Protokoll der Sitzung vom 22.09.2004

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 26 auf:

Nachtrag zu den Haushalten 2004/2005 Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/3660

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Dann eröffne ich die Aussprache und erteile Herrn Abgeordneten Wiegard das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen! Meine Herren! Die deutschen Kapitalgesellschaften müssen alljährlich einmal ihr Rechnungswesen einer Prüfung durch einen unabhängigen Prüfer mit dem Ziel unterziehen, ein Testat zu erreichen, das da sagt, dass der Jahresabschluss und das Finanz- und Rechnungswesen unter Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage entsprechendes Bild vermitteln. Das ist die Anforderung an deutsche Kapitalgesellschaften.

In § 321 HGB ist weiter aufgeführt, dass insbesondere auf die Beurteilung des Fortbestandes und der künftigen Entwicklung des Unternehmens einzugehen ist und Tatsachen zu berichten sind, die den Bestand des Unternehmens gefährden oder seine Entwicklung wesentlich beeinträchtigten können. Das sind zwar die Anforderungen an deutsche Kapitalgesellschaften, aber nicht die Anforderungen, die unsere Landesregierung erfüllt, was ihr Rechnungswesen und ihre Rechnungslegung angeht. Sie setzt sich kaltschnäuzig über solche Regelwerke hinweg. Sie beschließt ganz einfach höhere, virtuelle Einnahmen, als sie sie hat, und ignoriert voraussehbare Entwicklungen.

(Günter Neugebauer [SPD]: Oh, oh!)

Dabei hat die Sache im letzten Jahr eigentlich ganz gut angefangen - Herr Finanzminister, schön, dass Sie

(Rainer Wiegard)

kommen -, weil der neue Finanzminister ein paar kluge Grundsätze in seiner Einbringungsrede im August 2003 dargelegt hat. Ich zitiere einmal ein paar Auszüge. Ich freue mich ja immer, wenn wir in bestimmten Dingen übereinstimmen. Er sagte:

„Als ich vor einem halben Jahr das Amt des Finanzministers übernahm …, wurde mir schnell klar, dass Schleswig-Holsteins Haushalte mit Einsparungen und Kürzungen an dieser oder jener Stelle des Etats nicht mehr auszugleichen sein werden. Wer die Probleme … erfolgreich lösen will, kommt um eine sorgfältige Ursachenanalyse nicht herum.“

Sie haben so Recht, Herr Finanzminister, so Recht.

(Beifall bei CDU und FDP)

„Wir müssen alles tun,“

- sagt er weiter -

„was in unserer Kraft steht …, weil eine ungebremste Verschuldungspolitik verantwortungslos wäre, da sie den uns nachfolgenden Generationen die Gestaltungsspielräume, auf die sie ein Recht haben, vorenthielte.“

Sie haben so Recht. Warum tun Sie es aber nicht? Das ist die Frage, die sich hier stellt.

Sie haben weiter gesagt:

„Wir alle haben über unsere Verhältnisse gelebt“

- das muss insbesondere für die letzten 16 Jahre gegolten haben, die Sie regiert haben -

„und notwendige Strukturreformen verschlafen.“

Siehe da! Manchmal ist es schön, ein Protokoll nachzulesen.

„Wir alle müssen jetzt auch die strukturellen und konjunkturellen Probleme zugleich und entschlossen angehen.“

Dann haben Sie einen Satz angefügt, der machte das alles eben Gesagte, alles Richtige wieder zunichte. Sie haben nämlich gesagt:

„Natürlich haben wir (bei unserer Haushalts- planung 2004 und 2005) auf weiter steigende Einnahmen gesetzt.“

Und das, obwohl sie zugleich im dritten Jahr hintereinander die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts erklärt und weiter 10-prozentige Steigerungsraten bei den Steuereinnahmen in den Haus

halt einstellt! Das ist eben nicht das, was wir von anderen Gesellschaften und Unternehmen verlangen.

Wie sieht Ihr Halbjahresbericht aus, den Sie als große Kapitalgesellschaft, ja, als Unternehmen SchleswigHolstein der Öffentlichkeit zu vermitteln haben, Geschäftsführung Heide Simonis, Finanzvorstand Ralf Stegner?

Steuereinnahmen minus 200 Millionen €, Personalkosten plus 200 Millionen €, Zinsausgaben plus 65 Millionen €.

Das ist die Lage, der Lagebericht für das erste Halbjahr Unternehmen Schleswig-Holstein. Dies sind nur die wesentlichsten Daten.

(Martin Kayenburg [CDU]: Ab zum Kon- kursrichter!)

Der Fehlbetrag nach dem ersten Halbjahresergebnis, ganz einfach zu errechnen, Nettoeinnahmen 3,2 Milliarden €, Nettoausgaben 4 Milliarden €, Fehlbetrag 800 Millionen €. Das ist das Ergebnis, das dieses Unternehmen zu vermitteln hat!

Sie haben gesagt, Sie wollten einen Teil des Fehlbetrages durch globale Minderausgaben erwirtschaften. 60 Millionen € wollten Sie erwirtschaften. Ich habe mir einmal zwei Einzelpläne herausgesucht, bei denen Sie die Hälfte dieses Betrages erwirtschaften wollten.

Sie haben dem Finanzausschuss mit Datum vom 19. August zu zwei Einzelplänen, nämlich den Einzelplänen 11 und 12, Ihre Vorstellungen vorgelegt, wie Sie das wirtschaften wollen. Beim Einzelplan 11 wollten Sie 25 Millionen € erwirtschaften. Sie sagen: Das Konzept liegt noch nicht vor. Datum: 19. August.

Beim Einzelplan 12 - das hört sich noch viel schöner an - sollten nur 4,5 Millionen € erwirtschaftet werden. Da sagt der Finanzminister: Bisher ist eine Auflösung nicht möglich, aber - nun hören Sie genau zu! - bis Ende des Jahres besteht eine Chance zur Erwirtschaftung. Ist das nicht lieb?

(Heiterkeit bei der CDU)

Meine Damen und Herren, Ihre Finanzberichte gleichen mehr und mehr den sozialromantischen Erzählungen von Rosamunde Pilcher. Ich will die Dame wirklich nicht beleidigen. Das Einzige, bei dem die Romane von Frau Pilcher und Ihre Romane der Finanzplanung und der Finanzberichte übereinstimmen, ist, dass sie schlichtweg mit der Lebenswirklichkeit in Deutschland nichts zu tun haben.

(Beifall bei CDU und FDP)

(Rainer Wiegard)

Unterdessen haben Sie wieder einmal reichlich Schulden gemacht. 700 Millionen € mehr, als eigentlich anteilig auf das erste Halbjahr entfielen. Nun werden Sie einwenden, Sie hätten auch mehr Schulden getilgt. Jawohl, das haben Sie. Sie haben 400 Millionen € mehr getilgt. Das macht nach Adam Riese - da brauchen wir gar kein neues Schulsystem; das kann ich alles noch mit meiner Bildung aus den 60er-Jahren machen - 300 Millionen € zusätzliche Schulden, nur um Ihren Haushalt zu decken.

Nettokreditaufnahme erstes Halbjahr: 650 Millionen €. Das ist Ihre Halbjahresbilanz. Wenn ein privates Unternehmen, eine private Gesellschaft per 30. Juni einen solchen Bericht ablegen würde, Umsatz minus 10 %, Personalkosten plus 10 %, Zinslasten plus 15 %, könnte es sich am nächsten Börsentag aus dem Geschehen abmelden. Das wäre für Sie wahrscheinlich auch das Beste.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für 2005 brauche ich Ihnen nur die Zahlen vorzulegen, die Sie bereits seit Mai kennen. 550 Millionen € geplante Nettokreditaufnahme, 400 Millionen € - 400 Millionen! - globale Mehreinnahmen und Minderausgaben. Sie schaffen es im Laufe eines Jahres nicht einmal, 25 Millionen € zu erwirtschaften -, 450 Millionen € weniger Steuereinnahmen. Das ist schon heute Ihr Haushalt für 2005, mit dem Sie noch nicht einmal begonnen haben. Sie haben einen Fehlbetrag von 1.400 Millionen €, ohne dass Sie einen einzigen Handschlag getan haben, um das Chaos abzuwenden.

Haben Sie nicht die ohnehin schon verfassungswidrig hohe Kreditaufnahmen, die Sie jetzt noch überschreiten, mit der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts begründet? Das bedeutet, dass nach § 18 LHO diese „erhöhte Kreditaufnahmen dazu bestimmt und geeignet ist, die Störung dieses gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts oder der … Beschäftigungsentwicklung … abzuwehren“.

(Martin Kayenburg [CDU]: So ist das!)

Das wäre die Aufgabe, die Sie zu erfüllen haben.

Sie haben Anlass genug. Ich brauche hier die ganze Zeit Ihrer Regierung nicht darzustellen. Das letzte Jahr reicht. In den letzten zwölf Monaten hat Schleswig-Holstein 18.200 Beschäftigungsverhältnisse verloren. Was haben Sie - auch mit dem Haushalt 2004 - unternommen, um dem zu begegnen?

(Beifall bei der CDU)

Angekündigt haben Sie viel. Angekündigt haben Sie genug. Die Frau Ministerpräsidentin ist auch da. Ich

zitiere sie aus ihrer Haushaltsrede vom 11. Dezember. Zu Investitionen hat sie übrigens immer das Richtige gesagt, aber immer das Falsche gemacht.

„… mit dem vorgesehenen Volumen von 100 Millionen € aus unserem Zukunftsinvestitionsprogramm“