Protokoll der Sitzung vom 10.03.2004

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der SSW begrüßt, dass wir in dieser wichtigen Frage im Sozialausschuss so schnell eine parteiübergreifende Resolution auf den Weg gebracht haben. Unser Dank gilt auch der Landesregierung und Wirtschaftsminister Professor Dr. Rohwer, der schnell auf das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf reagiert hat. Sowohl der Wirtschaftsminister als auch der Sozialausschussvorsitzende Beran haben in Briefen an Wirtschaftsminister Clement und an den Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit Wiese appelliert, vernünftige Lösungen für die weitere Vergabe von Aufträgen an die Jugendaufbauwerke in SchleswigHolstein zu finden.

Das Urteil des OLG Düsseldorf kann weit über die Jugendaufbauwerke in Schleswig-Holstein hinaus zu schwerwiegenden nachhaltig negativen Auswirkungen auf die gesamte regionale Qualifizierungsstruktur führen. Nach dem Urteil vom 12. Februar 2004 dürfen sich öffentliche Träger, die aus staatlichen Mitteln gefördert werden, sowie die Jugendaufbauwerke in Schleswig-Holstein aus wettbewerbsrechtli

(Silke Hinrichsen)

chen Gründen nicht mehr an Ausschreibungen der Bundesagentur für Arbeit beteiligen. Gerade der weitaus überwiegende Teil der Aus- und Fortbildungsstätten ist eben nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet, sondern will benachteiligten Gruppen Hilfe geben.

Dies kann langfristig dazu führen, dass bei Ausschreibungen auch kleine Aus- und Fortbildungsstätten keine Chance mehr haben, Aufträge zu erhalten. Die Folgen für die Aus- und Fortbildungsstruktur in Schleswig-Holstein wären bei einer Eins-zu-einsUmsetzung des Urteils verheerend.

Die 20 Jugendaufbauwerke in Schleswig-Holstein bieten mit ihren 3.900 Plätzen und 600 Arbeitsplätzen vielen benachteiligten Jugendlichen und behinderten jungen Menschen berufliche Perspektiven. Bei den Jugendaufbauwerken können diese Gruppen über Aus- und Fortbildung berufliche Qualifikationen erlangen. Diese Strukturen dürfen nicht wegbrechen. Den Schaden hätten nämlich ausschließlich die jungen Menschen, die dann nicht mehr gefördert würden.

Diese über viele Jahre sehr erfolgreiche Arbeit ist nun durch das Urteil in Gefahr geraten, da die meisten Jugendaufbauwerke von den Aufträgen der Bundesagentur abhängen. Deshalb haben alle Beteiligten an einem Strang gezogen, um zumindest kurzfristig und übergangsweise eine Lösung zu finden, nämlich die freihändige Vergabe, wie sie im Urteil ausdrücklich enthalten ist, durch die Bundesagentur zu erreichen. Damit könnte eine Beteiligung an den Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit und somit eine weitere Auslastung der Einrichtungen des Jugendaufbauwerkes ermöglicht werden.

Es ist schön, dass es hier vorläufig zu einem Kompromiss gekommen ist. Dies gibt den Jugendaufbauwerken ein bisschen Luft. Ob dies langfristig ausreichend ist, ist wirklich zu bezweifeln. Es wäre am besten, wenn man jetzt nach Wegen für konkrete Lösungen für die Jugendaufbauwerke und die Zukunft der Trägerstruktur sucht.

Wir möchten darauf hinweisen, dass insbesondere die Kommunen um Hilfe schreien, weil sie von dem Urteil betroffen sind, denn sie sind Träger der Jugendaufbauwerke. Gerade die Kommunen haben sich an uns gewandt. Nicht nur die Zeitung hat geschrieben, dass es aufgrund des Urteils Probleme gibt, sondern insbesondere auch die Kommunen, unter anderem der Bürgermeister der Stadt Niebüll, der darum gebeten hat, dass man hier sofort Lösungen sucht.

(Beifall beim SSW)

Das Urteil und die ganze Geschichte haben einen bitteren Nachgeschmack. Wieso ist es nicht möglich, gut funktionierende Weiterbildungseinrichtungen für benachteiligte Jugendliche weiter ohne Einschränkungen zu erhalten? Das ist doch das, was wir alle wollen! Ich hoffe, dass wir hier langfristig eine gute Lösung finden, sodass alle Jugendlichen ihren Arbeitsplatz, wenn sie ihn bei den Jugendaufbauwerken benötigen, erhalten können.

(Beifall im ganzen Haus)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Ich schließe die Beratung. Ich lasse über die Beschlussempfehlung des Sozialausschusses, Drucksache 15/3260, abstimmen. Wer der Resolution seine Zustimmung geben will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist vom Haus einstimmig so beschlossen. Tagesordnungspunkt 22 ist damit erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Waldgesetzes für das Land Schleswig-Holstein (Landeswaldgesetz - LWaldG)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 15/3262

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Grundsatzberatung. Das Wort für die Landesregierung erteile ich Herrn Umweltminister Müller.

Verehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor Ihnen liegt der Entwurf der Landesregierung für ein neues Landeswaldgesetz. Er soll das bestehende Gesetz ablösen. Unser geltendes Landeswaldgesetz ist eines der ältesten in Deutschland. Die meisten Regelungen gelten seit 1971 in unveränderter Form. Die forstliche Praxis in unseren heimischen Wäldern, der wissenschaftliche Erkenntnisstand und nicht zuletzt die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Forstwirtschaft haben sich jedoch in den vergangenen 30 Jahren deutlich verändert.

Wesentliche Teile des geltenden Gesetzes entsprechen daher nicht mehr den heutigen Anforderungen. Schleswig-Holsteins Wälder werden heute nahezu flächendeckend naturnah bewirtschaftet. Neben der Holznutzung spielen sowohl im Privat- wie im

(Minister Klaus Müller)

Staatswald Naturschutz und Erholung für die Bevölkerung eine weitaus größere Rolle als früher.

Neue Aufgaben der Forstbetriebe, zum Beispiel im Bereich der Waldpädagogik, sind hinzugekommen. Internationale forstpolitische Entwicklungen und Beschlüsse stellen die einheimischen Waldbesitzer vor neue Herausforderungen. Neue europarechtliche Vorgaben sind zu beachten. Der aktuelle Forstbericht der Landesregierung, den wir in der vergangenen Tagung diskutiert haben, macht diesen Wandel sehr deutlich.

Grund genug, unser Waldgesetz zu modernisieren und den veränderten Rahmenbedingungen anzupassen, wie es auch viele andere Bundesländer in den letzten Jahren getan haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD - Unruhe)

Drei Eckpunkte des Gesetzentwurfs möchte ich an dieser Stelle besonders hervorheben. Erstens. Mit der Neufassung des Landeswaldgesetzes soll die Bewirtschaftung der heimischen Wälder noch stärker auf ökologische Anforderungen ausgerichtet werden, ohne die ökonomischen Anforderungen der Forstbetriebe zu vernachlässigen.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Zuruf des Abgeordneten Claus Ehlers [CDU])

Wir alle wissen: Nur eine naturnahe Waldbewirtschaftung ist langfristig ertragreich, also auch ökonomisch nachhaltig. Lieber Claus Ehlers, du weißt genau, die Sturmschäden der vergangenen Jahre, aber auch die aktuelle Borkenkäfermassenvermehrung in den standortfremden und damit naturfernen Nadelholzbeständen belegen das.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Ich darf um ein bisschen mehr Aufmerksamkeit für den Redner bitten.

Danke, Herr Präsident.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Günter Neugebauer [SPD])

Es ist daher nicht nur ökologisch geboten, sondern auch im Interesse der Waldbesitzenden, dass der vorliegende Gesetzentwurf erstmals konkrete Regelun

gen zur guten fachlichen Praxis bei der Bewirtschaftung des Waldes enthält.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Schleswig-Holstein kommt damit zugleich seiner Verpflichtung nach, die forstlich relevanten Vorgaben des neuen Bundesnaturschutzgesetzes fristgemäß, nämlich bis April 2005, in Landesrecht umzusetzen.

Zweitens. Ein weiteres Ziel der Landesregierung ist die Einführung des freien Betretungsrechtes in heimischen Wäldern. Mit der Aufhebung des bestehenden Wegegebotes wird in Schleswig-Holstein endlich das freie Waldbetretungsrecht eingeführt.

(Zuruf des Abgeordneten Claus Ehlers [CDU])

Diese bürgerfreundliche Neuregelung trägt der steigenden Erholungsfunktion der Wälder und dem heutigen Freizeitverhalten moderner Menschen, lieber Claus, in angemessener Weise Rechnung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Sie schafft beste Voraussetzungen dafür, Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen den Lebensraum Wald näher zu bringen. Sie entspricht dem allseits geforderten Ziel der Deregulierung staatlicher Vorschriften: Mit dem neuen Waldgesetz können auf einen Schlag 68 Erholungswaldverordnungen zur besonderen Gestattung des freien Betretens ersatzlos entfallen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich noch eines hinzufügen: All die Argumente, die im Vorfeld gegen das freie Betretungsrecht ins Feld geführt wurden, wurden von uns eingehend geprüft. Es gibt auch unter den heimischen Waldverhältnissen keine stichhaltigen Gründe dafür, unsere Bevölkerung und unsere Urlaubsgäste weiterhin aus weiten Teilen unserer Wälder auszusperren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Der Kollege Claus Ehlers hat in der vergangenen Landtagstagung zur Debatte über den Forstbericht der Landesregierung meinen Vorschlag zur Abschaffung des Betretungsverbotes im Wald vorausahnend als „Sozialismus“ geziehen. Lieber Claus Ehlers, wäre das Sozialismus, würde nur Schleswig-Holstein nicht von Sozialisten regiert werden, weil diese Regelung in allen anderen Bundesländern in den Waldgesetzen

(Minister Klaus Müller)

existiert - in Bayern, in Baden-Württemberg bis hoch nach Mecklenburg-Vorpommern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Lieber Claus Ehlers, so viel Sozialismus gab es noch nie.

Schleswig-Holstein ist das letzte Bundesland, in dem das Betretungsverbot noch nicht abgeschafft wurde. Wem soll das einleuchten? - Höchste Zeit aufzuräumen!

(Beifall der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD])

Drittens. Auch die Vorschriften zur forstlichen Förderung sollen an die aktuellen forstwirtschaftlichen Rahmenbedingungen angepasst werden. Wir wollen, dass die Förderung in Zukunft nicht nur die wirtschaftliche, sondern verstärkt auch die ökologische und soziale Leistungsfähigkeit der Forstbetriebe sicherstellen soll. Wir wollen eine gesetzliche Grundlage dafür schaffen, den Markt für die Betreuung des Privat- und Körperschaftswaldes nicht wie bisher zu monopolisieren, das heißt, ihn neben der Landwirtschaftskammer auch anderen Anbietern zu öffnen.