Protocol of the Session on November 10, 2004

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Nun lassen Sie mich eine Bemerkung machen: Es ist doch kein Geheimnis, dass die großen deutschen Banken jahrzehntelang ihr Privatkundengeschäft vernachlässigt haben und dass sie inzwischen erkannt haben, dass es trotz der geringen Zinsmargen durchaus attraktiv sein kann, sich wieder vermehrt dem Privatkundengeschäft zuzuwenden. Also, insofern - und das wissen Sie doch genauso gut wie ich - haben sie auch ein Interesse daran, in den Markt hineinzugehen, auf dem bisher die Sparkassen tätig sind. Das ist doch kein Geheimnis.

Wir wissen doch auch - siehe Großbritannien -, in welche Richtung es gehen könnte, wenn es nur noch wenige Anbieter auf dem Markt gäbe. Das steht explizit in dem Bericht drin.

Eine weitere Bemerkung. Sie, Herr Kayenburg, haben die Schwierigkeiten gerade im Flensburger Bereich hinsichtlich der Versorgung des Handwerks mit Krediten angesprochen; das gilt meiner Meinung fürs ganze Land.

(Martin Kayenburg [CDU]: Ich habe Sie zi- tiert!)

- Sie haben mich zitiert; das ist zutreffend. - Das Problem ist, dass von den Sparkassen mit Basel II argumentiert wird, obwohl es noch nicht in Kraft ist. Und Sie vergessen, darauf hinzuweisen, dass auch die Sparkassen während des Booms am Neuen Markt spekuliert haben und dass heute ein hoher Wertberichtigungsbedarf vorhanden ist. Das führt dazu, dass sie kreditbewusster sind. Das heißt, sie vergeben die Kredite unter erschwerten Bedingungen. Das ist zum Nachteil der Wirtschaft und das muss man den Sparkassen auch deutlich sagen. Sie haben eine andere öffentliche Aufgabe.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Martin Kayenburg [CDU]: Vie- len Dank, dass Sie das noch einmal bestätigt haben!)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Es ist beantragt worden, die Antwort der Landesregierung dem Wirtschaftsausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dies ist einstimmig so beschlossen.

Ich möchte nun unsere nächsten Besuchergruppen auf der Tribüne begrüßen, und zwar von der FrauenUnion Schleswig-Flensburg, der Kolpingfamilie St. Annen, Hamburg, sowie der Realschule aus Bordesholm. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 11 auf.

Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für das Land Schleswig-Holstein sowie zur Änderung und Aufhebung anderer Rechtsvorschriften

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 15/3649

Bericht und Beschlussempfehlung des Sozialausschusses Drucksache 15/3755

Änderungsantrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 15/3780

Änderungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/3781

Ich erteile zunächst dem Berichterstatter des Sozialausschusses, Herrn Abgeordneten Beran, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Landtag hat den Gesetzentwurf zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für das Land Schleswig-Holstein sowie zur Änderung und Aufhebung anderer Rechtsvorschriften durch Plenarbeschluss vom 22. September 2004 federführend an den Sozialausschuss und zur Mitbeartung an den Innen- und Rechtsausschuss sowie den Wirtschaftsausschuss überwiesen.

Der Sozialausschuss hat den Gesetzentwurf in drei Sitzungen - zuletzt am 4. November 2004 - beraten. Lassen Sie mich hier eine Anmerkung machen: Zu diesem Zeitpunkt lag dem Sozialausschuss weder die Drucksache 15/3781 noch die Drucksache 15/3780 noch der Umdruck 15/5155 vor, der noch einmal eine Äußerung der kommunalen Landesverbände beinhaltet.

In Einvernehmen mit den beteiligten Ausschüssen empfiehlt der Sozialausschuss dem Landtag einstimmig, den Gesetzentwurf in der Fassung der rechten Spalte der Gegenüberstellung in dieser Drucksache anzunehmen. Änderungen gegenüber der Regierungsvorlage sind durch Fettdruck kenntlich gemacht.

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. - Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall.

Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Puls.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 1. Januar 2005 tritt bundesweit das Zweite Sozialgesetzbuch, mit dem die Zusammenführung von bisheriger Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger realisiert wird, in Kraft. Zur Umsetzung in Schleswig-Holstein bedarf es landesrechtlicher Regelungen, insbesondere für die Sicherung der vom Bundesgesetzgeber zugesagten finanziellen Entlastung der Kommunen. Diese Regelungen wollen wir heute in zweiter Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung beschließen.

Ehe ich darauf zu sprechen komme, lassen Sie mich aber doch eine allgemeine Vorbemerkung zu der so genannten Hartz-IV-Gesetzgebung insgesamt machen. Bei allem finanziellen Gerangel zwischen den verschiedenen politischen Ebenen sollten wir nicht aus den Augen verlieren, für wen die Gesetze gemacht sind und welchen Gruppen von Menschen sie helfen sollen. Und wir sollten im weiteren Verfahren

alles in unserer Macht Stehende dazu beitragen, dass im Zusammenwirken von Bundesarbeitsverwaltung und kommunaler Sozialverwaltung gewährleistet wird, dass es am 1. Januar auch tatsächlich losgeht, und zwar erstens mit der angekündigten verbesserten Betreuung und Vermittlung von Langzeitarbeitslosen - das ist ja das eigentliche Ziel - und zweitens mit der Auszahlung des neuen Arbeitslosengeldes II zur Sicherung des Lebensunterhalts für all die Betroffenen, denen nicht sofort ein Arbeitsplatz oder eine Arbeitsgelegenheit angeboten werden kann.

In finanzieller Hinsicht ist der Gesetzentwurf der Landesregierung nach intensiven und konstruktiven Gesprächen mit allen kommunalen Landesverbänden in den gemeinsamen Ausschussberatungen dahin gehend verändert worden, dass insbesondere im Verhältnis der Kreise zu den kreisangehörigen Städten und Gemeinden ein von allen Seiten akzeptierter Kompromiss zustande gekommen ist.

Mit der heutigen Ausschussempfehlung werden die unterschiedlichen finanziellen Be- und Entlastungen, die durch Hartz IV in den Kreisen und kreisangehörigen Kommunen entstehen, angemessen zum Ausgleich gebracht. Für dieses von den kommunalen Landesverbänden einvernehmlich selbst eingebrachte Lösungsmodell darf ich mich - sicherlich im Namen des ganzen Hauses - bei allen drei kommunalen Landesverbänden auch von dieser Stelle aus herzlich bedanken.

(Beifall)

Den nachgereichten Vorschlag der kommunalen Landesverbände, zusätzlich eine gesetzliche Regelung über die Weiterleitung der Entlastungen des Landes an die Kommunen im Landesausführungsgesetz zu verankern, werden wir als SPD-Landtagsfraktion nicht übernehmen. Den darauf gerichteten CDUAntrag werden wir ablehnen.

Es mag, wie es die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Landesverbände schreibt, „sachgerecht und zweckmäßig erscheinen“, eine Regelung über die Weitergabe der Entlastungen des Landes im Ausführungsgesetz zu verankern; wir halten dies jedoch nicht für erforderlich.

Im Gesetzentwurf selbst - lesen Sie bitte Seite 3 ff. - wird ja schon ausdrücklich darauf abgestellt, dass die mit Hartz IV vorgesehene finanzielle Entlastung der Kommunen tatsächlich realisiert wird, dass der Anteil des Bundes an den Unterkunftskosten vom Land unmittelbar in die Kommunen transferiert wird und dass das Land darüber hinaus seine Nettoentlastungen an die Kommunen weiterleiten wird. Eine ausdrückliche Paragraphenregelung ist dafür aus unserer Sicht ent

(Klaus-Peter Puls)

behrlich. Wir vertrauen darauf, dass unsere rot-grüne Landesregierung nach dem 20. Februar 2005 die im Gesetzentwurf gemachten Zusagen einhält. Die CDU traut sich für den unwahrscheinlichen Fall ihres eigenen Wahlsieges offenbar selbst nicht über den Weg.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ein letzter Hinweis auf den rot-grünen Änderungsantrag zu Art. 7 des Gesetzentwurfes. Damit die betroffenen Menschen pünktlich zum 1. Januar 2005 ihre neuen Rechte geltend machen können, wollen wir im jetzigen Stadium nicht gleichzeitig die Landesausführungsgesetze zum bisherigen Bundessozialhilfegesetz und zum bisherigen Grundsicherungsgesetz im Alter und bei Erwerbsminderung komplett überarbeiten. Sie sollen für die nicht erwerbsfähigen Sozialhilfe- und Grundsicherungsempfänger bis auf weiteres erhalten bleiben, damit auch für diesen Personenkreis mit dem Jahreswechsel der Leistungsbezug und die notwendige staatliche Unterstützung gewährleistet bleiben. Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Lehnert das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich auch die Gelegenheit nutzen, mich bei all denjenigen zu bedanken, die mit ihrer Arbeit die Grundlage für eine praktikable Umsetzung der Gesetzesänderungen im Zusammenhang mit Hartz IV gelegt haben. Dabei sind zunächst die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus unseren Kommunalverwaltungen und den Bundesagenturen für Arbeit zu nennen. Ihre unermüdliche Arbeit hat entscheidend dazu beigetragen, die Grundlage für einen weitgehend reibungslosen Ablauf zu schaffen. Zu nennen sind hier auch die kommunalen Landesverbände in Schleswig-Holstein, die mit ihren Vorständen und den hauptamtlichen Mitarbeitern sehr konstruktiv an einem Kompromiss mitgearbeitet haben. Das jetzt Erreichte ist ein flexibler Handlungsrahmen, der es den schleswig-holsteinischen Kommunen ermöglicht, in eigener Verantwortung Lösungen im Rahmen von Satzungen zu treffen, mit denen sich gerade in Anbetracht regionaler Unterschiede gut arbeiten lässt.

Die Rolle der Landesregierung und das zeitweise Koordinierungschaos zwischen den vier beteiligten Ministerien möchte ich angesichts des insgesamt positiven Ergebnisses nicht in allen Einzelheiten an

sprechen. Zwei Punkte müssen allerdings wegen ihrer Bedeutung heute noch einmal erwähnt werden. Der Versuch des Finanzministers, den Kommunen nach Wegfall des quotalen Systems die alleinige Finanzverantwortung zu überlassen, war nicht nur leicht zu durchschauen, sondern traf auch auf den berechtigten Widerstand der kommunalen Landesverbände.

(Beifall bei CDU und FDP)

Die einseitige Veröffentlichung eines diesbezüglichen Briefes an die kommunalen Landesverbände war wenig hilfreich, entspricht allerdings durchaus der mangelnden Sensibilität des Finanzministers.

(Beifall bei CDU und FDP)

Erschwerend kam hinzu, dass der Innenminister zunächst explizit der Auffassung war, dass nur eine vom Gesetzgeber erzwungene massive Kreisumlagenerhöhung die Finanzierungsgrundlage für die anstehende Neuordnung der Finanzierungsströme der Kommunen untereinander sein könne, wobei auch ihm klar sein musste, dass dies zu massiven Verwerfungen innerhalb des kommunalen Finanzausgleichs geführt hätte. Auf wiederholten Druck des Innen- und Rechtsausschusses hat dann das Innenministerium Gott sei Dank Alternativen vorgelegt, die durch die kommunalen Landesverbände zukunftweisend weiter entwickelt wurden und heute unsere Beschlussgrundlage bilden.

Die CDU-Fraktion hat heute zu der vom Ausschuss beschlossenen Empfehlung noch einen Ergänzungsantrag gestellt, dessen Inhalt uns im Rahmen der Anhörung der kommunalen Landesverbände eindringlich empfohlen wurde. Es handelt sich dabei analog zu dem, was der Bundesgesetzgeber im Rahmen einer Revisionsklausel geregelt hat, um eine Revisionsklausel, die sicherstellen soll, dass die Gelder, die das Land im Rahmen der Neustrukturierung durch Hartz IV einspart, auch wirklich vollständig an die Kommunen weitergeleitet werden. Die alleinige Zusicherung einer entsprechenden Zahlung erscheint mir angesichts der desaströsen Haushaltslage und schlechter Erfahrungen aus der Vergangenheit nicht ausreichend.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das wichtigste Ziel unserer Arbeitsmarktpolitik muss es nun sein, den Menschen in unserem Land eine ausreichende Zahl von Arbeitsangeboten zu machen. Dabei kommt der Bundesagentur für Arbeit ebenso wie der Landesregierung, die endlich die politischen Rahmenbedingungen für mehr Arbeit schaffen muss, eine entscheidende Bedeutung zu. Die Ausgangsposition ist schwierig. Noch nie waren in Schleswig

(Peter Lehnert)

Holstein so viele Menschen arbeitslos wie zurzeit. Hinzu kommt die höchste Sozialhilfequote aller westdeutschen Flächenländer, eine nicht enden wollende Pleitewelle sowie eine rückläufige Beschäftigung. Wir müssen deshalb zügig und umfassend die Rahmenbedingungen für den Standort Schleswig-Holstein verbessern.

Um Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen, muss der Arbeitsmarkt von rechtlichen und bürokratischen Belastungen befreit werden. Nur so wird es uns gelingen, wieder mehr Arbeit zu schaffen und die Menschen in Beschäftigung zu bringen, denn unter Arbeitslosigkeit leiden nicht nur die betroffenen Menschen, sondern vor allen Dingen ihre Angehörigen. Dabei sind die Hauptleidtragenden meistens die Kinder. Wir sind mitten in einer Reformdebatte. Sie muss konsequent weitergeführt werden. Dabei sollten wir uns auf einen Kernsatz konzentrieren, der für alle Reformen gelten muss, die wir noch in Angriff zu nehmen haben: Sozial ist, was Arbeit schafft.