche Veränderungen durchführen kann. Das brauche ich nicht im Einzelnen zu erläutern. Das ist selbstverständlich. Das bedeutet, am Beginn einer Legislaturperiode in aller Ruhe und Unbetroffenheit eine solche Diskussion führen zu können. Über diese allgemeinen, meiner Meinung nach aber dennoch weitreichenden Vorschläge hinaus sollten wir der Kommission tunlichst keine Vorgaben machen oder Ratschläge erteilen. Ich denke, das wird sie mit Kompetenz selbst tun können.
Es gibt unendlich viel zu sagen. Ich erinnere beispielsweise nur an die unverständliche Passage in dem Verfassungsgerichtsurteil, die die Parlamentarischen Geschäftsführer betrifft. Darüber kann man lange philosophieren. Die Kommission wird sich darüber selbst den Kopf zu zerbrechen haben.
Die Arbeit der Kommission wird sehr schwierig sein. Ein Arbeitsauftrag ist schnell formuliert, aber es wird ein gewaltiger Arbeitsaufwand betrieben werden müssen. Es hört sich so einfach ein, wenn man sagt: Die Kommission soll die Angemessenheit der Diäten mit der Verfassungsgemäßheit kombinieren, wo jetzt die Pflöcke eindeutig eingeschlagen sind in Bezug darauf, was verfassungsgemäß ist und was nicht. Mit Patenten und einfachen Antworten ist dies meiner Meinung nach aber nicht zu schaffen. Insofern werden wir einer Kommission dankbar sein müssen, wenn sie sich dieser Arbeit überhaupt unterzieht und wenn wir sie nicht selbst erledigen müssen.
Meine Damen und Herren, dies in der Kürze der mir zur Verfügung stehenden Zeit als grobe Anmerkung zu dem weiteren Verfahren! Wir müssen jetzt an die Struktur herangehen und uns dabei des Sachverstandes bedienen.
Zum konkreten Bericht und zur Angemessenheit der Entschädigung will ich in diesem Jahr Folgendes sagen. Aus allen auch Ihnen zur Verfügung stehenden statistischen Unterlagen geht ganz klar und eindeutig hervor, in welche Richtung ein solcher Angemessenheitsvorschlag gehen könnte und müsste. Das betrifft sämtliche Positionen des Abgeordnetengesetzes und
der Diäten. Ich mache Ihnen trotzdem einen Vorschlag und will diesen als politisches Signal verstanden wissen. Wir als Gesetzgeber wissen: Ab heute haben wir eigentlich ein Gesetz, das nicht verfassungsgemäß ist. Mit diesem Gesetz sollten wir aber legal umgehen, und zwar mit dem festen Vorsatz, die Verfassungsgemäßheit so schnell wie möglich herzustellen. So lange können wir guten Gewissens mit unserem Gesetz unverändert umgehen.
Ich möchte Ihnen aber auch vorschlagen, dieses Mal die Angemessenheit der Entschädigung besonders zu definieren. Ich schlage Ihnen keine Teilnahme an der Einkommensentwicklung vor, sondern ich schlage Ihnen einen Teuerungsausgleich nur bei § 6 Abs. 1, also bei der Grunddiät, in Höhe von 1,5 % vor. Ich weiß, dass dies nicht der Einkommensentwicklung entspricht, und zwar weder der des Jahres 1999 noch des Jahres 2000. - Nach allem, was wir bis jetzt wissen, gilt dies bis weit in das Jahr 2001 hinein. - Aber wir arbeiten an einer neuen Struktur. Wir sollten hier nicht mehr zulegen und sollten sagen: null, wobei „null“ eben die Einkommensentwicklung ist. Das ist statistisch berechnet.
Bei § 6 Abs. 2 plädiere ich wiederum gegen meine Grundauffassung. Bei den Funktionszahlungen bin ich immer für Ankoppelung, nie für Abkoppelung gewesen. Auch hier schlage ich Ihnen aber jetzt keine Erhöhung vor. Auch bei allen anderen Positionen Reisekosten, Übernachtungskosten, Aufwandsentschädigung - schlage ich vor, nichts zu verändern und mit dem jetzigen Betrag auszukommen. Eine Ausnahme hiervon gibt es. Eine Position muss verändert werden, und zwar die Mitarbeiterkostenerstattung, die mit unseren Abgeordnetendiäten nichts zu tun hat. Hier schlage ich ein Plus von 85 DM vor, so wie es auch in der Unterlage steht.
Vielen Dank, Herr Präsident! - Ein Aussprache ist nicht vorgesehen. Ich stelle fest, dass der Landtag von dem Bericht des Herrn Landtagspräsidenten Kenntnis genommen hat.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Oppositionsführer im Schleswig-Holsteinischen Landtag, der Fraktionsvorsitzende der CDU, Herr Martin Kayenburg.