Protokoll der Sitzung vom 29.04.2004

Wir wollen das Vorhaben des Bundesumweltamtes nicht zu hoch hängen. Es handelt sich um ein Forschungsvorhaben und die Erhebungen sollen angeblich anonym bleiben. Aber es bleibt die Frage, ob die zuständigen Ämter in ihrer Wahrnehmung der Kontrollaufgaben diese Erhebungen nicht kostengünstiger und wegen ihrer Kenntnisse vor Ort auch besser durchführen könnten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Umweltbundesamt hat sich anders entschieden und wieder einmal wird das Geld der Steuerzahler zum Fenster hinausgeworfen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir stimmen ausdrücklich dem von der FDP gestellten Antrag zu.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Matthiessen das Wort.

Das Umweltbundesamt möchte die Ausbringungspraxis für Agrargifte, also Pestizide, bei circa

(Detlef Matthiessen)

300 landwirtschaftlichen Betrieben bundesweit unangemeldet für eine wissenschaftliche Untersuchung beobachten, um, wie es der UBA-Chef Professor Troge - übrigens Mitglied der CDU und nicht der Grünen - sagt, bestehende Informationslücken zu schließen.

"Wir brauchen verlässliche Daten, inwieweit die Anwendungsbestimmungen eingehalten werden", so Troge wörtlich zitiert im „Bauernblatt“ vom 24. April 2004.

Im selben Artikel steht:

„Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Gerd Sonnleitner, hat inzwischen seine Bereitschaft zur Teilnahme im wissenschaftlichen Begleitkreis signalisiert.“

Die Daten sollen anonymisiert erhoben werden. Die Überschrift lautet: „UBA hält an verdeckter Feldbeobachtung fest.“ Professor Troge sagt: „Landwirte werden nicht an den Pranger gestellt.“

Dazu steht in der Zeitschrift „AGRA-EUROPE“ vom 8. März 2004:

„Deutliche Worte“

- wie auch sein kleiner Kollege hier im Landtag -

„fand der agrarpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter-Harry Carstensen, der von StasiMethoden sprach.“

Abgeordnete der FDP warfen der Berliner Behörde eine Kriminalisierung der Landwirtschaft vor.

(Günther Hildebrand [FDP]: So ist es!)

Ich weiß nicht, ob der Bundestagsabgeordnete Carstensen sich ernsthaft mit der Geschichte des Ministeriums für Staatssicherheit in der DDR und der Rolle, die die Stasi für die Menschen im Osten gespielt hat, auseinander gesetzt hat. Vermutlich hat er sich damit nicht näher beschäftigt. Ich empfehle ihm, sich einige Exemplare aus der Schriftenreihe „Deutschland Archiv“ auszuleihen. Er muss nicht viele Artikel lesen, um - wie ich - zu der Wertung zu kommen, dass die Bezeichnung Staatsterrorismus für die Stasi nicht fern liegt. Es ist maßlos übertrieben, solche Vergleiche anzustellen. Es ist auch maßlos übertrieben, wenn man nur oberflächliche Kenntnisse der Stasi hat. Es ist nicht nur maßlos übertrieben, es ist gleichzeitig auch eine Beleidigung der Stasiopfer, zu denen nicht wenige Tote zählen.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Ulf von Hielmcrone [SPD] und Friedrich-Carl Wo- darz [SPD])

Es ist nicht nur maßlos übertrieben; der Stasivergleich mit dem Umweltbundesamt stellt auch ein völlig verkehrtes Verständnis davon dar, was die Interessen der Landwirtschaft sind, für die der agrarpolitische Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion so blindwütig eintritt. Das ist Agrarlobbyismus à la Bayern, wo ein BSE-Fall zwar entdeckt, vor der Öffentlichkeit aber verschwiegen wurde. Nicht zuletzt damit wurde BSE in Deutschland zum Skandal.

Carstensens Sympathien für bayerische Methoden sind bekannt. Wir erlangen - nicht nur durch die Stasivergleiche - ein immer tieferes Verständnis von dieser Denkweise, sondern auch zum Beispiel durch die Beschwörung vielfach mit Agrargiften behandelter Äpfel als Beispiel für Wettbewerbsverzerrung in der Landwirtschaft. Seine Logik heißt nicht: Überall weniger spritzen, sondern: So lange dort, dann hier auch. Das ist eine agrarpolitische Denkweise der Normierung des niedrigsten Standards für möglichst viel, möglichst billig und möglichst wenig transparent. Nur so wird der brutale Stasivergleich gedanklich überhaupt nachvollziehbar. Nicht viel besser steht die FDP dar, die von Kriminalisierung spricht. Der Verbraucherschutz lässt bei solchen Mentalitäten grüßen.

Das UBA will wissen, ob eventuelle Fehler, beziehungsweise Rückstände, auf die Ausbringungstechnik oder auf die angewendeten Substanzen selber zurückzuführen sind. Anwendungsvorschriften sollen auf Tauglichkeit und Praktikabilität überprüft werden. Wenn man das als Verantwortlicher auch in Zulassungsfragen wissen will, denn darum geht es, nicht um den Vollzug hier im Lande, verehrter Claus, dann tut man gut daran, die dafür erforderlichen Beobachtungen zunächst unerkannt durchzuführen.

Wir haben das alle in der Schule gelernt, als wir uns mit Doppelblindversuchen beschäftigt haben. Auch bei Geschwindigkeitskontrollen sorgt die Verkehrspolizei für eine für die Probanden zunächst unerkannte Messung für Erkenntnisgewinn und teilt diesen erst im Nachhinein den Untersuchungsteilnehmern mit, was in der Regel schriftlich erfolgt. Viele von uns haben das sicherlich schon einmal praktisch erfahren. Wäre das anders, so müsste man mit vermehrt negativen Ergebnissen rechnen.

Nun wird bei der verdeckten Felduntersuchung zum Pestizideinsatz niemand bestraft, sondern es wird im Gegenteil eine Zusammenarbeit angestrebt, um nach Praxisfehlern auch deren Folgen zu erfassen und zu bewerten. Alle Daten werden - wie gesagt - anonymisiert. Das macht Sinn, ist vernünftig und schadet niemandem. Es ersetzt nicht die amtliche Überwachung und hat mit dieser auch nichts zu tun, sondern es dient

(Detlef Matthiessen)

der Erarbeitung von Basiswissen, der Verbesserung der Ausbringung und es liefert Erkenntnisse für die Zulassung der Mittel.

(Claus Ehlers [CDU]: Was soll der Zirkus dann?)

Das Umweltbundesamt macht diese wissenschaftliche Untersuchung nicht aus Spaß und aus Langerweile. Wir haben sowohl im Wasser als auch im Boden und in Lebensmitteln Rückstände der Spritzmittel und deren Metaboliten. Allergien und Fertilitässtörungen, also Fruchtbarkeitsstörungen, beim Menschen nehmen zu und sind deutliche Warnungen, dass wir mit Chemikalien aller Art vorsichtiger umgehen müssen. Dazu gehören insbesondere auch die Agrargifte. Die wissenschaftlichen Untersuchungen des Umweltbundesamtes liegen also im hohen Interesse der Verbraucher und der Landwirtschaft.

Die FDP ist gegen solche Untersuchungen. Ich habe dafür keinerlei Verständnis. Würden Sie die Verantwortlichkeit im Umweltschutz übernehmen, dann sage ich: Gute Nacht, Marie!

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Fried- rich-Carl Wodarz [SPD])

Für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der FDP zu verdeckten Feldbeobachtungen in der Landwirtschaft zielt darauf ab, einen Keil zwischen Landwirtschaft, Pflanzenschutzdienst des Landes und Umweltbundesamt zu treiben. Anstatt hier einen seriösen Antrag zu den vorgesehenen Feldbeobachtungen zu stellen, schürt der FDP-Antrag vielmehr Ängste und Misstrauen in Landwirtschaft und Gartenbau. Wie das gefruchtet hat, hat der Kollege Ehlers gerade eben deutlich gemacht. Der Antrag unterstellt, dass das Umweltbundesamt im Bereich des Pflanzenschutzes Kontrollen durchführt, die dem Umweltbundesamt nicht obliegen. Der Antrag impliziert, dass das Umweltbundesamt eine Art Pflanzenschutzgeheimdienst auf dem Acker betreibt.

Wer die Kleine Anfrage des Kollegen Hildebrand zu diesem Thema gelesen hat, konnte sehen, dass das Umweltbundesamt im Zuge eines Forschungsvorhabens Kontrollen hinsichtlich der Anwendungspraxis von Pflanzenschutzmitteln im Gartenbau und in der

Landwirtschaft durchführen lassen will. Natürlich wäre es im Sinne einer vorbildlichen Dienststellenzusammenarbeit zwischen Bundes- und Landesreinrichtungen gewesen, wenn die Landesregierung über dieses Forschungsvorhaben ordnungsgemäß informiert worden wäre. Die Vorgehensweise des Umweltbundesamtes sehen wir daher auch kritisch.

Wir sehen aber nicht, dass unsere Pflanzenschutzdienste durch dieses Forschungsvorhaben bei der Aufgabenerfüllung in ihrem Bereich beeinträchtigt werden. Die Länderkontrolle zur Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln sehen wir durch das Umweltbundesamt nicht beeinträchtigt oder untergraben. Im Gegenteil: Durch ein solches Forschungsvorhaben können neue Aufschlüsse im Hinblick auf die Anwendungspraxis von Pflanzenschutzmitteln gewonnen werden, die dann auch von unserem Pflanzenschutzdienst genutzt werden können.

Dies setzt aber voraus, dass das Umweltbundesamt vertrauensvoll und anonym mit den Aussagen und Erkenntnissen umgeht. Sollte dies nicht so sein, sehe ich durchaus die Problematik, dass das Umweltbundesamt mit seinem Forschungsvorhaben zu keinen neuen Erkenntnissen über den Umgang mit Pflanzenschutzmitteln gelangt, weil dann sicherlich die Zusammenarbeit aufgekündigt würde. Allerdings ist ein solches Verhalten nicht in Rede. Vielmehr gibt es eine große Einigkeit darüber, dass man dieses Forschungsvorhaben vorantreiben will.

Da es sich bei Pflanzenschutzmitteln nicht nur um harmlose und milde Mittel handelt, die die Kulturpflanzen schützen sollen, ist ein sachgerechter und verantwortungsvoller Umgang mit derartigen Mitteln unumgänglich. Hierauf wird auch in den entsprechenden Ausbildungen großer Wert gelegt. Jeder Landwirt und jeder Gärtner sollte dies berücksichtigen, denn mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wird nicht nur in den Naturhaushalt eingegriffen. Solche Mittel können auch negative Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen und Tieren haben. Dies sollten wir uns immer wieder vor Augen halten.

Daher sind Erkenntnisse über den Umgang mit Pflanzenschutzmitteln unabdinglich, um einen präventiven Schutz gewährleisten zu können. Diesen Schutz leisten unsere Pflanzenschutzdienste. Ihr Aufgabenspektrum ist klar definiert: Sie führen im Handel Kontrollen hinsichtlich der angebotenen Präparate durch und sie überprüfen die Sachkunde der Anwender, die Geräte und die ordnungsgemäße Anwendung im Sinne einer guten fachlichen Praxis. Dies geht auch deutlich aus der Antwort der Landesregierung

(Lars Harms)

auf die Kleine Anfrage hervor. Deshalb brauchte man eigentlich gar keinen Antrag mehr zu stellen.

So gut die Arbeit unseres Pflanzenschutzdienstes aber auch ist, er kann nur stichprobenartige Kontrollen durchführen. Wir wissen, dass Stichproben immer wieder Lücken im Kontrollnetz zulassen. Eine vollkommene Überwachung des Umgangs mit Pflanzenschutzmitteln ist aber nicht leistbar. Schwarze Schafe werden immer wieder durch die Maschen fallen. Deshalb sollten wir das Forschungsvorhaben des Umweltbundesamtes nicht in Bausch und Bogen verurteilen, sondern die erzielten Ergebnisse vielmehr für eine Erkenntniserweiterung für unseren Pflanzenschutzdienst und vor allen Dingen für unsere Landwirte und Gärtner nutzen, damit sie selber aus eigener Erkenntnis die Möglichkeit bekommen, darüber nachzudenken, was sie dort tun, wie sie Mittel einsparen können, wie sie Geld sparen können und wie sie etwas Gutes für die Gesundheit tun können. Genau dieses Ziel verfolgt das Umweltbundesamt mit diesem Forschungsvorhaben. Deshalb ist es uneingeschränkt zu begrüßen.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und des Abgeordneten Friedrich-Carl Wodarz [SPD])

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Umweltminister Müller das Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Abgeordneten Frau Kruse, Herr Matthiessen und Herr Harms haben schon sehr viel Kluges gesagt, dem ich mich im Allgemeinen nur anschließen kann. In einem einzigen Satz ist das auch bei Claus Ehlers der Fall. Das begrenzte Interesse an diesem Antrag sieht man zum Teil auch an der Präsenz der FDP-Fraktion. Lieber Lars Harms, in der Tat hätte man sich diesen Antrag wahrscheinlich sparen können.

Nach meiner Auffassung ist in der Bundesrepublik das praktizierte System der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln grundsätzlich der Garant für ein hohes Schutzniveau für Anwender, Verbraucherinnen und Verbraucher und die Umwelt. Dies gilt aber natürlich nur dann, wenn die Anwendung tatsächlich ordnungsgemäß ist, und zwar so, wie es die Anwendungsbestimmungen erlauben und wie sie von den Zulassungsbehörden erteilt worden sind.

(Claus Ehlers [CDU]: Gibt es da Zweifel?)

- Das ist leider nicht immer der Fall, lieber Claus. Das weißt du auch. Um ein Fehlverhalten der Anwender in der Nähe zum Beispiel von Oberflächengewässern zu verhindern, muss man bestimmte Kontrollen durchführen. Das ist in der Regel schon der Fall. Das tun bei uns unsere Behörden. Sie tun das seit Jahren. Ich glaube, sie tun das auch sehr gut.

(Günther Hildebrand [FDP]: Sehr schön!)

Wenn das Gegenteil eintritt, kann das zu einer Diskreditierung führen. Das kann dazu führen, dass Pflanzenschutzmittel in Verruf gebracht werden, obwohl es gar nicht notwendig ist. Es kann dazu führen, dass weitere Zulassungen mit den entsprechend nachteiligen Auswirkungen für die gesamte Praxis infrage gestellt werden. Das heißt, es liegt im Interesse der gesamten Landwirtschaft, der Hersteller, der Pflanzenschutz- und Umweltbehörden, dass die Anwendungsbestimmungen tatsächlich eingehalten werden.