Protocol of the Session on August 25, 2004

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Übrigens nehme ich sehr widersprüchliche Tendenzen wahr. Unsere Gesellschaft verändert sich zunehmend hin zu einer Single-Gesellschaft, die sich nicht mehr in erster Linie über Familien, sondern im Alleine-Dastehen organisieren möchte. Menschen werden gegenüber den Ritualen, die es gibt, gleichgültig. Manche Menschen sagen auch: Ich möchte gar nicht, dass es mich nach meinem Tod noch irgendwie gibt; ich möchte nur verschwinden. Andere sagen: Wir müssen mit Bestattung ganz anders umgehen, zum Beispiel farbenfrohe, chice, trendige Särge entwickeln. Auch das gibt es in unserer Gesellschaft. Ich finde, es ist nicht so eindeutig, wie es hier manchmal klang, sondern das, was sich zurzeit beobachten lässt, ist vielschichtig.

Trotzdem ist klar: Eine Veränderung ist notwendig, und Bestattungsrituale muslimischer und anderer Kulturen möchten wir auf hiesigen Friedhöfen akzeptieren. Ich denke, die Vorschläge, die der Gesetzentwurf hierzu macht, sind sehr sinnvoll. Es ist sinnvoll, dass mit dem vorliegenden Bestattungsgesetz erstmals alle mit diesem Thema zusammenhängenden Vorschriften vereint und übersichtlich dargestellt sind.

Es ist gut, dass eine Regelung zur Bestattung von Fehl- und Totgeburten unter 1.000 g vorgesehen ist. Allerdings vermisse ich angemessene mögliche Bestattungsarten für diese Kinder. Der Gesetzentwurf geht für alle Bestattungsfälle von den uns bekannten Einzelgräbern als Regelbestattung aus, sofern keine Seebestattung stattfindet. Eltern haben also in diesen Fällen nur die Wahl zwischen der allgemeinen „Entsorgung“ des Embryos oder einem Einzelgrab mit Sarg. Vielleicht sollte man sich noch einmal darüber verständigen, was unter einem Sarg zu verstehen ist. Möglicherweise braucht man für ein ganz kleines Kind keinen richtigen Sarg und hat vielleicht sogar eher das Gefühl, es sollte eng umschlossen sein.

Auch was die Urnenbeisetzung angeht, wünsche ich mir noch mehr Möglichkeiten der Gestaltung für die Menschen, als das vielleicht bisher vorgesehen ist. Natürlich muss eine Versiegelung möglich sein, natürlich muss die Verträglichkeit im Boden gesichert sein. Alle diese Dinge müssen geregelt werden. Ich glaube aber, dass es Menschen gut tut, wenn sie in der Tätigkeit für ihr verstorbenes Liebstes auch etwas mit den Händen tun können. Das ist gut für die Trauerarbeit und gut für die Seele. Ohnehin sind nur die Hin

(Irene Fröhlich)

terbliebenen daran interessiert, was passiert. Der Tote hat hoffentlich alles hinter sich. - Aber gut. - Es würde sich anbieten, die Möglichkeit von Grabfeldern zu schaffen, in denen Fehl- und auch Totgeburten in angemessenen Behältnissen bestattet werden können. Das Grab könnte dann mit einem Gedenkstein oder wie auch immer geschmückt werden.

Etwas ganz anderes ist das kriminalpolitisch wichtige Kapitel des Entwurfs, in dem es um die Leichenschau geht. Kriminologische und gerichtsmedizinische Untersuchungen gehen davon aus, dass ein nicht unerheblicher Anteil aller fahrlässigen oder vorsätzlichen Tötungen unentdeckt bleibt. Das liegt nach Einschätzung von Kriminalisten wie beispielsweise dem Bund der Kriminalbeamten an mangelnder Kenntnis von Allgemeinmedizinern und daran, dass Untersuchungen aus Rücksicht auf die Angehörigen manchmal nicht vorschriftsmäßig vorgenommen werden. Vielleicht liegt es auch daran, dass zur Leichenschau jeder Arzt befugt ist, der sich sozusagen in nächster Nähe befindet. Nicht jeder Arzt ist aber vom bloßen Hinschauen in der Lage festzustellen, ob der Tod natürlich eingetreten oder auf anderem Wege zustande gekommen ist. Nach unserer Auffassung empfiehlt es sich, hierüber etwas länger nachzudenken und möglicherweise das Vier-Augen-Prinzip einzuführen.

(Beifall des Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Glocke der Präsidentin)

Im Zuge der weiteren Beratung ist auch zu überlegen, wie diesbezüglich die Qualität verbessert werden kann. Wir werden all dies im Ausschuss beraten und sicherlich zu Lösungen kommen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Hinrichsen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorgelegte Entwurf der Landesregierung zur Regelung des Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen enthält endlich klare Regelungen für diesen Bereich, und zwar für ganz Schleswig-Holstein. Häufig wurde so gehandelt, aber es gab immer wieder Schwierigkeiten bei Streitfällen, da es keine klare gesetzliche Regelung gab.

Die Regelung zur Bestattung von Fehl- oder Totgeburten steht nunmehr in Übereinstimmung mit dem

Personenstandsgesetz. Dass dies bislang nicht so ist, hat viele Betroffene immer wieder vor große Schwierigkeiten gestellt. Gerade wenn man ein Kind verloren hat, möchte man sich nicht auch noch mit bürokratischen Hemmnissen auseinander setzen. Auch die Urnenbestattung auf See ist nunmehr nicht mehr mit dem Problem belastet, dass man diese Art von Bestattung bisher nur bei besonderer Begründung zugelassen hat. Ich finde das sehr erfreulich und begrüße das hiermit ausdrücklich.

Die Zulassung von Bestattungen ohne Sarg aus religiösen und weltanschaulichen Gründen als Ausnahmeregelung auf Friedhöfen bringt nunmehr die Klarheit, dass nicht jedermann, sondern dass nur aus besonderen Gründen so bestattet werden darf. In der Diskussion war häufig befürchtet worden, dass diese Art der Bestattung, die nicht unserer Kultur entspricht, zukünftig alle treffen könnte. Ich verweise insoweit auf Seite 59 des Berichts der Bürgerbeauftragten, die zu dem Thema der anonymen Bestattung ebenfalls einige Ausführungen gemacht hat und auch dargestellt hat, wie das manchmal gesehen wird, wenn man die Hilfe des Sozialamtes braucht, um eine Bestattung durchzuführen.

Nach diesem Gesetzentwurf können nun Krematorien auch privat errichtet werden. Damit wird ein weiteres Hindernis abgeschafft.

Das Gesetz bietet nunmehr auch klare Definitionen. Dies wird hoffentlich den ab und zu vorgekommenen Missverständnissen in diesem Bereich vorbeugen.

Die eindeutige Regelung zur Leichenschaupflicht, nämlich dass und wie diese zu erfolgen hat, wird hoffentlich dazu führen, dass die Dunkelziffer bezüglich unentdeckter Todesursachen sinkt.

Auch die die kommunale Verwaltung belastenden Kostenregelungen sind nunmehr geklärt. Auch diesbezüglich werden künftig hoffentlich Streitigkeiten verhindert werden können.

Einige wenige Punkte - ich will gleich dazu sagen, es sind sehr kleine Punkte - wären aus unserer Sicht jedoch noch verbesserungswürdig.

In § 11 sollte die Ausnahmeregelung des Abs. 3 auf Abs. 4 ausgeweitet werden. Ansonsten würde bereits die Bergungspflicht von Kreis zu Kreis davon erfasst werden, sodass man bestimmte Urkunden mit sich führen muss. Nach unserer Ansicht ist es nicht ausreichend, wenn nur in der Begründung des Gesetzes steht, dass hier die Ausnahmeregelung greifen soll. Nach unserer Auffassung ist es besser, diese Ausnahmeregelung im Gesetz mit zu erwähnen.

(Silke Hinrichsen)

Eine weitere bürokratische und überflüssige Hürde ist nach unserer Ansicht abzuschaffen: Aus dem Gesetzestext ergibt sich, dass das Mitführen eines Leichenpasses, der von der Gemeinde zu erstellen ist, auch bei einem Transport innerhalb der Bundesrepublik erforderlich ist. - Nicht nach Hamburg, aber in andere Bundesländer. - Nach unserer Ansicht wäre es bei einem Transport innerhalb der Bundesrepublik nicht notwendig. Bei einem Transport ins Ausland halten wir dies aber selbstverständlich für richtig.

Auch aus diesem Grunde wäre § 13 Abs. 2 noch einmal zu überprüfen. Erst durch die Übergabe des Toten wird eine Wohnsitzgemeinde für die Bestattungspflicht zuständig. Dies kann nicht gewollt sein. Nach unserer Ansicht wäre die Bestattungspflicht beim Sterbeort zu belassen und gegebenenfalls eine Erstattungspflicht zwischen Sterbeortgemeinde und Wohnortgemeinde zu klären. Der Verstorbene sollte aber nicht übergeben werden. Dies schafft angesichts der kleinteiligen Kommunalstruktur in SchleswigHolstein unnötige Transporte.

Der SSW wird dem Gesetzentwurf unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte zustimmen.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf federführend dem Sozialausschuss und mitberatend dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:

Länderkompetenz für Ladenöffnungszeiten

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 15/3588

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Aschmoneit-Lücke.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 31. August 1993 beantragte ich in diesem Haus zum ersten Mal für die SPD-Fraktion, das Ladenschlussgesetz ersatzlos abzuschaffen.

(Beifall bei der FDP und der Abgeordneten Frauke Tengler [CDU])

Heute, fast auf den Tag genau elf Jahre später, fordere ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, erneut auf, den Weg für längere Ladenöffnungszeiten in Schleswig-Holstein zu ebnen.

Jetzt könnten Sie natürlich sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hätte in fast elf Jahren so gut wie nichts erreicht. Ich behaupte allerdings das Gegenteil. Denn erstens sind die Ladenöffnungszeiten seit damals merklich erweitert worden, von damals maximal möglichen 68,5 Stunden wöchentlich auf über 90 Stunden wöchentlich, und zweitens offenbart ein Blick in das Plenarprotokoll vom 16. September 1993, wieweit sich die schleswig-holsteinischen Sozialdemokraten unserer Sicht inzwischen angenähert haben. Damals sangen die Abgeordneten Birgit Küstner und Ingrid Franzen noch die Klagelieder vermeintlich entrechteter und enteigneter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, verfeinert mit einem kräftigen Schuss Kaufkrafttheorie der Löhne. Und heute: Ich möchte nur die Überschriften der sozialdemokratischen Informationsbriefe Nummer 62 und Nummer 102 aus diesem Jahr zitieren.

„Die Aufhebung des Ladenschlussgesetzes würden wir begrüßen.“

- so das erste Zitat. Und:

„Ladenschluss soll Ländersache werden.“

- So das zweite Zitat.

Selbstverständlich gibt es bezüglich der Ladenöffnungszeiten weiterhin Unterschiede zwischen uns, den Liberalen und den Sozialdemokraten. Die SPD möchte die Ladenöffnungszeiten von montags bis samstags komplett freigeben und nur noch an Sonn- und Feiertagen einschränken. So habe ich jedenfalls Sie, lieber Herr Kollege Eichstädt, verstanden. Ich finde die Absicht gut, nicht so gut wie unsere, aber trotzdem gut. Die SPD tritt inzwischen für wöchentlich mindestens 144 Stunden Ladenöffnung ein. 1993 meinte die Abgeordnete Küstner im Namen der SPDFraktion noch - ich habe das einmal nachgelesen -, maximal 36,5 Stunden wöchentlich seien genug. Wir waren schon damals für 168 Stunden. Wenn sich die SPD in den letzten Jahren auch sonst so stark an unsere Positionen und Überzeugungen angenähert hätte, stünde sie heute nicht auf der Weiche zum politischen Abstellgleis.

(Widerspruch des Abgeordneten Konrad Na- bel [SPD])

- Lieber Kollege Nabel, ich wusste, dass jetzt von

(Christel Aschmoneit-Lücke)

Ihnen irgendetwas kommt. Darauf war ich vorbereitet.

(Zuruf des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Ich komme also von damals, von der Geschichte, zur Gegenwart. Wie lange die Läden in SchleswigHolstein zukünftig öffnen dürfen, kann der Landtag heute ohnehin nicht entscheiden. Heute möchten wir nur dafür sorgen, dass der Schleswig-Holsteinische Landtag demnächst über die Ladenöffnungszeiten in Schleswig-Holstein allein verantwortlich entscheiden darf. Diese Möglichkeit hat uns das Bundesverfassungsgericht am 9. Juni 2004 eröffnet und das Land Baden-Württemberg hat einen entsprechenden Antrag in den Bundesrat eingebracht. Wir müssen jetzt nur noch für die entsprechende Mehrheit im Bundesrat sorgen. Und deshalb bitte ich Sie alle, mit uns gemeinsam die Landesregierung aufzufordern, dem Antrag des Landes Baden-Württemberg zuzustimmen, damit wir oder vielleicht auch unsere Nachfolger dann in Schleswig-Holstein selbst entscheiden können, wie lange auch die Läden hier in SchleswigHolstein aufhaben dürfen, die keine Tankstellen sind.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Wenn ich richtig informiert bin, gibt es immer noch einen entsprechenden Antrag, der - seit ich weiß nicht wie viel Monaten oder Jahren - immer noch im Wirtschaftsausschuss schmort, einen Antrag der CDU. Es gibt dazu auch noch einen sehr merkwürdigen Antrag von den Grünen, Herr Kollege Hentschel. Ich hoffe, dass auch diese Anträge, die - wie gesagt - seit Ewigkeiten im Wirtschaftsausschuss schmoren, in unserem Sinne abgearbeitet werden können.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Eichstädt das Wort.