Protokoll der Sitzung vom 12.11.2004

Das gilt noch vielmehr für den Komplex der PröhlAffäre. Auch wenn Dr. Pröhl zu keinem Zeitpunkt ein

Dienstzimmer in der Staatskanzlei hatte, sondern bei der Investitionsbank arbeitete, unterstand er doch der Dienstaufsicht und dem Lenkungsausschuss, der vom Chef der Staatskanzlei geleitet wurde. Und dieses Wort Staatskanzlei schien von Anfang an eine ungeheure Zauberwirkung auf die CDU auszuüben. Das gilt nicht nur für den übereifrigen Chefermittler. Bereits am 15. März 2002 reibt sich der Oppositionsführer Kayenburg die Hände in einer Presseerklärung: Der Fall Pröhl würde immer weitere Kreise ziehen. Wörtlich:

„Im Fall Pröhl gibt es jetzt offenbar täglich neue Enthüllungen. Wenn die neuesten Berichte zutreffen, verstärkt sich der Eindruck, dass Klaus Gärtner nur ein Bauernopfer sein musste, um von der eigentlichen Verantwortung der Ministerpräsidentin abzulenken.“

Zu dem Zeitpunkt gab es noch keinen Untersuchungsausschuss.

Am 19. März redet er von Filz und kündigte einen Untersuchungsausschuss an.

Am 25. März erklärt Kayenburg, mit den neuen Ereignissen vom Wochenende stelle sich erneut die Frage nach der politischen Gesamtverantwortung der Ministerpräsidentin.

Am 26. März fragt Kayenburg besorgt: „Was weiß Frau Simonis noch?“

Am 3. April zur Abwechslung mal der Kollege Wiegard:

„’Es ist Zeit, dass die vielen mysteriösen Vorgänge um die Staatskanzlei und vor allem deren politische Hintergründe beleuchtet werden’, erklärte der finanzpolitische Sprecher der CDU im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Rainer Wiegard. Wiegard bedauerte besonders, dass die Ministerpräsidentin nach demselben Strickmuster vorgehe wie alle auf ähnliche Weise gescheiterten Spitzenpolitiker vor ihr.“

Am 4. April mahnt Wiegard:

„Es wird Zeit für die Wahrheit, Frau Ministerpräsidentin!“

Er will wissen, was Gegenstand der Geheimgespräche beim Mittagessen mit dem Außenminister von Oman war. Wiegard erwartete in den nächsten Tagen weitere Zugeständnisse der Regierungschefin. Frau Simonis gehe nach demselben Strickmuster vor wie alle gescheiterten Spitzenpolitiker vor ihr. Das hat er kreativerweise ja bereits am Vortag festgestellt. Dann

(Detlef Matthiessen)

lässt er den geneigten Leser nicht länger zappeln und lässt die Katze aus dem Sack:

„Scheibchenweise werde mit dem Ausdruck des Bedauerns zugegeben, was nach und nach ohnehin bereits bewiesen sei. Mit diesem Verhalten beschädige Simonis auch noch das Regierungsamt auf ihrem unausweichlichen Weg zum Rücktritt.“

Am 8. April tritt ein weiterer CDU-Akteur ins Rampenlicht: Rainer Wiegard und Werner Kalinka: „Für die Ministerpräsidentin wird es langsam enger.“ Dann folgen anderthalb Seiten Text mit schaurigen Andeutungen und der Schlusssatz: „Wie lange meint Frau Simonis dies noch aussitzen zu können?“

Dieses Schnellfeuer an Verdächtigungen verfehlt seine Wirkung nicht. Die Neugier war geweckt. Insbesondere die Medien außerhalb der Landesgrenzen wittern eine Sensation. Die selbst ernannten Experten der CDU sonnen sich in dieser unerwarteten Presseaufmerksamkeit und satteln drauf. Weitere Spitzenkräfte wollen nicht beiseite stehen. Stritzl und Kerssenbrock verlautbaren am 9. April: „Das Netz wird engmaschiger!“

Dies alles entfaltet eine eigene psychische Dynamik und es führt mitnichten zu Mäßigung oder Kenntnisnahme, die mein Fraktionsvorsitzender Karl-Martin Hentschel am selben Tag anmahnt:

„Aus unserer Sicht gibt es nach den bisherigen Erkenntnissen keinerlei Anlass, die Integrität der Ministerpräsidentin in Zweifel zu ziehen. Sicherlich ist es die Pflicht der Opposition, die Arbeit der Regierung kritisch zu durchleuchten, aber es ist schon auffällig, wie leichtfertig nach einem Rücktritt gerufen wird, ohne dass belastende Fakten gegen Heide Simonis vorliegen.“

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hätten Sie doch zu diesem Zeitpunkt auf ihn gehört!

Insbesondere Dr. Kerssenbrock als bewährte Untersuchungsausschusskraft verbeißt sich in seiner Funktion als Obmann der Fraktion in die Sache. Das Feuerwerk der Presseerklärungen und Hintergrundgespräche wird fortgesetzt, die Erwartungshaltung der Presse weiter genährt. Es kommen dann die Todesfälle hinzu. Die CDU verlangt die Herbeiziehung von Akten der Todesermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaften. Jede Zeugenaussage generiert neue Zeugen.

Die angesichts der geweckten Erwartungen ausbleibenden Ergebnisse über 40, 50, 60, 70 Sitzungen führen zu einem abbröckelnden Interesse der Öffent

lichkeit und einer zunehmenden Genervtheit und Distanzierung auch insbesondere aus den eigenen Reihen der CDU.

(Günter Neugebauer [SPD]: Wie heute auch im Parlament, Herr Kollege! - Zuruf von der CDU: Umdrehen! - Wolfgang Kubicki [FDP]: Es sitzen nicht mehr Sozialdemokra- ten im Saal!)

Nach einem schlechten Platz auf der Landesliste kündigt der Chefuntersucher Kerssenbrock an, für die Erarbeitung des Abschlussberichtes nicht mehr zur Verfügung zu stehen, und unterstreicht damit, wie sehr die Arbeit im PUA statt der sachlichen Aufklärung der eigenen Profilierung dienen sollte.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Meine Damen und Herren, Sie haben hier die Schlussausführungen des interessiert zuhörenden Oppositionsführers soeben vernommen. Als Ergebnis der Arbeit der CDU bleibt festzuhalten, dass die Ministerpräsidentin nach Auffassung der CDU den Pressespiegel und ihre Tageszeitungen aufmerksamer und intensiver lesen soll.

(Heiterkeit bei der SPD)

Als politisch Hauptbeschädigter des Zweiten Parlamentarischen Untersuchungsausschusses bleibt der Chefaufklärer und Obmann der CDU-Fraktion zurück, der den dezenten Rückzug seines Fraktionschefs und anderer nicht rechtzeitig wahrgenommen hat oder wahrnehmen konnte.

Für uns bleiben Untersuchungsausschüsse trotz der hohen Arbeitsintensität und Kosten ein wichtiges Instrument für das Funktionieren unserer Demokratie.

(Anhaltender Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Ich will Gäste auf der Tribüne begrüßen. Auf der Tribüne haben Mitglieder des CDU-Ortsverbandes Ohrstedt/Immenstedt sowie Mitglieder der Leitstelle „Älter werden“ der Landeshauptstadt Kiel Platz genommen. - Herzlich willkommen!

Jetzt erteile ich der Frau Abgeordneten Spoorendonk das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Warum eigentlich dieser Untersuchungsausschuss? - Das fragte der NDR schon vor Monaten

(Anke Spoorendonk)

Passanten auf der Straße. Kaum jemand wusste darauf eine Antwort. Hatte sich also der Ausschuss selbst überholt? - Ich denke, in gewisser Weise schon. Die sehr lange Dauer der Arbeit hat uns ins Abseits gestellt. Darauf werde ich gleich eingehen.

Ich möchte an die Ereignisse erinnern, die der Einsetzung des Untersuchungsausschusses vorangegangen waren: Gerüchte waren im Umlauf, dass Karl Pröhl neben seiner Aufgabe als EXPO-Beauftragter genug Zeit gefunden hatte, sich anderweitig zu engagieren. Ich weiß noch genau, wie sich die Ereignisse damals überschlagen haben. Wilde Vermutungen schossen ins Kraut. Alle ließen sich von dieser hektischen Stimmung anstecken. Hatte sich also unbemerkt von der Öffentlichkeit ein Kieler Klüngel formiert, der sich gegenseitig das lukrative Kieler Schloss zuschustern wollte, ein Klüngel von Beamten, Politikern und Stadtpolitik?

Genau das waren die Vermutungen, die Anlass gaben, mittels eines Untersuchungsausschusses die Vorgänge genauer zu untersuchen. Schon damals empfand ich ein gewisses Unbehagen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Entschuldigung, Frau Abgeordnete! - Ich darf um etwas mehr Aufmerksamkeit bitten.

Im Nachhinein möchte ich mich nicht als schlauer darstellen, als ich war. Aber diese Eigendynamik aus Verdächtigungen, Halbwahrheiten und Fakten, die uns von Tag zu Tag schneller vor sich her trieb, verdrängte jedes rationale Nachdenken. Alles schien ganz einfach möglich. Wenn es monatelang unentdeckt geblieben war, dass sich der höchst bezahlte Angestellte des Landes eines der Filetstücke unter den Nagel reißen wollte, dann konnte doch noch viel mehr unentdeckt geblieben sein.

Nach fast 30 Monaten hat der Untersuchungsausschuss aber gezeigt, dass da wirklich nicht mehr war, zumindest nichts, was einer harten Beweisprüfung standhält. Dr. Karl Pröhl hatte nach Ende der EXPO vielfältige nebenberufliche Tätigkeiten entfaltet, ohne seinen Arbeitgeber darüber zu informieren. Angeblich musste er sich nach beruflichen Alternativen umsehen, weil die Landesregierung ihm keine adäquate Anschlussbeschäftigung angeboten habe. Tatsache ist aber, dass Dr. Karl Pröhl zu keinem Zeitpunkt gekündigt wurde. Es gab aber Anzeichen, dass die Landesregierung seine Personalangelegenheit nicht mit dem nötigen Nachdruck vorangetrieben hat.

Dem Ausschuss zeigte sich das Bild, dass die zuständigen Personalstellen ganz froh waren, dass Pröhl bei der I-Bank quasi geparkt war. Das zeugt von einer Personalpolitik, wie ich sie von der Landesregierung eigentlich nicht erwartet hatte.

(Beifall der Abgeordneten Lars Harms [SSW] und Wolfgang Kubicki [FDP])

Aufgaben, die nicht in das Muster alltäglichen Verwaltungshandelns passen - dazu gehörte ohne Zweifel die Beteiligung des Landes an der Weltausstellung -, fanden offensichtlich keine adäquate Andockstelle in der Ministerialstruktur. Das Gleiche galt übrigens auch für die Beschaffung eines Computerprogramms oder den Verkauf des Kieler Schlosses. Auch mit diesen Aufgaben waren Personen betraut worden, ohne sie in entsprechende Strukturen einzubinden. Das kann niemals Prinzip einer modernen Personalpolitik sein.

(Beifall bei SSW und FDP)

Wenn ich eine Schlussfolgerung aus den Untersuchungen des Ausschusses sicher ziehen kann, dann diese: Wer Personen mit Sonderaufgaben betraut, muss diese in verbindliche Rückkopplungen einbinden und ihnen unterstützende Strukturen mitgeben. Angesichts des Zuwachses an Sonderaufgaben, die teilweise sogar privatisiert werden, ist hier ein Umsteuern dringend notwendig. Ich möchte auf keinen Fall missverstanden werden, um auch das noch einmal klar zu sagen: Es geht dem SSW nicht um ein Mehr an Kontrolle. Ein preußischer Obrigkeitsstaat, der, wie die CDU fordert, der Ministerpräsidentin sogar die Lektüre vorschreibt, ist meines Erachtens weder erstrebenswert noch realistisch. Uns geht es um ein Mehr an Steuerung, auch an politischer Steuerung.

Ich muss noch einmal etwas zu den Umgangsformen sagen. Sie wissen, dass ich mich mit vielen Leuten duze und das auch ganz hemmungslos auskoste. Dass man sich nördlich der Grenze im Allgemeinen viel mehr duzt als südlich der Grenze, heißt aber nicht, dass dadurch keine Steuerung und kein Controlling stattfinden. Ich warne davor zu sagen, das sei nur möglich, wenn es bestimmte Umgangsformen gibt. In diesem Land gibt es Rotweinconnections, Bier- und Kömverbindungen und ganz viele Arten des Zusammenlebens.

(Zuruf des Abgeordneten Lothar Hay [SPD])

Das ändert nichts daran, dass Steuerung in der Personalpolitik gefordert werden muss. Ich wollte das ge