Protokoll der Sitzung vom 16.06.2004

- Das würde ich an dieser Stelle bezweifeln.

Der Deutsche Bauernverband stellt für Landwirte im Nebenerwerb - hör gut zu, Kollege Ehlers - auf seiner Internetseite eindeutig fest, dass sowohl für die Haupt- als auch für die Nebenerwerbszweige eine hervorragende berufliche Qualifikation und eine ständige Weiterbildung notwendig sei. Das versteht sich von selbst.

(Claus Ehlers [CDU]: Dann sollten wir es auch machen!)

Liebe Kollegen, Ihr Antrag erscheint mir sehr dürftig. Was bedeutet für Sie Weiterbildung? Wie lange soll denn so etwas dauern? Welche Inhalte sollen vermittelt werden? Was muss ein Nebenerwerbslandwirt Ihrer Meinung nach an Fachwissen haben? - Nichts. Die Kollegen haben keine eigenen Vorstellungen.

Allerdings gibt uns dieser Antrag die Möglichkeit, der CDU aufzuzeigen, dass es die geforderte Zusatzqua

(Maren Kruse)

lifikation beziehungsweise Weiterbildung in Schleswig-Holstein bereits sehr lange gibt.

(Beifall bei der SPD)

Zutreffend ist: Nebenerwerbslandwirtschaft wurde lange Zeit von der Investitionsförderung ausgeschlossen, zumindest erheblich benachteiligt und von den Bauern als lästige Marktproduktionskonkurrenz ausgeklammert. Das hat sich seit 20 Jahren schrittweise geändert.

Obgleich der Nebenerwerbsbetrieb in vielen Fällen der Anfang vom Ausstieg ist, gibt es viele stabile auf Dauer und über Generationen angelegte Nebenerwerbslandwirtschaftsbetriebe.

(Claus Ehlers [CDU]: Wo das?)

Durch die Strukturveränderung innerhalb der Europäischen Union erhält die Landwirtschaft im Nebenerwerb eine zunehmende Bedeutung; das streitet niemand ab. Diesen Umständen haben Landesregierung und Landwirtschaftskammer bereits recht frühzeitig Rechnung getragen und mit einem Nebenerwerbslandwirte-Konzept ist hier in Schleswig-Holstein schon vor zehn Jahren ein Modell entwickelt worden, das zum Beispiel für Interessierte die Teilnahme am Berufsschulunterricht vorgesehen hatte. - Kollege Ehlers, hör zu!

Leider haben sich zum damaligen Zeitpunkt viel zu wenige für das Modell interessiert, sodass das Angebot heute nicht mehr existiert. Aber es gibt weitere Angebote zur Weiterbildung bei uns, die nicht einmal kostenpflichtig, sondern freiwillig und kostenlos sind, zum Beispiel die einjährige Fachschule für Landwirtschaft, die in Verbindung mit zwei Jahren landwirtschaftlicher Praxis zum Abschluss als staatlich geprüfter Wirtschafter des Landbaus führt.

Mal eben, nebenbei und ruckzuck, wie unsere Agrarexperten das hier haben möchten, gibt es das in keinem anderen Bundesland. Zwischen 450 und 650 Stunden - zwei Winter, ein Sommer -, sind all diese Bildungsangebote ausgelegt.

Wir haben in Schleswig-Holstein an der einjährigen Landschule im Jahrgang 2003/2004 rund 115 Schüler; davon sind ganze fünf, die sich so weiterbilden, wie ihr das haben wollt.

Es gibt eine sehr gute Übersicht über Bildungswege und Weiterbildung in den landwirtschaftlichen Berufen, erstellt von unserer allseits geschätzten Landwirtschaftskammer.

Bevor die bestehenden Möglichkeiten nicht voll ausgeschöpft werden, ergibt sich keinerlei Notwendigkeit für noch mehr Angebote.

Wir lehnen den CDU-Antrag aus vorgenanntem, gutem Grund ab.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das Wort für die Fraktion der FDP erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand.

(Zurufe)

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Die Reform der gemeinsamen Agrarpolitik ist in vollem Gange und es ist mittlerweile eine stark emotionalisierte Verteilungsdebatte entbrannt. Das ist angesichts der Folgen verständlich die sich aufgrund entkoppelter Ausgleichszahlungen anbahnen, auf die sich alle Landwirtinnen und Landwirte in Deutschland mehr oder weniger kurzfristig werden einstellen müssen. Das ist in Schleswig-Holstein sogar umso verständlicher, weil wir hier leider einen Landwirtschaftsminister haben, der die Interessen der schleswig-holsteinischen Landwirte bei der Verteilung der Agrarsubventionen lieber großzügig den rot-grünen Vorstellungen von landwirtschaftlicher Solidarität opfert, statt vehement für Schleswig-Holstein den Erhalt der Gesamtsumme am Prämienaufkommen zu fordern.

(Beifall bei FDP und CDU)

Unverständlich ist mir allerdings, wie in dieser Situation die CDU einen Antrag stellen kann, der die Landwirtschaft im Nebenerwerb zum Schauplatz macht.

Was wir in Schleswig-Holstein brauchen, sind die Rahmenbedingungen für eine gesunde, eine zukunftsfähige, eine wettbewerbsfähige und marktorientierte Landwirtschaft, eine Landwirtschaft, die die Familien, die davon leben, auch ernährt. Alles andere ist zurzeit das falsche Signal.

(Beifall bei der FDP)

Bereits heute beträgt der Anteil der Nebenerwerbsbetriebe in Schleswig-Holstein etwa 40 %, der der Haupterwerbsbetriebe etwa 60 %. Im Süden der Republik sieht es anders aus: Dort wird Landwirtschaft nur zu 30 bis 40 % im Haupterwerb betrieben. Das hat vor allem mit den unterschiedlichen Strukturen in den süddeutschen Bundesländern, mit unterschiedlichen Höfeordnungen zu tun. Selbstverständlich hat das auch immer ganz private, wirtschaftliche und familiäre Gründe.

(Günther Hildebrand)

Vor diesem Hintergrund erklärt es sich, dass das Aus- und Weiterbildungsangebot für Nebenerwerbslandwirte in Süddeutschland anders strukturiert ist als bei uns in Schleswig-Holstein. Beispielsweise wird es in Nordrhein-Westfalen ab Herbst dieses Jahres spezielle Qualifizierungslehrgänge für Nebenerwerbslandwirte geben. Ein wesentliches Ziel ist es dabei, durch spezielle Lehrgänge die Zeit der nebenberuflichen Tätigkeit vor der Zulassung zur Abschlussprüfung zu verkürzen. Inhaltlich blieb es im Wesentlichen bei einer klassischen landwirtschaftlichen Ausbildung, also genau der Ausbildung, die auch heute in Schleswig-Holstein üblich ist.

Sicherlich hat keiner hier im Saal etwas gegen Qualifizierung, auch ich nicht, aber erstens wehre ich mich gegen den Eindruck, dass unsere Nebenerwerbslandwirte nicht auch schon heute gut ausgebildet sind, und zweitens - das ist mir noch wichtiger - sollten wir uns in Schleswig-Holstein davor hüten, den zweiten vor dem ersten Schritt zu tun.

Die aktuellen Agrarreformen werden sicherlich Strukturveränderungen für Schleswig-Holstein mit sich bringen, werden auch Auswirkungen auf den Anteil der Nebenerwerbsbetriebe hierzulande haben. Noch sind diese Strukturen allerdings im Fluss und noch haben wir derzeit dank des großen Einsatzes unserer Landwirte in Schleswig-Holstein eine erfreulich große Zahl wettbewerbsfähiger Vollerwerbsbetriebe zu verzeichnen.

(Beifall bei der FDP)

Es ist das Ziel der FDP, diese Perspektive zu erhalten. Der Ansatz muss deshalb sein, zu allererst die aktiv wirtschaftenden Betriebe zu stärken und zu ermutigen. Ich bezweifle, dass das mit der Forderung nach einer Zusatzqualifikation „Landwirtschaft im Nebenerwerb“ gelingen kann.

Haben Sie in der CDU die landwirtschaftliche Flinte denn schon ins Korn geworfen? Unsere Aufgabe ist es doch, den Staat den Menschen anzupassen und nicht umgekehrt.

Was wir brauchen, ist eine Landwirtschaft, die insgesamt so gestaltet ist, dass sie auch weiterhin ihren vielfältigen Aufgaben gerecht wird: der Herstellung hochwertiger Lebensmittel genauso wie dem Erhalt unserer Kulturlandschaft, dem Schutz der Tiere, des Bodens und des Grundwassers - um nur einige Beispiele zu nennen. Diese Leistungen können nur von wirtschaftenden landwirtschaftlichen Betrieben erbracht werden, die Eigenkapital bilden, die investieren können, die konkurrenzfähig sind, im laufenden Betrieb und für die nächste Generation. Es ist unsere Aufgabe, die Landwirtschaft dabei zu unterstützen.

Wir würden es aus vielerlei Gründen trotzdem befürworten, wenn diese Diskussion im Ausschuss weiter geführt werden kann.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich halte die Nebenerwerbslandwirtschaft in Schleswig-Holstein für wichtig und vor allem für völlig gleichberechtigt gegenüber dem Vollerwerb. Landwirtschaft muss wirtschaftlich betrieben werden, nach guter fachlicher Praxis. Das gilt im Voll-, Zu- und Nebenerwerb.

Eine Sonderregelung in der Ausbildung darf es nicht geben. Die Anforderungen an die gute fachliche Praxis gelten bei 8 ha, bei 20 ha ebenso wie bei 200 ha gleichermaßen. Oder will die CDU mit ihrem Antrag den kleinen Gesellenbrief für einen Teil der Landwirte einführen?

Es gibt auch für Nebenerwerbslandwirtschaft genug Angebote in der Ausbildung. Diese werden eher schwach nachgefragt. Für neue Angebote besteht daher weder Bedarf noch Notwendigkeit. Daher lehnen wir den Antrag ab.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag hat Herr Abgeordneter Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit Jahren befindet sich unsere Landwirtschaft in einem strukturellen Wandel. Wir wissen, dass die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe generell abgenommen hat. Das Ergebnis dieser Entwicklung ist, dass immer weniger Betriebe immer größere Flächen bewirtschaften. Auf der anderen Seite ist die Zahl der nebenerwerblich geführten Betriebe in den letzten Jahren gleich geblieben. Dies ist allein auf die landwirtschaftlichen Strukturen in Schleswig-Holstein zurückzuführen. In anderen Bundesländern stellt sich die Entwicklung anders dar. Daher haben einige Bundesländer dies zum Anlass genommen, den Bereich der nebenerwerblichen Landwirtschaft explizit zu

(Lars Harms)

fördern. Es gibt Bundesländer, beispielsweise Bayern und Baden-Württemberg, in denen eine fachschulische Zusatzqualifikation „Landwirtschaft im Nebenerwerb" angeboten wird.

Mit der Schaffung der rechtlichen und organisatorischen Voraussetzungen will die CDU nun auch die Fachrichtung „Landwirtschaft im Nebenerwerb" in Schleswig-Holstein stärken. Grundsätzlich halten wir diesen Antrag für lobenswert. Nun kann man sich natürlich die Frage stellen, warum wir in SchleswigHolstein als traditionelles Landwirtschaftsland eine solche Zusatzqualifikation in dieser Form bisher nicht anbieten.

Dem Agrarreport 2004 ist zu entnehmen, dass bei uns immerhin 42 % der landwirtschaftlichen Betriebe nebenerwerblich geführt werden. Damit weisen wir im Vergleich zu den alten Bundesländern den geringsten Anteil an nebenerwerblichen Betrieben auf.

Wir sind uns darüber hinaus aber durchaus bewusst, dass die schleswig-holsteinischen Strukturen nicht mit denen aus Bayern oder Baden-Württemberg vergleichbar sind. Dort ist der Anteil der nebenerwerblichen Landwirte wesentlich höher als in SchleswigHolstein. Dies ist zwar bedauerlich für Bayern und Baden-Württemberg, es zeigt uns aber auch, dass die Landwirtschaft in Schleswig-Holstein stark dasteht.

Wir wissen, dass der Beruf des Landwirtes mehr ist als Hühnerfüttern und Treckerfahren.

(Unruhe)