Protocol of the Session on June 17, 2004

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In § 5 Abs. 2 des Regionalisierungsvertrages heißt es:

„Die nach Abs. 1 vorgenommene Regionalisierung ist zu ändern, sofern sich nachträglich herausstellt, dass unzutreffende Daten zu Grunde gelegt worden sind. Jedes Land ist berechtigt, innerhalb von zwei Jahren nach Ablauf des Jahres, für das die Regionalisierung vorgenommen wurde, eine Prüfung der vorgenommenen Berechnungen zu verlangen.“

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich will auch nicht verhehlen, dass wir in diesem Fall ebenso davon ausgehen, dass die Landesregierung prüfen wird, ob nicht auch in Schleswig-Holstein eine derartige Postwettannahmestelle eingerichtet werden kann.

Zusammenfassend möchte ich noch einmal betonen: Im Gegensatz zu Ihnen von CDU und FDP stehen wir zur gesellschaftspolitischen Verantwortung des Staates beim Glücksspiel und bei den Lotterien. Mit diesem Staatsvertrag wollen wir das Monopol für staatliche Lotterien und Wetten sichern.

(Beifall der Abgeordneten Lothar Hay [SPD] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir sind grundsätzlich der Auffassung, dass die Lotteriehoheit der Länder zu beachten ist. Dazu dient der Regionalisierungsstaatsvertrag. Daher werden wir beiden Staatsverträgen unsere Zustimmung geben. Gleichzeitig bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Arp das Wort

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Innenminister, unter den bürokratisch langweilig anmutenden Überschriften dieses Tagesordnungspunktes reden wird in Wirklichkeit von rot-grüner Finanzpolitik und deren Zukunft in Schleswig-Holstein.

Frau Gröpel, wir haben von Anfang an gesagt, dass dies kein Parteienstreit ist, sondern dass es ausschließlich um die Interessen Schleswig-Holsteins geht. Deshalb war es auch nicht angemessen, uns in dieser Form anzugreifen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wir sind gerne das kleine Land oben im Norden, und haben andere Interessen als Rheinland-Pfalz, BadenWürttemberg oder Nordrhein-Westfalen. Hierbei geht es ausschließlich um die Interessen SchleswigHolsteins und um nichts anderes.

(Beifall bei CDU und FDP)

Um Sie einmal aufzuklären: Mit über 76 Millionen € Einnahmen aus den Zweckerträgen der Lotterien allein im Jahr 2004 sind diese Mittel inzwischen zu den Eckpfeilern Ihrer Zuschüsse und Zuwendungen an Vereine und Verbände geworden. Ihr rot-grüner Schuldenhaushalt mit einem strukturellen Defizit von inzwischen fast 1,5 Milliarden € und einem Schuldenberg am Ende des laufenden Doppelhaushaltes von knapp 21 Milliarden € lässt es schon lange nicht mehr zu, aus den regulären Haushaltsmitteln Vereine und Verbände vernünftig zu fördern. - Das ist der politische Auftrag, den Sie eigentlich haben. - Da bleibt nur noch das Glücksspiel.

Mit den über 76 Millionen € werden nicht nur der Sport, die Naturverbände, die Kultur und die Wohlfahrtsverbände gefördert. Allein 32 Millionen € gehen an die Kreise und kreisfreien Städte für Kindertagesstätten, und 2,5 Millionen € gehen in die Ausbildung in der Altenpflege. Dies sind Aufgaben, die, wie gesagt, eigentlich aus Landeshaushaltsmitteln finanziert werden sollten. Aber auch Maßnahmen zur Emanzipation gleichgeschlechtlicher Lebensweisen, die Ihrem grünen Koalitionspartner besonders am Herzen liegen, werden aus diesen Mitteln gefördert. Das alles gefährden Sie in Zukunft.

Wenn durch den Regionalisierungsstaatsvertrag Mittel in zweistelliger Millionenhöhe verloren gehen, ist das nach unserer Meinung einer ausführlichen

Beratung in den Ausschüssen und einer Debatte im Plenum durchaus wert; denn wir reden hierbei über viel Geld. Bereits in der ersten Lesung in der Landtagssitzung am 26. Mai dieses Jahres habe ich deshalb einen Antrag auf Anhörung im Innen- und Rechtsausschuss, im Finanzausschuss und im Sozialausschuss gestellt. Wir wollten Rechtsgutachter privater und öffentlicher Anbieter im Lotteriewesen zu den Staatsverträgen anhören. Auch in vielen Beiträgen der linken Seite dieses Hauses kam man zu der gleichen Auffassung wie ich, dass man dies ausführlich beraten sollte.

Durch das massive Eingreifen der Frau Ministerpräsidentin, die heute einen Vertrag unterschrieben hat und nicht mehr hier ist, und durch ihr Einwirken auf die Koalitionsfraktionen ist dies jedoch leider verhindert worden. Die Folge war, dass der gesamte Vorgang durch die Ausschüsse geknüppelt wurde, ohne dass ein geordnetes parlamentarisches Verfahren durchgeführt werden konnte. Das ist die Tatsache.

(Beifall bei CDU und FDP)

Dabei sind nach wie vor viele Fragen offen geblieben: Stehen die Staatsverträge im Einklang mit europäischem Wettbewerbsrecht? Sollen wir uns angesichts der Entwicklung in den europäischen Nachbarländern dem Wettbewerb öffnen, oder soll mit den Staatsverträgen ein ordnungsrechtlicher Zustand der Vergangenheit festgeschrieben werden, damit neue Entwicklungen keine Chance haben? Wollen wir es zulassen, dass private Anbieter unser Land verlassen oder gar ins europäische Ausland abwandern? Das würde unserem Land einen erheblichen finanziellen Schaden verursachen.

(Beifall bei der CDU)

Welche Auswirkungen hat der Rechtsstreit in Bayern, bei dem es um die Führung einer so genannten Postwettannahmestelle geht? Ihr Antrag Drucksache 15/3523 zeigt, dass Sie keine Angst vor den Aussagen der bayerischen Staatskanzlei, sondern Angst vor dem Gerichtsurteil haben. Das entscheidet nicht Herr Stoiber und auch nicht der Finanzstaatssekretär, der uns schreibt, sondern letztinstanzlich entscheidet alleine ein Gericht. Davor haben Sie Angst. Sonst hätten Sie den Antrag nicht gestellt.

(Beifall bei CDU und FDP - Zuruf der Ab- geordneten Renate Gröpel [SPD])

Warum wird der Entwurf eines neuen Lotteriegesetzes zunächst ausgeklammert und nicht wie in den anderen Bundesländern zusammen mit den Staatsverträgen beraten und beschlossen? Warum sprechen wir nicht gleichzeitig über die künftige Verteilung der

(Hans-Jörn Arp)

Konzessionsabgaben an all jene, die ich vorhin bereits aufgeführt habe? Warum wollen wir es zulassen, dass dem Land mit dem Regionalisierungsstaatsvertrag künftig mindestens 10 Millionen € verloren gehen, während der Freistaat Bayern, wenn er vor Gericht hinsichtlich dieser Postannahmestelle Recht bekommt, 50 Millionen € jährlich mehr einnimmt? Das wollen wir freiwillig zulassen? Insbesondere dieser Frage und der Frage, warum die Ministerpräsidentin es zugelassen hat, dass dem Land Millionenbeträge in zweistelliger Höhe verloren gehen werden - es wäre schön, wenn Sie dazu etwas gesagt hätte -, während gerade die wohlhabenden Bundesländer die Gewinner sind, sollte einmal sorgfältig nachgegangen und sie sollten nicht so lapidar wie heute abgehandelt werden.

Ich verstehe ja, dass Frau Simonis eine Nachverhandlung im Kollegenkreis peinlich ist, dass sie nicht sagen will: In Schleswig-Holstein besteht noch Nachfragebedarf. Wir sind noch nicht am Ende. Gebt uns noch drei oder vier Monate Zeit. Dann sind wir so weit und stimmen dem zu. Das ist ihr peinlich, und deshalb drückt sie jetzt aufs Tempo.

(Ingrid Franzen [SPD]: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

Das können wir als Parlamentarier, die das finanzielle Wohl des Landes im Auge zu behalten haben, so nicht hinnehmen.

Ich meine, die zahlreichen von mir aufgeworfenen Fragen haben deutlich gemacht, dass die beiden Gesetzentwürfe für eine zweite Lesung noch nicht reif sind und dass noch erheblicher Beratungsbedarf besteht. Die Frau Ministerpräsidentin erweckt den Eindruck, wir seien das letzte Land, das die Staatsverträge noch zu ratifizieren habe. Das stimmt nicht. Herr Staatssekretär Döring hat uns freundlicherweise über den Verfahrensstand in den anderen Ländern informiert. Danach befinden sich noch elf Länder in den Beratungen. Wir sind also noch lange nicht die Letzten. Wir hätten noch Zeit.

Dass ich mit meiner Kritik nicht alleine stehe, zeigen die Redebeiträge von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die wir hier beim letzten Male gehört haben. Ich will nicht erneut meinen netten Kollegen Klaus-Peter Puls zitieren. Ich habe das schon in einer Presseerklärung gemacht.

(Holger Astrup [SPD]: Professor Puls!)

- Professor Puls. Ich bitte um Entschuldigung. So viel Zeit muss sein.

Liebe Frau Kollegin Heinold, auch Ihre Kolleginnen und Kollegen in Niedersachsen hatten damit ein Rie

senproblem und haben sich deshalb der Stimme enthalten. Ich denke, sie haben sich sehr verantwortlich verhalten. Niedersachsen ist eines der wenigen Länder neben uns, die Probleme damit haben. Wie man sieht, meine Damen und Herren besonders von RotGrün, ist die Sache noch nicht ausgestanden. Insbesondere der finanzielle Verlust für das Land macht dem einen oder anderen auch bei Ihnen - das weiß ich - durchaus zu schaffen. Nur aus Parteiräson - auch das müssen Sie zugeben - stimmen Sie heute den Staatsverträgen zu.

(Zuruf von der SPD: Quatsch!)

Im Gegensatz zu uns haben Sie einen Nachteil. Sie haben den Listenparteitag noch vor sich. Den haben wir schon hinter uns. Wir sagen ganz klar: Das Wohlbehagen der Ministerpräsidentin im Kreise ihrer Länderkollegen interessiert uns nicht. Uns interessiert das Wohl dieses Landes Schleswig-Holstein.

(Beifall bei CDU und FDP)

Die Art und Weise, wie die beiden Gesetzentwürfe im Schweinsgalopp durch dieses Haus getrieben werden, ist für uns nicht akzeptabel. Ich will Ihnen auch gleich sagen: Ich werde im Namen der CDU-Fraktion namentliche Abstimmung zum Regionalisierungsgesetz beantragen; denn wir werden Sie in Ihren Wahlkreisen daran messen,

(Beifall bei CDU und FDP)

wie Sie mit dem Geld, das insbesondere den Sozialverbänden zusteht, umgehen.

(Holger Astrup [SPD]: Blödsinn!)

Sie wissen: 8 % haben Sie den Sportverbänden zugesagt. Bei 10 Millionen Einnahmeverlusten macht das alleine für den Landessportverband im nächsten Jahr 800.000 € aus. Daran werden wir Sie messen. Deshalb fordern wir die namentliche Abstimmung.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Dr. Garg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die FDP wird beide Staatsverträge ablehnen. Wir lehnen sie ab, weil Rot-Grün die üblichen geordneten parlamentarischen Verfahren mit Absicht verhindert hat. Wir lehnen sie ab, weil wir den Inhalt beider Verträge für falsch halten. Wir lehnen sie ab,

(Dr. Heiner Garg)

weil wir uns nicht von der Ministerpräsidentin erpressen lassen.

Zum Verfahren. Nachdem die Ministerpräsidentin die Staatsverträge unterschrieben hatte, hat die Landesregierung es nicht für nötig gehalten, dem Landtag unverzüglich die notwendigen Gesetzentwürfe zur Ratifizierung vorzulegen. Dass der Finanzminister diesen Mangel jetzt nachträglich zu heilen sucht, indem er Terminlisten verschickt, ändert an dieser Tatsache rein gar nichts. Hätte die Landesregierung den Landtag angemessen beteiligen wollen, dann hätte sie ihre Gesetzentwürfe rechtzeitig fertig gehabt und wenige Tage nach der Unterzeichnung der Verträge eingebracht, also Mitte Februar.

(Beifall bei FDP und CDU)