Protokoll der Sitzung vom 23.09.2004

Natürlich muss die Verbreitung des Kormorans so gelenkt werden, dass Fischereischäden möglichst gering bleiben und gleichzeitig der notwendige Schutz des Kormorans gewährleistet wird. Aber dazu reicht die geltende Rechtslage aus. Sie ermöglicht die Verhinderung von Ansiedlung durch Vergrämungsabschüsse dort, wo erhebliche Schäden drohen, zum Beispiel in der Teichwirtschaft.

Ich habe den Eindruck, dass viele, die heute darüber diskutiert haben, gar nicht wissen, wie viele Kormorane jährlich abgeschossen werden, sonst wäre das in der Medienoffensive der CDU als Zahl sicher vorgekommen. Ich will Ihnen das deutlich sagen: 2001 waren es 610, 2002 waren es 699 und 2003 770 Kormorane, die abgeschossen worden sind. Frau Todsen-Reese sagt, hier gebe es einen Freiraum für Kormorane. Wenn fast 7 bis 8 % der Population jedes Jahr abgeschossen werden, dann kann ich nicht davon ausgehen, dass es hier irgendeinen Freiraum gibt, sondern wir gehen sehr verantwortlich mit diesem Thema um.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW sowie des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Erfolgreich kann ein Vergrämungskonzept aber nur sein, wenn Ausweichräume vorhanden sind und der Kormoran eben nicht nach dem Sankt-FloriansPrinzip abgeschossen und verjagt werden darf. Aber die Logik der CDU ist eine andere. Peng und weg damit, so scheint das Motto der Christdemokraten zu sein.

Leider leistet dieser Entwurf der CDU einer Illusion Vorschub, nämlich dass mit dem einfachen Abschießen von Kormoranen die Problematik der Binnenfischerei auf einen Schlag zu lösen ist. Das ist falsch, die Ursachen liegen woanders: ein verändertes Verbraucherverhalten, starke internationale Konkurrenz und das massive Abfischen der Glasaalbestände im Atlantik. Zusammenfassend ist zu sagen: Dieser Verordnungsentwurf ist weder naturschutzfachlich vernünftig, noch ist er rechtstauglich. Er ist handwerklich schlecht gemacht, ungeeignet und nachteilig für die Kormorane und die Binnenfischerei. Erneuerung mit Verstand - das sieht gewiss anders aus.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Nach § 58 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung erteile ich jetzt Frau Abgeordneter Todsen-Reese das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, der Ratschlag „zieht zurück!“ würde manch einem, vor allem auch in den eigenen Reihen, doch ziemlich weh tun. Ich denke, wir werden uns das mit Spannung angucken, wenn alle vor Ort in ihren Wahlkreisen hinter dem Verhalten stehen müssen, das Rot-Grün hier heute an den Tag legt.

(Zurufe von der SPD)

Lieber Herr Astrup, wenn ich das richtig gehört habe, dann sollen Sie doch schon vor zwei Jahren in Schleswig gemeinsam mit dem BUND dafür plädiert haben, dass hier endlich einmal vernünftige Regelungen auf den Tisch kommen. Machen Sie es doch endlich, unterstützen Sie es doch endlich!

(Beifall bei der CDU)

Ich glaube, dass wäre sehr viel zweckdienlicher - das will ich deutlich sagen -, als diese verbale Knallerei, die heute hier von Rot-Grün in diesem hohen Haus veranstaltet worden ist.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Wenn es hier Knallerei gab, dann von Ihnen oder auch von Herrn Müllers Erfüllungsgehilfen, dem

(Herlich Marie Todsen-Reese)

NABU, deren Vertreter mit deutlicher Munition dabei sind. Das ist schon hochinteressant! Ich glaube nur, dass diese Art und Weise der Auseinandersetzung uns in der eigentlichen Problematik kein Stück voranbringt.

Ein Wort zur Überbürokratisierung: Vielen ist ganz offensichtlich entgangen, dass wir schon heute eine Richtlinie haben. Einige haben es gemerkt. Diese Richtlinie würde dann durch eine Verordnung ersetzt werden. Das ist insofern schade, als wir in anderen Bereichen selbstverständlich weiter dazu zu stehen, dass wir abbauen wollen, Herr Kubicki. Unser Entwurf eines Landesnaturschutzgesetztes belegt das.

Liebe Sandra Redmann, ich möchte darauf eingehen, was draußen passiert. Das entscheidend Neue, das vielen nicht passt, ist die Öffnung für Möglichkeiten auch in Naturschutzgebieten. Lieber Herr Dr. Garg ich hätte Ihnen zumindest zugetraut, dass Sie Verordnungsentwürfe ganz lesen können und nicht auf die Idee kommen, die Diskussion nur auf das Abschießen zu verkürzen. Auch unser Verordnungsentwurf sieht alle Vergrämungsmaßnahmen vor. Ich sage ganz deutlich: Dort, wo keine Kormorane sind, dort braucht man sich um die Verordnung auch nicht zu kümmern. Dort, wo wenig Kormorane sind, dort brauchen wir uns auch nicht darum zu kümmern.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Matthiessen?

Dafür habe ich leider wirklich keine Zeit. Zu Herrn Matthiessen kann ich allerdings sagen: Ihre Sichtweise und Ihr Horizont hören offensichtlich an der Wasseroberfläche auf. Herr Dr. Garg, Ihr hehres Tierschutzansinnen trage und unterstütze ich in vielen Fällen mit. Gucken Sie aber auch einmal unter die Wasseroberfläche. Das, was dort abgeht, das hat der NABU - so glaube ich - so schön mit „Unterwasserterrorismus“ betitelt. Gucken Sie sich an, was dort abgeht! Dann machen Sie sich Ihre Tierschutzgedanken noch einmal neu.

„Feuer frei“ wurde heute offensichtlich von Rot-Grün gespielt. Wir wollen das nicht. Wer gutwillig und sachbezogen wäre, heute zugehört hätte, die Verordnung gelesen und meinem Redebeitrag zugehört hätte, der hätte sehr wohl gemerkt, dass es eben nicht um Ausrottung geht. Wer dieses weiter behauptet, der behauptet schlichtweg etwas Falsches, der sagt die Unwahrheit. In allen Beiträgen ist deutlich geworden:

Es geht um einen vernünftigen naturverträglichen Kormoranbestand in Schleswig-Holstein. Es geht aber auch um eine Fischerei, die wir weiterhin wollen.

(Beifall bei der CDU)

Nach § 58 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Astrup zu einem weiteren Kurzbeitrag das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hätte mich natürlich nach all den hervorragenden Beiträgen der FDP, des SSW und der SPD nicht gemeldet, wenn nicht mein Name gefallen wäre. Ich gebe ausdrücklich zu Protokoll: Frau Kollegin Todsen-Reese, wer immer Ihnen das erzählt hat, der sollte einmal versuchen, das zu belegen.

Zweitens. Ich habe mir - während Sie redeten - versucht vorzustellen, wie das aussieht, wenn Sie mit dem Kopf unter Wasser versuchen, das Problem zu lösen, von dem der Kollege Kubicki und auch andere Ihnen bescheinigt haben, dass das handwerklich ausgesprochen dusselig gelaufen ist. In diesem Monat scheint das nicht Ihre Tagung zu sein, denn das zieht sich durch die ganze Tagung.

Frau Kollegin Todsen-Reese, wir werden Ihren Verordnungsentwurf nicht überweisen wollen, sondern ihn ablehnen, es sei denn, Sie zögen ihn zurück. Nach den Inhalten, die wir hier gehört haben, wäre das eigentlich die klügste Lösung. Versuchen Sie es doch einmal mit Wiedervorlage. Ein paar Monate Zeit dafür haben Sie noch. Frau Todsen-Reese, ich vermute, der November wäre für eine Rabenvogeldiskussion gut geeignet. Die hatten wir dieses Jahr noch nicht.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist sowohl Ausschussüberweisung als auch Abstimmung in der Sache beantragt worden. Wird der Antrag auf Überweisung an die Ausschüsse für Agrar und Umwelt aufrechterhalten? - Sie bitten darum, also lasse ich darüber abstimmen.

Wer dafür ist, den Antrag an den Agrarausschuss und mitberatend an den Umweltausschuss zu überweisen, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstim

(Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau)

men? - Stimmenthaltungen? - Die Überweisung des Antrages ist mit den Stimmen der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen von CDU, FDP und des SSW abgelehnt.

Ich lasse über den Antrag in der Sache abstimmen. Wer dem Antrag der CDU, Drucksache 15/3661, zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dieser Antrag ist mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, des SSW und des Abgeordneten Dr. Garg gegen die Stimmen der Fraktion der CDU bei Enthaltung der Fraktion der FDP und des Kollegen Poppendiecker abgelehnt.

(Unruhe)

Die Sitzung ist noch nicht geschlossen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 18 auf:

Strommarkt braucht eindeutige Wettbewerbsregeln

Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 15/3639

Änderungsantrag der Abgeordneten des SSW Drucksache 15/3675

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das sehe ich nicht. Ich eröffne die Aussprache und erteile Frau Abgeordneter Müllerwiebus das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Steigende Energiepreise sind gerade aktuell wieder sehr besorgniserregend. Ob Öl, Gas - allein e.on hat gerade 10 % Steigerungen angekündigt - oder Strom: Die Menschen haben mit Recht Sorge, hier zusätzlichen Belastungen ausgesetzt zu sein, denen Sie - zumindest kurzfristig - nicht ausweichen können. Dazu kommt auch die Belastung unserer Wirtschaft mit den negativen Folgen für die anziehende Konjunktur. Die Strompreise in Deutschland gehören zu den höchsten in Europa und sollen nach dem Willen der großen Energiekonzerne weiter erhöht werden, wenn auch zumindest vorerst von e.on nicht.

Vier große Konzerne beherrschen 80 % des Strommarktes. Insbesondere die Netzzugangsentgelte der deutschen Netzmonopolisten gelten als deutlich überhöht. Preisabsprachen werden vermutet. Die Monopolkommission stellt fest, dass die Verbändevereinbarungen gescheitert sind und dass das kartellrechtliche Instrumentarium nicht ausreicht, um die Preise in den Griff zu bekommen. Strom behört in den Bereich der Daseinsvorsorge. Der Staat ist also in der Pflicht,

regulierend einzugreifen, wenn die vorhandenen Strukturen einen fairen Wettbewerb verhindern. Das Bundeskabinett hat nun einen Entwurf zur Neufassung des Energiewirtschaftsgesetzes beschlossen. Um einen echten Wettbewerb zu ermöglichen, ist es aus unserer Sicht notwendig, darin noch drei Belange zu berücksichtigen:

Erstens. Die Vorabgenehmigung von Stromtarifen für Haushalte und Kleinbetriebe muss es wie bisher auch in Zukunft geben. Anreize zu niedrigen Preisen müssen über ein sinnvolles Vergleichsmarktkonzept gegeben werden.

Zweitens. Das Netz ist das letzte Monopol der Energiewirtschaft. Die Entgelte für die Netznutzung sind in Deutschland so hoch wie sonst nirgendwo und gelten als gleichmäßig stark überhöht. Eine Regulierungsbehörde, die wirklich sinkende Preise erreichen will, braucht Biss. Dazu bedarf es nach unserer Auffassung einer Vorabgenehmigung der Entgelte.

(Beifall bei SPD und SSW)

Eine Missbrauchsregelung, wie im Gesetzentwurf vorgesehen, halten wir nicht für ausreichend, denn um ihn nachzuweisen, braucht man die Daten der Konzerne. Das ist ein mühsames Verfahren. Bei einer Vorabgenehmigung sind diese Daten jedoch Voraussetzung.

(Beifall bei SPD und SSW)

In jedem Fall - ob bei Vorabgenehmigung oder nachträglicher Missbrauchsregelung - sind die gleichmäßig überhöhten Netzkosten der Netzmonopolisten als Vergleichskriterium wertlos. Hier müssen EU-weite Vergleiche angestellt werden.

Drittens fordern wir, dass die Netznutzungsentgelte auf der Grundlage einer nachprüfbaren knallharten Kosten- und Erlösbewertung berechnet werden.