Protokoll der Sitzung vom 26.05.2004

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten des SSW, Drucksache 15/3456 (neu), sowie den dazugehörigen Änderungsantrag der Fraktion der CDU, Drucksache 15/3469, zur Beratung an den zuständigen Sozialausschuss zu überweisen. Andere Anträge liegen nicht vor, sodass ich hierüber abstimmen lasse. Wer der Überweisung der Anträge an den zuständigen Sozialausschuss zustimmen möchte, den darf ich um sein Handzeichen bitten. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dies ist vom Hause einstimmig so beschlossen. Der Tagesordnungspunkt ist damit erledigt.

Unser Zeitraster hat sich etwas verschoben. Daher darf ich fragen - -

(Zurufe: Weitermachen!)

- Ich weise darauf hin, dass wir dann die 18-UhrGrenze überschreiten werden.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Was weg ist, ist weg!)

- Ich will es ja nur gesagt haben.

Dann rufe ich Tagesordnungspunkt 14 auf:

Debatte über den Bericht der Härtefallkommission für das Jahr 2003

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 15/3347

Ich frage, ob das Wort zur Begründung gewünscht wird. - Das ist nicht der Fall. Dann darf ich zunächst für die Landesregierung dem Herrn Innenminister das Wort erteilen. - Herr Minister Buß, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr gern stelle ich Ihnen die Arbeit der Härtefallkommission näher vor.

Machen zur Ausreise verpflichtete Ausländerinnen und Ausländer aus Schleswig-Holstein geltend, dass die Durchsetzung einer bestehenden Ausweisungs

verpflichtung für sie zu einer besonderen Härte führt, können sie sich an die im Jahre 1996 durch Kabinettsbeschluss gegründete Härtefallkommission beim Innenministerium wenden. Die Härtefallkommission hat sich gemeinsam mit der beim Innenministerium eingerichteten Geschäftsstelle zu einem bei den Betroffenen, deren rechtlichen Vertretern und Unterstützern sowie bei den Ausländerbehörden positiv beachteten und begleiteten Beratungsgremium entwickelt.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Die Härtefallkommission sichtet Sachverhalte aus der Position einer am formalrechtlichen Verfahren nicht beteiligten Stelle und regt gegebenenfalls ergänzende und vertiefende Ermittlungen an. Daneben kann sie der zuständigen Ausländerbehörde - gegebenenfalls unter Berücksichtigung neuer Erkenntnisse - eine erneute Ermessensausübung empfehlen oder gegenüber den Antragstellerinnen und Antragstellern sinnvolle weitere Verfahrensschritte anregen. Darüber hinaus schlägt die Härtefallkommission aufgrund ihrer Erfahrungen dem Innenministerium Initiativen zur Schaffung und Gestaltung grundsätzlicher Bleiberechte oder ermessensleitender Erlassregelungen vor.

Besonderes Gewicht und Überzeugungskraft erlangen die Empfehlungen der Härtefallkommission durch die ausgewiesene Kompetenz ihrer Mitglieder, die von verschiedenen in der Flüchtlingsarbeit tätigen Organisationen wie Kirchen, den Wohlfahrtsverbänden und dem Flüchtlingsrat entsandt werden. Ihrem ehrenamtlichen Engagement gilt an dieser Stelle mein ganz persönlicher Dank.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Allerdings, meine Damen und Herren, sind der Arbeit und der Einflussnahme der Härtefallkommission durch eindeutige gesetzliche Regelungen oder rechtskräftige Gerichtsentscheidungen Grenzen gesetzt. Auch die Fachaufsicht des Innenministeriums bleibt unberührt.

Vor diesem Hintergrund stellen die 15 mit einem positiven Ergebnis abgeschlossenen Verfahren ein gutes Arbeitsergebnis dar. Bereits eingeleitete Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung wurden in diesen Fällen eingestellt. Bei weiteren 20 Anträgen konnten ergänzende Sachverhaltsermittlungen initiiert werden, die im Ergebnis jedoch zu keinem weiteren Verbleib der betroffenen Menschen im Bundesgebiet führten. Insgesamt haben die Kommission und die Geschäftsstelle 106 Eingaben behandelt.

(Minister Klaus Buß)

Ich will an dieser Stelle sagen, meine Damen und Herren: Ich arbeite ausgesprochen gerne mit der Härtefallkommission zusammen und bin sehr froh, dass sie in meinem Ministerium angesiedelt ist.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang, dass ich einmal die Arbeit der Ausländerbehörden im Lande lobend erwähne. Auch in deren täglicher Arbeit besteht ein enger Kontakt zum Innenministerium. Durch Informationsveranstaltungen, Workshops und Erfahrungsaustausch sowie durch die Tätigkeit der Härtefallkommission haben unter anderem humanitäre Gesichtspunkte bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen größeres Gewicht erhalten. Im Bereich der Ausländer- und Flüchtlingsarbeit hat sich eine Verwaltungs- und Dialogkultur entwickelt, die in anderen Ländern - das weiß ich auch aus vielen Äußerungen meiner Kollegen - teilweise schmerzlich vermisst wird.

Anlässlich der letzten Landtagstagung haben wir über die Verhandlungen über ein neues Zuwanderungsgesetz diskutiert. Gestern ist, zumindest in Grundsätzen, ein Kompromiss gelungen. Ich will das hier gar nicht weiter ausführen, auch um meinen Redebeitrag etwas zu kürzen, und nur zwei Punkte nennen.

Meine Damen und Herren, die von der Landesregierung und auch von Ihnen - so habe ich das jedenfalls immer verstanden - an die erste Stelle gesetzten Punkte, nämlich die humanitären Gesichtspunkte und die Kosten für die Integration, sind aus Sicht Schleswig-Holsteins positiv geregelt worden. Wenn es so zustande kommt, wird es gelingen, all das, was wir wollten, vor allem aber die Härtefallkommission endlich im Gesetz zu verankern. Dies ist eine Initiative des Landes bereits aus dem Jahre 1997. Ich habe sehr lange dafür gekämpft und freue mich jetzt darüber. Ich hoffe, dass Sie das verstehen.

(Beifall bei SPD und SSW)

Sie wissen ja, dass ich in der Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses tätig war. Genauso habe ich mich in den Verhandlungen dafür eingesetzt, dass nicht die Länder einen Großteil der Kosten für die Integration, für die Sprachkurse, tragen müssen, sondern dass diese Kosten der Bund übernimmt. Das ist jetzt ebenfalls gelungen. Auch darüber freue ich mich ganz einfach. Insofern denke ich, dass es, aus unserer Sicht jedenfalls, ein guter und tragfähiger Kompromiss ist.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich darf geschäftsleitend auf Folgendes hinweisen: Da der Empfang des Gemeindetages um 18 Uhr im „Drathenhof“ beginnt, habe ich veranlasst, dass die Abgeordneten als entschuldigt gelten, weil wir länger tagen.

Ich eröffne jetzt die Aussprache. Für die antragstellende Fraktion hat Frau Kollegin Irene Fröhlich das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Buß, wenn Sie sagen, dass die Härtefallkommission durch das, was jetzt im neuen Zuwanderungskompromiss erreicht worden ist, abgesichert werden wird, will ich Ihnen zunächst einmal vertrauen und hoffen, dass dies so ist und dass wir in Schleswig-Holstein auf diesem Weg, den wir 1996 gemeinsam angefangen haben, ein gutes Stück weiterkommen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was ich allerdings heute in den Zeitungen zu diesem Kompromiss lese und was ich auch höre, macht mich noch nicht besonders zuversichtlich. Aber wenn das ein Punkt sein kann, dann ist es schon mehr als gar nichts. Auf schwierigen Gebieten ist das schon ein Punkt, den wir den Ausländerinnen und Ausländern gutschreiben können.

Die Härtefallkommission ist ein Plus in SchleswigHolstein. Der Bericht zeigt uns jedes Jahr wieder, dass in ihr Menschen arbeiten, die sich bemühen, aus der unbefriedigenden bundesrechtlichen Lage ohne eine Härtefallklausel, die wir jetzt hoffentlich bekommen, das Beste für die Betroffenen herauszuholen. Diese Arbeit ist geprägt von viel Engagement für pragmatische Lösungen. Es ist absolut absurd, wenn wir junge, bereits hochgradig integrierte Zuwanderer ausweisen, weil sie volljährig geworden sind, und uns gleichzeitig darüber unterhalten, wer die Kosten für die Integration neu anzuwerbender Migrantinnen und Migranten tragen soll. Unbestritten brauchen wir Zuwanderung, nicht nur Schleswig-Holstein, sondern auch in Deutschland;

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wir brauchen Kinder!)

denn die Bevölkerungszahl in Deutschland nimmt inzwischen erkennbar und spürbar ab und der Bevölkerungszuwachs in Schleswig-Holstein wird allein von Zuwanderung nach Schleswig-Holstein getragen.

(Irene Fröhlich)

Die Härtefallkommission versucht, die Auswirkungen dieser absurden Situation zu mildern, Auswirkungen, die nicht nur menschenverachtend sind, sondern auch - ich sagte es eben schon - den Interessen Schleswig-Holsteins und den Interessen des deutschen Sozialversicherungssystems diametral entgegenstehen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus allen bisher vorgelegten Berichten der Landesregierung geht hervor, dass die Zuwanderungszahlen, also die Zahlen derjenigen Ausländerinnen und Ausländer, die sich in Schleswig-Holstein beziehungsweise in Deutschland niederlassen wollen, bedenklich zurückgehen. Wenn man die Studien zur Bevölkerungsentwicklung betrachtet, muss man dies jedenfalls zur Kenntnis nehmen.

Im Unterschied zur CDU haben die Unternehmerverbände dies erkannt und verschiedentlich gefordert, endlich anzuerkennen, dass Deutschland nicht nur ein Einwanderungsland ist, sondern Einwanderung auch dringend braucht.

Weiter lesen wir zum Beispiel im Bericht zur Umsetzung des Integrationskonzepts der Landesregierung, dass vor allem im Gesundheitsbereich, aber nicht nur dort, qualifizierte Migrantinnen fehlen, um sich der älter werdenden, hier lebenden Mitbürgerinnen und Mitbürger aus den fernen Herkunftsländern anzunehmen.

Sehr verehrte Frau Trauernicht, ich möchte Ihnen Folgendes als ersten Wunsch meiner Fraktion, aber auch von mir ganz persönlich mit auf den Weg geben. Wir haben eine kleine Umfrage gemacht, in welchen Ministerien und nachgeordneten Behörden der Anteil an Ausländerinnen und Ausländern am höchsten ist. Da schneidet das Innenministerium mit Abstand am besten ab, weil in der Polizei gezielt Migrantinnen und Migranten eingestellt werden -

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

übrigens auch beim Verfassungsschutz.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Lauter Araber!)

Ich habe neulich einen jungen Migranten kennen gelernt. Ich glaube, er hat Meeresbiologie studiert. Er hat sich verschiedentlich im Umweltbereich, auch im Ministerium beworben und ist ganz glücklich, dass er jetzt eine Stelle im Bereich des Innenministeriums gefunden hat. Das ist ein Einzelfall, aber er ist repräsentativ. Frau Trauernicht, ich bitte Sie sehr herzlich an dieser Stelle, für den Gesundheitsbereich eine Initiative zu starten, die es Migrantinnen und Migranten ermöglicht, hier Arbeit zu finden.

Die Härtefallkommission kann mit dem jetzigen rechtlichen Instrumentarium - ich habe das vorhin schon gesagt - nur unzureichend arbeiten. Sie kann sich in der jetzigen ausländerrechtlichen Lage eigentlich nur als Provisorium begreifen. Ohne eine vernünftige bundesrechtliche Grundlage, ohne ein Zuwanderungsgesetz, das diesen Namen auch verdient, kann sie leicht ein Fisch auf dem Trockenen werden. Wir werden auch weiterhin nach Kräften alle Möglichkeiten ausschöpfen, die wir auf Landesebene haben, um die Situation von Migrantinnen und Migranten zu verbessern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Für die Fraktion der SPD erteile ich Herrn Abgeordneten Klaus-Peter Puls das Wort.