Protocol of the Session on August 25, 2004

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(Glocke des Präsidenten)

- Was war das?

Das war das Einläuten der letzten 60 Sekunden.

Nach dieser Anzeige habe ich erst sieben Minuten und 19 Sekunden gesprochen.

Bei der vorgeschlagenen Einführung hauptamtlich verwalteter Ämter handelt es sich sicherlich um eine strukturelle Veränderung von einigem Gewicht. Herr Schlie, deshalb ist diese Änderung aus Sicht auch nicht über die Experimentierklausel möglich. Sie haben das als Möglichkeit angedeutet. Aus meiner Sicht geht das nicht. Dennoch wird die Amtsverfassung nicht auf den Kopf gestellt. Vielmehr hält der Gesetzentwurf an den bewährten Strukturen fest. Dort, wo ehrenamtliche Ämter sinnvoll waren und sind, bleiben sie selbstverständlich möglich.

Gleichzeitig müssen wir aber auch denjenigen Kommunen eine geeignete Verwaltungsreform anbieten, die im Wege der regionalen Zusammenarbeit ihre Kräfte bündeln wollen und so an die Grenzen der ausschließlich ehrenamtlich ausgerichteten Strukturen stoßen. Insoweit sehe ich den Gesetzentwurf als ein Angebot an unseren ländlichen Raum.

Ich freue mich vor allem im Innen- und Rechtsausschuss auf eine zügige und gründliche Beratung des Gesetzentwurfs. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass das Innenministerium dabei jede erforderliche

(Minister Klaus Buß)

und notwendige Unterstützung gibt, soweit Sie, Herr Kalinka, sie haben wollen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. - Doch noch ein Dreiminutenbeitrag! Nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Heinz Maurus das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit großem Interesse habe ich den Ausführungen des Innenministers gelauscht. Dennoch komme ich nur zu dem Schluss: Das, was Sie hier vorgelegt haben, Herr Minister, ist nichts Halbes und nichts Ganzes. Es ist ein riesiges Kuddelmuddel!

(Dr. Henning Höppner [SPD]: Was wollen Sie denn?)

- Da komme ich gleich drauf. Wie Sie selbst angeführt haben, gibt es das Gutachten von Dr. Schliesky, der sehr detailliert zwischen den Aufgaben der Gemeinden, der Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden und der Aufgaben der Ämter unterschieden hat. Wenn wir den Amtsbürgermeister jetzt de facto mit dem Bürgermeister gleichsetzen, dann heißt das auch, dass er die Aufgaben im Rahmen der Selbstverwaltungsgarantie ebenfalls mit erfüllt. Sie selbst waren Bürgermeister und wissen, dass der Bürgermeister in einer Gemeinde mit der Motor des ganzen Geschehens ist. Das kann der Amtsbürgermeister in seiner jetzigen von Ihnen zugedachten Funktion nicht. Er ist und bleibt Kopf der Verwaltung. Ich zitiere aus dem Gutachten von Schliesky:

„Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahre 1979 die Schleswig-Holsteinische Amtsordnung nur mit der Maßgabe für verfassungsgemäß erklärt, dass auch weiterhin im Hinblick auf Quantität und Qualität der Selbstverwaltungsaufgaben die Gemeinde der maßgebliche Akteur bleibt, vor allem hinsichtlich der eigenverantwortlichen Willensbildung und Entscheidungsfindung.“

Im Grunde genommen wollen Sie etwas ganz anderes. Dann sagen Sie es auch! Mit dieser Verfassung legen Sie den Einstieg in den Ausstieg aus der herkömmlichen Amtsordnung. Sie wollen eigentlich mehr zum niedersächsischen Samtgemeindemodell hin.

(Zurufe von der SPD)

- Selbstverständlich! Herr Hentschel hat das noch einmal sehr deutlich gemacht. Wenn Sie sich den Gesetzentwurf genau ansehen, dann sehen Sie, dass das rot-grünes Kuddelmuddel ist. Es ist nichts Halbes und nichts Ganzes!

(Beifall bei der CDU)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat Frau Abgeordnete Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich fand die Ausführungen des Kollegen Maurus sehr interessant. Ich kann die Analyse voll und ganz teilen. Es fehlt aber die Schlussfolgerung. Was ist jetzt die Konklusion des Ganzen? Die Konklusion kann nur das sein, was meine Kollegin Silke Hinrichsen vorhin gesagt hat. Das ist die einzige Konklusion dieser Analyse!

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man sagt, die Ämter können keine Selbstverwaltungsaufgaben übernehmen, das sei nicht verfassungskonform - -

(Holger Astrup [SPD]: Es sei denn, man ü- berträgt sie ihnen, Frau Kollegin!)

- Trotzdem! Wenn diese Analyse stimmt, dann muss die Konklusion heißen, dass Ämter zu Kommunen gemacht werden, sodass sie Selbstverwaltungsaufgaben übernehmen. Das ist die einzige logische Schlussfolgerung!

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Alles andere ist Augenwischerei. Ich gehe jede Wette ein, dass unsere Vorstellungen - nicht jetzt gleich aber mittelfristig - zum Erfolg kommen werden. Darauf gehe ich jede Wette ein!

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag hat zunächst Herr Abgeordneter Hentschel das Wort.

Anke Spoorendonk hatte völlig Recht. Wir sind am Kernpunkt dieser Diskussion. Deshalb ist es auch gut, dass wir diesen noch einmal aufarbeiten. Früher hatten wir die Situation, dass die Gemeinden die Dinge überwiegend ehrenamtlich selber regelten und bestimmte Aufgaben an Ämter einer Verwaltung übergeben haben, weil sie gesagt haben, sie wollen bestimmte Aufgaben gemeinsam wahrnehmen. Dazu bildeten sie das Amt. Diese Situation hat sich so entwickelt, dass die Gemeinden immer mehr Aufgaben an die Ämter übergeben haben.

(Zuruf des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Das ist - völlig richtig - sehr unterschiedlich. Der Verfassungsrechtler Schliesky hat nun vor einiger Zeit festgestellt, dass es wahrscheinlich so ist, dass in einigen Ämtern bereits die Grenze der Verfassungsmäßigkeit überschritten ist. Wenn die Gemeinden nämlich immer mehr Aufgaben an das Amt übergeben, dann macht das Amt die Sachen und die demokratische Kontrolle ist nicht mehr gegeben. In der Amtsvertretung - im Amtsausschuss - sitzen ja nicht die Gemeindevertreter, sondern es sitzt dort nur eine Auswahl. Meistens sind es bei den kleinen Kommunen nur die Bürgermeister.

Wir haben also ein verfassungsrechtliches Problem. Dieses Problem lösen wir durch den jetzigen Schritt nicht. Anke, du hast völlig Recht! Wir machen lediglich einen Schritt, damit sich größere Ämter bilden können, die vernünftig arbeiten können. Das heißt, wir entwickeln die bestehende Amtsverfassung weiter. Natürlich tun wir das in Richtung der Schaffung von Aufgabenstellungen von selbstständigen Gemeinden, denn sie bekommen mehr Aufgaben. Die Beschreibung der Aufgaben der Amtsversammlung und des Amtsausschusses wird der der Vertretung der Amtsgemeinde angeglichen. Wir gehen also in diese Richtung.

Der nächste Schritt ist so, wie er beschrieben wurde, völlig richtig. Dieser wäre die Bildung einer Amtsgemeinde.

(Zurufe der Abgeordneten Heinz Maurus [CDU] und Klaus Schlie [CDU])

Ob man die Ortsgemeinde dann beibehält oder nicht, darüber haben wir verschiedene Auffassungen. Ich bin der Meinung, dass man das ehrenamtliche Engagement auf Ortsebene beibehalten soll, weil es sich bewährt hat und in Schleswig-Holstein eine hohe Qualität hat. Darin unterscheide ich mich vom SSW.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Diese Diskussion müssen wir führen. In diesem Prozess, in dem wir uns befinden, kann man zwei Wege beschreiten. Entweder man macht - für alle verbindlich - eine völlig neue Amtsverfassung oder man schafft erst einmal ein freiwilliges Angebot. Man kommt an den beiden großen Parteien nicht vorbei, weil sie groß sind. Solange beide großen Parteien sagen, dass das nur freiwillig passieren darf, muss man ein Modell schaffen, das als Angebot gegeben wird, damit die Gemeinden, die den Schritt gehen wollen, ihn beschreiten können, damit etwas in Bewegung kommt. Wenn sich dann herausstellt, dass es wirtschaftlicher ist und gut funktioniert, dann ist das ein Modell, das die anderen nachmachen können. Dies ist vielleicht ein gangbarer Weg. Darüber müssen wir reden und darüber werden wir reden. Ich freue mich auf die Diskussion.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Puls das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Hildebrand, Sie haben die Landesregierung als den Erfüllungsgehilfen des Landtages darstellt. Verfassungsrechtlich - ohne Fachausdrücke zu verwenden - ist es so, dass die Regierung Erfüllungsgehilfe des Landtags zu sein hat. Sie haben es andersherum gesagt. Wir sind auch nicht der Erfüllungsgehilfe der Regierung, sondern das verhält sich so, Herr Kollege Hildebrand - darauf ist mehrfach hingewiesen worden -: Im April ist hier im Landtag der Beschluss gefasst worden, die Regierung möge einen Gesetzentwurf erarbeiten, der die freiwillige Zusammenarbeit fördert und neue Möglichkeiten für die freiwillige kommunale Zusammenarbeit erschließt.

Das Ergebnis dieses Landtagsbeschlusses, der hier zustande gekommen ist, ist der Formulierungsvorschlag der Regierung, den die Fraktionen von Rot und Grün heute als Gesetzentwurf übernommen haben. Dieser soll sicherzustellen - ich habe vorhin darauf hingewiesen -, dass das parlamentarische Verfahren nicht nur untereinander, sondern auch mit dem interessierten kommunalen Bereich genügend Zeit für Beratungen hat, damit wir zum 1. Januar 2005 dieses Gesetz unter Dach und Fach haben. Dies ist zwar kein übliches Verfahren, aber es dient der Sache und inso

(Klaus-Peter Puls)

fern sollten wir nicht mit „Erfüllungsgehilfe“ und sonstigen Schimpfworten argumentieren.

Herr Schlie, Sie haben noch einmal auf das „obligatorische“ und „zwingende“ Amtsbürgermeistereinsetzungsverfahren ab 15.000 Einwohner hingewiesen. Lesen Sie doch noch einmal ganz genau den Entwurf zu § 15 a der neuen Amtsordnung. Dort steht zwar, dass vorgesehen ist, ab 15.000 Einwohner einen hauptamtlichen Amtsbürgermeister/eine hauptamtliche Amtsbürgermeisterin zu wählen. Aber auf Antrag der betroffenen Gemeinden soll es weiterhin möglich sein, durch Beschluss des Innenminister ehrenamtlich verwaltet zu werden; es ist also keine Zwangsvorschrift.

Ich schlage vor, dass wir uns über diesen Punkt im Beratungsverfahren im Ausschuss noch einmal unterhalten. Denn es ist in der Tat aus Ämtersicht an uns herangetragen worden, dass es wohl Gemeinden geben mag, die über 15.000 Einwohner/Einwohnerinnen kommen, wenn sie sich zu einem Amt zusammenschließen, gleichwohl aber lieber weiterhin ehrenamtlich verwaltet werden wollen. Insofern könnte man sich über eine noch klarere Formulierung in diesem Bereich unterhalten.

Auf jeden Fall bewegt sich all das, was hier vorgeschlagen wird, Herr Kollege Schlie, im Bereich der Freiwilligkeit. Wir reagieren in der Tat - das müssen wir hier konkret sagen - auf den Wunsch aus Heikendorf, Mönkeberg und Schönkirchen.

(Beifall bei der SPD)

Dort will man sich freiwillig zusammenschließen - aber nur, wenn man sich einen hauptamtlichen Amtsbürgermeister wählen darf. Deswegen geben wir diese Möglichkeit. Gleichwohl ist es keine „Lex Heikendorf“ etc. Wir wollen vielmehr auch anderen Gemeinden die Möglichkeit geben, darüber zu entscheiden, ob diese einen ehrenamtlichen oder hauptamtlichen Bürgermeister beziehungsweise Verwaltungsleiter haben.

(Glocke der Präsidentin)