Protokoll der Sitzung vom 29.04.2004

Vor dem zweiten Schritt kommt der erste. Bevor sich der Landtag mit der Straffung von Studienzeiten beschäftigen kann, müssen die Rahmenbedingungen für Studierende verbessert werden.

(Glocke des Präsidenten)

Unter anderem muss die Einführung von Bachelor- und Master-Studiengängen endlich landesweit umgesetzt werden, um die Mobilität von Studierenden auch europaweit zu ermöglichen.

Ich freue mich auf die Debatte. Im Ausschuss werden weitere Details zu diskutieren sein.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile der Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur, Frau Erdsiek-Rave, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr de Jager, nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich muss schon sagen: Sie haben es sich mit Ihrem Gesetzentwurf doch ein bisschen leicht gemacht. Zu keinem der Paragraphen gibt es eine schriftliche Begründung. Das soll man sich alles denken oder der mündlichen Debatte entnehmen. So kann man eigentlich nur in der Opposition arbeiten.

(Jost de Jager [CDU]: Sie müssen nur die be- stehende Regelung mit der vorgeschlagenen Regelung vergleichen!)

Mehr Freiheit, mehr Autonomie für die Hochschulen ist das Grundverständnis aller Reformbestrebungen derzeit in Deutschland. So weit die Übereinstimmung auch mit dem, was Sie hier gesagt und als Ziel beschrieben haben. In der Ausgestaltung ist es in den Bundesländern allerdings sehr unterschiedlich, übrigens quer durch die politischen Farben. Den einzelnen Vorschlägen, die Sie machen, will ich mich dennoch nicht anschließen. Zum Ersten wiederholen Sie, was wir hier schon mehrfach diskutiert und abgelehnt haben, zum Zweiten vermeiden Sie in vielen Bereichen klare Aussagen und zum Dritten enthält Ihr Gesetzentwurf Widersprüche, die für mich unauflösbar sind.

Zunächst zum Berufungsrecht. Ich habe das hier zwar schon mehrfach gesagt, ich will das aber gern wiederholen. Nun hören Sie mal damit auf, das immer so darzustellen, als sei das sozusagen meine persönliche Marotte, dass wir bei den C 4-Berufungen bleiben wollen. Gucken Sie sich die Hochschulgesetze aller Länder an, was da gewollt wird und was da nicht gewollt wird. Dann werden Sie feststellen, dass in den unionsregierten Ländern, insbesondere in Bayern und Baden-Württemberg, nicht nur das C4-Berufungsrecht, sondern auch das C 3-Berufungsrecht bei dem Ministerpräsidenten liegt und auch bleiben soll. Das hat nichts mit sozialdemokratischer Färbung oder meiner persönlichen Vorliebe zu tun, sondern das geht quer durch die Parteien und manchmal auch mit sehr guten Gründen. Ich kann das hier nicht weiter ausführen.

(Jost de Jager [CDU]: Trotzdem wollen Sie es nicht!)

- Was heißt: „Trotzdem will ich es nicht“? Ich sage: Ich will es aus guten Gründen nicht und andere wollen es auch nicht. Das hat mit parteipolitischer Färbung offenbar nichts zu tun, sondern mit unterschiedlichen Einschätzungen.

Das Thema Landeshochschulrat ist hier mehrfach diskutiert worden. Ich muss das nicht erneut ausführen. Ich schließe mich dem an, was Herr Dr. Klug und andere hier gesagt haben. Wir sind uns darin im Übrigen auch mit den Hochschulen einig. Die Schwerpunkte sind identifiziert, werden von den Hochschulen jetzt abgearbeitet und wir vertrauen den Hochschulen, dass sie mit ihrer Autonomie in diesen Fragen verantwortungsvoll umgehen.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Zur Frage des Selbstauswahlrechts. Sie kennen den Sachstand. Die Hochschulen tun sich schwer damit, zum Teil auch mit der Begründung, dass sie bei den

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

bisherigen Regelungen nichts davon haben. Dem ist die KMK durchaus entgegengekommen und hat gesagt: Wir wollen das verändern. Mitte des Jahres wird es einen Gesetzentwurf der Bundesregierung dazu geben, eine HRG-Novelle, in der bis zu 50 % Auswahlrecht ermöglicht werden soll. Meine Meinung dazu habe ich schon mehrfach gesagt: Ich bin für eine deutliche Stärkung der Selbstauswahl. Da habe ich eine etwas andere Meinung als mein Kollege Herr Weber oder als Frau Birk. Ich bin für eine deutliche Stärkung des Selbstauswahlrechtes, weil ich glaube, dass das eine vorrangige Aufgabe der Hochschulen sein und einen positiven Effekt für die Hochschulen und übrigens auch für die Studierenden haben kann.

(Beifall bei der FDP)

Das muss aber nicht in unserer HSG-Novelle geregelt werden, sondern da warten wir ab, was übereinstimmend in den Bundesländern dazu gesagt werden wird. Jetzt komme ich zu dem Punkt, an dem Sie sich um eine klare Aussage drücken. Sie schlagen eine Veränderung der Gremienstruktur über eine Experimentierklausel vor. Einmal abgesehen davon, dass wir die Hochschulen gefragt haben, welchen Bedarf für eine Experimentierklausel sie hätten, und von den Hochschulen wirklich nichts gekommen ist, wägen Sie überhaupt nicht ab, wie schwierig eine Experimentierklausel verfassungsrechtlich wäre. Das kommt in Ihrem Gesetzentwurf überhaupt nicht vor. Sie sagen noch nicht einmal, mit was für anderen Gremien wir uns auseinander setzen sollen. Was wollen Sie überhaupt, in welche Richtung soll das gehen? Das bleibt widersprüchlich und oberflächlich.

(Zuruf des Abgeordneten Jost de Jager [CDU])

Schließlich formulieren Sie auch in Bezug auf die Trimester Widersprüche. - Nein, Herr de Jager, da befinden Sie sich im Irrtum. Gerade die CAU ist von uns vor einem Jahr gefragt worden, weil wir die Frage der Experimentierklausel ausdrücklich offen diskutieren wollten. Da ist kein konkreter Vorschlag gekommen.

(Zuruf des Abgeordneten Jost de Jager [CDU])

- Das können Sie ja gern noch einmal ausführen. Wir hätten das jedoch gern in Ihrer Begründung zum Gesetzentwurf gelesen, aber die gab es leider nicht.

Zur Frage der Trimester, Beginn und Ende der Unterrichtszeit. Auch hier ist es wirklich unsinnig, landesbezogene Regelungen zu machen. Wenn eine Frage, wie die Einteilung eines Studienjahres auszusehen hat, wirklich der Abstimmung zwischen den

Bundesländern bedarf, dann ist es diese Frage. Wie soll denn sonst die Mobilität der Studierenden noch gewährleistet sein? In einem Land gibt es Trimester, in einem anderen Semester. Das macht doch keinen Sinn!

Die ganze Frage der Mehrbelastung, der Lehrbelastung und der Arbeitsbelastung der Studierenden reflektieren Sie gar nicht. Die ist aber ganz erheblich. In der KMK wird diese Frage diskutiert. Das kann man ja auch diskutieren, beispielsweise im Hinblick auf Straffung der Studienzeiten, aber doch nicht allein aufs Land bezogen.

Kooperation mit Hamburg. Auch da kann ich nur sagen: Was freiwillig funktioniert, soll man auf freiwilliger Ebene belassen. Das ist in anderen Fragen doch auch Ihr Prinzip: Konsensbildung zwischen den Beteiligten. Und jetzt wollen Sie das gesetzlich vorschreiben? Das macht doch überhaupt keinen Sinn und ist widersprüchlich. Das gilt auch für andere Fragen.

Das sind die wesentlichen Punkte. Ich finde es schon bemerkenswert, dass der Gesetzentwurf der Landesregierung im Stadium des Referentenentwurfs hier diskutiert wird. Warten Sie ab, was Ihnen das Kabinett zur Beratung vorlegen wird! Das wird sich gegenüber dem Referentenentwurf natürlich in einigen Punkten verändern, weil wir Anhörungen ernst nehmen. Dann werden wir eine weitere, hoffentlich substanzielle Debatte führen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Klug.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ministerin hat eben noch einmal kurz auf das Thema Kooperation mit Hamburg Bezug genommen. Dazu möchte ich einige Anmerkungen machen. Die FDP befürwortet ausdrücklich eine Zusammenarbeit im Hochschulbereich mit Hamburg dort, wo es sinnvoll ist. An einer gesetzlichen Normierung, an einer gesetzlichen Verpflichtung zur Abstimmung der Hochschulplanung in jedem Fall finden wir allerdings nichts Sinnvolles.

(Beifall bei der FDP sowie der Abgeordneten Jürgen Weber [SPD] und Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

(Dr. Ekkehard Klug)

Das legt uns gegebenenfalls Fesseln an, die dann ganz schwer, je nachdem wie das Hamburger Verhalten und die Hamburger Position ist, wieder zu lösen sein würden.

Um ein Beispiel zu nennen: Nach den Empfehlungen der Hamburger Dohnanyi-Kommission vom letzten Jahr soll an der Universität Hamburg die Hälfte der geisteswissenschaftlichen Fächer eingestampft werden. Die Hamburger wollen sich ausdrücklich auf Naturwissenschaften und Technik konzentrieren. Eine Arbeitsteilung zwischen Hamburg und SchleswigHolstein nach dem Motto, die Hamburger ziehen den ganzen Bereich von Naturwissenschaft und Technik an und schieben sozusagen die Geisteswissenschaften nach Schleswig-Holstein ab, das ist eine Form der Arbeitsteilung, die nicht unbedingt sinnvoll ist für eine vernünftige Hochschulstruktur unseres Landes,

(Beifall bei der FDP)

auch wegen der damit verbundenen Folgewirkung für wirtschaftlichen Nutzen.

Um ein anderes Beispiel zu nennen: Die von Herrn Kayenburg ins Gespräch gebrachte Aufgabe der Betriebswirtschaftslehre, BWL weg aus Kiel nach Hamburg, dafür von Hamburg die VWL übernehmen, ist genauso wenig sinnvoll, schon wegen der inneren Verzahnung der beiden Fächer auch im Lehrangebot, aber unter anderem auch deshalb, weil unser Institut für Betriebswirtschaftslehre in Kiel mit zwei herausragend erfolgreichen Graduiertenkollegs - das ist der Ritterschlag in der Wissenschaft - sehr gut da steht und natürlich in Hamburg ein Interesse vorhanden ist, nach der verheerenden Evaluierung des Weltwirtschaftsarchivs das möglicherweise per Notanker hier beim Institut für Weltwirtschaft anzudocken. Ab 2006 droht da die Bund-Länder-Finanzierung für das bisherige Leibniz-Institut HWWA auszulaufen. Da muss ich sagen, da kann ich nichts Gutes entnehmen. Herr Kayenburg, und nur damit der Honorarprofessor Herr Driftmann kürzere Fahrzeiten zu seinen Lehrveranstaltungen von Elmshorn nach Hamburg hat, sollte man das nicht machen. Ich folge auch nicht der Idee von Herrn Driftmann, eine Fusion von HWWA und Institut für Weltwirtschaft zu favorisieren. Das muss ich ganz ausdrücklich auch für die FDP-Fraktion feststellen.

(Beifall bei der FDP sowie vereinzelt bei der SPD)

Ich erteile zu einem Kurzbeitrag Herrn Abgeordneten de Jager das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will es nur ganz kurz machen, weil das, was der Kollege Klug eben ausgeführt hat, im Einzelfall zu diskutieren ist. Nur damit es sich hier in der ersten Lesung nicht verselbstständigt: Der Passus, den wir in die Gesetzesnovelle hineinschreiben, heißt: „Mit der staatlichen Hochschulplanung der Freien und Hansestadt Hamburg soll eine gegenseitige Abstimmung angestrebt werden.“ In unserem Gesetzesvorschlag steht nicht: Jeder Gesetzesvorschlag aus Hamburg muss übernommen werden. Es geht darum, dass man bei einer landesweiten Hochschulplanung in der Tat eine Abstimmung über die Schwerpunkte dieser Hochschulplanung anstrebt. Wer dazu nicht bereit ist, ist in der Tat auch nicht bereit, mit der Kooperation mit Hamburg tatsächlich Ernst zu machen. Aus dem Grunde haben wir das hier hineingeschrieben.

Dass es natürlich in einer norddeutschen Kooperation nicht immer so ist, dass alle von vornherein das Gleiche wollen. Dass es dort auch Konkurrenz gibt, dass es Wettbewerb unter Fachbereichen gibt, all das ist unbestritten. Wir müssen aber den Versuch machen, die Widerstände, die es dort gibt, zu überwinden. Haargenau das wollen wir.

Ich stelle fest, dass dieser Vorschlag insofern richtig gewesen sein muss, weil er ein ganzes Bündel an Vorschlägen und Diskussionen hervorgerufen hat. Ich denke, dass wir diese Bestimmung insofern drin lassen sollten.

Frau Ministerin, ich hätte es sonst in einem Wortbeitrag gesagt, aber wenn ich hier schon einmal stehe: Ich habe Ihren Worten entnommen, dass Sie das allermeiste, was wir wollen, auch wollen, nur nicht umgesetzt haben. Insofern wollen wir Ihnen gerne behilflich sein und deshalb gibt es unsere Novelle.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit schließe ich die Beratung. Der Antrag lautet Überweisung an den Fachausschuss, also Bildungsausschuss. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Einstimmig so beschlossen!

Ich rufe Tagesordnungspunkt 22 auf:

(Präsident Heinz-Werner Arens)

Verdeckte Feldbeobachtung in der Landwirtschaft

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 15/3366

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache und erteile Herrn Abgeordneten Hildebrand das Wort.